Kapitel 1

„Diamonds, Bryan Diamonds. Sehr erfreut", antwortete mir der durchaus sehr jung erscheinende Mann in Anzug und Krawatte.
Doch er wirkte keines Falls erfreut. 

Da hatten die Damen am Empfang wohl doch nicht ganz so Unrecht was den jugendlichen Flair dieses Mannes anging. Ich schätze ihn auf mein Alter.
Jedoch kein Grund, ihn anders als die anderen Vorstandsmitglieder zu behandeln.
Schließlich musste er wissen, wie dieser Business funktionierte, wenn er bereits einen so hohen Posten in jungen Jahren übernehmen sollte.
Ich lies mich von seinem gepflegten Äußeren noch nicht überzeugen, er sollte erst einmal beweisen, ob er für diesen Job wirklich der richtige Kandidat war. 
Der Schein kann jederzeit trügen, pflegte mein Vater immer zu sagen und so hielt ich mich auch an seinen Leitsatz. 

„Ja natürlich, Mr. Diamonds, wie konnte es mir nur entfallen", versuchte ich mich gekünstelt nett aus dieser etwas peinlichen Situation zu retten, eher vergeblich.

„Sie bewerben sich also als persönliche Assistentin zu meiner Seite, richtig?", wollte der charismatisch wirkende Bryan von mir wissen.

Ich nickte beifällig.
Wie ich es hasste, dem zustimmen zu müssen, aber was tat man nicht alles für die Familie.
Eigentlich war mein Vater der vorherige Vorstandsvorsitzende dieser und noch einiger anderen unserer Firmen der Tibet Familie gewesen, jedoch wurde es ihm nicht vergönnt und er musste auf unschöne Weise den Tod finden.
Ich schwur bei Gott, wenn ich den Kerl in den Finger bekommen würde, der ihn ermordet hat, wären auch seine Tage gezählt.
Meine kriegerischen Gedanken hätten meinen Vater sicher nicht glücklich gemacht, aber seine Anwesenheit fehlte mir so unglaublich stark, er bedeutete alles für mich.
Nun hatte ich mir es zur Aufgabe gemacht, den neuen Firmenchef, der noch von meinem alten Herrn vorgeschlagen wurde, unter die Lupe zu nehmen.

Schließlich war dies das erste Mal, dass er eine seiner Milliardenfirmen an einen Anderen weitergeben wollte und dann auch noch an so einen jungen Kerl. Da aber kein Mann der leichtsinnigen Entscheidungen war, war ich mir bereits etwas sicherer, dieser Jüngling musste etwas taugen.
Klar hätte ich normalerweise die nächste Leiterin der Firmengesellschaft sein können, aber ich gab meinem Vater damals gut zu verstehen, dass ich mich dieser Aufgabe selbst noch nicht gewachsen sah.
Auch wenn ich die Tochter einer der größten Geschäftsmänner dieser Welt war, wollte ich keinesfalls auch nur einen winzigen Teil der jahrelangen Arbeit meines Vaters umsonst gewesen sein lassen oder gar im schlimmsten Falle einen solch großen Fehler begehen, dass er sich im Grabe umdrehen würde. So bewarb ich mich also für die Stelle der „persönlichen Assistentin", wie Diamonds es bereits so schön ausdrückte, um die Qualität dessen als CEO überprüfen zu können.

Selbstverständlich getarnt mit Perücke, Schminke, völlig anderem Kleidungsstil und Kontaktlinsen, die nicht meiner richtegen Augenfarbe entsprachen. Welche andere Stelle hätte sich auch besser geeignet als diese und so sorgte ich mit ein paar Mittelchen dafür, dass niemand anderes dafür vorgeschlagen würde.
Das mochte sich zwar wie die Erpressungsmethode eines italienischen Mafiabosses anhören, aber im Grunde hatte ich nur ein kurzes „Teekränzchen" mit den anderen Vorsitzenden der Firma, um ihnen die Dringlichkeit meiner Bitte zu erläutern.
Diese kannten mich ja bereits seit Jahren und waren genauso noch erschüttert von dem plötzlichen Tod meines Vaters, der auch ihnen stets ein wichtiger Kamerad, ja auch Freund war.

„Na dann darf ich Ihnen meine herzlichen Glückwünsche aussprechen, Sie werden heute noch anfangen können", teilte mir Mr.Diamonds mit einem ausdrucksstarkem Lächeln mit, während er die Papiere zur Unterzeichnung schon hervorzog.

„Wie schön", gab ich lächelnd zurück.

Ich musste innerlich lachen, schließlich war ich immer noch die Einzige, die sich wirklich bewerben konnte, auch wenn der gute Bryan das nicht wusste.

„Es waren zwar seltsamerweise nur Sie, die sich für diesen Job interessierte, aber so fiel mir wenigstens die Entscheidung um einiges leichter", meinte er während er seine Unterschrift konzentriert auf das Blatt Papier vor sich setzte und es mir dann zuschob.

„Tja, was soll man machen", warf ich ein, während ich meine Signatur hinterlies, musste mir aber einen schiefen Blick von meinem neuen Chef entgegnen lassen.
Ups, Bryan schien wohl nicht der Typ für Scherze zu sein, aber naja, jetzt war es schon zu spät sich korrigieren zu wollen.

„Wie dem auch sei, Sie dürfen sich sogleich Ihren Arbeitsplatz dort vorne einrichten", verkündete er mir und zeigte auf einen gläsernen Schreibtisch etwa drei Meter entfernt rechts von dem seinen. Schon wieder Glas! Ich lächelte wieder aufgesetzt.

„Dann mache ich mich gleich mal an die Arbeit", versuchte ich so motiviert wie möglich rüber zu bringen, schauspielern konnte ich einigermaßen gut.

„Machen Sie das. Sollten Sie Hilfe benötigen, die neue Assistentin von Mr. Danvens wird Ihnen bestimmt ihre Dienste erweisen.
Sein Büro befindet sich hinten rechts am Ende des Gangs. Sollte es einen Notfall geben, meine Mobilnummer habe ich Ihnen auf dem Schreibtisch hinterlassen. Wenn Sie mich nun entschuldigen, ich habe gleich noch eine Besprechung mit den unteren Chefs der Abteilungen".

Wow, in kurzen und knappen Sätzen teilte er mir schnellstmöglich alles Nötige mit, er schien mich wohl jetzt schon nicht leiden zu können.
Innerhalb von Minuten verwandelte sich der ach so freundlich wirkende Bryan Diamonds zu einem strengen Vorgesetzten.
Schnell umschalten konnte er, das musste man ihm lassen und es war sicher eine vorteilhafte Eigenschaft, ich kannte das von meinem alten Herrn. Womöglich war er aber auch nur völlig gestresst, wollte es aber nicht zeigen und stellte sich konsequent dar. Wie auch immer.

„Gut, vielen Dank, bis dann", verabschiedete ich mich, wurde aber keines Blickes mehr gewürdigt während Diamonds den Raum mit eiligen Schritten verlies.

Schwer ausatmend lies ich mich auf meinen neuen Schreibtischstuhl fallen, der ausnahmsweise mal nicht aus Glas gefertigt war.
Was für ein rätselhafter Typ, das wird eine Menge Arbeit zusätzlich zu meinem neuen Assistentinnen-Dasein, das rein der Tarnung diente. Sogar eine lange, hellbraune Echthaarperücke, anders als mein Naturhaar es war, hatte ich mir anfertigen lassen, um auch ja nicht Verdacht zu schöpfen.
Meine natürlich dunkel gewellten Haare reichten nur knapp über die Schultern. Blousons und Bleistiftröcke lies ich auch anschaffen und aus meiner eigentlichen Identität als Harriet Tibet wurde nachdem ich mir einen Fake- Lebenslauf und sogar Ausweis zugelegt hatte, Harriet Stones.

Oft war ich am zweifeln, ob ich nicht meinen Vornamen auch hätte ändern sollen, der Sicherheit wegen, aber dann lehnte ich diesen Gedanken wieder ab. Ich wollte einfach nicht den Namen, den mir mein Vater als Neugeborenes gegeben hatte, auslöschen und so behielt ich ihn bei.
Natürlich agierte ich nur in der Arbeit als Mrs. Stones, mein Privatleben lebte ich weiterhin als Tibet-Tochter aus, und wohnte in dem ersten Gebäude, das mein alter Herr damals gekauft hatte, im mittlerweile umgebauten Penthouse. Unter mir wohnten keine Prominenten, nein, ich wollte unbedingt dorthin ziehen, der „normalen" Menschen wegen. Prominent zu sein ging mir ehrlich gesagt mächtig auf die Nerven, da immer und überall Paparazzo Informationen aus meinem ach so
„fantastischen, luxuriösen und herrlichen" Leben forderten und regelrecht danach zerrten wie Löwen nach Antilopenfleisch.
Jede noch so kleine Äußerung verwandelten sie in die größte Schlagzeile auf dem Titelblatt und wirklich Ruhe in deinem Leben schrumpfte bis zum Äußersten.

Nachdem ich einige Zeit lang in meinen Gedanken versunken war, fuhr ich den Rechner hoch und versuchte mich mit meinen neuen Aufgaben vertraut zu machen.
Das Passwort stand auch auf dem kleinen Klebezettelchen mit der Handynummer, das mir Mr.
Diamonds hinterlassen hatte und so wie ich dieses eingegeben hatte sprang mir auch schon mein Vater als Desktop Hintergrund ins Auge.
Ich vermisse dich, dachte ich für mich. Henry Tibet, mein Vater.
Er posierte vor dem Firmenlogo mit einem Grinsen im Gesicht und Daumen nach oben.
Ja, er war immer ein fröhlicher Mann gewesen und stolz auf das, was er geleistet hatte. Schon lustig ihn so zu sehen, aber die kurze Freude meinerseits wurde von einem Stich in die Brust zunichte gemacht. Wenn ich daran dachte, was ich ihm alles zu verdanken habe, wollte ich ihm noch mehr zurückgeben, aber ich konnte nicht mehr.

Ich schüttelte den Kopf. Keine negativen Gedanken, das konnte ich jetzt nicht gebrauchen! Ich musste so viel wie möglich über Mr. Diamonds herausfinden, wie er war, was er davor machte, woher er kam, und, und, und. Seufzend machte ich mich ans Werk und suchte erst einmal eine Grundeinweisung für meinen neuen Aufgabenbereich. Irgendjemand musste doch davor bestimmt so etwas wie ein „Wie werde ich eine gute Assistentin"-Manuskript
hinterlassen, oder täuschte ich mich da? Der Rechner war zwar voller Informationen und Detailangaben über meinen Vater, die Firma und die Gründung, aber eine konkrete Schrittanleitung zur besseren Sekretärin konnte ich nirgends finden, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
Also entschied ich mich doch für die sichere Variante und wollte die Assistentin von Mr. Danvens aufsuchen. Was hatte Diamonds noch einmal gesagt, rechts, hinten, Ende des Gangs, zählte ich in Gedanken noch einmal für mich auf. Ich machte mich also schnurstracks auf den Weg und lief wieder an etlichen Glasscheiben vorbei, stand mein Vater wirklich auf so viel Transparenz?

Als ich am Ende des Gangs ankam entdeckte ich auch schon das Schild mit der Aufschrift
Louis Danvens, 1. Vertreter CEO".
Na gut, anscheinend ist dies Wohl die Royal Etage, denn bisher war ich nur erprobten Individuen begegnet, nicht einer war dabei, der nicht ein paar Milliönchen sein Eigentum nennen durfte.
Das machte es natürlich nicht einfacher für mich, meine wahre Identität zu verbergen, abermals ich alle diese Leute kannte, zum Teil sogar persönlich. Obwohl ich diesen Kandidaten tatsächlich noch nie gesehen hatte. Ich klopfte zur Sicherheit, gesehen hatte man mich ja bereits. Ein ebenfalls sehr junger Mann winkte mich herein, ohne seinen Blick von seiner Arbeit zu wenden.
Seine Haare waren etwas länger und blond und seine Muskulatur zeichnete sich auf seinem Hemd teilweise wieder. Waren denn alle hochpositionierten Angestellten in dieser Firma noch junge, charismatische Karrieremenschen?

Entschuldigen Sie, ich bin die neue Assistentin von Mr. Diamonds und kenne mich noch nicht wirklich hier aus, könnte ich mir ihre persönliche Assistentin vielleicht kurz ausleihen?", fragte ich und versuchte einen guten Eindruck zu machen.

Der junge Mann blickte nun auf und ein freches Lächeln zeichnete sich in seinem Gesicht ab. „Sie sind also Bryan's Assistentin, na da scheint er ja Glück gehabt zu haben!", platzte er hervor.

War er etwa mit Diamonds befreundet?
Außerdem, sollte das gerade etwa eine Anmache gewesen sein oder warum freute er sich auf einmal so?
Gerade eben wirkte er noch so vertieft in seine Arbeit und nun strahlte er mich aufgelegt an, jeder schien hier wohl auf Knopfdruck seine Laune ändern zu können, ich ja auch.

„Ja, die bin ich, aber wie gesagt ich kenne mich noch nicht allzu gut hier aus, weshalb ich Hilfe benötige", gestand ich ein zweites Mal.

„Oh, naja das ist jetzt aber blöd, ich habe momentan keine, sie wurde nämlich gefeuert. Und die neue Assistentin hat sich heute noch nicht blicken lassen."

Mr. Danvens erwähnte dies, als wäre es ganz beiläufig und wuschelte sich dabei durch sein zerzaust wirkendes honigblondes, schimmerndes Haar.
Ich war leicht irritiert, nicht nur von seiner Art diese Aussage zu betätigen, sondern auch, dass mir im Grunde nun niemand wirklich helfen konnte.

Naja, sie wollte anscheinend etwas von Bryan und da hat er sie rausgeschmissen", meinte Louis weiterhin sorgenlos.

Diese Angabe schockierte mich so viel wie sie mich interessierte, nicht wirklich. Davon hatte ich schon zu oft gehört, mein Blick blieb kühl.

„Oh, naja dann muss ich selbst sehen, wie ich zurecht komme, aber trotzdem danke", entgegnete ich.

Als ich gerade kehrt machen wollte, stand der junge Mr. Danvens von seinem Schreibtisch auf und tat ein paar Schritte in meine Richtung.

„Wenn Sie wollen, erkläre ich Ihnen kurz, wie die Rechner exakt funktionieren und auf was Sie besonders bei Bryan achten sollten, er ist etwas, wie sage ich es am besten...speziell", erklärte er mir und ich hob leicht skeptisch eine Augenbraue.

Um ehrlich zu sein, wollte ich mir von diesem aufgeweckten Typen nicht helfen lassen, abermals er mir einen doch zu freundlichen Eindruck machte, doch was blieb mir schon anderes übrig? Einigermaßen nett versuchte ich zu antworten.

„Ja, das wäre wirklich nett, danke, aber nur wenn Sie auch wirklich Zeit haben, ich möchte Sie nicht von ihrem Schaffen abhalten".

„Ach, das ist doch nicht der Rede wert", meinte Danvens lächelnd und ich versuchte sein Lächeln irgendwie zu erwidern.

Sagen Sie, warum haben Sie sich eigentlich für diese Stelle beworben, das interessiert mich jetzt", erkundigte sich der etwas nervige Louis, während wir den Glaskorridor wieder hinwärts Mr. Diamonds' Büro promenierten.

Seine offene Art ging mir allmählich wirklich auf die Nerven, ich war nicht der Typ, der gerne Small Talks führte, erst Recht nicht mit Männern.
Ich konnte ja schlecht zugeben, dass ich eigentlich nur meines Vaters wegen diese Stelle praktisch verhandelt hatte, also entschied ich mich für eine kurze, aber aussagekräftige Antwort meinerseits.

„Diese Stelle interessierte mich".

„Ah, und warum genau, was hat sie dazu gebracht, genau für diese Arbeit zu kandidieren, sage ich mal".

Louis Danvens wusste anscheinend nicht, wann es genug war.
Ich musste mir Wohl oder übel eine ausführlichere Antwort für dieses Energiebündel von Büromenschen einfallen lassen.

„Ich war bisher noch nie in einer solch namhaften Firma angestellt und wollte mich selbst einmal einer solchen Herausforderung stellen" klärte ich ihn auf. Alles gelogen natürlich.

„Wirklich interessant", gab er mir zurück.

Wie du meinst, Louis. Er stieß die große Glastür zu Diamonds Büro auf und bat mich wie ein Möchtegern-Gentlemen herein, wobei er wieder grinste und eine schwunghafte Handgeste betätigte. „Danke", erwiderte ich, man musste ja höflich bleiben, wenn es Louis schon vorgab.
Ich saß mich in meinen Sessel und Mr. Danvens beugte sich leicht herab, seinen Arm auf dem Schreibtisch abstützend.

„Nun, also hier stehen allgemeine Informationen über Bryan, aber es gibt noch wichtige Dinge, die hier nicht stehen, die nenne ich Ihnen schnell", begann er.

„Also Bryan ist allergisch gegen Nuss, Brokkoli und Karotten, er hasst es, wenn man sich nicht deutlich ausdrücken kann, geht gerne zum Theater.
Er bildet sich gerne auch privat noch weiter, z.B. hat er sich selbst Spanisch und Italienisch gelehrt und spricht diese auch fließend und außerdem ist er ein Hundemensch. Und man sollte ihn wirklich keinesfalls unterschätzen, manchmal da zerbreche sogar ich mir noch den Kopf über ihn und wir kennen uns nun wirklich schon lange. Wir waren damals zusammen im Footballteam, er war Quaterback und ich Running Back".

Ich hatte alles sorgfältig notiert mit Stift und Papier, die gerade in Reichweite waren.
Ha, er war also wirklich Quaterback gewesen, als ob ich es gewusst hätte.
Ich lächelte kurz zum Vergnügen und lies mir dann alles nötige noch zu Gemüt führen, als plötzlich eine männliche Stimme meinen Lehrgang unterbrach.

„Louis was machst du hier, du solltest doch das neue Konzept überarbeiten. Flirtest du etwa mit meiner Assistentin?" 

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