Prolog - Cassian
--Cassian--
Wieso zur Hölle bin ich schon wieder hier?
Verschwitzt und mit hämmernden Herzen löse ich mich von dem zitternden Körper unter mir. Die letzten berauschenden Wellen des Höhepunkts verflüchtigen sich bereits und mein Verstand beginnt rasend seine Arbeit wieder aufzunehmen.
Ich höre Jules neben mir noch immer heiser keuchen. An normalen Tagen genieße ich diesen Klang. Ich weiß, dass ich gut bin und dennoch sehne ich mich jedes Mal nach diesen hörbaren Komplimenten.
Nur heute ist es anders.
Ich liege still da und warte auf den Moment, in dem sich Jules Körper in Richtung meines Badezimmers bewegt. Zehn weitere Atemzüge lang muss ich mich gedulden, bis der Typ schließlich mein Bett verlässt, um für seine Dusche ins Bad zu gehen. Ich warte, bis ich das Wasser rauschen höre und richte mich auf.
Sein Handy liegt auf seinem Nachttisch. Ich entsperre es mit dem einfachen Zahlencode, den ich Jules zuletzt habe eingeben sehen.
2-0-0-4. Nicht sein eigenes Geburtsjahr, immerhin.
Auf dem Hintergrundbild lächeln mich zwei fröhliche Gesichter an. Jules braune Augen haben diese typische Wärme, die nur dann auftaucht, wenn er von einer ganz bestimmten Person spricht, wie ich in den letzten Wochen unserer Zusammenarbeit feststellen konnte.
Der schwarzhaarige Junge neben ihm strahlt weniger hell als Jules. In seinem Gesicht steht eine seltsame Unsicherheit, die sein breites Lächeln trübt.
Ich öffne den Messenger. Wie zu erwarten ist der erste Chat mit eben diesem schwarzhaarigen Jungen geführt.
Kieran. Jules bester Freund und Mitbewohner.
Ich überfliege kurz ihre letzte Unterhaltung. Während Jules ohne Emoticons schreibt, finden sich in Kierans Nachrichten häufig Herzen und diese drei Punkte an fast jedem Ende eines Satzes.
Ist da etwa jemand verliebt? Wenn du wüsstest, was dein Jules gerade noch mit mir gemacht hat!
Warme Genugtuung erfüllt mich, weil Jules sich für mich entschieden hat. Abfällig betrachte ich das Gesicht auf dem Profilbild. Mit seinen tiefschwarzen Haaren, die ihm in die Stirn fallen und den dunkelblauen, von dichten langen Wimpern umrahmten Augen, wäre er ein ideales Model. Seine blassen Züge zeigen neben dieser Unsicherheit eine gewisse Melancholie und Verträumtheit.
Ich weiß sofort, welcher meiner Designer auf diesen Typus abfahren würde. Doch ich schweife ab.
Während ich hören kann, dass Jules im Badezimmer seinen Körper einseift, nehme ich mir mein eigenes Handy und schreibe mir Kierans Nummer auf. Dann öffne ich Jules Social-Media-Account und finde sofort Kierans Profil.
Ich bin ein wenig enttäuscht, als ich dort keine weiteren Fotos des hübschen Jungen finden kann und stattdessen nur unzählige Buchcover sein Profil füllen. Offensichtlich ist Kieran dem Fantasy-Genre verfallen und einer dieser Buchblogger. Ich schreibe mir den Account-Namen auf und schon in diesem Moment verstummt das Rauschen aus dem Badezimmer.
Sorgsam schließe ich die Apps und lege das Handy genauso zurück, wie es zuvor auf dem Nachttisch gelegen hat.
Mit dem Handtuch um seine Hüften gebunden, öffnet Jules die Badezimmertür. Er wirft mir ein Lächeln zu, bevor er sich seine Klamotten greift, die wir wild im Zimmer verteilt haben, als wir übereinander hergefallen sind.
"Ich muss gehen", sagt er und zieht das graue Shirt über den sonnengebräunten Oberkörper.
"Okay". Ich lasse meinen Blick noch einmal über seinen Körper gleiten, doch nun regt sich nichts mehr in mir. Wie so oft ist die Lust mit der Eroberung verflogen.
Ich hatte meinen Spaß mit Jules und er war besser als sein Vorgänger.
Aber das erste Mal ist auch das letzte Mal.
"Wann geht das Shooting morgen los?", fragt Jules. Sein Handy steckt er in die Hosentasche, ohne einen längeren Blick darauf zu werfen. Die wenigsten erwarten Spionage von einem One-Night-Stand.
"Um neun. Vergiss nicht, deine Kopfhörer mitzubringen, damit du hinterher das Video vor Ort noch schneiden kannst", erinnere ich ihn, da er die Kopfhörer beim letzten Shooting vergessen hatte.
Er nickt. Dann verlässt er mein Apartment.
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