Kapitel 16 - Younes

--Younes--

Ich nicke mechanisch, noch unsicher darüber, wie ich mit dieser plötzlichen Vertrautheit vonseiten Kierans Vater umgehen soll.

"Er wirkt etwas kalt, nicht wahr?", fragt er mich nun.

Etwas kalt ist noch untertrieben.

"Ich nehme an, er ist einfach ein wenig schüchtern", sage ich und frage mich, warum ich das Bedürfnis habe, Kieran zu verteidigen.

"Mein Sohn zieht sich oft auf ungesunde Weise zurück, weshalb ich ihm auch dazu geraten habe, in eine WG umzuziehen. Er kann nicht besonders gut auf sich aufpassen."

"Warum erzählen Sie mir das?", will ich wissen. Am liebsten würde ich die Küchentür wieder aufmachen und dieses merkwürdige Gespräch beenden. Doch Jacques wirkt einfach viel zu ernst.

"Wenn irgendetwas vorkommen sollte, mit dem du nicht zurechtkommst, ruf mich bitte an."

Er holt einen zusammengefalteten Notizzettel aus seinem Portemonnaie und schiebt ihn mir über den Tisch zu. Ich rühre den Zettel nicht an.

"Was sollen das für Situationen sein?", frage ich. Vielleicht ist mein Tonfall zu scharf, denn Jacques wirkt plötzlich unsicher. Er kaut auf seinen Lippen herum und wendet den Blick ab. Da ist die Ähnlichkeit mit seinem Sohn.

Es vergehen einige schweigende Sekunden und ich glaube schon, dass der Mann nicht mehr antworten wird. Doch dann scheint er sich zusammenzunehmen. Sein Blick ist wieder fest.

"Er schlafwandelt. Er hat manchmal heftige Alpträume. Und ich gehe davon aus, dass in der nächsten Zeit beides häufiger vorkommt, weil ... er sich in einem neuen Umfeld zurechtfinden muss."

Mit fiesen Alpträumen kenne ich mich aus. Also eine erste Gemeinsamkeit zwischen uns, Kieran.

"Okay", sage ich und nehme den Zettel an mich.

"Danke, dass Sie mich vorgewarnt haben. Ich werde schon wissen damit umzugehen", versichere ich. Auf Jacques Gesicht zeigt sich sofort Erleichterung. Ich denke zurück an die Fachbücher im Auto.

"Was machen Sie beruflich?", frage ich.

"Ich bin Krankenpfleger."

"In der Psychiatrie?", füge ich fragend hinzu, weil ich mich an die Titel der Bücher erinnere. Jacques' Sorge um seinen Sohn scheint darauf hinzudeuten, dass er sich bereits sehr viele Gedanken um Kieran gemacht hat und zu der einen oder anderen, vielleicht auch vorschnellen, Einschätzung gekommen ist.

Er nickt.

"Ich melde mich, falls etwas sein sollte." Ich stehe von meinem Platz auf und Kierans Vater tut es mir gleich.

"Danke. Ich verabschiede mich noch von ihm", sagt er und verlässt die Küche. Aus dem Flur höre ich das Klopfen an Kierans Tür, die einen kurzen Moment später geöffnet wird. Ich verweile in der Küche, um Vater und Sohn allein zu lassen.

Ich hoffe, dass ich soeben nur einer aus Liebe und Angst resultierenden, väterlichen Sorge begegnet bin und die Nummer niemals wählen muss.

Außerdem beschließe ich, Kieran so bald wie möglich über dieses eben stattgefundene Gespräch mit seinem Vater aufzuklären. Es erscheint mir nicht gerecht, hinter einer verschlossenen Tür über ihn gesprochen zu haben.

Nach zwei Stunden klopfe ich also meinerseits an Kierans Tür. Er bittet mich sofort hinein.

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