35. Kapitel - Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt
Als ich aufwachte, schlief Kylo noch auf meiner Brust. Ich traute mich nicht, ihn zu wecken und genoss stattdessen die Stille. Langsam strich ich ihm über seinen Rücken.
„Guten Morgen.", murmelte er nach einer Weile.
„Guten Morgen.", erwiderte ich.
Er stand auf und zog sich ohne zu zögern an. Ich war erstaunt, wie schnell er das Bett verlassen hatte.
„Was ist denn los? Hast du irgendetwas vor?", fragte ich völlig überrascht.
„Du wirst heute mit Caroline bei Mrs. Williams frühstücken."
„Wo willst du hin?", fragte ich aus dem Bett steigend.
„Weg.", meinte er und verschwand im Bad. Ich folgte ihm und beobachtete ihn dabei, wie er seine Haare im Spiegel zurecht machte.
„Wohin?"
„Weiß ich noch nicht."
„Kylo, was hast du vor? Du machst mir Angst.", meinte ich irritiert.
Er kam zu mir und hielt mich bei meinen Armen.
„Ophelia, wir wissen beide, was du heute vorhast und wir wissen beide, dass Hux Recht hat. Ich habe mich nicht unter Kontrolle."
Ich umarmte ihn.
„Sag doch so etwas nicht."
„Auch wenn es nicht stimmen sollte, wäre es mir lieber, nicht hier zu sein während du... während du..."
„Schon ok."
Ich löste mich aus der Umarmung und küsste ihn sanft.
„Guten Morgen.", sang Caroline hinter uns. „Oh, ich hoffe ich störe nicht."
„Nein, nein.", sagte ich und drehte mich zu ihr um. „Einen Augenblick, ich ziehe mir nur schnell noch etwas an."
Als ich umgezogen wieder kam, war Kylo schon fort. Ich hätte mich gerne noch verabschiedet, aber ich verstand seine Beweggründe.
„Na komm, wir gehen."
Ich nickte und folgte ihr.
Dr. und Mrs. Williams wohnten in der Nähe des Krankenflügels. Man empfing uns herzlich und erklärte uns, dass der Doktor gerade zu seiner Arbeit gerufen wurde.
Die Wohnung wirkte so anders als alles, was sich sonst auf der Starkiller Base befand. Der Boden war mit gemütlichen Teppichen ausgelegt, die Wände waren mit geschmackvollen Tapeten geschmückt, überall hingen Bilder und hier und dort standen sogar einige Topfpflanzen. Das Zimmermädchen führte uns in eine gemütliche Küche, wo sich Mrs. Williams an einem kleinen Tisch befand. Sie stand auf.
„Guten Morgen Caroline. Guten Morgen Ophelia. Setzt euch.", begrüßte sie und freundlich.
Wir setzten uns.
Es hatte sich wohl schnell rumgesprochen, dass ich gerne Joghurt aß, denn auch hier servierte man ihn mir. Dazu gab man mir eine Tasse weißen Tee. Ich war zufrieden.
„Du bist also Kylo Rens Verlobte?"
Ich nickte lächelnd.
„Schön. Es freut mich, dass der Junge so eine hübsche und nette Dirne bekommen hat. Und behandelt er dich auch immer gut?"
„Ja, das tut er.", meinte ich immer noch lächelnd.
Ich dachte an gestern Abend. Was für ein Leid er auf sich nehmen musste. Mir war bewusst, wie schwer es ihm fällt, mich zu Hux gehen zu lassen.
„Er hat sich über beide Ohren in sie verliebt.", mischte Caroline sich ein. „Er redet nur noch von ihr und kann gar nicht aufhören zu schwärmen. Erst vor einigen Tagen meinte er zu mir, dass Ophelia der einzige Grund sei, weshalb er überhaupt noch morgens aufstehen will und er meinte, er könne es gar nicht glauben, wie geduldig sie doch mit ihm sei."
Ich wurde rot und Mrs. Williams lachte amüsiert.
„Ja ja, Kylo ist ein anständiger junger Mann. Bewahre ihn dir gut, Ophelia."
Ich nickte und trank aus meiner Tasse.
„Habt ihr schon über Kinder gesprochen?", meinte die alte Dame gelassen und rückte ihre Brille zurecht.
Ich verschluckte mich fast.
„Nein, nicht direkt."
„Nicht direkt?", fragte Caroline.
„Könnte ich noch etwas von dem Joghurt haben?", fragte ich um vom Thema abzulenken.
„Ach Kinder... Als ich so jung war wie ihr hatte ich schon Zwillinge. Wie sieht es eigentlich bei dir aus, Caroline?"
„Immer noch zu haben...", seufzte sie.
„Ich muss dir mal meinen Enkel vorstellen. Bill, 25 Jahre jung und ebenfalls Arzt. Ein so talentierter Bursche und auch noch allein stehend."
Caroline wirkte sehr interessiert und hörte der Frau neugierig zu.
„Es besteht doch sicherlich die Möglichkeit ihn hier einzustellen oder?", wand ich ein.
„Ja? Würdest du das für mich machen?", fragte Caroline verblüfft.
Ich bejahte das ganze amüsiert über ihre Freude.
Die Gesellschaft war sehr angenehm und ich hoffte, in Zukunft noch mehr Zeit mit Mr. und Mrs. Williams verbringen zu dürfen. Nur an diesem Morgen hatte ich das schreckliche Verlangen so schnell wie möglich wegzukommen. Meine Geduld reichte kaum aus. Ich wollte Armitage unbedingt wieder sehen. Als ich endlich die Wohnung verlassen konnte, war es Carolines Wille, mich auf mein Zimmer zu geleiten.
„Nein danke. Ich muss noch... ich meine, ich will noch...", versuchte ich mich irgendwie rauszureden.
„Ja?"
„Ich wollte noch einmal zu Dr. Williams bezüglich der Testergebnisse.", log ich.
„Ach so, wenn dem so ist, möchte ich dich nicht stören.", lächelte sie mir zu und verschwand.
Dennoch hielt ich es für keine schlechte Idee, wirklich noch einmal beim Doktoren vorbeizuschauen und ging deshalb zuerst zu ihm.
„Dr. Williams? Könnte ich sie sprechen?", fragte ich, als ich den Krankenflügel betrat.
Er trank gerade Kaffee und blätterte in einem Magazin.
„Selbstverständlich, Liebes. Wo drückt denn der Schuh?", fragte er und stand von seinem Stuhl auf.
„Ich wollte nur fragen, ob die Untersuchung irgendetwas ergeben hat."
„Ahja, da war ja was... Kind, du brauchst dich um nichts zu sorgen. Du bist kerngesund und Kylo ist es nebenbei auch.", sagte er und zwinkerte mir zu.
„Gut.", antwortete ich und versuchte mir weiteres nicht auszumalen. „Ich muss auch schon wieder weiter.", meinte ich.
„Ah, ich verstehe.", grinste er.
Ich schaute ihn errötet an und verschwand mit schnellen Schritten aus der Tür.
Dann suchte ich nach dem nächsten Fahrstuhl und fuhr ins letzte Stockwerk. Als sich die Tür wieder öffnete und ich den Aufzug verließ, überkam mich eine eisige Kälte. Ich blieb stehen und traute mich nicht, mich zu rühren. Der Korridor wirkte noch viel länger und dunkler und der Lärm, der von einigen Zellen ausging, war noch viel lauter. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und kämpfte mich Schritt für Schritt an den Häftlingen vorbei. Ich versuchte so gut es ging meine Angst zu unterdrücken und ihre Blicke zu meiden.
Als ich endlich am Ende des ewigen Ganges ankam, erblicke ich hinter den Gitterstäben einen gebrochenen Mann, der in der Ecke zusammengekauert lag. Ich griff nach den kalten Stäben, um Halt zu suchen.
„Armitage.", hauchte ich leise und kaum hörbar.
Er saß immer noch auf dem Boden mit dem Gesicht zu Wand.
„Armitage, ich bin es.", fuhr ich fort. Meine Stimme war noch genau so leise und ich hatte Angst, dass er mich gar nicht hören konnte und ich wieder all meine Kraft aufbringen musste, um diese schmerzerfüllten Worte zu wiederholen.
Er begann zu weinen und zu wimmern.
„Bitte.", sagte ich, nur dieses Mal hatte ich so viel Mut gefasst, dass ich es schaffte meine Stimme etwas zu heben.
Er sprang auf und lief zu mir, nur um sich dann vor den eisernen Streben, die uns trennten, wieder fallen zu lassen. Ich ging in die Knie, um ihn in seine tränengefüllten Augen zu schauen. Dann streckte ich meine Hand durch die Stäbe und legte sie auf seine kalte Wange. Er nahm sie und presste sie fest und verzweifelt an sein Gesicht.
„Ophelia.", weinte er. „Du bist hier."
„Ja.", erwiderte ich mitleidig.
Ich betrachtete ihn. Sein Körper war von viel mehr Wunden geziert als am vorigen Tag. Einige Verletzungen sahen aus als wären sie nur ein paar Stunden alt. Aber schlimmer als der körperliche Schmerz, den er ertragen musste, war der mentale Schmerz, den ich ihm zufügte.
„Wer hat dir das angetan?", fragte ich erzürnt.
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