Kapitel 4 - Das Kleid
Unglaublich. Das war James Potter in einem Wort. Ich hatte gerade ganz gemütlich im Gemeinschaftsraum gesessen und gelesen, als dieser Schnösel, inklusive Black natürlich, hineingeplatzt war und rumgeschrien hatte, heute Abend würde eine Party steigen. Dabei war die letzte gerade einmal zwei Tage her. Das war es dann mit dem gemütlichen Abend vor dem Kamin.
Nun stand ich im Bad und begutachtete mich im Spiegel. An Schlaf war während einer Party nicht zu denken, für mich nicht. Der Grund dafür war mitnichten die Lautstärke, es fab Zauber, die mich vollkommen taub machen konnten, wenn ich es wollte, aber ich wollte einfach keine Feier missen.
Viele dachten von mir, ich wäre ein unschuldiger, ruhiger Streber, doch eigentlich stimmte das nicht ganz. Ich hatte gute Noten und war gern in der Bibliothek, das stimmte, aber die Kröte in Mulcibers Essen im vierten Schuljahr ging auf mich zurück. Er hatte mich ein Schlammblut genannt und ich hatte mich dafür gerächt. Es kam mir sehr gelegen, dass alle die Rumtreiber für den Streich verantwortlich gemacht hatten. Damals hätte es mir auch kein Stück leid getan, wenn sie allesamt hätten nachsitzen müssen, was aufgrund fehlender Beweise allerdings nicht passiert war.
Ich ließ meinen Blick an meinem Spiegelbild hinabgleiten. Wie so oft trug ich grün, weil Marlene immer davon schwärmte, wie gut diese Farbe meine Augen zur Geltung bringe. Ich musste zugeben, dass mir das Kleid wirklich sehr gut stand. Es bedeckte ungefähr drei Viertel meines Oberschenkels und hatte einen V-Ausschnitt, der nicht besonders tief war. Der Hingucker war nämlich die Rückseite des Kleides: Mein kompletter Rücken war frei. Ich wusste, dass Potter das fertig machen würde, er sabberte ja sowieso manchmal bei meinem Anblick, aber bei mir in diesem Kleid würde er komplett ausrasten. Allein für seine bloße Existenz hatte er diese Rache verdient, meiner Meinung nach zumindest. Er hatte mich in den letzten Tagen so dermaßen genervt, dass ich es ihm nun heimzahlen wollte, koste es was es wolle.
JAMES' POV
"...und dann war sein Kopf doppelt so groß wie vorher!", beendete ich die Geschichte, was Sirius und die Prewett-Brüder, mit denen ich gerade unterhielt, zum Lachen brachte. Doch hinter meiner coolen Fassade war ich nervös, sehr nervös sogar. Denn Lily würde heute Abend auch hier sein. Nicht, dass das etwas besonderes wäre, ich sah sie ja jeden Tag. Aber sie hatte angekündigt, ich solle mich auf etwas gefasst machen und das machte mir zugegebenermaßen schon ein wenig Angst. Denn wenn Lily Evans so etwas sagte, dann sollte man sich am besten im Keller verschanzen und nie wieder rauskommen, nur zur Sicherheit. Wenn sie einem etwas heimzahlte, dann tat sie das richtig...
Und als ich sie dann sah, wie sie sich durch die Menschenmenge einen Weg zu mir her bahnte, wurde ich nur noch aufgeregter. Was hatte sie vor?
"Hallo, Potter.", sprach sie mich an.
Sie redet mit mir. Warum bei Merlins BH redet sie mit mir?
"Evans.", begrüßte ich sie misstrauisch und nickte ihr zu. "Du sprichst mit mir? Warum das nun plötzlich?" Ich grinste, nun wieder lebhaft wie immer. "Hast du jetzt doch endlich erkannt, dass ich der einzige für dich bin?" Lily schnaubte. "Träum weiter, Potter." Mit diesen Worten wandte sie sich um und mein Herz setzte aus. Lilys Rücken war frei, man konnte alles von den Schultern bis zur Tallie sehen. Das war es also, was sie damit meinte, ich solle mich auf etwas gefasst machen. Eine Hitzewelle durchzuckte meinen Körper und ich spürte, wie das Blut in meine Wangen schoss und sie rosarot färbte. Sie sah perfekt aus und ich konnte nicht mehr als ein Fiepen hervorbringen.
Wie in Trance starrte ich ihr nach und konnte mich bestimmt mehrere Minuten lang nicht mehr bewegen, blickte einfach nur auf die Stelle, an der Lily verschwunden war. Ich war nicht der einzige, der ihr nach sah. Viele hatten sich nach ihr umgedreht, hatten sie fassungslos angestarrt und McLaggen tropfte fast schon Sabber aus dem Mund. Wäre ich nicht so gefesselt von Lily gewesen, hätte ich ihm vermutlich eine verpasst.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. "Wohohow!", machte Sirius und pfiff beeindruckt. "Das ist mal ein Rückenausschnitt! Oder James? James? James!" Er rüttelte an mir und ich blinzelte ein paar mal, bis ich wieder bei halbwegs klarem Verstand war. "Merlin... Was war DAS? Dieses Kleid, sie... Sie sieht umwerfend darin aus. Zu umwerfend fast schon. Damit macht sie mich fertig, echt jetzt."
Den Rest des Abends verbrachte ich damit, Lily anzustarren, über ihre Beweggründe, mich auf diese Weise zu schaffen, nachzugrübeln, Lily anzustarren, mit Sirius über dumme Witze zu lachen, Lily anzustarren, Feuerwhiskey zu trinken und Lily anzustarren.
Am Abend fiel ich buchstäblich ins Bett, so müde war ich. Eintausend und eine Frage schwirrte in meinem Kopf umher und jede einzelne hatte mit Lily zu tun. Warum tat sie so etwas? Etwa aus Rache, weil ich sie andauernd nach Dates fragte? Um mir das zu zeigen, was ich niemals haben konnte?
Es schien, als hätte ich heute eine neue Seite von Lily kennengelernt. Eine wildere, mutigere Seite und sie gefiel mir. Obwohl ich immer dachte, wir hätten nur wenige Gemeinsamkeiten, war sie mir in mancher Hinsicht wohl doch recht ähnlich. Und ich hatte das Gefühl, dass ich mich deshalb nur noch mehr in sie verliebte.
Ich schlief mit dem Bild von Lily in dem Kleid vor meinen Augen ein, und mein letzter Gedanke war, dass dieses Mädchen einfach in jeder Hinsicht unglaublich war.
LILYS POV
Es war ein Fehler gewesen, das wurde mir jetzt, da ich im meinem Bett lag, auch klar. Durch meinen Enthusiasmus und meinen Tatendrang geblendet hatte ich eine Dummheit begangen. Ich hatte mich angezogen wie ein Flittchen, war von fünf verschiedenen Jungs angebaggert und beinahe von McLaggen betatscht worden. Nur dank Remus war mir das erspart geblieben, denn er hatte ihm angedroht, ihn so lange mit dem Kitzelfluch zu quälen, bis er für den Rest seines Lebens sein Zwerchfell nicht mehr spüren würde. So, wie Remus es gesagt hatte, hatte es wirklich angsteinflößend geklungen.
Nun, im Nachhinein, erschreckte mich mein Handeln wirklich. Eine solche Schnapsidee hätte auch von Potter oder Black kommen können, und das war es, was mich so beunruhigte. War ein Teil von mir wie sie? Hatte ich auch eine so furchtbare, gemeine und dämliche Seite an mir? Ich meine, ich wusste ja, dass ich nicht der Engel war, für den viele mich hielten, aber so schlimm konnte ich doch wirklich nicht sein, oder?
Ich lag noch stundenlang wach und dachte nach. Über mich, über Potter und über Remus. Letzterer war ein echt netter Kerl, vielleicht konnte ich mich ja mit ihm anfreunden. Zumindest teilten wir ja unsere Leidenschaft für Bücher. Bücher wie Romeo und Julia... Verdammt, Potter, verschwinde aus meinen Gedanken!
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