01 "Wenn's kommt, dann kommt's dicke!!"
„Ob und wann sie ihre Beine wieder spüren können, können wir ihnen nicht sagen....."
Dieser Satz geistert die ganze Zeit in meinem Kopf.
Eigentlich sollte mir die Reha helfen, mit der Situation klar zu kommen, aber die Tatsache vielleicht nie wieder zu tanzen,
nie wieder zu joggen,
nie wieder mit Tieren zu arbeiten,
nie wieder durchs Haus zu hüpfe,
vielleicht immer an diesen blöden Rollstuhl gefesselt zu sein, schmerzt unendlich.
Das waren die Schlimmsten 14 Worte die ich in meinem Leben bisher gehört habe, wobei wenn ich weiter drüber nachdenke, waren die Worte, die mir der Arzt in Anwesenheit meiner Tante und meiner Zwillingsschwester Sophie gesagt hat, nachdem ich aus dem Künstlichen Koma erwacht bin, viel schlimmer.
„Es tut mir leid Miss Fintley, ihre Eltern sind beim dem Unfall ums Leben gekommen!"
Ich vermisse sie.
Meine Eltern.
Die es nicht überlebt haben.
Sie nie wieder um mich zu haben, nie wieder stundenlang mit meine Mum zu quatschen, mit ihr zu Kochen und zu lachen, sie nie wieder in den Arm zu nehmen, schmerzt so sehr, dass ich mir wünsche ebenfalls bei den Unfall um gekommen zu sein.
Bei dem Unfall, an dem ich mich kaum noch erinnere.
Nach Angaben des Arztes sind meine Eltern noch am Unfallort verstorben.
Obwohl ich schon 19. Jahre bin, haben sie meine Patentante Juliana angerufen, die sich direkt mit meiner Zwillingsschwerster, die eigentlich in New York studiert, in den nächsten Flieger gesetzt hat und nach London geflogen ist.
Sie haben Tag und Nacht an mein Bett gewacht und waren die ersten die ich erblickt habe, nachdem ich aus den 2 Wöchigen Künstlichen Koma erwacht bin.
Im ersten Moment hatte ich mich gefreut, sie wieder zu sehen, aber der Grund war dann doch nicht der passendste.
Es dauerte nicht lange, bis mir klar wurde das ich alles verloren hatte. Noch vor ein paar Monaten war alles perfekt.
Ich war mit meinen Eltern zusammen in ein schickes Häuschen in einem Vorort von London gezogen.
Der Dachboden wurde extra für mich aufgebaut und ich nutzte es als eigene kleine Wohnung. Ich hatte eine kleine Küche, ein Wohnzimmer so wie ein großes Schlafzimmer und Badezimmer.
Mit meinen besten Freund, konnte ich wieder mehr Zeit verbringen, obwohl er mit seiner Band durch die Welt Tourte.
Immer wenn er wieder in der Stadt war, verbrachten wir eine Menge Zeit zusammen, quatschten und lachten viel. Kochten zusammen oder gingen Shoppen.
Ich hatte Basti kennengelernt und mich in ihn verliebt. Geglaubt in ihn meine große Liebe gefunden zu haben. War mit ihm sogar fast 2 Monate zusammen.
Im März begann dann alles bergab zu laufen.......
Liam und ich hatten nicht mehr miteinander geredet. Kurz nach unserem Streit ist er mit seiner Band auf Europatournee und dann passierte auch der Unfall, bei dem ich nicht nur meine Eltern verloren habe, sondern auch das Gefühl in meine Beine.
Anfangs meinten die Ärzte das es an dem Bluterguss liegt, der direkt auf die Wirbelsäule drückt und das es sich legen würde, sobald er abschwillt.
Sie haben allerdings kein recht behalten, denn nach mittlerweile 14 Wochen ist der Bluterguss zwar nicht mehr vorhanden und auch andere Ursachen wurden ausgeschlossen, allerdings habe ich noch immer kein Gefühl in den Beinen. Es ist eine psychisch bedingte Lähmung, hatten die Ärzte nach etlichen Untersuchungen gesagt. Viel zu viel ist in den letzten Wochen passiert, was ich noch nicht verarbeitet hätte.
Somit habe ich auch noch einen wichtigen Teil meines Lebens verloren, nämlich das Arbeiten mit Tieren im Zoo.
Tiermedizin wollte ich studieren und habe schon eine Ausbildung im Zoo gemacht, um Erfahrungen zu sammeln und direkt bei Beginn meiner Studienzeit voll durchzustarten.
Mein Chef meinte zwar ich könne, wenn wieder alles gut ist, direkt wieder durchstartet, aber ich glaube nicht wirklich dran......
Das schlimmste allerdings ist die Tatsache, dass Liam recht hatte.
'und wird dich sitzen lassen, sobald die ersten Probleme auftauchen....' hatte er damals gesagt und genau das ist eingetreten......
Flashback
Anderthalb Tage ist es jetzt her, dass ich aus dem Künstlichen Koma erwacht bin. Ich habe Juli und Sophie gebeten, Basti anzurufen und ihn zu bitten ins Krankenhaus zu kommen.
Ich finde es eh Komisch das er noch nicht da war.
Sollte nicht grade der Freund in so einer Situation, für einen da sein?
Sophie meinte Basti wäre auch in den zwei Wochen zuvor nur einmal da gewesen und hat sie noch nicht mal gebeten anzurufen, wenn es Neuigkeiten gibt.
Als es an der Tür klopf, richte ich mich ein bisschen auf. Basti kommt rein und stellt sich ans Ende des Bettes.
„Wie geht's dir?", fragt er mich matt.
Tolle Frage wie soll es schon jemanden gehen, der grade kürzlich aus dem Künstlichen Koma erwacht ist und dann erfahren musste, dass die Eltern verstorben sind? Das man kein gefühl in den Beinen hat und auch nicht weiß wie lange es anhält.
„Es geht und dir?", frage ich und hoffe die Stimmung ändert sich.
„Ok. Hör zu ich muss mit dir reden."
Fragend schaue ich ihn an. Er will doch nicht........
„Juliana hat am Telefon erzählt das du deine Beine nicht spüren kannst.", fing er an.
„Stimmt ja, die Ärzte können nicht sagen, wie lange das so sein wird!", bestätige ich und merke wie sich Tränen in meinen Augen sammeln.
„Und genau da ist mein Problem. Ich weiß nicht ob ich damit klar komme, wenn meine Freundin nicht laufen kann...", erklärt er mir und schaut mich noch nicht mal dabei an.
ER kommt nicht damit klar, dass ICH vielleicht mein Leben lang am Rollstuhl gefesselt bin?
Ja wunderbar.
Ich mache nur eine Handbewegung und zeige auf die Türe „Raus!", zu mehr bin ich nicht fähig.
Grade will er zu etwas ansetzen, will mich wahrscheinlich mit irgendwelchen Argumenten besänftigen, als ich unter weiteren Tränen nochmals „Raus" sage.
Wortlos dreht er sich um und nuschelt ein „tut mir leid".
Na wunderbar, diese Entschuldigung kann er sich auch sonst wo hinstecken.
Toller Freund.
Tolle Beziehung.
Grade als er die Türe öffnen will, tritt meine Zwillingsschwester ins Zimmer. Sie schaut von mir zu ihm und verpasst ihm eine, bevor sie ihn Wortlos die Türe rausschiebt.
Sophie und ich sind Eineiige Zwillinge, sehen uns aber nicht mehr sooo ähnlich seit sie vor anderthalb Jahren nach New York gezogen ist um dort Designe zu studieren.
Wir haben uns beide verändert. Äußerlich, wie innerlich.
Trotz alle dem haben wir noch ein sehr engen Draht zueinander, den nur 'gleichgesinnte' verstehen.
Nachdem sie die Türe hinter sich geschlossen hat, kommt sie Wortlos auf mich zu und nimmt mich in die Arme.
........
Flashback ende
Seit dem Tag habe ich Basti nicht einmal mehr gesehen oder von ihm gehört.
Eigentlich Logisch, denn zum einen habe ich von Juli ein Neues Handy plus Nummer bekommen, weil mein altes beim Unfall kaputt gegangen ist und zum anderen bin ich nach 3 Wochen Krankenhausaufenthalt, zwei Tage bei Juli und Ming (ihre Freundin) im Hotel gewesen und dann direkt in Reha gefahren, wo ich eigentlich lernen sollte mit allem klar zu kommen.
Wiederwillig habe ich alles mitgemacht, denn was bring es wenn es doch anscheint eh nicht hilft. Weder habe ich wieder ein Gefühl in den Beinen noch bringt das ganze mein altes Leben zurück......
Juli und Ming haben ihr komplettes Leben in New York aufgegeben und sind zu mir nach London gezogen. Eigentlich habe ich mich dagegen gesträubt und habe versucht es ihnen auszureden, was aber mal so gar nicht geklappt hat.
Flashback
Geistesabwesend sitze ich im Krankenhaus auf mein Bett. Wiedermal wird mir klar was ich alles verloren habe.
Mein besten Freund.
Meine Eltern.
Mein Freund.
Ich bin so sehr mit weinen beschäftigt, dass ich gar nicht merkte wie die Tür sich öffnete und meine Patentante Juliana, kurz Juli, rein kommt.
Sie kommt direkt zu mir aufs Bett, nimmt mich in den Arm und flüstert mir immer wieder beruhigende Worte zu.
Eigentlich wohnt sie mit ihrer Lebensgefährtin Ming in New York.
Hat dort einen guten Job bei einer Bank.
Als man sie jedoch anrief und von dem Unfall berichtet hat, hat sie sich direkt auf dem Weg gemacht und ist seit dem täglich, fast den ganzen Tag bei mir im Krankenhaus.
Und obwohl ihre große und einzige Schwester, die sie über alles geliebt hat, bei dem Unfall verstorben ist, ist sie stark und einfach für mich und Sophie da.
„Hast du heute schon etwas gegessen?"
Mittlerweile hatte ich mich wieder einigermaßen beruhigt und Juli ist dabei die Sachen, die sie mir mitgebracht hat, in meinem Schrank zu räumen.
Als ich ihr nicht antworte, holt sie eine Papiertüte aus ihrer Handtasche und reicht mir diese.
Ich packe diese aus und hole einen Schockoladenmuffin raus.
Obwohl ich kein Hunger habe, knabbere ich an den Muffin rum, in der Hoffnung Juli hält mir nicht wieder eine Moralpredigt, dass ich mehr essen muss, wenn ich wieder auf die Beine kommen will.....
Es vergehen Stunden, in denen Juli neben mir sitzt und von ihren Vorstellungsgespräch hier in London berichtet. „Du sollst dein Leben wegen mir doch nicht umkrempeln!"
Sie und Ming wollen alle Zelte in New York abbrechen und hier her ziehen. Für mich da sein. Sich um mich, eine fast 20 Jährige erwachsene junge Frau, kümmern.
„Süße für wen, wenn nicht für dich?"
Ist ihre Antwort und ich weiß, sie und auch Ming lassen sich nicht mehr umstimmen.
Es ist beschlossene Sache und auch wenn die Möglichkeit besteht, dass ich in ein paar Wochen wieder Laufen kann und alleine klar komme.
„Ming hat drüben in New York schon alles geregelt. Ihre Firma hat auch ein Sitz hier in London und dort kann sie dann Problemlos anfangen und bei mir klappt das mit der Bank auch, du wirst sehen und Sophie wollte eh mit einer Freundin zusammen ziehen!", erzählt sie mir aufgeregt.
„Und was ist, wenn ich aus der Reha komme und wieder laufen kann? Dann habt ihr umsonst alles aufgegeben!", versuche ich sie umzustimmen.
„Mensch Mia, wie oft noch. Zum einen geben wir nichts auf, wir hatten eh vor früher oder später mal ein Tapetenwechsel durchzuführen und jetzt zieht es uns halt nach London. Und zum anderen, ist es egal ob du nach der Reha wieder laufen kannst oder nicht. Nein egal ist es nicht, denn ich wünsche mir nichts anderes als das du wieder läufst, aber auch dann wird sich nichts ändern. Ming und ich werden mit dir zusammen ziehen. Weder du noch Sophie wollen das Haus eurer Eltern. Ming und ich haben ein anders gefunden, in einem anderen Stadtteil, mit Garten und wunderschöner Terrasse. Solange du den Rollstuhl noch brauchst, wirst du das untere große Zimmer beziehen - es hat eine große Glasfront wo Sophie dein Bett hingestellt hat, du wirst sogar einen eigenen Zugang zum Garten haben. Es wird dir gefallen, du wirst sehn.", erklärt sie mir.
Flashback Ende
Es war beschlossene Sache und ich konnte nichts dran ändern.
Wesentlich Sophie konnte ich davon überzeugen, dass sie zurück nach New York geht und so gut es geht ihr Leben weiter lebt.
Nach der Reha war es dann soweit. Ich bin zu Julie und Ming in einem Haus in der Nähe der Themse gezogen.
Es ist groß und hell. Sobald ich wieder laufen kann, soll ich auch hier die obere Etage beziehen - wie bei meinen Eltern.
Doch wirklich überzeugt, dass das irgendwann eintritt, bin ich nicht....
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