Kapitel 45


𝐌𝐄𝐑𝐋𝐈𝐀𝐇

Jemand rüttelte an meiner Schulter.
Ich konnte die Person nicht zuordnen, ich wollte sie nicht zuordnen. Der Sog, welcher von den blauen Augen von Jaxon ausging, beruhigte mich. Ich wollte nicht zurück in die grausame Gegenwart.

„Merliah!", versuchte mich die Person weiterhin zu erreichen.

Ein heißes brennen machte sich auf meiner Wange bemerkbar und mein natürlicher Überlebensinstinkt zwang mich, aus der kleinen Trance zu erwachen.

Träge drehte ich meinen Kopf nach rechts und sah in Siennas besorgtes Gesicht. Ihre Augen waren bereits mit Tränen gefüllt, was mir ein schlechtes Gewissen bereitete.

„Es tut mir leid", formte ich wortlos mit den Lippen, da Katharina sich wie gestern auf der Erhöhung positioniert hatte und die Menge schon still geworden war, um ihr zu zu hören.

„Liebe Mitglieder.
Diese Versammlungen werden zu meinem Bedenken wohl keine Seltenheit bleiben.
Es ist von größter Wichtigkeit, dass ab sofort Täglich eine Versammlung stattfindet!", beginnt sie und fährt mit den Augen über die Menge.

„Jeder von uns könnte ihn verärgern, sei es auch nur aus zweiter Hand. Es kann jeden treffen! Deswegen sollten jeden Tag Informationen über Neues ausgetauscht werden. Die Menge, weiß mehr, als einzelne Personen."

Alle wussten, welcher Mann mit „ihn" zu identifizieren war, allerdings wagte es keiner seinen Namen auszusprechen. Vermutlich war er hier so etwas wie Voldemort es in Hogwarts ist.

Eine ernst zunehmende Kreatur, die für ihr eigenes Wohlwollen eine ganz Welt abschlachten würde. Selbst die engsten Freunde und Verwandten, werden nicht aus dem Spiel
gelassen.
Beide bringt die Gemeinsamkeit zusammen, dass sie kein Herz besitzen.

Katharina mischt sich nicht wie gestern in die Menge, sondern zieht sich mit einem grübelnden Gesicht zurück. Ich würde ihr gerne nach, aber andererseits fühle ich mich nicht bereit dafür.

Jack ist links von mir aufgetaucht und lächelt mich tröstend an. Es ist schön, mal etwas anderes zu sehen, als sein Playboy-Lächeln.

„Das mit dem Training ist geklärt. Liam meint du machst gute Fortschritte und eine Pause würde dir nicht schaden."

„Dankeschön", wisperte ich ehrlich und warf mich für eine kurze Umarmung in seine Arme.

Ich löste mich von ihm und wollte mich auf den Weg in mein Zimmer machen, damit Sienna und Jack etwas Zeit füreinander haben. Aber die Pläne der beiden, schienen mit meinen nicht übereinzustimmen.

„Hey! Ich geb dir nicht frei damit du abhaust", ruft Liam mir hinterher.

Verwirrt drehe ich mich zu den dreien um und sehe, wie sie mich mit einem schelmischen Grinsen auf dem Gesicht wieder zu sich winken.

„Was habt ihr vor? Muss ich Angst haben?", frage ich kichernd und nehme Siennas Arm an, den sie mir anbietet.

„Frag nicht so viel, cuore, du machst alles kaputt", plappert Liam schon leicht genervt.

Mir liegt es schon wieder auf der Zunge, ihn anzuschnauzen, dass er gefälligst so sprechen sollte, dass ich ihn verstehe wenn er sich mit mir unterhält. Aber, zur Feier der aktuellen Anspannung lasse ich das Ganze bleiben.

Wir traten durch die Metall Tür, die ich seit Wochen nicht mal mehr angefasst hatte und ich fühlte mich direkt in meinen ersten Abend zurückversetzt, den ich hier erlebt hatte.

Die beiden Jungs gehen vor uns wie Navigatoren. Der Weg führt durch eine der Türen in dem Vorraum, dann kamen erstmal ganz viele Treppen und rutschige Gesteine.

Hier war es nicht so kuschelig warm wie in der Zentrale, sondern arschkalt. Ob sie mir ihren großen Eisschrank, mit allen leckeren Sachen die man sich so wünscht präsentieren wollen?

Über ein Eis würde ich mich zumindest freuen, dachte ich.

„Und schon da", sagte Jack und wir blieben vor einer großen Tür stehen. Sie ähnelte der von der Zentrale, auch wenn diese etwas kleiner zu sein schien.

Jedoch kam mir das „schon" nach den gefühlt hunderten Treppenstufen etwas zu motiviert vor.
Egal, Jack und Liam erklommen diese Treppen bestimmt fünfmal am Tag, wenn sie sich nicht im
Spiegel anstarren.

Liam trat vor Jack und öffnete die Tür altmodisch mit einem normalen Schlüssel.
Dachte ich zumindest, vielleicht ist er auch nicht normal und total verzaubert, wer weiß das schon.

„Nein..", stieß ich vollkommen perplex hervor und mein Atem verwandelte sich in einen eisigen Hauch.

Mit offenem Mund stürmte ich sofort nach draußen, nach draußen, in den glitzernden Schnee.

Die kalte Luft füllte meine Lungen und ich begann hysterisch zu lachen. Es war mir nicht mehr möglich damit aufzuhören. Sienna lief zu mir und wir hüpften wie kleine Kinder auf und ab.

Sie freute sich mit mir wie niemand anders. Es war mir so egal, dass es unendlich kalt war und ich nur meine Converse und einen dünnen grauen Pulli mit einer Jeans trug. Dieser Moment war einfach einzigartig.

Was für mich früher normal schien, ist jetzt so besonders und unendlich erfüllend, dass ich gar nicht mehr davon weg will.

Liam und Jack durchquerten nun ebenfalls den Schnee und begannen uns mit Schneebällen abzuwerfen.

„Oh, das kriegst du zurück!", brüllte meine Freundin neben mir, die gerade von Liam abgeworfen wurde.

Ich hingegen stürmte mir Gebrüll auf Jack los, der wie ein ängstliches Kücken vor mir weglief, weswegen ich schon nach kurzer Zeit stehen bleiben musste. Mein Bauch tat so weh vom Lachen, dass ich wahrlich keine Luft mehr bekam.

Wir liefen immer weiter nach draußen. Weit und breit war nichts mehr, außer den eingeschneiten Gräsern und Bäumen.

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Leider ist es zu gefährlich gewesen eine lange Zeit draußen zu bleiben, weshalb Liam uns schon nach einer halben Stunde wieder reingescheucht hatte.

Verträumt saß ich nun vor dem Fenster und beobachtete die schöne Landschaft so gut es ging von draußen. Ohne diese speziellen Fenster, die man von außen nicht sieht, wäre es mir gar nicht möglich jeden Tag ein Bruchteil des Lebens zu Gesicht zu bekommen.

Ich wollte gerade aufstehen, als ich einen Zettel auf der Fensterbank bemerkte.

Zuerst dachte ich es wäre der alte, den ich hier liegen gelassen hatte, aber dieser lag noch wie gestern Abend auf meinem Schreibtisch.

Mit zittrigen Fingern griff ich nach dem Zettel und las ihn mir durch.

Ich brauchte bestimmt zehn versuche, bis der Inhalt bei mir angekommen war und es war verdammt nochmal beängstigend.

„Aufgeben ist nicht meins", ertönte eine tiefe Stimme hinter mir.

Entsetzt wirbelte ich mit meinem Kopf herum
und sofort löste sich ein angsterfüllter Schrei aus meiner Kehle, er wurde in letzter Sekunde noch von einer starken Hand abgebremst.

Meine Augen begannen zu brennen und ich konnte nur ganz langsam hoch, in die leuchtend blauen Augen blicken.

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