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Christinas Mimik war fast ausdruckslos und unbeeindruckt, wie immer, als ich ihr von meiner Trennung von Kevin erzählte. Kein bestürzter und empörter Ausdruck, aber auch kein hinterhältiges und hoffnungsfrohes Lächeln. Andererseits hatte Christina ihr Poker-Face auch schon sehr perfektioniert, dass selbst ich manchmal nicht hinter ihre Fassade blicken konnte. Sie sagte mir, dass Kevin mich ohnehin nur ausgenutzt hatte, sie sagte mir, dass er mich misshandelt hatte, sie sagte mir, dass er mich nicht verdiene. Sie tröstete mich, strich beruhigend über meinen Arm - und doch hatte ich die Sorge, dass sie mich hintergehen und sich an Kevin ran schmeißen würde. Dann wäre ich erst recht eine lachnummer unter all den Leuten, die sich ohnehin schon über mich lustig machten und haarsträubende Gerüchte über mich erzählten. Doch ich glaube das würde Christina nicht sonderlich jucken, denn sie war immer schon sehr auf den eigenen Vorteil bedacht gewesen. Sie würde mich ohne zu zögern ans Messer liefern und dabei noch nicht mal ein schlechtes Gewissen haben. Sie würde mit Kevin im Bett liegen und nicht mal ganz kurz drüber nachdenken, was sie mir damit antat. Sie würde mit ihm schlafen - ganz gleich, was das für mich bedeutete. Sie würde in seinen Armen liegen während mir mein ganzes vertracktes und verpfuschtes Leben auf den Kopf fiel. Sie würde lachen und strahlen während ich mich in den Schlaf weinen würde. Ich würde zusehen müssen, wie es vielleicht für sie mit dem Jungen klappte mit dem ich jahrelang in einer toxischen und gewaltbelasteten Beziehung fest steckte. Sie würde vielleicht eine Zukunft mit ihm haben, eine Chance bekommen, die ich nie bekam. Es tat weh zusehen zu müssen, wie sich die Dinge entwickelten, denn alles Schien genauso zu kommen, wie ich es prophezeit hatte. Christina lungerte immer häufiger mit Kevin herum - sie umgarnte ihn regelrecht, was sonst eigentlich gar nicht ihr Stil war. Sie legte sich richtig ins Zeug, aber ich glaube das wäre bei Kevin, der sie ohnehin auch immer ziemlich toll fand gar nicht so nötig gewesen. Sie machte ihm schöne Augen nach allen Regeln der Kunst. Und schon bald lag sie in seinen Armen, geborgen und sicher, wie sein kleiner Engel. Sie lächelte, es war ein überraschtes, aber glückliches Lächeln. Er hielt sie fester und sie wehrte sich nicht dagegen. Sie war von nun an sein treues kleines Hündchen, was ihm nicht mehr von der Seite wich. War das etwa tatsächlich die große Liebe?! Nein, dieses Glück konnte doch nicht für die Ewigkeit sein, dachte ich. Es wäre einfach unlogisch und unrealistisch. Und dann war da immer noch dieser bohrende und scharfe Stich ins Herz, wenn ich die beiden so verliebt und zufrieden zusammen sah. Ich wusste nicht, wo das noch hin führen sollte. Ich hatte Angst, dass die ganze Situation irgendwann und irgendwie eskalieren würde. Doch die Zügel lagen nun nicht mehr in meiner Hand - ich war nur die Stumme und machtlose Zuseherin. Ich spürte das brodeln und knistern mit dem sich eine unheilvolle Last zusammen braute, bereit zu explodieren und alles mit sich in den Abgrund zu reißen.
Wie findet ihr das, dass sich Christina nun an Kevin ran schmeißt?
Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen
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