Teil 54
Als wir da nun so saßen, mit unseren Kaffeebechern in der Hand, fühlte ich mich seit langen mal wieder so als sei in meinem Leben alles so wie es sein sollte. Instinktiv rutschte ich etwas näher an die Klippen und ließ meine Beine runter baumeln.
"Was soll das denn werden, Prinzessin?" fragte mich Ben mit einem finsteren Gesichtsausdruck und rutschte ebenfalls näher an die Kante und damit auch näher an mich. Ich sah zu ihm auf, sah ihm in seine braunen Augen und bewunderte ein weiteres Mal die goldenen Flecken darin. Er jedoch sah mich auffordernd an und mir wurde bewusst, dass er tatsächlich eine Antwort erwartete. Ich wendete meinen Blick ab und sah nach unten.
"Weißt du Ben, was einem deutlich wird wenn seine Lebenszeit begrenzt ist ? Man lernt die Welt etwas anders zu betrachten. Also ich meine nicht grundlegend anders, aber so, dass man den Fokus eben auf andere Dinge legt. Ich meine schau doch mal nach unten, Ben! Siehst du wie die Wellen gegen den Fels donnern und ihre weiße ...äh... Gicht für Sekunden dort hinterlassen und sich dann ganz plötzlich wieder zurückziehen ? Täuschend irgendwie. Wie als hätten sie den Kampf gegen den Stein aufgegeben oder so, doch sie kommen wieder. Ganz heimlich türmen sie sich im Stillen auf, bauen eine solche Energie auf und schießen so plötzlich wieder nach vorn, wie sie sich zurückgezogen haben. Irgendwie...erschreckend, wild und unglaublich stark. Das ist es was ich sehe, nicht die Gefahr abzustürzen."
Ich sah auf und ertappte ihn wie er mich anstarrte. Sein Blick war so intensiv und voller Leidenschaft, dass ich wegsehen wollte, doch ich konnte nicht. "Stark und unglaublich schön." hauchte er und ich hatte das Gefühl das er mir immer näher kam. Sein Blick wechselte zwischen meinen Augen und meinen Lippen und ich hielt die Luft an. Auch ich sah zu seinen perfekt geformten Lippen und als er langsam mit der Zunge über diese fuhr, überkam mich das plötzlich drängende Bedürfnis ihn zu küssen. Als ich hoch in seine Augen sah loderten sie wie Feuer und mein Herz begann zu rasen.
"Verdammt, Liv! Schau mich nicht so an." sagte er und ich sah wie er seine Augen schloss und sie einige Sekunden später erst wieder öffnete. Das Feuer in seinen Augen war verschwunden und er brachte etwas Abstand zwischen uns. Ich vermisste sofort seine Körpernähe, doch versuchte mir das nicht anmerken zu lassen, daher blickte ich wieder aufs Meer, atmete tief durch und schubste mein schlechtes Gewissen die Klippen runter.
Aus dem Augenwinkel sah ich wie Ben seine rote Marlboro Zigarettenschachtel herausholte und eine herausnahm. Er steckte sie sich zwischen seine Lippen, Lippen die ich eben noch so unbedingt küssen wollte. Lippen durch welche nun der schädliche Rauch in seine Lungen strömte und ich war mir sicher das unser Kuss wohl genauso schädlich gewesen wäre.
Bens P.o.V
Als sie mit ihrem heiß geliebten Kaffee in der Hand näher an die Klippen rutschte, zog sich meine Brust, allein bei dem Gedanken ihr könne etwas zustoßen, zusammen. Also fragte ich sie was genau sie da vor hatte, doch sie sah nur zu mir auf, ihre Augen voller Fastzination für ihre Umgebung, und ließ die Beine die Klippen runterbaumeln. Ich tat es ihr gleich und sah sie auffordernd an, auch wenn ich ganz genau wusste was sie geritten hatte.
Sie wendete ihren Blick ab und sah schweigend aufs Meer hinaus. Ich kannte sie mittlerweile so gut, dass ich wusste, dass ihr diese Art von Gefahr nichts ausmachte. Ganz im Gegenteil. Sie genoss es mit jeder Faser ihres Körpers so hautnah an der Natur und ihrer Gewalt zu sein. Zu merken, dass sie Teil von etwas war. Etwas so großem, dass ihr Leben im Verhältnis klein und nichtig wirkte. Ich vermutete, dass ihr diese Gedanken das Gefühl gaben, dass ihr Tod ebenso unwichtig war wie ein Sandkorn im Meer.
Doch war Liv kein Sandkorn. Sie war eine Naturgewalt. Sie war wie ein Tsunami und wenn sie dich einmal mitgerissen hatte, gab es keine Chance mehr sie unbeschadet zu überleben.
"Weißt du Ben, was einem deutlich wird wenn seine Lebenszeit begrenzt ist? Man lernt die Welt etwas anders zu betrachten. Also ich meine nicht grundlegend anders, aber so, dass man den Fokus eben auf andere Dinge legt...."
Sie begann über die Wellen zu reden, welche an die Klippen donnerten und wie sie sich täuschend zurückzogen, als hätten sie verloren nur um dann wieder anzugreifen. Jedes Wort das über ihre Lippen kam faszinierte mich und ich starrte sie an, ohne das sie es bemerkte und ohne dass ich etwas daran hätte ändern können. Wieder einmal fiel mir auf wie wunderschön sie war. Ihre meeresblauen Augen wirkten tiefer als das Meer selbst und ihre Sommersprossen sahen aus wie ein Sternenhimmel. Zu gerne würde ich versuchen Sternenbilder auf ihren Wangen zu Zeichen.
"... erschreckend, wild und unglaublich stark. Das ist es was ich sehe, nicht die Gefahr abzustürzen." beendete sie und drehte ihren Kopf zu mir. Als sich unsere Augen trafen, zog sie mich komplett in ihren Bann. Braun traf auf Blau. So wie die blaue Wellen unter uns auf den braunen Stein der Klippen und es fühlte sich an als ob unsere Herzen kollidierten.
"Stark und unglaublich schön" flüsterte ich und meinte damit nicht die Wellen. Mein Blick wanderte zu ihren Lippen und ich leckte mir instinktiv über meine eigenen. Als ich wieder aufsah und ihr in die Augen blickte starrte sie nun auch auf meine Lippen doch hob einige Sekunden später ihren Blick.
In ihren Augen konnte ich erkennen wie sehr sie das hier auch wollte und es machte mich verrückt zu wissen, dass sie einem Anderen gehörte. Und mit dieser Erkenntnis schloss ich meine Augen um mir bewusst zu machen das ihre Lippen nicht meine zum Küssen sind und ihre Hand nicht meine zu Halten. Ich verdrängte meine Gefühle, öffnete meine Augen und brachte etwas Abstand zwischen uns. Ich zündete mir eine Zigerette an, doch auch diese half mir nicht mich zu entspannen.
"Ich...muss dann eigentlich zurück...ich bin noch verabredet." hörte ich ihre leise, weiche Stimme neben mir und nahm einen letzten Zug von meiner Kippe, bevor ich den Stummel in meinen leeren Kaffeebecher warf. Daraufhin erhob ich mich und hielt ihr meine Hand hin, welche sie leicht lächelnd annahm und aufstand.
"Wohin musst du? Ich kann dich da absetzten." sagte ich als wir in Richtung meines Crossers liefen. Sie schlenderte hinter mir her und ich hörte sie leise "Ich muss zu Kyle" sagen.
Ich hielt kurz den Atem an und schloss die Augen. Mein Kiefer spannte sich an und ich ballte die meine rechte Hand zur Faust wobei ich den Kaffeebecher in ihr zerquetschte. Ups. Ich atmete tief durch, setzte mein Grinsen auf und drehte mich mit dem Motorradhelm in der Hand zu ihr um. Wie meist bei uns üblich setzte ich ihr den Helm auf und schloss ihn unter ihrem Kinn, wobei ich leicht mit meinem Daumen über ihren Hals strich, sie verspannte sich kaum merklich, doch ich drehte mich nur um und setzte mich auf das Motorrad. Sie schwang ihr Bein über den Sitz und legte ihre Arme um meinen Oberkörper.
Vor Kyles Wohnung angekommen, schaltete ich den Motor aus und merkte wie sich ihre Hände langsam und, wie ich dachte, leicht zögerlich von mir lösten. Sofort vermisste ich ihre Nähe. Sie stieg ab, zog den Helm ab und reichte ihn mir. Schüchtern lächelte sie mich an, als ich sah wie Kyle hinter ihr die Haustüre öffnete. "Liv!" rief er und sie drehte sich zu ihm um " Komme!" gab sie zurück und sah mich nochmal an. "Danke für heute, Ben." sagte sie, drehte mir den Rücken zu und ging auf Kyle zu. Bei ihm angekommen nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste die Lippen, von denen ich schon so oft geträumt hatte.
Wütend gab ich Gas und fuhr davon.
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