Verwirrung / Kapitel 15

Cara's POV:

Ratlos saßen wir drei schließlich erneut in der Ferienwohnung. Seitdem wir Merle und Mika angerufen hatten, waren schon wieder zwei Stunden vergangen und keiner der Beiden hatte sich bei uns gemeldet. So langsam machten wir uns dann doch Sorgen um sie.

Wenn ich das richtig in Erinnerung hatte, war Merle 17 und Mika 19. Also eigentlich ein Alter, um auf sich selbst aufpassen zu können. Doch es störte mich, dass sie sich nicht mal meldeten, oder eine Nachricht hinterlassen hatten, bevor sie gegangen waren. Nur, damit wir uns keine Sorgen machen müssten, mehr erwartete ich ja gar nicht. Waren sie überhaupt freiwillig gegangen?!

Jetzt überkam mich auch noch Panik, als ob die Angst nicht schon reichte...

"Leute, ich habe Angst um die beiden. Sie sind zwar alt genug, aber es wundert mich, dass sie sich noch kein einziges Mal bei uns gemeldet haben. Oder hier eine Nachricht hinterlassen haben. Meint ihr, ihnen ist was passiert?", es waren haargenau meine Gedanken, die Ella da gerade ausgesprochen hatte. Manchmal waren wir doch wirklich wie Schwestern.

"Diese Gedanken spuken auch in meinem Kopf herum...", gab ich zu und sah zu Ben, welcher noch einigermaßen einen kühlen Kopf zu haben schien. "Den Beiden wird schon Nichts passiert sein! Macht euch nicht so verrückt. Sie sind erwachsene Menschen und sollten wissen, was Richtig und was Falsch ist."

"Du hast Recht. Ich bin dafür, wir lenken uns etwas ab und kochen etwas Schönes zusammen, okay?", beschloss ich und sprang auf. Ich hasste es, tatenlos herum zu sitzen und zu warten. Ella nahm den Vorschlag dankend an und auch Ben stimmte kurze Zeit später zu.

Wir entschieden uns ganz schnell für Nudeln mit Tomatensoße, allerdings machten wir die Nudeln selbst und die Soße stammte auch nicht aus der Tüte. Wir wollten es uns schließlich so richtig gut gehen lassen und das eben auch, indem wir das Essen komplett selbst machten, noch dazu mochten wir alle Tütensoßen und sowas nicht.

Es machte wirklich sehr viel Spaß, mit den beiden zusammen zu kochen und wenn ich ehrlich war, vergaß ich für einige Zeit sogar all meine Sorgen. Und das tat unendlich gut, denn es waren schließlich nicht nur die Sorgen um Merle und Mika die sich in meinem Kopf zu verankern schienen.

Sondern auch viele andere, die ich jetzt nicht alle aufzählen werde. Doch den größten Teil meiner Sorgen, kennt ihr ja schon. Jetzt, wo ich darüber so nachdachte, in meiner Welt versank, ging mir dieser eine Gedanke, der mir schon länger Kopfzerbrechen bereitete, einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Das Leben ist flüchtig, flatterhaft, empfindlich. Eine ganz schöne Zicke, ist das Leben. Aber auch die Schönste auf dem Ball, auf der Welt. Alle wollen doch nur das Leben spüren, doch ist das nicht immer möglich. Denn das Leben ist flüchtig, flatterhaft und empfindlich.

Und wenn man dann auch noch keine starke, selbstbewusste, lebensfrohe Person war, sondern genau das Gegenteil, nämlich so, wie ich, wie Cara Marlene George, dann hatte man aber so richtig die A***karte gezogen.
Ich merkte, wie ich immer mehr in mir zusammenfiel, klein wie ein Kuschelteddy, saß ich neben den anderen. Meine mühsam aufgebaute Maske schien wieder zu bröckeln. Aber es machte mir Nichts aus, nicht mehr. Ben und Ella wussten sowieso Bescheid von Allem. Langsam machte sich das Gefühl breit, sie nicht gut genug zu kennen, nicht lange genug, um ein Recht darauf gehabt zu haben, ihnen Alles zu erzählen.

Panik keimte in mir auf, meine Nerven wurden auf das Äußerste strapaziert. Instinktiv zog ich meine Beine zu meinem Oberkörper hoch und umklammerte sie mit meinen dünnen Armen. Mein Kopf landete unsanft auf meinen Knien, aber auch das war mir inzwischen egal.

Die erste Träne verließ meine traurigen Augen. Nein! Stopp, ich wollte nicht weinen! Doch ließ sich der Tränenfluss nicht mehr aufhalten und stumm ließ ich es zu.

Wieso war ich jetzt schon wieder so deprimiert, so zerbrochen? Eben war doch noch alles in Ordnung, oder nicht? Ben und Ella sagten auch keinen Ton und es war mucksmäuschen still. Beinahe schon gruselig. Ich sagte Nichts, ließ die Tränen laufen, sie sagten Nichts und schauten einfach nur Löcher in die Luft, durchlöcherten sie, wie eine Waffe ihr Ziel.

Es bewegte sich auch keiner von uns. Als wären wir in Stein gemeißelte Statuen. Plötzlich entfuhr mir ein lautes Schluchzen und kurz darauf war der Damm endgültig gebrochen. Jetzt weinte ich nicht mehr stumm vor mich hin. Jetzt war meine Maske wieder gefallen, zersplittert wie ein heruntergefallenes Glas, dass niemand mehr aufhob, denn den Schmerz, die Scherben verursachen konnten, wollten sie nicht an sich heran lassen.

Ich rechnete mit Ignoranz, mit bitterem Gelächter. Ich war wieder zurück gefallen in mein Altes Muster. Ich fühlte mich, als wäre ich in die Vergangenheit versetzt worden, als wäre ich wieder das Mädchen mit nur einer Freundin, das Mädchen, um das sich niemand kümmerte. Außer Mona und meine Mutter.

Doch ich spürte keine Ignoranz, hörte kein Gelächter. Stattdessen ein starker Arm um meine Schultern und eine ebenso starke Brust, in welcher ich, wenn ich mich anlehnte, das Herz schlagen hörte, welches mir Liebe gab und welchem ich Liebe geben konnte. Erschöpft vom immer noch nicht versiegtem Heulkrampf, schmiegte ich mich an ihn.

"Pssh, Cari. Alles wird gut, ich bin mir sicher, dass wir alle bald wieder zusammen sitzen und lachen und dann kommen für jeden von uns wieder bessere Zeiten, ich verspreche es dir.", ich spürte, dass er wusste, dass ich größtenteils nicht wegen Merle und Mika weinte und das beruhigte mich fast sofort.

"Leute? Ich will ja nicht stören, aber eine Gruppenkuschelrunde würde mir gerade besser gefallen...", mit einem Knopfaugen-Trauer-Blick sah sie uns an und als Ben und ich uns ein bisschen von einander lösten, um sie mit in unsere Mitte zu nehmen, lächelte sie und umarmte uns ganz fest. Auch ihr ging es also nicht gut und so verbrachten wir ganz lange die Zeit damit, uns die so dringend benötigte Nähe zu geben.

Später am Abend, bevor wir uns eine DVD reinwerfen wollten, versuchten wir nochmal einen der beiden fehlenden zu erreichen. Doch; Fehlanzeige. Und so kuschelten wir uns zu dritt, in Decken gehüllt, einem schlechten Gewissen, Kakao und Schokolade auf das Sofa und schauten "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", was ganz bestimmt die falsche Wahl war, aber egal. Dann würden wir eben noch ein bisschen weiter weinen.

Irgendwann hatten wir den Film mit vielen Taschentüchern überstanden und überlebt. Wir verzogen uns ins Bad und nach der kurzen Abendroutine schlichen wir in unsere Betten. Beziehungsweise, Ben und ich. Ella zerrte ihre Matratze zu uns ins Zimmer und parkte sie vor unserem Bett. "Ich schlafe heute ganz sicher nicht alleine da drüben!", beschwerte sie sich und ließ sich müde darauf fallen. "Gute Nacht ihr Süßen, schlaft gut!", nuschelte sie und kurz danach war es still im Zimmer.

/1134 Wörter. Sorry, ein kleines bisschen kürzer, als sonst.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top