36. Kapitel - Leid
„Wer hat dir das angetan?", wiederholte ich. Meine Stimme klang dieses Mal etwas ruhiger und mitfühlender.
Hux schluckte.
„Kylo. Er war gestern Abend hier."
„Warum? Warum tut er so etwas schreckliches?", fragte ich verzweifelt.
„Ophelia, ich habe es verdient so behandelt zu werden. Ich habe die Schmerzen verdient."
Ich schaute ihn fassungslos an und zog meine Hand zurück.
„Nein.", hauchte ich.
„Ophelia, ich habe dir wehgetan. Ich habe deine Einfühlsamkeit missbraucht. Ich habe alles kaputt gemacht."
Er fing an zu weinen. Ich habe ihn noch nie so weit am Boden gesehen. Seine Welt war zerbrochen. Seine Existenz hatte für ihn keine Bedeutung mehr und er war ganz alleine.
Ich griff nach seiner Hand und hielt sie fest.
„Ich wollte mich nur bei dir entschuldigen und dir sagen, wie Leid mir all das tut, aber Kylo wollte nicht, dass du zu mir kommst, was ich sehr gut verstehen kann. Ich dachte immer, er sei das Monster, aber ich bin in Wahrheit noch viel schlimmer. Ich bin so erstaunt, dass du doch noch gekommen bist."
„Armitage, bitte, du musst dich doch nicht entschuldigen. Du wolltest mir nur deine Gefühle zeigen."
„Bitte, lasst mich nicht hinrichten! Bitte, Ophelia, ich will es vorher noch irgendwie gut machen. Ich will nicht sterben!", flehte er auf einmal verzweifelt.
„Hinrichten?"
„Kylo sagte, ich habe es nicht verdient zu leben, ich habe es nicht verdient die gleiche Luft zu atmen wie du. Er hat Recht, du bist ein gottesgleicher Engel, der zu gut für die Menschen ist."
Er ließ meine Hand los und setzte sich auf sein Bett. Ich setzte mich an die Wand hinter mir lehnend auf den kalten Boden.
Mein Blut kochte vor Wut.
Wie kann Kylo nur so etwas schreckliches tun? Hux hat nichts... fast nichts falsches getan. Der Morgen nach meiner Verlobung... er packte mich wie ein Geisteskranker an meinem Hals...
Ich verdrängte den Gedanken so schnell es ging und versuchte meine Wut zu unterdrücken.
„Ich habe dich vermisst.", erwähnte ich beiläufig.
Hux schaute mich ungläubig an.
„Wirklich?"
„Ja."
„Wieso?"
„Du gehörst zu meinen besten Freunden."
Er rutschte vom Bett und setzte sich wieder an die Gitterstäbe.
„Ophelia, ich habe dich nicht verdient."
Ich kroch zu ihm und nahm wieder seine Hand.
„Hör mir zu, Armitage. Ich möchte, dass du weißt, dass ich dich nicht liebe, wie ich Kylo liebe. Ich liebe dich, als einen Freund... meinen besten Freund und daran wird sich nichts ändern."
Hux war sprachlos, deshalb fuhr ich fort: „Ich möchte nicht, dass du hier unten mit diesen Mördern, Verrätern und Dieben verrottest. Du gehörst hier nicht hin."
„Du weißt, dass Kylo erst zufrieden sein wird, wenn ich tot bin.", erwiderte Hux und schaute bedrückt zu Boden. „Ich weiß, ich habe nichts anderes verdient, aber ich will nicht sterben! Ich will einfach nicht sterben."
Er klang so verzweifelt und zerstört. Ich wischte seinen Tränen fort und wünschte mir nichts lieber, als ihn in den Arm nehmen zu können.
„Ich werde mit ihm sprechen.", meinte ich aufmuntern. „Und ich werde nicht zulassen, dass sie dich töten."
„Danke.", hauchte er leise.
„Weiß Kylo, dass du hier bist?"
„Ja."
„Er lässt es zu, dass du alleine in dieses Loch kommst?"
„Er weiß, dass er mich nicht aufhalten kann.", meinte ich und schmunzelte ein wenig. Hux lächelte auch.
Ich seufzte und lehnte mich wieder gegen die Wand hinter mir.
„Was ist los?", fragte Hux erschüttert.
„Ich weiß nicht. Ich bin wütend, enttäuscht..."
„Wegen mir?", fragte Hux und ich sah deutlich, wie eine Welle von Trauer über ihm zusammenbrach und die Flut all seine Hoffnung nahm.
„Nein. Ich verstehe nicht, wie Kylo dir so etwas antuen kann."
„Er liebt dich."
„Aber das ist doch noch lange kein Grund, dir solche Schmerzen zu bereiten und dich zu quälen."
„Das, was ich dir angetan habe, verlangt noch viel größere Pein. Er behandelt mich noch viel zu gnädig."
„Nein.", hauchte ich.
„Ophelia, verstehe doch, du bist alles, was er hat. Du bist alles, was er braucht. Sein größter Schatz, sein wertvollster Besitz. Er würde alles tun, um dich glücklich zu wissen. Er würde alles tun, damit du in Sicherheit bist und er würde ohne zu zögern sein eigenes Leben opfern, wenn es hieße, deines zu retten."
Ich konnte nichts sagen. Ich konnte ihm nicht mehr böse sein. Meine Gedanken überschlugen sich und in meinen Augen bildeten sich Tränen. Ich war innerlich zerrissen und wusste nicht, was ich glauben sollte. Mir war es doch nur wichtig, dass alle glücklich waren, dass Kylo glücklich war, aber ich konnte meinen Freund nicht in seiner Zelle vergehen lassen.
„Ich muss gehen.", meinte ich. „Ich muss über all das nachdenken."
„Mach das.", meinte Hux deprimiert.
Ich stand auf und er tat es mir gleich. Dann streckte ich beide Arme durch die Gitterstäbe und versuchte ihn zu umarmen.
„Ich werde wieder kommen.", hauchte ich. „Wenn es sein muss, jeden Tag."
Dann löste ich mich aus der Umarmung und verschwand.
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