Kapitel 44

Ich hatte Katy und Lucy alles erzählt und die beiden mahnten zur Vorsicht. "Natürlich werde ich aufpassen!", sagte ich energisch, aber Katy guckte noch nicht ganz überzeugt. "Vielleicht solltest du doch überlegen zu Mr. Y zu gehen.", überlegte Lucy vorsichtig. Ich schüttelte überzeugt den Kopf. "Nein, nein, dafür reicht die Beweislage nicht aus. Warum die Pferde scheu machen, wenn wir uns nicht sicher sind?", fragte ich und Lucy schüttelte missbilligend den Kopf. "Falls etwas schief geht und ich morgen Nachmittag nicht mehr auftauche wisst ihr doch bescheid!", versuchte ich sie zu beruhigen. "Aber morgen hilft dir das nicht viel, wir werden näm-", setzte Katy an, aber Lucy stieß ihr zwische die Rippen. "Morgen ist leider ganz schlecht. Sieh einfach zu, dass nichts passiert!", sagte sie und ich schaute zwischen den beiden hin und her.

Dass Jack morgen nicht konnte, weil er eine Spur verfolgen musste erschien mir plausibel, aber dass Katy und Lucy beide auch nicht konnten war mir ein Rätsel. Was hatten sie bloß so wichtiges vor?

Ich harkte nicht weiter nach und beließ es dabei. Die beiden würden schon mit der Sprache herausrücken, wenn ihnen danach war. "Ich gehe dann mal. Ciao, Ciao.", sagte ich und winkte, bevor ich aus Katys Zimmer verschwand und mich nach einer ausgiebigen Dusche ins Bett fallen ließ. Kurz überlegte noch einmal in den Aufenthaltsraum zu gehen, um mit den Anderen etwas Fern zu sehen, aber verwarf diese Idee ziemlich schnell wieder. Morgen würde ein anstrenger Tag werden und da ich niemanden als Rückendeckung hatte würde meine Konzentration bis an ihre Grenzen gefordert werden. Mit dem Gedanken morgen ausgeruht zu sein schlief ich letztendlich ein.

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Ich stand an der verabredeten Ecke und sah dem Typen, dem ich soeben Amphetamin verkauft hatte hinterher. Der Handel hatte reibungslos geklappt und ich hatte die ganze Zeit über niemanden gesehen, der uns beobachtete. Aber das musste nichts heißen. In einem so großen Netzwerk waren sicherlich alles genaustens koordiniert und die Leute, die kommen und gingen konnten sich gegenseitig ablösen, sodass es so wirkte, als ruhte sich der alte Mann auf der Bank gegenüber von mir nur kurz aus, aber in Wirklichkeit wartete er, bis der nächste Spion über den Platz kam und ging erst dann.

Deshalb behielt ich nicht nur die scheinbar beschäftigten Menschen im Auge, sondern zählte auch in meinem Kopf leise den Abstand, indem sich neue Menschen auf beispielsweise die Bank setzten, ihre Schnürsenkel unauffällig zubanden oder extrem lange an ihrem Fahrradschloss herumdrehten.

Trotz all dem war mir niemand Verdächtiges aufgefallen, ausgenommen meinem Kunden, den ich jetzt mit Leichtigkeit wegen Drogebesitzes verhaften lassen könnte. Aber das würde natürlich dem eigentlichen Ziel meiner Mission nicht nur widersprechen sondern auch auffällig Schaden zufügen.

Ich sah zu, wie mein Kunde um eine Ecke bog und sah auf die geöffnete Anwendung Google Maps auf meinem Handy, um die kürzeste Route zu finden. Zweimal rechts und einmal links, dann wäre ich auf der Straße. Zum Glück gingen von ihr nur Sackgassen ab, was die Chance ihm wieder zu begegnen erhöhten. Erst hatte ich überlegt ihm direkt zu folgen, aber wenn meine Vermutung, dass mehr dahintersteckte stimmte, dann war es wohl klüger so zu tun, als würde ich ihren Köder fressen und hoffen ihn auf der Straße erneut anzutreffen.

Schnell joggte ich die besagte Route entlang und kam an der ersten Kreuzung zum Stehen. Ich verbarg mich kurz in einem Häusereingang und wischte mir mein Make - Up aus dem Gesicht. Dann öffnete ich den Pferdeschwanz und setzte eine Brille auf. So wirkte ich viel jünger und die Wahrscheinlichkeit von ihm erkannt zu werden war wenn auch nur minimal geringer.

Ich sah auf meine Handyuhr und hielt danach Ausschau nach dem Mann, der das Amphetamin hatte. Es dauerte länger als ich angenommen hatte. Ich hatte schon Angst ihn verpasst zu haben, da kam er um die Ecke und ich sah sogleich den Grund, weshalb er für die Strecke so lange gebraucht hatte. Auch er hatte sein Aussehen verändert. Statt der großen Daunenjacke trug der braunhaarige mittelalte Mann einen schickes Hemd und auch seine abgetragenen Schuhe hatte er gegen modische Anzugschuhe getauscht. Nirgendwo war ein Anzeichen für Drogenbesitz zu erkennen.

In meinem Kopf fing es sofort an zu rattern. Entweder hatte er die Drogen weiterverkauft oder hatte sich umgezogen, weil er vermutete, dass ich die Polizei verständigen würde. Bei Möglichkeiten erschienen plausibel, aber die Dritte, die ich hatte ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Er hatte es aus dem selben Grund getan, weshalb ich mein äußeres Erscheinungsbild auch verändert hatte: Die Chance von mir erkannt zu werden war geringer. Was ist, wenn er wusste, dass ich ihm folgen würde und er so von Hinten definitiv anders Aussah. Natürlich hätte ich ihn immernoch anhand seines Gesichts identifizieren können, aber nur, wenn ich, wie er vermutlich dachte hinter ihm gehen würde.

Noch ein bestätigtes Indiz für meine Theorie. Langsam wurde es wirklich merkwürdig. Der Mann ging über die Kreuzung und ich schritt aus meiner Deckung selbstbewusst hinter ihm her. Bloß nicht auffallen durch Unsicherheit. Ich musste so tun, als hätte ich ein bestimmtes Ziel vor Augen und ginge nur ganz zufällig hinter ihm.

Er lief eine Weile geradeaus weiter, bis er auf einen großen Parkplatz kam. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich an der gegenüberliegenden Straßenseiten an parkenden schwarzen Bus. Genauso einen, indem Jim und Julia immer die Einsätze bei Supermärkten koordinierten. Ideal für eine unauffällige Observation. War es vielleicht Brad oder jemand anderes aus dem Netzwerk, der mich überwachte? Nur nicht paranoid werden.

Ich folgte ihm über den Parkplatz in einen Netto. Er ging zielstrebig zu ein paar Regalen und um nicht aufzufallen ging ich einen anderen Weg. Ich sah nur noch ab und zu seinen Kopf in den verschieden Gängen auftauchen. Völlig Konzentriert blendete ich alles andere aus der Umgebung heraus, sodass ich prompt gegen jemanden lief.

Ich wollte mich umdrehen und ein 'Sorry' murmeln, aber dazu kam es nicht, denn die Person sprach mich vorher an.

"Maglen?", tönte es überrascht und ich sah auf. Vor mir stand mein Bruder Luke. "Luke!", sagte ich genauso perplex "Was machst du hier? Bist du auf einem Einsatz? Ich hätte nie gedacht, dass - ", plapperte er erstaunt weiter, aber er wurde von jemandem unterbrochen, der am Ende des Ganges erschienen war.

"Maglen?", tönte es erneut von einer überraschten Stimme und ich fuhr herum. Am Ende des Gangs stand niemand anderes als Jack. "Was machst du hier? Und wer ist das?", fragte er und ich blickte hektisch von ihm zu Luke und dann über die Regal hinweg. Der Kopf war verschwunden.

"Jack, ich verfolge gerade meinen Kunden von heute. Er muss hier irgendwo sein. Los, hilf mir suchen!", erklärte ich, aber Jack stand wie angewurzelt da. "Ist das dein Bruder? Was macht er hier mit dir?"

"Jack, das ist nicht wichtig. Jetzt komm." Ich zog an seinem Arm, aber bekam wieder keine Reaktion.

"Du bist mit ihm hier? Du bist mit dem FBI hier?", fauchte er wütend. Ich sah ihn verwirrt an. "Was? Nein, wie kommst du - ", setzte ich an und dann verstand ich, wieso mein Bruder und Jack zufälligerweise in dem gleichen Supermarkt waren. Katy und Lucy konnten heute ebenso wenig wie Jack. Die Geheimniskrämerei der beiden! Natürlich. Sie waren drauf und dran eine Supermarkt zu übernehmen! Ich ließ Jacks Arm abrupt los.

"Maglen? Luke, was macht sie hier?", sagte dann eine zweite Stimme hinter Luke und alle drei sahen zu mir. In was für ein Schlamassel hatte ich mich jetzt wieder hineinmanövriert?



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