Ich bin eine Mörderin (TW Mord)
"Bist du bereit zu sterben?" diese Worte hallten in ihrem Kopf wieder. Er würde sterben. Sie wusste es und auch Jackson wusste es. Das verriet sein verängstigtes Gesicht. Er hatte sich kaum verändert. Seine braunen Haare trug er noch immer als Mittelscheitel, soweit sie bei zerzausten Frisur erkennen konnte. Er war noch etwa 3 Zentimeter gewachsen, auch wenn er damals bereits 1.81 groß gewesen war. Sein Gesicht war markanter geworden und er trug nun einen drei-tage-Bart aber dieser konnte nicht verhindern, dass Keira sofort wieder auf dem Pausen Hof war. Er stand vor ihr und kippte ihr mal wieder eine Packung Orangensaft über die Haare oder spuckte ihr Kaugummi entgegen. Er hatte jedes mal wieder eine neue Idee, wie er sie quälen konnte.
Nun aber war da nichts mehr von dem alten Jackson. Kein arrogantes Grinsen oder falscher Mitleid mehr. Da war nur noch Angst. In seinem Gesicht spiegelte sich die pure Angst wieder. Seine braunen Augen weiteten sich, als er realisierte, was hier zu passieren schien. Was die beiden vorhatten und vor allem, dass sie mehr als nur gefährlich waren.
"W-Wer seid ihr?" krächzte seine angsterfüllte Stimme, als er langsam einen Schritt nach hinten wankte. Er schien genauso geschockt von der Situation wie Keira. Hinter ihm konnte man ein großes Schlafzimmer sehen, mit einem schönen, breiten Doppelbett. Man konnte sehen, dass die Decke etwas zerknäult war, jedoch war da sonst niemand in dem Bett. Niemand. Keine Frau. Keine Kinder. Das war gut oder? Es war gut, dass dort niemand war außer ihm. Dem Mann, den sie so sehr verachtete. Nur ihn würde sie töten. Nur ihn.
Thiago schien alles andere als beunruhigt. Nein, er schien sogar eher freudig und aufgeregt. Als würde ihn der Gedanke an diesen Mord amüsieren. Ja fast schon... erregen. Wie krank. Es war krank, wie seine rauen Lippen sich zu einem Grinsen verzogen, als er einen einschüchternden Schritt auf den verängstigten Mann zu machte. Dieser stolperte noch weitere Schritte nach hinten, während seine zitternde Stimme lauter wurde.
"Haut ab! V-verzieht euch ihr Spinner!" schrie er die beiden an und schien dabei stark zu klingen. Doch seine Augen sagten etwas anderes. Seine hilflosen Augen, die sich nun auf Keira richteten. Er schien sie wider zu erkennen, denn nun weiteten sich seine Augen. Sofort verwandelte sich diese falsche Wut in ein verzweifeltes Flehen. "Bitte Keira! Ich weiß ich war nicht immer nett zu dir aber... a-aber das ist doch kein Grund für... f-für so etwas" versuchte er sie zu überreden. Als könnte man das so einfach vergessen.
In der jungen Frau regte sich etwas. Da waren viele Emotionen, doch eine... ein Gefühl begann in ihr zu wachsen und stärker zu werden. Es überrollte die Angst und den Ekel, wie eine große, starke Welle, die alles einfach mit sich riss. Es war Wut. Wut auf ihn. Wut auf Thiago. Wut auf ihre ganze Situation, in der sie gerade steckte. Genau diese Wut richtete sich gegen den bettelnden Mann vor ihr.
"Nicht nett zu mir? Nicht. nett. zu. mir?" fragte sie und ihre Stimme bebte vor Empörung. Wie konnte er nur. "Du hast mir das Leben zur Hölle gemacht! Ich musste die Schule wechseln, weil du ein... ein verdammter Tyrann warst! Du hast JEDEN runter gemacht, der die unter die Augen getreten ist und warum? Um dein mickriges Ego hoch zu pushen? Ich musste so leiden, nur damit du dich besser fühlen könntest? Warum? Warum ich? Was hab ich dir jemals getan, dass dir irgendwie das recht gegeben hätte so etwas zu tun?!" warf sie ihm vor und wurde dabei immer lauter und lauter. Es tat verdammt gut ihm all diese Dinge zu sagen, nach all den Jahren der Hölle.
Jackson sagte förmlich in sich zusammen. All die Hoffnung, an die er sich zu klammern schien, war nun verflossen. Nun versuchte er nicht mehr um Vergebung zu bitten, sondern seine panischen Augen suchten hektisch in der Umgebung nach einem Fluchtweg. Man konnte genau sehen, wie es in seinem Kopf klick machte. Vermutlich war da nur ein einziges Wort, dass in seinen Gedanken aufleuchtete: Renn.
Als der junge Mann plötzlich losstürmte, war Keira vorbereitet. Er rannte zurück in das Schlafzimmer, da die beiden ihm jeglichen anderen Fluchtweg versperrten. Er versuchte sich zu retten, in dem er neben dem Bett, in Richtung einer Tür lief. Diese riss er ohne zögern auf. Wo führte diese Tür nur hin?
Es dauerte nur einige wenige Sekunden, in denen Keira einfach entschied, ihm hinterher zu laufen. Sie würde ihn nicht fliehen lassen. Ob sie ihn töten wollte, dass wusste sie nicht, doch ihr war klar, dass sie wollte, dass er leiden musste. Angst verspüren bei jedem Atemzug, bei jedem Schritt, genau wie sie. Das Gefühl, dass man, sobald man entdeckt wird, egal ob auf der Schultoilette oder hier im eigenen Haus, es die Hölle bedeutet. Heute würde sie ihn leiden lassen. Er würde bezahlen. All diese Erinnerungen lösten eine Wut aus, die ihre Sinne förmlich benebelten und sie alles um sich herum vergessen ließen. Sogar Thiago, der ihr mit einem überraschten Grinsen folgte.
Nun war auch sie vor der kleinen Tür angelangt. Ihre Schritte wurden langsamer und langsamer, bis sie im Türrahmen stand, dicht hinter ihr der Engländer, welcher ein böses Grinsen auf seinen Lippen trug. Keira kümmerte sich jedoch nicht um ihn. Ja, sie bemerkte ihn eigentlich gar nicht. Viel zu gefesselt war sie von dem Anblick des Mannes, der angsterfüllt in seinem Badezimmer kauerte. Nicht nur angsterfüllt. Nein. Er hatte Todesangst.
Jackson saß auf dem Boden. Seine Beine hatte er dicht an sich gezogen und in seiner Hand hielt er etwas, das wie eine Rasierklinge aussah. Vermutlich wollte er sich damit verteidigen. Als würde das helfen gegen die beiden. Als der ängstliche Mann die beiden erblickte, begann er hektisch mit der Klinge herumzufuchteln. "Verzieht euch!" rief er, doch es klang eher wie ein verzweifeltes Wimmern.
Es jagte Keira eine Gänsehaut über den ganzen Körper ihn so zu sehen. Doch irgendwie ließ es sie sich auch erhaben fühlen. Wichtig. Wichtiger als er. Mit langsamen, bestimmenden Schritten und Thiago als wachsamen Beobachter im Rücken, kam sie auf ihn zu. Das Messer hielt sie fest umklammert, so dass es bereits schwitzig wurde.
"Da sitzt du nun. Weißt du noch in der Schule? Immer hast du dich so benommen, als wärst du der stärkste... der beste. Besser als wir alle hm?" ihre Stimme war stark. Nichts mehr war zu sehen, von all der Angst, die trotz allem noch tief in ihrem Herzen saß und sie bis in ihre Träume verfolgte.
Jacksons Gesicht wurde kreidebleich und sein Gezappel hörte auf, als Keira sich vor ihn kniete. Nie hatte sie Macht gehabt. Nie war sie stark gewesen doch jetzt... "Immer hast du uns alle runtergemacht, weil du dachtest, dass du besser bist als jeder einzelne von uns doch sieh dich an. Du kauerst hier, wie ich damals auf der Toilette und bettelst um Vergebung wie ein räudiger Hund" spuckte sie ihm förmlich entgegen und in ihrer Stimme lag all die Verachtung die sie die letzten Jahre für ihn verspürt hatte.
Jackson schien zu begreifen, dass er durch betteln um Vergebung nicht weit kommen würde. Dennoch versuchte er es weiter. "Keira ich war ein Kind! Ich habe Fehler gemacht a-aber du bist doch besser als das hier... d-du würdest doch niemals... bitte... ich flehe dich an! Ich tue alles was du willst" flehte er weiter und in seinen dunklen Augen bildeten sich Tränen.
Sie hätte davon berührt sein müssen oder? Sie hätte ihm vergeben sollen und endlich ihren Frieden damit machen müssen richtig? Doch stattdessen machte sie das noch wütender. Das er dachte, dass er all das wiedergutmachen könnte in dem er sie um Vergebung bat. Wie armselig.
Keiras Blick war kalt als sie das Häufchen Elend vor sich betrachtete, dem mittlerweile tränen über die Wange liefen. Allerdings schien nicht nur Keira davon betroffen zu sein, nein, auch Thiago stieß ein dunkles Geräusch aus, das nach einem genervten Knurren klang. Dann kam er zu ihr. Noch immer machte Thiago ihr Angst und widerte sie an, doch gerade war sie zu wütend um auf diese Gefühle zu hören.
Plötzlich hallte dann seine raue Stimme durch das Badezimmer. "Töte ihn Keira. Bring. Ihn. Endlich. um. Oder soll es fair sein, dass jemand wie er, der dich jahrelang erniedrigt hat, einfach so leben darf? Sich weiter über dich lustig machen darf?" provozierte er sie ganz bewusst. Die Manipulation war nicht zu überhören und dennoch wirkte es bei ihr. Es brachte bei ihr den Wunsch zum Vorschein, den sie unterbewusst unterdrückt hatte. Sie wollte ihn töten. ihn leiden sehen. Diese Gefühle hatte sie noch nie verspürt und wäre sie nicht so voller Wut und Adrenalin, hätte sie vermutlich Angst davor gehabt, doch gerade vergaß sie all das einfach.
"Keira bitte" flehte er und die Tränen liefen in Strömen über sein Gesicht. Doch es half nichts. Es erwärmte ihr Herz nicht. Ihr kaltes, verletztes Herz das verzweifelt versucht hatte zu heilen, doch tief in ihr drin wusste sie, es gab nur einen einzigen Weg, wie sie sich heilen konnte. Sie brauchte Rache. Er musste leiden.
Und genau das war die Motivation, die sie dazu brachte, einfach zuzustechen. Es war als hätte sie keine Kontrolle mehr über ihren Körper. Als hätte die Wut ihren Körper übernommen und Jackson das Messer tief in den Bauch gestochen. Bevor sie jedoch realisieren konnte was passiert war, spritzte ihr das Blut entgegen. Das meiste landete direkt auf ihrem Shirt oder auf ihrem Gesicht.
Doch das Blut war ihr egal, denn nach einem entsetzten Keuchen, stieß Jackson einen schmerzerfüllten Schrei aus. //Shit// fuhr es ihr sofort durch den Kopf. Das sie ihm in den Bauch gestochen hatte verstand sie in diesem Moment überhaupt nicht, doch ihr Körper arbeitete einfach. Sie drückte ihm mit einer blitzschnellen Bewegung die Hand auf den Mund und spürte die dumpfe Panik in ihr aufsteigen. Was wenn jemand ihn hörte? Was wenn jemand die Polizei rief? Was hatte sie getan?
Ohne nachzudenken ließ sie das Messer, welches sie inzwischen wieder rausgezogen hatte, auf den Boden fallen und hielt Jackson weiter den Mund zu. Dieser schrie vor Schmerz, was jedoch nur noch ein verzweifeltes Wimmern war. Und dann sah sie ihm in die Augen. Plötzlich wurde alles still um sie herum. Sie sah in die Panik erfüllten Augen des Mannes, den sie gerade erstochen hatte.
Jackson musste husten und da spürte sie etwas an ihrer Hand. Etwas warmes, klebriges. Mit zitternden Fingern nahm sie die Hand von seinem Mund und sah auf ihre Handfläche. Dort war Blut. Sein Blut. Dann fiel ihr Blick auf seinen Bauch. Dort klaffte eine riesige Wunde, welche sein Shirt innerhalb weniger Sekunden rot gefärbt hatte. Jackson versuchte verzweifelt diese Wunde abzudrücken, doch es war schon zu spät. Keira kannte sich mit der Anatomie nicht sonderlich gut aus, doch vermutlich hatte sie die Leber getroffen und dazu einige wichtige Blutgefäße.
Nun lag er da. Zitternd und weinend, in seinem eigenen Blut während er verzweifelt um sein Leben kämpfte. Keira konnte es nicht länger zurückhalten und rutschte zittern zu der Toilette hinüber, in die sie sich übergab. Mehrfach. Ihr war einfach so unfassbar schlecht und die Geräusche, wie Jackson verzweifelt nach Luft rang machten es nicht besser. Sie hatte ihn getötet. Sie. Sie war eine Mörderin.
Als sie über dieser Kloschüssel hing spürte sie plötzlich, wie sich jemand hinter sie kniete und ihre Haare griff, um diese zurückzuhalten. War das Thiago? Bevor sie sich diese Frage beantworten konnte, musste sie jedoch erneut würgen, weshalb sie die starke Hand auf ihrem Rücken nicht bemerkte. Diese rieb einige Male sanft über ihre Haut und verschwand dann wieder. Wieso?
"Er ist Tod" brummte Thiago und klang dabei mehr als zufrieden. Ob das die Wahrheit war oder nicht wusste sie nicht. Aber es war ihr auch egal. Sie saß dort zitternd und voller Selbstekel und alle was ihr in den Sinn kam war "ich bin eine Mörderin". Sie hatte es ausgesprochen. Den Satz, vor dem sie sich so sehr gefürchtet hatte. Sie hatte ein Leben ausgelöscht...
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