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Ich sah Kevin seit jenem schicksalsträchtigen tag nicht mehr. Und doch vermisste ich ihn immer noch - nicht mehr als Partner, sondern einfach die gemeinsamen Erinnerungen mit ihm. Mittlerweile wusste ich auch, dass das gute, wie auch das schlechte einfach zu Kevin und unserer Beziehung dazu gehört hat, den lieben Kevin gab es nicht ohne den bösen Kevin. Der Abstand von ihm tat mir jedoch auch gut, ich wurde besonnener und fokussierter. Ich saß nicht ständig auf glühenden Nadeln, war nicht ständig auf der Hut, musste nicht ständig um meine Sicherheit fürchten. Ich hatte früher nie gedacht, dass ein Leben möglich war ohne Kontakt zu Kevin - ohne seinen Körper zu spüren, seine Stimme zu hören und seine Wärme zu fühlen. Und jetzt war diese Situation mit einem Schlag Realität geworden und ich war plötzlich mittendrin. Ich versuchte Kevin nicht mehr nachzustellen und ihn irgendwie zu starken, aber trotzdem kamen Gerüchte zu mir, dass Kevin nun vollends auf die schiefe Bahn geraten und in die Kriminalität abgerutscht war. Ich selbst hatte jedoch nie mehr das Bedürfnis mir selber ein Bild davon zu machen, obwohl ich diesem Tratsch durchaus glauben schenkte. Ich weiß nicht mal, wie ich reagieren würde, wenn ich Kevin eines Tags irgendwo auf der Straße begegnen würde - aber wahrscheinlich würde ich mich um einen ganz normalen Umgangston bemühen, eine freundliche Begrüßung, ein kurzer Small-Talk. Und dann würden wir beide wieder unserer Wege gehen, getrennt, allein. Ich wollte diesem Szenario gar nicht so viel Platz in meinem Kopf einräumen da ich hoffte, dass es nie eintreten würde. Denn ich glaube eine Begegnung mit Kevin, 1 Blick in seine dunklen Augen würde wieder all die Gedankenfetzen von damals aufwühlen. Ich würde wieder zuhause sitzen und nachgrübeln über alles, was zwischen uns war. Ich würde wieder versuchen meinen Kummer und meine kreisenden Gedanken mit jeder Menge Alkohol und bedeutungslosen Sex zum schweigen zu bringen. Ich würde wieder versuchen vor meiner Vergangenheit weg zu laufen - vor der Zeit mit Kevin, die mir einmal so viel bedeutet hat. Ich würde wieder stundenlang trostlos vor mich hin weinen und in meinem Selbstmitleid zerfliessen. Nein, ich musste versuchen meinen neu gewonnen Respekt und meine langsam wieder aufgebaute liebevolle Fassade zu wahren, was hinter diesen bröckligen Mauern lag, musste ja niemand wissen. Niemals würde ich einem anderen Menschen einen Blick in jenem Teil meines Gehirns gewähren, wo die Momente mit Kevin gespeichert waren, aus scham und aus Selbstschutz. Denn dieser Teil war so dunkel und blutig, dass er Stoff für zig Albträume bot. Und ich sprach aus Erfahrung - nach etlichen Nächten in denen ich schweißgebadet wach gelegen bin, aus Angst und Ungewissheit. Der Geschmack der Furcht auf meiner Zunge ist mir noch so gut in Erinnerung, klamm und abgestanden, schwer und erdrückend. Das Gefühl, dass nun die schlimmste Situation meines Lebens eingetreten ist, hat er mich mehrmals spüren lassen. Noch heute ist mein Körper an manchen Stellen mit Narben übersäht, die er mir entweder beim Liebesspiel oder im Streit zugefügt hat. Ein Grund mehr, warum ich mir geschworen habe nicht zurück zu blicken - in die schwarze schlucht, die in der Hölle endet.

Wie findet ihr die Einstellung zu Kevin, die Sabine nun entwickelt hat?

Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen

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