Teil 47

Ich konnte mich nicht entspannen, das einzigste was mir irgendwie half war die Kippe in meiner Hand. Nach dem dritten Zug spürte ich bereits wie das Nikotin durch meine Blutbahn rauschte und die Wirkung sich entfaltete. Ich zog erneut an der Zigarette und hörte das Zischen der Glut. Vor mir leuchteten die Lichter von Mortem Beach und ich hörte die typischen Geräusche einer Stadt die nie schlief. Doch nicht einmal der atemberaubende Ausblick auf die Stadt konnte meine Gedanken davon abbringen zu Liv zu wandern. Ich hatte so ein Gefühl, dass heute etwas passieren würde und ich wusste nicht warum. Zugleich spürte ich es aber in jeder Faser meines Körpers. Schon ein dutzend mal war ich kurz davor gewesen zu dieser verdammten Party zu fahren, sie über meine Schulter zu werfen und sicher heimzubringen. Letzten endes hatte ich dann entschlossen meine Motorrad Schlüssel sicher bei Vicky abzugeben. Sie war eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, welche ziemlich gut mit Zoe und Noah befreundet waren. Ich brachte meine beiden Geschwister öfters mal zu ihr rüber, wenn weder ich noch Wilma auf sie aufpassen konnten.

Doch konnte ich nicht anders als diese Entscheidung zu bereuen. Was wenn Liv mich gleich anrufen und ich sofort würde losfahren müssen? Zu ihr? Was wenn die Zeit die ich bräuchte um meine Schlüssel zu hohlen entscheidend gewesen wären? Ok, vielleicht übertrieb ich auch. Wahrscheinlich übertrieb ich. Aber ich machte mir Sorgen um sie. Ich kannte Liam Radley und ich wusste was auf seinen Partys abging. Außerdem vertraute ich Kyle nicht, er war ein Schwein und ich wartete nur darauf das er Liv verletzte und wenn er das tat, dann würde ich ihn verletzten. Ich schaute gefühlt jede Sekunde auf mein Handy um sicher zu gehen das ich auch ja keine Nachrricht von ihr verpasste. 

Seufzend drückte ich meine Zigarette aus und stellte mich, mit den Händen in den Taschen meiner Jeansjacke, an die Kante des Daches. Wenn man von hier oben runter sah, gab es keine Probleme. Von hier oben wirkte alles so friedlich, so vollkommen. Von hier oben schien es so als gäbe es keine Sorgen. 

Doch entsprach das nicht der Realität, es war Scheinwelt in der der Herrscher den Namen 'Ignoranz' trug. Ich konnte ignorante Menschen noch nie ausstehen. Sie zeigten mir nur was für ein Reinfall der Mensch geworden war, das Abfallprodukt einer einst gut gemeinten Idee. 

Kopf schüttelnd drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zu unserer Wohnung. Dabei ging ich an der von Vicky vorbei und musste mich sehr beherrschen um nicht zu klingeln und meine Schlüssel zu hohlen. Ich öffnete meine Tür und machte mich auf den Weg in mein Zimmer, dort schmiss ich meine Jacke aufs Bett und setzte mich an den Schreibtisch. Vor mir lag eine angefangene Zeichung die den Strand zeigte, an dem ich neulich morgens mit Liv den Sonnenaufgang beobachtet hatte. Ich beschloss daran weiter zu arbeiten, um mich von meiner aktuellen Situation abzulenken. Beim Zeichnen konnte ich voll und ganz abschalten, es war eine Art meine Gedanken stummzustellen und meinen ganzen Fokus auf das Papier vor mir zu richten. Stunden vergingen und ich war noch immer in meine Zeichnung vertieft, als mich der plötzliche Drang nach Koffein übermannte. In der Küche braute ich mir meine übliche Mische zusammen: Zwei Kaffee und einen Espresso. Ich füllte das Getränk in einen Thermo Becher, um meine lieblings Droge warm zuhalten. Gerade als ich in mein Zimmer zurück ging und einen tiefen, genüsslichen Schluck nahm, begann mein Handy zu klingeln. Ich verschluckte mich vor Schreck an meinem Kaffe und lies dabei fast meinen Becher fallen. Ich beschleunigte meinen Schritt, ging auf mein Handy zu, nahm es in die Hand und sah Livs Namen auf dem Bildschirm. Hustend nahm ich nahm ab und hörte ein Schluchzen in der Leitung.

"Liv? Was ist los?" fragte ich besorgt. 

"Ben ich.." ein weiteres Schluchzen " Kannst du kommen?" 

Noch während ich ihr antwortete das ich auf dem Weg war, schnappte  ich meine Jacke und die Autoschlüssel meines Dads. Ich wusste, dass er mich umbringen würde, wenn er das erfuhr aber im Moment wollte ich nur so schnell wie möglich zu Liv. "Ich bin gleich da Liv! Bleib wo du bist. Warte, wo genau bist du? ". Mein Herz schlug so schnell. Warum weinte sie? Was war los?

"Ich bin im Badezimmer im ersten Stock." ihre Stimme zitertte. "Okay ich fahr' jetzt los, schließ' ab und mach keinem auf!" mit diesen Worten verabschiedete ich mich und fuhr mit dem Aufzug in die Teifgarage um von dort aus direkt zu dem Wagen meines Dads zu sprinten. Es war mir egal, dass ich jede erdenkliche Tempovorschrift beim Fahren missachtete. Es wäre mir auch egal falls ich geplitzt werde würde. Ich war wie in einem Tunnel, meine ganzen Gedanken kreisten um Liv. Ich schwöre bei Gott, wer auch immer ihr das angetan hatte, würde dafür büßen müssen. Was auch immer das war.  

Als ich an Liam Radley's Haus ankaman, parkte ich direkt vor dem Haus. Mir war egal wie schief das Auto stand, halb auf der Straße. Ich stieg aus, schmiss die Tür hinter mir zu und lief mit schnellem Schritt auf die Eingangstür zu. Viele Menschen grüßten mich, doch ich ging einfach an ihnen vorbei. Sie waren mir alle egal. Ich drängte mich an laut grölenden, betrunkenen Menschen vorbei ins Haus. Liams Familie war etwa genauso reich wie mein Dad. Ein riesiges Haus und mindestens drei Bonsenkarren zu viel in der Garage. Ich stürmte die Treppe nach oben, währrend ich immer wieder ein "Hey, Ben" oder ein "Was geht, Alter" zuhören kam. Ich ignorierte sie alle. Als ich vor der Tür des Badezimmers angekommen war, klopfte ich sanft. "Hey, Prinzessin? Ich bins, mach auf" Ich war verwundert wie ruhig meine Stimme klang. Nach einigen Sekunden wurde die Tür schließlich geöffnet und Liv stand vor mir. Ihre Wimperntusche war verlaufen, ihre Augen waren rot und verkwollen. Ich drängte sie zurück ins Bad, schloss hinter mir ab und zog sie in meine Arme. Sie begann erneut zu weinen und schluchzte in mein Shirt. "Shh Prinzessin alles wird gut. Ich bin ja da." versuchte ich sie zu beruhigen. Was auch immer passiert war, es musste ganz schön heftig gewesen sein, um Liv zum Weinen zu bringen. Ich wurde mit jedem ihrer Schluchzer wütender, doch wollte ich sie nicht dazu zwingen mir zu erzählen was passiert war. Wenn sie es mir erzählen wollte, dann würde sie es tun. Ich setzte mich auf die Toilette und zog sie auf meinen Schoß. Eine Position, in der wir vor einigen Tagen bei Regen an einer Bushaltestelle saßen. Dieser Moment war für mich zugleich einer der schönsten und einer der schrecklichsten Momente in letzter Zeit.

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