Kapitel 23 - Younes

--Younes--

Das letzte Date ist einfach zu lange her, versuche ich mir einzureden und reiche Kieran ein Stück von den Brownies, die größtenteils sein Werk sind.

"Sie sind sehr lecker", bekundet er zufrieden lächelnd.

"Die Backzeit ist entscheidend. Wenn man sie zu spät aus dem Ofen holt, werden sie zu trocken", erkläre ich und Kieran nickt kauend.

"Du bist chaotisch beim Backen", stellt er fest. Ich folge lächelnd seinem Blick zu der voll gestellten Küche.

"Im Café muss alles an seinem Platz sein, aber hier brauche ich ab und zu diese Unordnung. Du standest bisher nicht so oft in der Küche, oder?"

Kieran schüttelt den Kopf und isst den letzten Rest seines Brownies.

"Ich habe immer gedacht, bei mir würde einfach alles schiefgehen, wenn ich es probiere", sagt Kieran. "Außerdem hat es mir nie jemand gezeigt", fügt er etwas leiser hinzu.

Ich denke an seinen Vater, von dem er erzählte, dass er sechs Tage die Woche in der Nachtschicht arbeitet.

"Wenn du möchtest, kannst du mir auch beim nächsten Mal wieder helfen", schlage ich vor.

"Gerne."

Wir machen uns an den Abwasch, bei dem ich sorgsam darauf achte, Kierans Hände nicht aus Versehen zu berühren, wenn er mir etwas zum Abtrocknen reicht.

Mir fällt bald auf, dass er immer häufiger zu der Uhr an der Wand sieht.

"Morgen ist dein erster Tag bei Cassian", erinnere ich mich und nehme Kieran das saubere Blech ab.

"Der Job ist etwas anders, als ich mir vorgestellt habe."

"Was hast du dir denn vorgestellt?"

Kieran wirft mir einen kurzen, abschätzenden Blick zu, bevor er antwortet.

"Ich dachte, ich könnte wie zuvor für mich sein, während ich an den Videos schneide. Aber Cassian möchte, dass ich bei seinen Shootings dabei bin und von dort aus arbeite. Warum auch immer er meint, dass das Sinn macht."

"Es spart Zeit", vermute ich. "So kann er dir in den Pausen des Shootings ein Feedback geben. Ihr wärt enger in Kontakt für den inhaltlichen Austausch. Das ist bestimmt gerade zu Beginn einfacher, für beide Seiten."

Kierans Blick verfinstert sich und mir wird klar, dass er nicht wirklich eine Antwort auf seine Frage gesucht hat.

"Ich bin nicht gerne unter so vielen fremden Menschen", gibt er so leise zu, dass ich ihn fast nicht verstehe.

"Warum nicht?"

Die Frage entkommt mir, bevor ich mich zurückhalten kann. Doch Kierans plötzliche Offenheit ist dieses Mal nicht nur von kurzer Dauer.

"Ich fühle mich einfach nicht wohl. Es könnte zu viel passieren."

Nachdenklich mustere ich Kieran, der nun dabei ist, die Rührschüssel zu säubern.

"Was könnte denn passieren?"

Mein Mitbewohner hält beim Abwaschen inne und sieht mich jetzt wieder mit dunklen Augen an.

"So jemand wie du könnte passieren."

Ich lege fragend den Kopf schief.
"Wie ich?"

"Jemand, der zu viele Fragen stellt."

Ich starre Kieran verblüfft an.
Ich habe dir nicht einmal ein Prozent der Fragen gestellt, die mir eigentlich auf den Lippen brennen.

"Ich versuche nur", beginne ich, doch Kieran unterbricht mich.

"Mich besser kennenzulernen. Ich weiß. Aber für mich ist das einfach ... zu viel."

Kieran schenkt mir ein kurzes, entschuldigendes Lächeln. Ich nehme ihm die Schüssel zum Abtrocknen ab und verfluche erneut meine Direktheit.

"Du bist mit Cassian befreundet, oder?", fragt Kieran nach einem langen Schweigen.

"Wir haben zusammen studiert", erzähle ich. "Und seitdem sind wir befreundet."

"Was magst du an ihn?"

Ich stelle die trockene Schüssel in den Schrank zurück.

"Er ist unkompliziert", antworte ich. "Und er ist für einen da, wenn man ihn braucht."

"Unkompliziert?", wiederholt er leise für sich. Ich bemerke meinen Fehler, während Kieran sich in diesem Moment von meiner unausgesprochenen Kritik getroffen zu fühlen scheint.

Du weißt also, dass du es den anderen mit deiner abweisenden Art nicht leicht machst. Du legst ihnen bewusst Steine in den Weg, damit sie dir nicht zu nahe kommen können.

Weil du Angst hast.

"Kieran", sage ich wieder, damit er mich ansieht. Ich halte seinen Blick fest.

"Ich werde dir nicht wehtun", verspreche ich aus einem plötzlichen Impuls voller Mitgefühl heraus.

Was immer dir widerfahren sein mag – ich möchte nicht, dass du glaubst, all das Schlechte würde sich mit mir wiederholen.

Kieran hält mitten in der Bewegung inne. Sein Blick huscht unruhig über mein Gesicht, als suche er nach der lauernden Gefahr und nach all den Lügen, die ihm einst vielleicht erzählt worden sind.

"Okay", sagt er zögernd und reicht mir das abgewaschene Besteck.

"Du bist merkwürdig", stellt er fest. "Aber auf eine nette Art."

Er lächelt mich an und in diesem Moment weiß ich, dass die erste Eisschicht zwischen uns endlich zu bröckeln beginnt.

"Und du bist auf eine interessante Art kompliziert", kontere ich. Wieder ist meine Zunge schneller als mein Denken.

Kieran lacht auf und dann landen nasse Schaumklekse auf mein Gesicht. Verdient.

"Für den Rest lasse ich dich allein. Ich will das Kapitel noch zu Ende lesen", sagt er und schon ist er mit seinem Buch in den Armen verschwunden.

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