Kapitel 14 - Younes
--Younes--
Am nächsten Morgen bin ich früher als sonst im Café. Wie jeden Morgen kümmere ich mich um die Kasse, stelle den von mir gebackenen Kuchen aus und dekoriere die Tische mit frischen Blumen aus dem Blumenladen nebenan.
Es ist alles wie gewohnt, dennoch fühlt sich an diesem heutigen Morgen irgendetwas fremd und anders an. Als Marlaine und Imra schließlich eine halbe Stunde später das Café betreten, bin ich froh um die Gesellschaft.
Ich kläre sie kurz über die aktuelle Kuchenkarte auf und welche Reservierungen anstehen, während sie ihre Mäntel und Taschen ablegen und ihre Schürzen um die Körper schnüren.
"Du siehst heute irgendwie müde aus", bemerkt Marlaine und bindet sich ihre rotblonden Haare zusammen.
"Ich habe gestern Abend vier Kuchen gebacken." Ich weise auf die Auswahl in unserer Kuchentheke.
"Jetzt sag schon, Youni. Wie war der gestrige Bewerber?", fragt meine Schwester. Wie immer ohne Umschweife zum Wesentlichen.
"Bekommen wir einen neuen Kollegen? Ich dachte, wir können aus finanziellen Gründen niemanden einstellen?", fragt Marlaine und sieht zwischen mir und Imra hin und her.
"Nein, es geht um meinen künftigen WG-Mitbewohner", sage ich. Ich kläre Marlaine kurz über Imras und meine Idee auf, das Geld für die Renovierung selbst anzusparen. Da Marlaine an dem Tag des Rohrbruchs im Café war, ist sie von der Verschiebung der Reparatur nicht sofort begeistert.
"Hoffentlich halten die Leitungen wirklich so lange."
"Das wird schon!", beruhigt Imra in ihrer gewohnt optimistischen Art. "Und jetzt erzähl, Youni! In einer viertel Stunde kommen die Gäste und ich will wissen, wie sich dein erster Bewerber geschlagen hat."
"Er hat gestern schon den Mietvertrag unterschrieben."
"Wie bitte?" Imra starrt mich voller Unglauben mit großen Augen an.
"Der muss dich ja umgehauen haben", kommentiert Marlaine schmunzelnd.
Bevor Imra ihre warnende Rede über die Vorteile einer Auswahl an WG-Bewerbern wiederholen kann, fahre ich fort. "Cassian hat den Jungen, der auf der Ausstellungseröffnung vor meinem Foto stand, tatsächlich eingestellt. Und zufälligerweise sucht dieser Junge nach einer WG."
"Oh mein Gott", sagt Marlaine. "Das ist ein Zufall zu viel."
Imra schweigt und sieht mich nachdenklich an.
"Er kann gleich heute einziehen und das Zimmer so beziehen, wie es ist", erzähle ich weiter.
Marlaine zieht sich hinter den Tresen zurück, um sich den weiteren Vorbereitungen zu widmen. "Ich finde es super, dass du so schnell jemanden gefunden hast", sagt sie über das Zischen der Kaffeemaschine hinweg, die sie nun einstellt. "Umso schneller jemand einzieht, desto schneller kann es hier mit der Renovierung losgehen."
Ich nicke und bin dankbar für Marlaines bestätigende Worte. Die Zweifel daran, das Richtige getan zu haben, nagen noch immer an mir und hielten mich in der Nacht vom Einschlafen ab.
"Okay, ich denke nicht, dass ein schüchterner Charakter dir viele Probleme bereiten wird", wirft Imra ein und spielt auf Cassians Bemerkung über Kieran an.
Trotzdem hält sie mir in den nächsten fünf Minuten einen Vortrag darüber, wie wichtig es gewesen wäre, eine bedachte Auswahl zu treffen. Nach ihrem Auszug aus meiner Wohnung hat sie selbst ein halbes Jahr in einer Vierer-WG gelebt und ist mit einigen ihrer Mitbewohnerinnen häufig aneinandergeraten.
Ich lasse Imra reden, während wir beide die Tische vor dem Café mit den kleinen Blumenvasen und die Stühle mit Sitzkissen ausstatten. Als wir die ersten Gäste auf das Café zulaufen sehen, hält mich meine Schwester noch einen kurzen Moment zurück, bevor ich mich für die Begrüßung am Eingang in Position stellen kann.
"Er hat dir schon auf der Party gefallen, oder?"
"Das ist nicht der Grund, warum ich ihm zugesagt habe."
Imra lacht und zwinkert mir neckend zu, bevor sie ins Café geht.
Erst als ich die ersten Gäste an ihre reservierten Tische führe, geht mir auf, dass ich Imras Behauptung nicht widersprochen habe.
Er gefällt mir nicht auf diese Weise, sage ich mir selbst und sehe wieder dunkle Augen und ein blasses Gesicht vor mir.
Dennoch kann ich nicht leugnen, dass mich Kierans seltsam düstere Ausstrahlung neugierig macht und ich mich von ihr angezogen fühle.
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