15 • Ciana
"Ich möchte dir etwas zeigen."
Xavian führt mich zielstrebig zwischen den Häusern und Villen der Main Town hindurch, während ich nur schweige. Habe ich denn eine andere Wahl? Er zahlte, ich muss mich fügen. So einfach ist das. Und doch so schwer, weil seine Intentionen genauso wenig durchschaubar sind wie die Buchstaben seiner Notiz. Was würde ich jetzt dafür geben, um zu wissen, was er mir geschrieben hatte!
"Wir sind gleich da", fährt er fort.
Ich blicke mich unsicher um. Nur Häuser ringsherum, vor uns der Ansatz einer beleuchteten Brücke über dem Frozen River. Überall sind die Fenster dekoriert, liebevoll von sorgenfreien Kindern gebastelt und mit Lichterketten versehen. Inmitten dieses Wohlstandes nun also ich - so fehl am Platz wie die Sonne in der finstersten Nacht.
Doch anstatt mit mir den Fluss zu überqueren, deutet er mir an, eine schmale Treppe am Rand hinunter zu gehen. Mit Blick auf die mit einer frischen Schneeschicht bedeckte Eisfläche zucke ich zurück. Was will er am Frozen River? Im Schatten der Brücke? Hat er etwa vor, dort meine Dienste einzufordern? In aller Öffentlichkeit und doch völlig unbemerkt?
"Warum zögerst du?"
Er schubst mich nicht, drängt mich genauso wenig, sondern steht einfach vor mir und legt fragend den Kopf schief. Dabei versuche ich gar nicht erst, weiter als bis zu seinem Kinn zu schauen. Hier ist kein Spiegel, der meinen Willen rettet. Hier kann er mit nur einem Blick die Kontrolle übernehmen. Als ob er sie nicht schon den ganzen Abend hätte.
"Ist dort unten die Antwort auf das Und dann?"
"Ich werde dich nicht an einem dreckigen Brückenpfeiler nehmen, Ciana." Seine Hand weist nochmals zur Treppe. "Die Antwort ist nicht dort, nein. Das ist immer noch Teil des Spaziergangs."
Nicht wirklich beruhigend.
Ich gebe mir einen Ruck, steige die Treppenstufen vorsichtig hinab, um auf dem noch unbetretenen Schnee nicht auszurutschen, und bleibe am Ufer stehen. Xavian huscht an mir vorbei, direkt auf den zugefrorenen Fluss und bietet mir seine Hand an.
"Komm."
Gebrochene Beine haben mir gerade noch gefehlt. Denn so sicher er sich auf dem Eis bewegen mag, umso tollpatschiger werde ich mich anstellen. Eislaufen ist zwar kein Privileg, dennoch nichts, womit ich Erfahrung habe. So sehr es mir jedoch vor einem Sturz graut, kann ich mir eine Verweigerung nicht leisten.
Anstatt seine dargebotene Hand zu ergreifen, setze ich einen bedachten Schritt in den knirschenden Schnee und konzentriere mich auf mein Gleichgewicht. Xavian gleitet ein paar Schritte zurück, gestattet mir meinen Freiraum und doch ist da noch immer seine Hand, als würde er jeden Moment zugreifen, sollte ich rutschen.
"Schau nicht auf deine Schuhe."
Ich schnaube. "Lass mich raten: in deine Augen?"
Zu meiner Überraschung folgt keine schnippische Antwort oder eine Demonstration seiner Macht.
"Nein. Binde dir das Tuch um."
Nur widerwillig streife ich mir den Stoff vom Handgelenk. Xavian hätte schon Gelegenheit genug gehabt, um mir zu schaden, hat keine davon genutzt, aber er ist dennoch ein Adler. Ich vertraue ihm keineswegs. Fast noch weniger, wenn mir mein kompletter Sehsinn verloren geht.
"Zufrieden?"
Ich rücke das schwarze Tuch zurecht und hebe den Kopf zu dem Punkt, wo er eben noch stand.
"Jetzt die Füße nebeneinander, nicht voreinander setzen."
Ich befolge seinen Anweisungen, raffe die hauchdünne Schneeschicht neben meinen Schuhen zusammen und spüre das spiegelglatte Eis unter mir.
"Langsam", redet er auf mich ein, als ich mich in Bewegung setze. Adrenalin pumpt durch meine Adern, derweil mir ein vorsichtiges Lächeln auf die Lippen schlüpft. Weil er mir genau die Tipps gibt, damit ich nicht ausrutsche und die Ruhe bewahre.
"Nicht zu sehr in Rücklage", fährt er fort, seine Stimme so nah bei mir, dass uns vermutlich nur eine Armlänge trennt. Ich will meine Hand nach ihm ausstrecken, nicht, weil ich Halt suche, sondern weil ich sicher sein muss, dass das hier keine Illusion ist, doch ich verbiete es mir.
Er ist ein Adler. Und damit genau der Grund, warum Fenix sich möglicherweise vor Schmerzen unter seiner Decke windet. Ich kann die Gesellschaft definitiv nicht für Maladis verurteilen, aber für den Reichtum, den sie sich auf Kosten des Proletariats erspielten, und der Armut, in der sie uns zurückgelassen haben.
Und ich kann mich dafür verurteilen, dass ich tatsächlich ein wenig Wärme in meiner Brust empfinde, weil dieser Moment mit Xavian so bedrohlich und zugleich wohltuend ist, dass ich jede Sekunde genieße. Dabei könnte Fenix gerade vor Schmerzen weinen, nach meinen Armen lechzen und-
"Woah. Ganz ruhig." Xavians Hand packt mich am Ellenbogen, bevor ich stürzen kann, stabilisiert mich und lässt selbst dann nicht los, als ich mein Gleichgewicht wiedergefunden habe. Vielleicht auch, weil ich selbst meine Finger in seinen Unterarm kralle und meinen Puls noch nicht unter Kontrolle habe. Ich sollte mich besser konzentrieren. "Ich lasse dich nicht fallen, Ciana."
Obwohl ich ihm nicht in die Augen schauen kann, höre ich die Seriosität in seiner Stimme. Er meint es wahrhaftig so. Ein kleiner Teil in mir möchte ihm glauben können. Doch die Vernunft quetscht sich zwischen diesen Teil und meinem Herzen. Noch ehe ich aber auf Abstand gehen kann, wandern seine Finger meinen Unterarm entlang, bis sie sich zwischen meine drängen. Vorsichtig setzt er sich in Bewegung und zieht mich mit sich.
Ich lasse all seine Tipps durch meinen Kopf spulen, brauche mehrere Anläufe, um einen gleichmäßigen Schritt gefunden zu haben. Doch dann ist es wie schweben. Als wäre das Eis eine Windböe, in der ich mich treiben lassen kann.
Ich löse meine Hände von ihm, behalte den Rhythmus bei und kann das mich überwältigende Lächeln einfach nicht mehr zurückhalten.
"Das ist ..."
Wunderschön. Berauschend. Pures Glück. Mein Herz scheint vor Wärme zu glühen und ich liebe jeden noch so feurigen Herzschlag davon.
"Befreiend?"
Ich nicke, während sich das Grinsen auf meinem Mund einnistet. Befreiend, ja das ist es. Wenn auch nur für diesen Moment. Ich brauche dieses Gefühl, würde mich am liebsten darin einwickeln und nie wieder hervorkriechen. Ein Ton der Euphorie dringt über meine Lippen, ein Zeichen meines Glückes, das ich nicht verdient habe.
Ich bin so eine verflixte Egoistin. Wie kann ich mir diesen Rausch erlauben, wenn Fenix niemals so etwas erleben wird? Viel schlimmer - wenn er genau jetzt am anderen Ende der Stadt leidet?
Abrupt bremse ich ab. Das hier ist falsch. Es sollte Arbeit sein. Ich sollte es nicht mögen, erst recht nicht genießen.
"Was ist los?"
Xavian ist meine plötzliche Zurückhaltung nicht entgangen.
"Wir sollten nicht hier sein."
Nur das leise Knirschen des Schnees neben seinen Schuhen verrät, dass er sich mir nähert. "Warum? Weil ich ein Adler bin?"
"Nein", ringe ich mir ab, dabei ist es weder die Wahrheit, noch eine Lüge. Dann sprudeln all die offenen Fragen aus mir hervor. "Ja. Doch. Ich weiß nicht. Ich verstehe nicht. Was du willst, was du nicht willst. Warum du mich nicht meldest, warum du mir den Schuh schickst und warum wir jetzt gerade hier auf dem Eis spazieren gehen. Ich verstehe dich nicht!"
Xavians Schweigen ist nicht gut. Weil ich nicht einschätzen kann, ob ich es zu weit getrieben habe, er mir gleich die Klamotten vom Leib reißt und sich seine Leistung abholt. Oder ob da wieder etwas folgt, womit ich nicht rechne.
"Woher kommt der Name Cat?"
"Wie bitte?"
Ich kann ein überraschtes Aufkeuchen nicht verhindern.
"Sie nannten dich Cat. Warum?"
Das ist seine Reaktion? Eine feige Gegenfrage?
"Du bist..." Nervenaufreibend. Mysteriös und doch unwiderstehlich. "...unausstehlich", zische ich.
Er ist mir so nah, dass ich seinen Atem auf meinen Wangen spüren kann. "Du weichst aus."
"Ich verfahre nach deinem Muster", entgegne ich trocken.
"Na schön." Ich zucke zusammen, als er mich an der Hand berührt. Behutsam, wie jedes Mal, wenn er meine Verletzung streift. Dann finden wir wieder in einen langsamen Rhythmus, Fuß für Fuß. "Du eine Frage, ich eine Frage, okay?"
Ich eine Lüge, er vielleicht ein Fetzen Wahrheit - woher soll ich denn auch wissen, ob seine Antworten nicht genauso ausweichend werden wie meine?
"Gut", stimme ich zu. "Warum sind wir hier?"
Er zögert kaum merklich und doch verrät ihn sein Daumen, der gedankenverloren über meinen Handrücken streicht.
"Weil ich gezahlt habe."
Ich schüttele den Kopf. "Ich meine nicht den Spaziergang, sondern warum?"
Dieses Mal braucht er länger und ich ahne, dass er damit kämpft, sich erneut der Wahrheit zu entwinden.
"Ich möchte dich kennenlernen."
Mein glühendes Herz explodiert gleich. "Aber kennst du nicht schon genug Leute?"
"Eine Frage", erinnert er mich an unsere Regeln.
"Gib mir eine zufriedenstellende Antwort."
Als er dieses Mal spricht, glaube ich das amüsierte Grinsen in seiner Stimme mitschwingen zu hören. Ob es meiner Starrköpfigkeit oder reiner Belustigung geschuldet ist, kann ich jedoch nicht beurteilen.
"Du kennst die Antwort schon. Ich kann nicht zusehen, wie du unter der Last leidest. Auch wenn ich deine Last nicht kenne."
"Ich bin nicht hilfsbedürftig!", entgegne ich aufgebracht. Ihm diesen Eindruck zu geben, war nicht das Ziel. Nichts an ihm war das Ziel. Weder, dass er mich beim Einbruch erwischte, noch im Zirkus auftreten sah und erst recht nicht, dass er in der Bar auftauchte. Wenig verwunderlich, dass er so über mich urteilt.
"Ich meine damit nicht, dass du schwach bist." Er seufzt schwer, als würde ihn mein Gedankengang schockieren. "Du bist eine Kämpferin. Für wen oder was auch immer du mit deiner ganzen Seele kämpfst, es muss eine Ehre sein, dich an seiner Seite zu wissen. Aber jeder stößt an Grenzen, auch du. Lass mich dir helfen."
Mein Atem geht stoßweiße. Ich brauche einen Moment, um seine Worte zu verdauen.
Lass mich dir helfen.
Als wüsste er, was ich hören muss, um vor ihm fast in Tränen auszubrechen. Als hätte er mit angesehen, dass ich mich die letzten Tage völlig schlapp aus dem Bett quälte und nachts in mein Kissen weinte, weil ich nicht mehr weiter weiß. Ich zehre jede Stunde von meinen letzten Kräften und lechze nach nur einem einzigen, sorgenfreien Tag. Aber Maladis wütet in Fenix' zerbrechlichem Körper unentwegt weiter. Es gibt keinen Tag Pause.
"Und wie genau soll das hier helfen?", frage ich leise, kaum mehr als ein Flüstern, weil ich meiner Stimme nicht traue.
"Eine Frage." Nun muss ich mich doch einmal geschlagen geben. "Woher kommt der Name Cat?"
Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Wie schafft er es so schnell meine Laune durcheinander zu wirbeln?
"Das interessiert dich wohl echt brennend."
"Mich interessiert, was du sonst noch anstellst, um dir deine Spitznamen anzueignen."
Provozierend lege ich den Kopf schief. "Wer sagt, dass mehr dahinter steckt?"
"Ist das nicht der Sinn von Spitznamen? Weil man etwas mit der Person verbindet?"
Verbindet er mit Cinderella nur meinen verlorenen Stiefel oder wird er augenblicklich an den Einbruch erinnert? Vermutlich macht er keinen Unterschied.
"Ich habe früher einmal ein Katzenjunges von einem Baum geholt, weil es selbst nicht mehr herunter kam." Ich umfasse seine Hand fester, als mir mein linkes Bein wegrutscht und es mich fast hingelegt hätte. Fast. Denn er hält sein Wort und lässt mich nicht fallen. "Dabei bin ich vor den Augen meiner Freundinnen gestürzt, unglücklich auf einen Stein gefallen und habe wohl eines meiner sieben Leben bereits aufgebraucht. Immerhin hatte ich nicht mehr als ein wenig Kopfschmerzen."
"Also hatte ich Recht", höre ich ihn sagen und bin erstaunt, wie zufrieden er über seine gezogenen Schlüsse klingt. "Du kämpfst für das, was dir wichtig ist."
"Das war doch nichts Besonderes", widerspreche ich schulterzuckend.
"Und warum haben deine Freundinnen dann nur zugeschaut?"
"Weil...", setze ich an und verstumme. Ich kenne die Antwort nicht. Anya und die anderen Beiden haben den Spitznamen anfangs weniger aus Bewunderung genutzt, da ich töricht genug war, für ein Katzenjunges mein Leben aufs Spiel zu setzen und doch scheint ein wenig Respekt darin zu liegen, je länger ich darüber nachdenke. "Weil jeder sich selbst der nächste ist, vermutlich."
"Nur du nicht", murmelt er, sein Daumen malt wieder Kreise auf meinen Handrücken.
"Offensichtlich auch nicht du", wispere ich. Denn er ist es, der mir Hilfe anbietet, sonst keiner. "Also - wie soll das hier helfen?"
Er kann unmöglich wissen, wie hauchdünn ich gerade tagtäglich an einem Kollaps vorbeischramme, wie sehr mich mein verlorener Job im Zirkus tatsächlich belastet. Von Fenix hat er noch nicht einmal eine Ahnung.
"Ich sehe dich, Cinderella."
"Natürlich tust du das." Es klingt gereizter als beabsichtigt. "Immerhin hast du nichts vor mir zu befürchten."
"Ich meine nicht mit den Augen", entgegnet er ruhig. Seine Finger lassen mich für einen Moment los, dann spüre ich, wie sie sich an meiner Schläfe unter die Augenbinde schieben und mir den Stoff vom Kopf ziehen. Reflexartig kneife ich meine Augen zusammen. "Ich sehe, was nicht für Augen bestimmt ist. Deinen Kampf und deinen Schmerz. Und ich werde nicht wegschauen."
Doch, verdammt, er weiß es. Vielleicht mag er Fenix nicht kennen, vielleicht ahnt er auch nicht, dass mir meine Diebstähle weggefallen sind, doch er weiß, wie es mir geht. Das ist ... eine Katastrophe.
"Du irrst dich", bringe ich hervor und sammele alle Kraft in meinen Stimmbändern, um es halbwegs glaubwürdig wirken zu lassen. "Mir geht es gut."
Die Lüge ist mir so oft über die Lippen geglitten, dass sie sich schon fast nach Wahrheit anfühlt.
"Hör auf, dort zu arbeiten", wendet er plötzlich ein.
"Nein." Ich werde meine Zunge davor hüten, eine Rechtfertigung zu formulieren.
"Das bist nicht du."
"Du kennst mich nicht!", warne ich ihn. Er muss seine Grenzen deutlich zu spüren bekommen. "Ich arbeite gerne dort."
"Dann geh auf die Knie und mach dich an die Arbeit."
Sein Ton hat sich schlagartig verändert. Nichts ist mehr übrig von dem Mann, der hinter meine Fassade blicken kann und Verständnis zeigt. Jetzt ist er ein Adler, der seine Macht ausnutzen möchte und mich dies eisern wissen lässt. Mich überrascht, dass er mir nicht qualvoll meine Augen aufreißt und sich einfach nimmt, wonach ihm ist. Vermutlich gefällt es ihm mehr, wenn ich nicht eine Puppe bin, die er sich so formt, wie er verlangt, sondern wenn unter dem Gehorsam der Widerstand in mir brodelt und ich mich doch fügen muss.
"Aber du sagtest-"
"Ich habe bezahlt", unterbricht er mich emotionslos. "Ich wiederhole mich nicht."
Ich möchte nicht um Gnade flehen, aber ich verstehe seinen Sinneswandel nicht. "Xavian..."
Er packt mich an den Haaren und zwingt mich zu Boden. Panisch reiße ich die Augen auf, blicke genau auf den Gürtel vor mir. Ihn hier mitten auf dem Eis in aller Öffentlichkeit befriedigen zu müssen ist noch erniedrigender, als es in dieser Bar wäre.
Die Gassen mögen zwar um diese Uhrzeit verlassen sein, dennoch kann jederzeit jemand seinen Hund Gassi führen oder aus dem Fenster spicken. Ohnmächtig schüttele ich den Kopf, doch er lässt nicht locker.
"Bitte nicht."
Sein Griff brennt bis in meinen Haaransatz und treibt mir Tränen in die Augen. Oder ist es meine Verzweiflung, die sich an die Oberfläche drängt?
"Nicht hier oder gar nicht?"
Ich hasse mich dafür, dass mir ein Schluchzen entflieht.
"Nicht hier", lüge ich, obwohl alles in mir gar nicht schreit. Er kauft es mir nicht ab. Wie denn auch, wenn nicht einmal ich selbst mir glaube?
Seine Finger lösen sich von meinen Haaren, streichen sie behutsam glatt.
"Schau mich an." Ich blinzele, halte die Tränen der Demütigung zurück und versuche, seine nun sanfte Stimme einzuordnen. So sehr er auch mit mir spielt, werde ich jeden Blickkontakt vermeiden. Als ich jedoch nicht auf seine Worte reagiere, geht er kurzerhand vor mir auf die Knie. Ich neige den Kopf zur Seite, damit ich gar nicht erst in Versuchung komme, ihm Folge zu leisten. "Ciana."
Er wartet darauf, dass ich ihn anschaue. Doch ich bleibe stur. Heute Nacht werde ich sicherlich nicht meinen Willen an ihn verlieren.
"Hör auf, dich selbst zu belügen. Bitte. Du schadest dir nur selbst." Er hebt mein unversehrtes Handgelenk an und streift mir das Tuch darüber. "Diese Bar ist nichts für dich. Schone deine Hand und kehre in ein paar Wochen wieder zurück in den Zirkus. Aber bitte, verkaufe deinen Körper nicht."
Xavian gibt mir die Zeit, die ich brauche, bis mich der Schock wieder verlassen hat. Doch die Furcht bleibt.
"Ich kann nicht", flüstere ich und verstecke die zitternden Hände zwischen meinen Schenkeln.
"Du bist krank."
Natürlich muss er das denken. Schließlich stand ich vor der Vitrine, als er mich beim Einbruch ertappte. Manchmal wünschte ich mir, Maladis hätte mich getroffen. Doch dann denke ich daran, wie Fenix um uns kämpfen müsste und das ist kein Stück besser. Aber wenigstens hätte er die Möglichkeit, etwas zu führen, was man ansatzweise ein Leben nennen kann.
Träge schüttele ich den Kopf, weil ich nicht mehr die Kraft für Worte habe. Xavian legt mir einen Finger unter das Kinn und dreht mein Gesicht zu sich. Ich schließe die Augen, bevor sich unsere Blicke begegnen können, weil noch immer die Angst in mir kauert.
"Wenn es dir Vergnügen bereitet, dann nimm dir diese Nacht frei und gehe morgen wieder zurück. Wenn nicht, dann rede mit mir, Ciana."
Ich sollte gehen. Ich sollte so tun, als würde mir die Bar gefallen. Aber der kleine Teil in mir, der sich nach der Wärme in meiner Brust sehnt, verbietet es mir.
"Okay."
Ich öffne meine Augenlider nur so weit, bis ich seinen Mund sehe, um mir keine Reaktion entgehen zu lassen. Ein erleichtertes Lächeln schleicht nun über seine Lippen.
"Okay", wiederholt er und zieht mich mit sich in die Höhe. "Dann lass uns erst einmal ins Warme gehen. Nicht zu meinen Eltern, keine Sorge."
"Und dann?"
Xavian drückt meine Hand und da ist es wieder - diese so zerbrechliche Wärme tief in meinem Herzen. "Kein und dann. Nichts, wovor du Angst zu haben brauchst."
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