Neumondnacht

,,Nia, hast du mein Zeremonie-Gewand gesehen?" fragte Hylla und durchstöberte weiter ihren Kleiderschrank. Es war eine Stunde vor Mitternacht, also sollten die beiden möglichst bald auf der Mondlichtung sein, wenn sie mit Asteria reden wollten. Für diesen Anlass brauchten sie allerdings ihr Zeremonie-Gewand, ein langes, weißes Kleid, welches aus leichtem, fließendem Stoff bestand.

,,Hängt ganz hinten im Schrank." rief Nia ihrer Schwester zu und warf sich in ihr eigenes Kleid über. Es war aus weißem Stoff, bis zur Taille eng geschnitten, ab der Hüfte fiel es bis zum Boden. Die Ärmel waren lang und leicht. Um die Taille legte Nia einen goldenen Gürtel, wogegen Hylla einen aus Silber anlegte.

,,Fliegen wir doch erstmal an den Rand des schwarzen Waldes und gehen dann zu Fuß zur Mondlichtung, wir haben noch ein bisschen Zeit." schlug das blonde Mädchen vor und legte sich ihren Gürtel um.

,,Guter Plan... springen wir aus dem Fenster?" fragte Nia hoffnungsvoll.

,,Was ist das für eine Frage? Natürlich springen wir aus dem Fenster!"

,,Ich fang an!"

,,Nein, ich fang an! Du hast das letzte Mal angefangen!" protestierte Hylla und stolzierte an ihrer Schwester vorbei zum Fenster. Sie öffnete es und kletterte auf das Fensterbrett. Gerade wollte sie springen, als Nia zu ihr lief und sie mit Schwung von der Kante stieß. Mit einem erstickten Aufschrei stürzte Hylla in die Tiefe. Nur Sekunden später flog eine wunderschöne Schleiereule am Himmel entlang. Nia kicherte und sprang ihrer Schwester nach. Kurz darauf flog sie als Uhu in der Luft.

Beide Eulen segelten über das Gelände von Hogwarts bis sie am Rande des schwarzen Waldes wieder am Boden landeten und sich wieder in ihre menschlichen Gestalten verwandelten. Hylla funkelte Nia sogleich böse an.

,,Ehrlich?! Sag mal, musste das sein?"

Nia stieß ein schadenfrohes Lachen aus.

,,Dir wäre ja sowieso nichts passiert."

Hylla verdrehte die Augen.

,,Mann, Nibora, du bist echt unverbesserlich..." stöhnte sie genervt und ging mit zackigen Schritten in den Wald hinein. Ihre Schwester folgte ihr kichernd.

Die Rumtreiber saßen währenddessen in ihrem Zimmer. Remus und Sirius spielten Zauberschach, Peter aß Schokolade und James studierte die Karte des Rumtreibers. Filch machte gerade einen Streifzug durch die Kerker, Madam Pomfrey versorgte gerade ihre Patienten im Krankenflügel und Dumbledore spazierte wie so oft in seinem Büro im Kreis herum. Plötzlich fiel James' Blick auf zwei Namensschilder, die gerade dabei waren das Schlossgelände zu verlassen.

,,Hey, Jungs! Seht euch das an!" trommelte er seine Freunde zusammen. Die Rumtreiber versammelten sich um James und starrten auf das Stück Pergament in seinen Händen.

,,Was wollen die Asterias-Zwillinge um diese Uhrzeit im verbotenen Wald?" fragte Sirius misstrauisch und runzelte die Stirn.

,,Ich denke, das lässt sich leicht herausfinden..." entgegnete James und grinste schelmisch.

,,Ich denke nicht, dass das so eine gute Idee wäre." meinte Remus, der natürlich sofort wusste, worauf sein Freund hinauswollte.

,,Wenn die beiden glauben, dass sie uns beleidigen und uns etwas vorspielen können, haben die sich geschnitten, so einfach machen wir es denen nicht!" sagte James und kramte in seiner Schublade herum. Er zog seinen Tarnumhang heraus. Remus seufzte... er würde sie nichtmehr umstimmen können. Also huschte er mit den anderen unter den Umhang und schlich mit ihnen durchs Schloss.

Hylla und Nia spazierten währenddessen durch den Wald. Sie hatten natürlich keine Ahnung, dass sie bald nicht mehr so alleine sein würden...

,,Hast du das Messer mit?" fragte Nia. Hylla nickte und zeigte ihr ihren linken Stiefel, in welchen sie ein kleines Taschenmesser gesteckt hatte. Nia schluckte... Diesen Teil der Zeremonie hasste sie besonders. Die beiden mussten sich mit dem Messer schneiden, um ihr Blut auf einen Stein tropfen zu lassen. Etwas unbehaglich blickte sie auf ihre Handfläche.

,,Mach dir nicht ins Hemd, es ist nur ein kleiner Schnitt..." murmelte Hylla. Nia kniff ihre Augen zusammen.

,,Aber ich will nicht, das tut weh!"

,,Hör auf so zu meckern! Seit wann bist du denn so ein Waschlappen?"

,,Ich bin kein Waschlappen, nur weil ich keine Lust hab mir von dir in die Hand schneiden zu lassen!!"

,,Bitte, dann schneide dir doch selbst in die Hand!"

,,Ihhh, auf keinen Fall!"

Während die Mädchen weiter diskutierten, hatten die Rumtreiber die beiden immer mehr eingeholt. Die Jungs hatten sich zu viert unter den Tarnumhang gequetscht, was allerdings kaum möglich gewesen wäre, hätte Peter nicht seine Animagusgestalt angenommen. Die vier waren bereits nah an den Mädchen dran... Sie konnten bereits ihr Gezanke hören.

,,Was ist denn bei den beiden los?" fragte Sirius flüsternd.

,,Shh... halt die Klappe, Tatze!" fuhr James ihn an. Sie schlichen weiter, bis sie zwei Gestalten erblicken konnten, die in weißes Gewand gehüllt waren. So leise sie konnten schlichen sie ihnen nach.

,,Wieso bist du eigentlich immer so gemein zu mir, ich fühle mich richtig gemobbt." seufzte Nia gespielt dramatisch und Hylla verdrehte die Augen.

,,Du bringst mich ja auch dauerhaft auf die Palme! Im Ernst, ich hab das Gefühl ich müsste auf ein zehnjähriges Kind aufpassen." schnaubte Hylla. Nia schmollte.

,,Hey, ich bin aber schon elf..."

Hylla stockte und blickte Nia mit gerunzelter Stirn an. In der nächsten Sekunde platzte auch schon schallendes Gelächter aus beiden heraus. Mit so einer Antwort hatte Hylla nicht gerechnet.

,,Mensch... du bist so blöd..." kicherte Hylla und schüttelte belustigt den Kopf, während Nia ihr zugrinste.

Die beiden Mädchen lachten und unterhielten sich weiter. Plötzlich hielt Nia inne. Ihr Lachen verstummte und sie blieb auf der Stelle stehen. Hylla wandte sich verwundert zu ihr.

,,Alles okay, Nia?" fragte sie. Doch auf einmal erkannte sie, was los war, als Nias Augen sich begannen golden zu verfärben.

Nia und Hylla spazierten durch den verbotenen Wald. Sie waren auf dem Weg zur Mondlichtung, unwissend, dass sie nicht wie einzigen waren, die Nachts durch den verbotenen Wald spazierten. Einige Meter hinter ihnen, versteckten sich eine Gruppe von Jungen unter einem Umhang, der sie unsichtbar machte. Doch in ihrer Vision konnte Hylla alle drei genau erkennen! Drei Gryffindors, von denen einer eine Ratte auf der Schulter sitzen hatte. Sie schlichen auf leisen Fußsohlen über den Waldboden und schienen die Zwillinge schon länger zu verfolgen.

Mit einem befreienden Atemzug erwachte Nia wieder aus ihrer Vision. Im nächsten Moment überfluteten sie auch schon pochende Kopfschmerzen. Hylla stützte ihre Schwester an beiden Schultern. 

,,Nia, was hast du gesehen?" fragte sie besorgt als sie Nias besorgen Blick sah.

,,Die Rumtreiber... sie verfolgen uns! Wenn wir sie nicht irgendwie abhängen, werden sie sehen wie wir mit Asteria reden! Sprich von jetzt an nichtmehr laut!"

Hylla's Augen weiteten sich erschrocken. Sie reckte ihren Kopf in die Höhe und versuchte die vier irgendwie ausfindig zu machen.

,,Wie bitte? Wo? Ich kann sie nicht sehen!"

,,Sie sind unter einem Umhang, der sie unsichtbar macht." erkläre Nia. Hylla runzelte ungläubig die Stirn.

,,Du meinst einen Tarnumhang? Aber... Wie kommen ausgerechnet die Rumtreiber an einen Tarnumhang? Und was tun die vier überhaupt mitten in der Nacht im verbotenen Wald?"

,,Ich habe keine Ahnung, aber wir müssen sie irgendwie loswerden." antwortete Nia ihr eindringlich.

,,Ich schlage vor, wir springen schnell in irgendein Dickicht, nehmen unsere Animagusgestalten an und fliegen dann zur Mondlichtung!"

,,Alles klar!" kam e nickend von Hylla.

Wie auf Kommando sprinteten die beiden Mädchen plötzlich los. Die Jungs konnten von hinten nur noch die wehenden Röcke ihrer weißen Zeremoniekleider sehen. Völlig überfordert mit der Situation mussten sie erst realisieren, dass die Mädchen gerade davonrannten. Als Hylla und Nia das Gefühl hatten, einen Vorsprung zu haben der weit genug wat, sprangen sie in ein nahegelegenes Dickicht wo sie sich sofort verwandelten. Die Jungs waren völlig ratlos.

,,Wo sind die jetzt auf einmal hin?" fragte Remus verwirrt, während James den Umhang von den dreien riss.

,,Keine Ahnung... denkt ihr, sie wussten, dass wir hier sind?" kam es von einer Stimme, welche die Mädchen als Sirius' identifizierten.

,,Ganz sicher... aber wie? Sie standen mit dem Rücken zu uns! Außerdem waren wir unsichtbar! Sie werden doch wohl kaum unter den Tarnumhang durchsehen können, oder?"

,,Sei nicht albern... Das wird mir hier langsam echt zu unheimlich. Gehen wir lieber wieder."

,,Spinnst du, Moony?! Wir sind ganz nah an einer Spur dran!" zischte Sirius.

,,Ja, Tatze, und diese Spur haben wir gerade verloren. Also los, ich frier' mir hier draußen der Hintern ab!" brummte Remus. Die anderen beiden verdrehte genervt ihre Augen. Doch Remus hatte Recht. Sie hatten Hyllandria und Nibora offensichtlich verloren.

Schon bald hörte man, wie die Schritte der Jungs sich entfernen. Als sie dann endgültig verklungen waren warteten Nia und Hylla keine Sekunde mehr und flogen los. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie an der Mondlichtung ankamen.

,,Schnell, Hylla! Das Messer." rief Nia und eilte zum Rosenquarz hin der in der Mitte der Lichtung lag. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.

Hylla zog das Messer aus ihrem Stiefel und stellte sich neben ihre Schwester. Sie nahm Nias Hand entgegen, die sie ihr bereits mit zugekniffenen Augen zugestreckt hatte. Ihr entfuhr ein leises Quieken, als Hylla ihr mit einem Ruck die Klinge über die Handfläche gezogen hatte. Ohne zu zögern wiederholte sie dies bei sich selbst. Beide streckte ihre Hände über dem Rosenquarz aus und ließen jeweils drei Tropfen Blut auf den Stein fallen.

Langsam konnte man erkennen, wie das Blut in den Stein zu sickern schien. Auf der Lichtung wurde es von einem Moment auf den anderen ungewöhnlich hell und warm. Am schwarzen Nachthimmel erschienen Lichtspiele in den einzigartigsten Farben. Plötzlich erschein vor den beiden eine Gestalt, eine Frau, komplett in Licht gehüllt.

,,Herrin!" sagten beide wie aus einem Munde und verneigten sich vor ihrer Schöpferin.

,,Meine Töchter! Ihr habt mich gerufen. Was begehrt ihr?"

Die Frau bewegte ihren Mund nicht als sie sprach, so als könnte man ihre Gedanken hören.

,,Herrin wir sind uns über einiges unklar." sprach Hylla, ebenfalls ohne ihre Lippen zu bewegen.

,,Wie wir herausgefunden haben, können wir die Gedanken von Tieren lesen. Doch was ist mit denen der Menschen?"

,,Hyllandria, du bist wissbegierig, ich weiß. Es hat alles seine Zeit. Jedoch, nehme ich an, ist das nicht der Grund, weshalb ihr mich heute Nacht gerufen habt." sprach Asteria mit einem erwartungsvollen Unterton, der in ihrer Stimme mitschwang.

,,Das ist wahr, Herrin." kam es von Nia, die nun all ihren Mut zusammennahm.

,,Hyllandria und ich leben schon so lange abgegrenzt von den anderen Menschen. Doch seit einiger Zeit plagt mich die Sehnsucht. Ich sehe wie andere Menschen mit ihren Freunden Spaß haben und lachen, doch ich habe nichts dergleichen. Also bitte ich euch, Herrin, erlaubt uns aus unserer Verschlossenheit hervorzutreten!" bat sie hoffnungsvoll.

,,Herrin, bevor ihr etwas sagt..." meldete sich Hylla plötzlich zu Wort, die anscheinend einen Einwand hatte.

,,Diese Bitte ist mit viel zu vielen Risiken verbunden. Einige Schüler sind seit dem auf uns aufmerksam geworden, nachdem Nibora im Gemeinschaftsraum eine Vision erhalten hatte!"

Nia senkte beschämt ihren Blick. Sie traute sich nicht Asteria anzusehen.

,,Ich habe mich am Wochenende mit ein paar netten Mädchen verabredet." fuhr sie trotzdem fort.

,,Sie haben versprochen keine Fragen zu stellen und sie wollen mich auch ganz normal behandeln!"

,,Aber das verhindert nicht, dass du überraschend eine Vision bekommst und dich mit deinen goldenen Augen verrätst. Vielleicht brichst du auch wieder unter Schmerzen zusammen. Es ist zu gefährlich!" protestierte Hylla.

,,Mädchen!"

Nia und Hylla blickten erschraken, als sie von Asteria unterbrochen wurden. Beide neigten sofort wieder untertänig ihre Köpfe vor ihr.

,,Hört auf euch zu streiten! Ich kann dich verstehen Nibora, doch die Sorgen von Hyllandria sind berechtigt."

Die Göttin beugte sich zu den Mädchen hinunter und berührte beide an der rechten Schulter. Die Berührung löste ein warmes Kribbeln aus und ihr ganzer Körper wurde von einer Art positiven Energie erfüllt.

,,Unmittelbar bevor ihr eine Vision erhalten werdet, wird eure Haut an genau dieser Stelle zu brennen beginnen, solange bis ihr sie empfangen werdet. So ermögliche ich euch den notwendigsten Kontakt mit anderen. So werdet ihr künftig in der Lage sein, eure Visionen vor Unwissenden besser verstecken zu können." verkündete Asteria.

,,Ich danke euch, Herrin!" meinte Nia voller Freude und verneigte sich respektvoll. Auh Hylla verneigte sich wiederwillig.

,,Aber denkt daran, Mädchen... Lasst niemanden so nah an euch, dass er eine Gefahr darstellen könnte! Niemals! Vergesst niemals eure Bestimmung."

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