3 - Moriarty

Achtung:

Dem letzten Kapitel wurden noch etwa 2.700 Wörter hinzugefügt, da sie besser in Kapitel 2-Rosie passen als in Moriarty (obwohl es mit beiden zu tun hat). Alle die Kap 2 vor 21.1.18 gelesen haben sollten nochmal in letzten Kap. nachlesen ;)


Schottland, Herbst 1421

Etwas kitzelte seine Nase. Bevor er automatisch danach griff, schlug der Lord vorsichtig die Augen auf. Hätte er es nicht getan, wäre Rosie wohl um eine Hand erleichtert gewesen. Zärtlich spielten ihre dünnen Finger durch seine Haare, die nun in schwarzen Locken über das schmale  Gesicht hingen. Lord Holmes stieß einen erleichterten Seufzer aus. Rosie strich ihm die Haare aus dem Gesicht, sodass sie sich in die Augen sehen konnten. Leuchtend blau strahlten ihre Augen in seine.

„Grün sind sie fast am schönsten."

Holmes legte die Stirn in Falten, was Rosie zum Lächeln brachte. „Blau wie die stürmische See, grün wie der friedliche Wald, oder brennend rot wie Feuer?" Sie stellte sich die Frage offensichtlich selbst, denn sie erwartete keine Antwort. Erst als sich der Lord aufrichtete bemerkte er die Sonnenstrahlen, die hell über den Kissen lagen.

Panik begann sich in ihm breit zu machen, als er den Stand der Sonne realisierte.

Er hatte sich nicht besonders gewehrt, wieso auch? Dieses Mädchen hatte ihn verzaubert und er bereute es. Doch Lord Holmes wusste, er hätte es noch einmal genau so gemacht. Trotzdem machte er sich Sorgen um die Eltern, besonders weil sie niemals erfahren durften, dass der Jäger gerade mit dem Opfer geschlafen hat, wobei sie noch nicht einmal wussten, dass ihre Tochter der Köder war, den Moriarty für ihn, das Monster, ausgelegte hatte. Da schoss ihm etwas durch den Kopf. Er schnellte zu Rosie herum, die ruhig in den Kissen und Decken lag. Die Augen zu, das goldene Haar unordentlich über den nackten Armen in der Sonne schimmernd. Der Lord begann ihre Haut freizulegen, bis er fand, was er befürchtet hat.

„Was ist?" Der verwunderte Blick der Lady traf den besorgten Blick des Lords. Vielleicht war besorgt nicht das richtige Wort. Eher schuldbewusst, und ängstlich und etwas ... wütend?

Langsam wanderte die große starke Hand übe ihre verwundete zarte Haut. Jedes Mal zuckte er leicht zusammen beim Berühren einer Furche. Rosie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Die aufgerissene Haut brannte bei jeder Berührung, aber sie wollte ihn nicht noch mehr beunruhigen. Einige leichte Kratzer verteilten sich über ihre Unterarme, weitere über die Schulter. Eines ihrer Schulterblätter sah aus wie durchlöchert, was den Lord zum Erschaudern brachte. Das aufgequollene Fleisch markierte die Spur seiner Krallen, wie sie ihre Haut aufgebrochen haben, wie der Griff eines Tieres.

Bevor er weitere Verletzungen betrachten konnte, hielt sie die Decke fest. Ihre Blicke trafen sich.

„Tu das nicht."

Der Lord wand seinen Blick ab. Es dauerte eine Weile bis er etwas herausbrachte, leise und brüchig.

„Ich war das."

Als Rosie ihn berühren wollte, zuckte er zurück und ließ von ihr ab. Er rollte vom Bett und blieb vorm Fenster stehen. Mit beiden Händen an die Wand gestützt während die Sonne ihn anstrahlte, sodass nur die dunkle Silhouette zu sehen war, brachte die wirren Locken, die große Statur und diese unglaublichen Muskeln, die seinen gesamten ausgehungerten Körper auszeichneten, besonders zum Vorschein.

Rosie ließ sich aus den Laken gleiten, bis sie in ein letztes Leinen gehüllt hinter ihm stand.

„Die Laken können versteckt werden und Mutter bemerkt es bestimmt nicht, wenn ich bade. Das Bad wird von ihr frühestens in zwei Wochen wieder betreten. ... Mach dir nicht so viele Sorgen." Versuchte sie ihn zu beschwichtigen.

Der Mann rührte sich nicht, also schlang sie sanft die Arme um seinen Bauch. Seine Atmung ging schnell und unregelmäßig und sie hielt ihn fester. Und zum ersten Mal sank die Atmung in den Bauch zurück, beruhigte sich und kam wieder in einen gleichmäßigen Rhythmus. Erst als die Anspannung in ihm nachließ, öffnete Rosie die Arme.

Sie ging zurück zum Bett und begann die Laken herumzuwirbeln. Die Kissen flogen wild durcheinander als sie versuchte den Stoff unter all ihnen herauszuziehen. Da umschloss eine Hand ihre eigene. Warmer Atem schlug an ihre Wange.

Gemeinsam zogen sie die Laken auseinander und brachten sie in eine andere Ordnung, sodass man die Blutflecken nicht sehen konnte. Die zerrissene Kleidung landete in den Tiefen einer der Truhen die im Zimmer herumstanden. Um niemanden zu verwundern knotete die junge Lady Watson die Haare so, dass man darin keine blutig braunen Spuren oder verklebten Stellen sah. So musste sie nichts herausschneiden und es würde nicht auffallen. Das Blut auf ihrem Körper konnte mit sorgsam gewählten Kleidern überdeckt werden, doch der Lord wollte nicht dass sie verklebt herumlaufen musste, und schon gar nicht, wenn er der Verursacher der rötlichen Schlieren war. Lord Holmes feuchtete eines seiner Hemden an und begann damit über ihren Rücken zu fahren. Es dauerte etwas bis die ersten braunen Spuren komplett verschwanden und gerötete Haut zurück ließen. Rosie schlug sich tapfer, ohne zu jammern entwichen ihr ein paar Schmerzensseufzer, besonders wenn der harte Stoff die dünnen Krusten streifte. Ungewollt rissen Nässe und Stoff die Haut erneut auf, bis ein Tropfen aus der Schulter den knochigen Rücken hinunter lief. Es kostete den Lord viel Mühe dem Drang zu wiederstehen die purpurrote Spur von ihrem Rücken zu lecken und gleich hinterher hineinzubeis ... Sie zuckte leicht und das holte ihn wieder zu seinem Schwur zurück. Er konnte ihr nichts antun, er wollte ihr nichts antun, er hatte es sich geschworen. Und doch säuberte er jetzt die von ihm verursachten Wunden auf ihrem zarten Körper. Das Hemd rieb über ihre Hüften, hinterließ einen rosa Schimmer, wanderte weiter, über Kratzer und Bissspuren, aufgekratzte Haut und eingetrocknetes Blut.

Das Hemd hing triefend rot in seiner Hand, als er endlich fertig war. Doch der nasse Haufen Stoff ließ ihn nicht los. Auch wenn er es sich nicht eingestand, erinnerte er sich an ihren Geschmack, ihr Blut, so genau als hätte er es gerade Literweise getrunken. Er starrte das grau-weiß an, welches immer orangefarbener wurde.

„Ist in Ordnung." Rosies Stimme rief ihn in den Burgturm zurück. Verwirrt sah er sie an, sie sah auf das Hemd und nickte zustimmend.

Dem Lord war das gar nicht wohl, ganz und gar nicht, aber er konnte nicht mehr. Er musste, er musste es, er wollte es.

Bevor er den Stoffhaufen auch nur an den Lippen spürte brachen die Zähne schmerzhaft durch das Fleisch in seinem Mund. Zwei rote Schimmer erleuchteten den Stoff vor seinen Augen und er schloss sie. Der Stoff hatte eine widerliche schmutzige Note von modriger Erde, Tier und Mensch. Doch das alles zählte nicht, als der metallene Geschmack unter der Zunge süßlich würde. Und er ließ los.

Wie ein Tier saugte und riss er an dem Stoff, leckte das Blut heraus, egal was er dabei noch schluckte.


Vollkommen durchweicht lag das Hemd, oder das was davon übrig geblieben war, vor dem schwer atmenden Lord. Auf allen Viren saß er am Boden, nach Luft ringend und doch so zufrieden wie nie zuvor.

Doch da war etwas was er nicht abstreiten konnte. Das Gefühl von Zufriedenheit, der Ruhe die nach der Jagd einsetzte, wenn er nicht mehr auf töten aus war. Dieses Gefühl hatte er auch beim Aufwachen gehabt, als er in die blauen Augen gesehen hatte.

„Ich bringe das besser weg." Seine Stimme war dunkel und rauchig. Nachdenklich ließ er Rosie alleine im Turmzimmer zurück.

-

Es dauerte nicht lange bis der Burgherr mit seiner Lady und Sir Moriarty im Schlepptau ankamen. Lord Holmes war gerade rechtzeitig mit waschen und umziehen fertig geworden, sodass er sie in üblicher Erscheinung begrüßen konnte. Sein Zahnfleisch pochte noch, genauso wie seine Fingerkuppen. Beides hatte sich noch nicht von der Nacht erholt. Das ständige aufbrechen und wieder verheilen durch den Verlust und Wiedergewinn der Beherrschung hatten sie nicht besonders gut verkraftet. Er würde einfach versuchen weniger zu reden und hoffen, dass es nicht auffällt.

„Willkommen zu Hause." Lächelte er begrüßend ohne zu viel Zähne zu zeigen, während der Hausherr die Eingangshalle entlang schritt.

„Lord Watson, Lady Watson." Er machte eine höfliche Verbeugung als er vor den dreien zum Stehen kam. Erschöpft grüßten sie zurück.


Zum Abendmahl würden sie von ihren Fortschritten erzählen, also verbrachte jeder seine Zeit auf dem Zimmer. Doch Lord Holmes hielt es nicht lange dort aus, weshalb er gleich darauf im Stall war. Das tiefe Schnauben seines schwarzen Hengstes hatte etwas Friedliches. Schon ein paar Male hatte er von ihm getrunken, doch das Tier duldete ihn immer noch treu als seinen Reiter.

Es war nicht möglich einen Strohhalm aus dieser Entfernung brechen zu hören, deshalb drehte der Lord sich nicht um. Doch er hatte Moriartys Kommen schon bemerkt, als dieser noch vor den Stalltoren herum schlich. Unheilvoll näherten sich leichtfüßige Schritte. Der Lord spürrte die Provokation in seinem Auftreten, noch bevor er sich ihm überhaupt zugewandt hatte.

„Ein schönes Pferd." Die Stimme dieses verhassten Menschen stach bedrohlich durch den Raum.

Jetzt drehte Holmes den Kopf, ganz verwundert. „Ich habe sie gar nicht bemerkt."

Moriarty erwiderte den mitschwingenden Unterton von Holmes. „Die Kunst eines Jägers."

Beeindruckt hob der Lord das Kinn, bevor er sich wieder seinem Hengst zu wand. Moriarty schlich mit seltsamen Gesichtsausdrücken um das Pferd herum. Die dunklen braunen Augen musterten alles zu genau. Seine Haut war bleich und hatte dunkle Schatten um die Augen. Er kannte sich wohl mit Kräutern aus. Eine solche Leberschwäche konnte man nur mit medizinischen Experimenten erreichen, selbst zu dieser Zeit. Wollte er die Monster mit Kräutern anlocken? Holmes unterdrückte ein Lachen.

"Ich scheine Sie zu amüsieren, my Lord."

"Ich bin nicht Ihr Lord. Nenne Sie mich nicht so." war das Einzige was der Lord zurück gab. Die Kälte in seinen Worten wa rnicht zu überhören, aber es war das freundlichste was er zustande brachte.

Moriartys prüfende Blicke wanderten nun über den Boden und musterten den schlanken Mann von oben bis unten. "Ich habe mich schon gewundert, weshalb sie trotz der Watsons'schen Küche so vom Felsich fallen, aber jetzt ist mir alles klar."

Moriarty fixierte Holmes, der gespannt die Luft anhielt. Er versuchte einen fragenden Blick aufzusetzten.

Die forschende Miene des Jägers löste sich auf einmal in ein freundliches Grinsen. "Bei einem so sportlichen Pferd müssen sie sich einfach viel bewegen." stellte er erklärend fest.

Eigentlich müsste Holmes' Anspannung nun abfallen, doch etwas warnte ihn davor, dass sein Feind nur mit ihm spielte, und weitaus mehr wusste, als er zugab.

"Reiten sie?" Lenkte der Lord das Thema ab.

Moriarty schüttelte bedauernd den Kopf, bevor er das schwarze Tier anklagend ansah. "Sie haben mich abgeworfen. Das war nicht sehr nett.

Sind Sie schon einmal abgeworfen worden, Lord Holmes?" Jetzt funkelten die braunen Augen zum Lord empor.

Sich sicher, die Situation einigermaßen im Griff zu haben, antwortete er gespielt freundlich. "In der Tat bin ich schon gefallen. Ich kann ihren Schmerz nachfühlen."

Da kicherte der kleinere Mann. Lord Holmes sah ihn verunsichert an.

"Es ist nicht der Fall, der schmertzt, Lord Holmes. Es ist die Landung." Er warf dem Lord einen Blick zu, der diesem eine Gänsehaut einjagte. Sein Instinkt wollte, dass er sich auf den Hengst schwang, die Sporen gab und soweit von diesem menschlichen Wesen weg kam, wie er nur konnte.

Doch der Lord konnte nur in diesen hassend, freudigen Blick starren, der ihn angriffslustig forschend und glücklich zugleich durchbohrte.

-

Lord und Lady Watson standen schon in der Eingangshalle, als Lord Holmes dort eintraf.

Wie lange er mit Sir Moriarty in der Scheune gestanden war wusste er nicht mehr, aber sie hatten sich ohne ein weiteres Wort voneinander getrennt.

Bevor er etwas sagen konnte, wollte die Lady das Wort erheben und nach ihrer Tochter fragen, doch sie wurde von ihrem Gemahl unterbrochen, der sich an seinen gast wand. „Mein Freund, können Sie bitte Rosie Bescheid sagen, dass sie in den Speisesaal kommen soll? Wir warten hier auf Sir Moriarty."

Holmes nickte bereitwillig. Im Weggehen bemerkte er jedoch einen nachdenklichen Funken in Lady Watsons Augen.

Er war gerade die Hälfte der Stufen hinaufgeschritten, da kam ihm ein leiser Klang von Schritten entgegen. Er hob den Kopf und wartete auf Rosie, doch wie er sich verhalten sollte wusste er selbst nicht. Das Gefühl, sie gebe ihm Ruhe und Zufriedenheit war so verwirrend dass er nicht wusste ob er ihre Nähe genießen oder bedrohlich finden sollte. Er entschied sich wieder nach unten zu gehen um keinen zu nahen Kontakt im Turm zu verursachen.


In einem wunderschönen rosafarbenen Gewand kam die Lady die Wendeltreppe hinunter, so anmutig und strahlend wie noch nie zuvor. Oder nahm er es nur so wahr?

Die goldenen Locken zu einer ausgefeilten Frisur gesteckt, keine Strähne machte sich selbstständig, alles sah ordentlich aus, perfekt dem Norm entsprechend. Das Kleid hatte einen matt schimmernden Unterrock, perfekt der Figur entsprechend. Es bedeckte die Arme, bis auf einen zierlichen Kreis an jeder Schulter. Darüber flog im Wind ihrer Bewegung ein Schleier-Kleid, das zwar Blicke durchließ, aber so an Hals und Händen angebracht war, dass es alle Spuren der Nacht überdeckte. Durch den weiten Ausschnitt mit rankenartiger Verzierung von einer Schulter zur anderen, einen Finger breit nach den Löchern auf den Schultern, lenkten vom versuchten Vertuschungs-Effekt ab.

Vor dem Lord hielt sie an und streckte ihre Hand aus. Sie war zu einer Faust geballt, etwas hielt sie darin. Sie ließ es in die Hände des Mannes fallen. Es war die goldene Kette mit dem Anhänger. Lord Holmes rang damit sie zu öffnen, aus Neugierde, welches Bild darin war.

„Wären Sie so gut ...?" Rosie drehte sich auffordernd um, er stieg eine Stufe zu ihr empor und legte ihr die Kette um den Hals. Seine Hände berührten die zarte Haut am Hals, während der Verschluss zu schnappte. Das feine Pochen ließ ihn den Atem anhalten. Aber es war kein unangenehmes, starres Verlangen sie zu töten. Es war fast angenehm. Der Lord versuchte seine Gefühle zu ordnen und ließ zu, dass es ihm gefiel. Eine angenehme Wärme durchströmte ihn und auf einmal war es weg, das Verlangen. Er regte sich aus der Starre und strich die Kette entlang, über Rosies Schultern und Schlüsselbein, ohne den Gedanken zu hegen sie zu erwürgen. Das war so ... neu, für ihn. Je weiter er ging desto weniger drang das Pochen als Hungerruf durch sein Gehirn.

„Danke." Er wusste nicht wieso es ihm herausgerutscht war, aber Rosie lächelte und das tat gut. Sie drehte sich auffordernd um, sodass seine Hände von ihrem Körper rutschten.

„Öffne sie."

Es dauerte einen Augenblick bis Holmes verstand was sie meinte. Behutsam berührte er das kugelförmige Medaillon. Es war mit goldenen Blättern verziert, die eine Raute umschlossen. In der Raute war eine schriftliche Eingravierung mit ihrem Namen, darunter ein Herz und freier Platz.

Der kleine Verschluss sah ziemlich kompliziert aus, sprang aber überraschend leicht auf.

Er spürte Rosies Blicke auf ihm ruhen als er die beiden Hälften auseinander nahm. Es sollte ihn eigentlich nicht neugierig machen, er sollte keine Erwartungen haben, aber wäre nichts drinnen hätte Rosie es ihn nicht sehen lassen und indirekt darauf hingewiesen. Was erwartete er also?

Es überraschte und erleichterte den Lord zugleich, als er nicht das Bild eines anderen Mannes darin fand. Sondern eine Zeichnung der Watsons, Lord und Lady mit einem Bündel im Arm, so klein dass es kaum erkennbar war. In der anderen Hälfte war ebenfalls eine Zeichnung, aber nicht von einer Person, sondern zwei Kreise. Einer grün und blau, der andere blutrot. So schnell seine Sinne auch waren, es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis ihm einfiel was Rosie am Morgen gesagt hatte.

Es waren Augen, seine Augen.

„Den Zeichenunterricht hast du wohl auch gemisst." Sagte er schmunzelnd. Sie schloss ihre Hände um seine und somit das Medaillon.

„Ich will dass dein Name dort steht."

Lord Holmes entfuhr ein Seufzen. „Deine Eltern ..."

„Das ist mir egal."

Sorgenvoll hob der Lord den Kopf und sah ihr in die Augen. Stur erwiderte sie den Blick, der auf einmal ganz weich und verletzlich wurde. Sie zog sanft an seinen Händen, sodass er sich zu ihr lehnte bis seine Stirn ihre berührte. Er spürte das Rauschen im Kopf und ihren Blutfluss, aber zugleich kitzelten ein paar widerspenstige goldene Haare auf seinen geschlossenen Augen, was ihn ablenkte.

„Ich liebe dich." Rosies Stimme hatte etwas Flehendes.

„Ich weiß." Erwiderte er ungewollt mitleidig. Wie bestimmt sie es auch flüsterte, er hörte das Flehen heraus ... und war versucht nachzugeben.

„Wir können nicht ... ich bin ein Monster." Damit löste er sich von der jungen Lady.

Doch sie hielt ihn zurück. „Es sind beide Seiten. Ich habe beide gezeichnet."

Schon halb weggedreht hielt der Lord inne. Nach kurzem Überlegen entschied er sich jedoch dagegen sie zu gefährden, sich zu gefährden.

„Es spielt keine Rolle, was wir empfinden oder wollen. Es zählt nur was wir können und das können wir nicht, nicht jetzt, nicht zu dieser Zeit, nicht ich und nicht du."

Dass sich Tränen in ihren Augen bildeten, hatte er nicht beabsichtigt. Er wollte sie nicht verletzen, aber so war es weniger schlimm, als wenn er ihr etwas antat, oder wenn er erkannt wurde. Dann wäre ihr Leben für immer zerstört und sie würden sie womöglich auch umbringen, nur um sicher zu gehen. Er hatte noch hundert weitere Gründe dagegen.

Moriartys zischende Stimme unterbrach seine Gedanken. Es stand zu viel auf dem Spiel. Und das Spiel hatte schon längst begonnen.

„Wir können an einen sicheren Ort, wo uns niemand findet ... Ich bin ein gutes Alibi ...?" Rosie hörte auf zu reden, denn sie erkannte die Entschlossenheit im Blick des Lords. Außerdem bemerkte sie seine Unruhe, was nur heißen konnte, dass Sir Moriarty aufgetaucht war. Also fasste sie den Schluss zu warten bis der Jäger fort war und es dann noch einmal versuchen. Ihr Monster war so wundervoll, sie wollte es nicht verlieren. Sie würde alles für ihn tun. Und er wusste das.

Sie nickte. Verwundert aber erleichtert ging Lord Holmes die Treppen hinunter, gefolgt von der jungen Lady Watson.

Das was Holmes von den Worten aufschnappte die gesprochen wurde, gefiel ihm ganz und gar nicht. Wollte sich der Jäger an Rosie heran machen? Zwar warf das jetzt alles über den Haufen was er gerade gesagt hat, aber Hauptsache Moriarty hielte sich von seinem blauäugigen Engel fern. Kurz entschlossen hielt er ihr den Arm hin. Zwar erntete er einen kritischen Blick, aber Rosie hakte sie unter, sodass sie Seite an Seite zu den anderen in die Eingangshalle schritten.

Lady Watsons Gesicht bekam wieder diesen seltsamen Ausdruck, als würde dies mehr bedeuten, als es zu bedeuten schien. Lord Watson hingegen staunte über Rosies Schönheit, dem Moriarty überschwänglich zustimmte, wenn auch mit missmutigem Blick Holmes gegenüber. Der große Mann grinste breit in sich hinein. Sie  würde er ihm nicht auch noch nehmen.

Dass Moriarty am Tischende saß gefiel Holmes gar nicht, denn nun war er direkt neben ihm. Rosie saß wie immer rechts von ihm, gegenüber die Watsons und hinter ihnen die Fensterfront des großen Saales. Die schwarze Nacht wurde nicht einmal von einem Mond erhellt, es war stockfinster draußen. Zwar erhellten die Deckenleuchter den Raum, doch ohne die brennenden Kerzenständer auf der langen Tafel würde die Dunkelheit selbst unter die Robe von Lord Holmes kriechen.

Nachdem einige Schalen Essen gebracht wurden, war die innere Erschütterung groß, als kein Fleisch dabei war. Der Lord hatte seinen Vorrat nicht angerührt und spürte wie sich Schwäche im Körper und Hunger im Kopf ausbreiteten.

Moriarty ließ einige Bemerkungen über Rosies Schönheit und Damenhafte Erscheinung fallen, worauf sie höflich danke, und die Eltern stolz begründeten. Als sich der Lord jedoch zu Rosie beugte und so leise, dass es nur sie beide hören konnte flüsterte „Lass dich nicht einwickeln, er ist ein Jäger." Hörten Moriartys Komplimente auf. Denn Rosie kicherte, als hätte der Lord etwas Lustiges gesagt und ignorierte Moriartys Blicke von da an.

„Haben sie nun endlich aufgedeckt was sie wollten, Sir Moriarty?" Es freute Lord Holmes wie neutral neugierig und doch wissbegierig die Frage klang.

Moriarty legte den Kopf leicht schief und musterte den Lord erneut, auf eine Weise die ihm erneut Gänsehaut bereitete. „Ich stehe kurz vor dem Durchbruch, Lord Holmes."

Wie er seinen Namen betonte verhieß nichts Gutes. Oder, dass er angefressen war, denn es hatte sich nichts ergeben, aus der Falle die er gestellt hatte.

Bevor ein erneutes Gefecht zwischen den beiden beginnen konnte unterbrach Lady Watson mit dem was sie schon die ganze Zeit loswerden wollte. „War alles ruhig während unserer Abwesenheit? Ist etwas vorgefallen?"

Automatisch zuckte Holmes' Kopf zu seiner Rechten, doch Rosie rettete ihn. „Nein, Mutter. Kein Wolf hat geheult."

Die Burgherrin lächelte zufrieden, doch ein unsicher forschender Blick traf den Lord. Sie hatte es gemerkt. Ihr muss aufgefallen sein, dass Rosie ihr etwas vorspielt.

„Ich möchte ihnen danken, Lord Holmes." Sagte sie mit wachsamem Lächeln an den Lord gewandt. „Meine Tochter wirkt auf mich so positiv verändert, wie haben sie das nur geschafft?"

Ohne zu zögern erwiderte er „Ich habe nur meine Lebensweisheiten mit der jungen Lady geteilt."

„Das ist untertrieben, Mutter. Lord Holmes hat mich davon überzeugt, dass es hilfreich ist sich der Gesellschaft anzupassen, wenn man ein schönes Leben genießen möchte."

Lady Watson schien besänftigt, obwohl der Wachhund-Blick noch in ihrem Gesicht geschrieben stand.

Rosie schenkte dem Lord einen gespielt dankbaren Blick, aber nur so lange, wie es unscheinbar war. Sie wand sich ohne eine verräterische Geste wieder ihrem Essen zu.

„So?" nun meldete sich der Hausherr zu Wort, der die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen war dieses Grünzeug in sich hineinzustopfen. „Welche Erleuchtung ist dir denn gekommen, Rosie?" Er wischte den Mund mit einem Tuch und lächelte sie erwartungsvoll an. Rosie nah ihren letzten Bissen, legte das Besteck zur Seite und erklärte ihre neueste Entscheidung. „Ein Mann an der Seite ist wohl das wichtigste für mich, ich werde mir einen der Bewerber ansehen."

Die Eltern riefen erstaunt freudig auf, doch Holmes traf etwas wie ein Pfeil, mitten in die Brust. Panik breitete sich in ihm aus. Es gab nur zwei Möglichkeiten, und eine war ihm mehr zuwider als die andere. Rosie würde sich einen der Bewerber aussuchen, wegziehen, es wäre vorbei. Oder sie würde es sagen, sie würde ihn auswählen.

„Sie sehen so verschreckt aus, ist alles in Ordnung?" Lady Watson ließ ihn nicht aus den Augen.

Die Spannungswellen am Tisch machten den Lord verrückt. Wenn Rosie jetzt etwas Falsches sagte wüsste er keine Reaktion darauf.

„Ich habe nicht gedacht, dass meine Geschichten so lehrreich sein können." Er deckte seine Unsicherheit mit einem gespielt stolzen Lächeln ab.

„Diese Geschichten würde ich auch gerne hören."

Moriarty. Den hatte er ganz vergessen. Wie das möglich war wusste er nicht, aber die beißende Stimme überrumpelte den Lord.

„Erzählen sie uns eine Geschichte, Lord Holmes?" forderte Lady Watson. Auch ihr Gemahl stimmte zu und Rosie wusste nicht was sie losgetreten hatte.

Jetzt begannen die Augen des Monsterjägers zu funkeln. „Ja, erzählen sie uns eine Geschichte." Hauchte er bedrohlich. Und so dass es nur Holmes hören konnte fügte er hinzu „Ich kann mir schon vorstellen, wovon sie handelt, ihre Geschichte."

Verdammt. Ihm musste etwas einfallen, sofort. Genau in diesem Moment kam die Dienerin und brachte Kräuterwasser. Um Zeit zu schinden sah er der Frau nach, bis sie wieder verschwunden war, dann nahm er einen großen Schluck des Tees, am besten trank er gleich den ganzen Becher aus.

Alle sahen ihn an und warteten. Lord Watson war wohl der einzige der entspannt war. Der Rest des der Gemeinschaft brodelte vor Neugierde. Schließlich setzte er das fast leere Gefäß auf dem Holztisch ab, unter wachsamen Augen von Lady Watson, sorgenvollem Blick Rosies und einem bedrohlich erwartungsvollem Funkeln von Moriarty.

„Nun gut, ich werde ..." begann der Lord doch ein starkes Husten unterbrach ihn. Er trank den Becher leer, um den Hustenreiz weg zu spülen. Da fing der Raum an zu blinken. Lauter schwarze und weiße Punkte tanzten vor seinen Augen und dieses laute fiepende Geräusch zog sich quälend durch seinen Kopf. Holmes versuchte zu blinzend, den Schmerz zu ignorieren, doch es half nichts, ihm wurde nur schwindelig. Auf einmal spürte er etwas Hartes unter den Fingern. Die Farben tanzten vor seinen Augen, und sein Magen drehte sich um. Es kostete viel Anstrengung bis er merkte, dass er auf dem Boden saß, der große Stuhl neben ihm am Boden, besorgte Gesicht, und da, etwas stahl sich durch das tödliche Fiepen: Lachen. Eine so hämische, triumphierende Lache wie er noch nie gehört hatte. Auf einmal war jemand vor ihm, hielt seinen Kopf fest. Etwas Blaues sah ihn an, nein zwei blaue ... Augen? Dumpf dröhnte eine Stimme zu ihm durch, eine erschrockene Stimme, die Stimme hatte Angst. Kein Gedanke fand halt in seinem Kopf, es war ein einziges Durcheinander, er hatte nur das Bedürfnis zu schlafen, dass das Fiepen aufhörte. Und noch etwas anderes drängte sich hindurch. Ein dringlicher Ruf nach Fleisch.

Langsam wurde die Sicht klarer, seine Gedanken schwirrten alle um eine Sache: Beute. Alle Sinne waren geschärft, er taumelte herum, landete auf dem Rücken, aber da war jemand bei ihm.

„My Lord, My Lord, bitte, ich bin hier, bitte schhhh, alles wird gut ..." Wie ein Herzschlag pumpte die Stimme zu ihm durch und das Bild würde schärfer. Er gewann etwas Verstand zurück. Das war Lady Watson, Rosie Watson, die seinen Kopf hielt und auf ihn ein redete. Waren das Tränen auf ihren Wangen? Er wollte sie trösten, er brauchte sie doch ...

„Ro .. Rosie ..." Seine Stimme war brüchig und schwach. Aber sie lächelte und hielt ihn aufrecht. Das Bild war immer noch verschwommen, aber er sah jemanden auf ihn zukommen.

„Sehen Sie! Habe ich zu viel versprochen?" und wieder die Lache. Wut machte sich in den Lord breit und er wusste nicht woher es kam, aber all seine Kraft sammelte sich und er stand auf, Rosie schützend an seine Seite haltend.

Moriarty stand auf seinem umgekippten Stuhl und schwang feierlich mit den Armen. „Ladys und Gentleman! Darf ich vorstellen: Das Monster!" Lachend sprang er vom Stuhl und kam auf den Lord zu. Jetzt, da er die Bedrohung fixieren konnte sah alles wieder scharf aus, nur diese verdammte Schwäche zog ihn auf den Boden, sodass er fast umfiel. Die Watsons sahen verschreckt auf das Geschehen und Holmes schob Rosie hinter sich. Als Moriarty allerdings näher kam stieß er sie zur Seite. „Lauf!" Mit einem letzten dringlichen Blick in die ängstlichen blauen Augen wand er sich seinem Angreifer zu.

Spöttisch sah dieser den Lord an. „Denkst du es ist mir nicht aufgefallen, wie nervös du bist? Du hast es ja versucht zu verstecken, wie du dich tapfer um die Lady gekümmert hast, dabei hast du sie dir nur aufgehoben, um sie dann an einem besonderen Abend zu verschlingen."

Lord Watsons Stimme schaffte es kaum bis an Holmes' Gehör. „Sir Moriarty, was hat das zu bedeuten?"

Genervt drehte sich der Jäger um. „Ich habe ihr Monster gefunden. Die ganze Zeit haben sie es beherbergt. Es hat nur auf einen Zeitpunkt gewartet, sie zu vernichten. Doch ich habe es daran gehindert!" Gehässig lächelte er wieder Holmes an. „Wieso sollte der so beschäftigte Lord Holmes denn sonst wieder zu diesem unberührten Fleck Erde kommen?"

Das entlockte dem Lord nur ein protestierendes Fauchen, was in ein Brüllen überging, doch er verlor schnell seine Stimme, er hatte keine Kraft mehr.

„Woher...?" Mehr brachte er nicht hervor.

Moriarty sah in mitleidig an. „Schwindet dir die Kraft du großes starkes Biest?" Mit einem Schlag ins Gesicht brachte er den Lord zu Fall. Ein Schrei von Rosie war zu hören, dann sah er wie Moriarty sich zu ihm hinunter beugte.

„Wissen sie was sie verraten hat?"

Er gab sich eine dramatische Pause, dann richtete er sich auf und ging einen Schritt zurück. An die ganze Gemeinschaft gewandt begann er stolz zu reden. „Tannin. Ein Gerbstoff. Hauptsächlich im Blut von Pflanzenfressern zu finden." Er genoss es zu tiefst das niemand verstand worauf er hinaus wollte. „Ein Hemmstoff." Jetzt lächelte er in sich hinein. „Ich habe es in den Tee gegeben , als du dem Dienstmädchen hinter her gesehen hast - oder sollte ich lieber sagen deiner potentiellen nächsten Beute?" Ein gehässiges Lachen unterbrach seine Triumphrede.

"In Verbindung mit diversen Zuckern wird es vom Hemmer zum Ent-zieher. Und rate mal was es entzieht, Biest?"

Moriarty sah überlegen auf den Lord hinab.

„Eisen." Es war mehr ein Hauchen und eine Selbsterkenntnis, als eine Antwort. Aber Moriartys Augen funkelten. „Hundert Punkte für das Monster!"

Plötzlich schwand die fröhliche Stimmung auf seiner Fratze. „Verlassen Sie den Raum." Niemand rührte sich. „Sofort!" Der Ausruf regte die Watsons an aufzuspringen und zu ihrer Tochter zu stürmen. Doch Rosie wehrte sich und ließ sich nicht mit ziehen. Im Gefecht riss sie sich die Kette vom Hals.

„Verschwinde!" Keuchte der Lord, und Rosie hörte. Tränenüberströmt warf sie das Medaillon in seine Richtung. Dann ließ sie sich aus dem Zimmer zerren.

Als die Tür schwer ins Schloss fiel war es totenstill. Bis Moriarty einen Schritt machte, dann noch einen, und noch einen, bis er vor einem goldenen Haufen Metall stehen blieb. Lord Holmes musste zusehen wie sein Feind Rosies Kette aufhob und mit schiefem Kopf betrachtete. Das nervtötende Fiepen wollte nicht aufhören und auch sein Körper versagte. Er hatte nur eine Chance dem hier zu entkommen.

Jetzt da Moriarty seine Tarnkleidung abgenommen hatte, kam ein ideal geschnürter, gut gepolsterter Wams zum Vorschein, mit metallener Verstärkung, die auch an den Beinen zu erkennen war. Ein Kampf in seinem jetzigen Zustand war aussichtslos, er musste fliehen. Ignorierend, dass dieser Mensch gerade Rosies Kette umlegte, hievte er sich auf alle Viere und begann taumelnd nach vorne zu laufen. Er war schon am Tisch angekommen, da traf ihn ein harter Schlag auf dem Rücken und der Lord fiel in sich zusammen. Fast seine ganze Kraft war jetzt darauf ausgelegt wach zu bleiben, und da kam schon der nächste Schlag. Er rollte auf den Rücken, um Luft holen zu können.

„Wo wollen wir denn hin?" Moriartys fieses Lachen verzerrte sein ganzes Gesicht. „Ich werde Schuhe aus dir machen!" Damit begann er auf den Lord loszutreten.

Jeder Tritt löste eine Kettenreaktion aus Schmerzen, Hunger, Wegrollen, brüllen und dem Schwinden der letzten Kräfte aus.

„Das Monster, das alle fürchten, verkriecht sich vor mir? Du bist noch leichter zu fangen als deine Geschwister."

Das war da Stichwort. Wut begann in Holmes zu brodeln. Es war nur ein Funke, aber ihm kam alles wieder vor Augen, alles was er gesehen hatte.

Der Jäger redete siegessicher weiter. „Deine Schwester hat mir wenigstens ein Andenken hinterlassen." Er tippte sich auf den Hinterkopf. „Wie ein Schuss in den Kopf."

Lachte er gerade bewundernd?

Doch irgendetwas anderes lenkte die Gedanken des Lords ab, etwas was er gesagt hatte.

„fng ..."

„Was?" Moriarty hörte mit seiner Stichelei auf. Der Lord nahm sich kurz Zeit um auf die Knie zu kommen und spuckte das Blut aus, das ihn hochgekommen war.

„Fangen ..." Er stöhnte fast nur. „Sie haben fangen gesagt, nicht töten." Sein ganzer Körper pochte vor Schmerz, das einzige was ihn wach hielt war Moriarty, dessen Gesicht schlagartig den Ausdruck wechselte. Ein freundliches Grinsen, als hätte er nur darauf gewartet zeigte seine blanken Zähne.

„Kommen wir zum Geschäft."

Geschäft? Der Lord verstand nicht. Irritiert betrachtete er wie der Mann einen Stuhl heran zog, sich setzte und den Lord abwartend ansah. Lord Holmes versucht ihn zu lesen, aber er erkannte nicht was der Mörder von ihm wollte.

„Die anderen waren auch so überrascht." Sagte er beiläufig. „Obwohl, dein Bruder hatte kaum mehr Zeit dafür."

Zornig schnaubte der Lord aus. Moriarty lächelte. „Beantworte mir einfach die Fragen und wir werden beste Freunde."

Jetzt war es der Lord Holmes der lachte. „Sie wissen ganz genau dass das nicht passieren wird."

„Das haben deine Geschwister auch gesagt." Er machte eine nachdenkliche Pose. „Ach ja" Als würd ihm etwas einfallen, sah er zurück zum geschundenen Mann am Boden. „Und sie sind tot!"

Das letzte Wort schrie er ihm entgegen. Äußerlich schwächte es den Lord vielleicht, aber genau das gab ihm Antrieb. Er wollte nur noch eines wissen, dann könnte er ...

„Ich dacht eigentlich du wärst schlauer. Immerhin konntest du am längsten vor mir fliehen, aber gefunden hätte ich dich sowieso irgendwann. Also lass es uns jetzt machen." Als der Lord nur zurückstarrte redete er weiter. „Es gibt mehr von euch. Doch leider sind sie alle tot ... außer dir. Das interessante ist aber doch, das es euch auch mit nicht gleichem Stammbaum gibt."

Jetzt horchte der Lord auf. Moriartys grinsen wurde breiter, aber es verschwand sofort wieder als er endlich sein Anliegen präsentierte. „Wie macht ihr das? Wie macht ihr Menschen zu Monstern?"

Holmes fasst es nicht. Sein Erzfeind hatte sie alle getötet, nur um auch ein Monster zu werden? Während Moriarty von seinen Studien zu erzählen begann wuchsen Wut und Hass so stark in dem Lord, dass er sich vorstellte wie er den Mann vor ihm umbrachte.Und auch wenn die Kraft nicht zu reichen schien brachen die ersten Fangzähne durch sein angeschlagenes Zahnfleisch. Es hatte mehr von ihm gegeben und er hatte sie alle ausgelöscht.

„Durch bloßes Töten nicht, das habe ich lange genug beobachtet. Wer tot ist, ist tot."

Die ersten Wirbel knacksten.

„Ein Biss? Nein das hat mir deine Schwester bewiesen."

Krallen platzten aus den Fingern.

„Das Blut zu trinken hilft auch nichts." Moriarty hielt für einen Moment inne, um den Lord anklagend anzusehen. "Weißt du, dass ich dafür deinen ganzen Bruder trinken musste, nur um sicher zu gehen?"

Der Lord musste sich sehr zurück halten. Für diesen Satz wäre er ihm am liebsten sofort an die Kehle gesprungen.

„Also frage ich dich: Wie kann ich ein Monster werden?" Das blitzen in seinen Augen war eindringlich auf das Biest gerichtet. Dieses tat überlegend, dann verfinsterte sich seine Miene.

Gar nicht!" Damit sprang Holmes auf und es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis er in voller Größe auf den Jäger sprang und ihn samt Stuhl zu Boden riss.

Moriarty, überrumpelt von dem Angriff legte schützend die Hände vors Gesicht, doch der Lord war schneller. Mit einer Bewegung riss er die bleichen Gelenke herum bis Moriartys Hände knacksten und ihm einen Schmerzensschrei entlockten. Blind vor Wut schlug das Monster auf den Mann unter ihm ein. Er hörte nur das Aufbersten von Haut unter ihm, gemischt mit Schreien und Lachen. Der Lord wusste nicht ob er sich die hämische Lache nur einbildete, aber als er kurz inne hielt um den Jäger zu betrachten, grinste dieser durch die frischen Wunden hindurch. Für ein paar Sekunden verlor er die Konzentration über seinen Angriff. Warum lachte dieser Irre?

Plötzlich machte sich ein stechender Schmerz in ihm breit. Ehe er an sich hinunter sehen konnte, übernahm der Unterlegene die Situation und schlug das Monster über ihm mit voller Wucht gegen den Kopf. Holmes taumelte zu Seite und versuchte das Gleichgewicht wieder zu finden, doch zu spät. Moriarty hatte sich bereits aufgerichtet und stieß ihn erneut zu Boden. Auf die Ellbogen stützend sah der Lord nun, was ihn aus der Fassung brachte. Mitten in seinem Zwerchfell steckte ein Griff, der Griff eines Dolches. Er war immer noch in vollem Angriffsmodus, weshalb er mit zusammengebissenen Zähnen den Griff anzog, doch sofort wieder losließ. Irritiert inspizierte er den Griff. Moriarty lachte höhnend. „Damit hast nur wohl nicht gerechnet, Biest?"

Er schmiss sich fast über den Lord auf den Boden. Nur um ihn triumphierend ins Gesicht zu grinsen. „Diese gemeinen kleinen Hacken an der Klinge machen es unmöglich ihn wieder hinaus zu ziehen." Auf einmal änderte sich sein Gesicht in nachdenklich. „Außer ... du reißt deinen gesamten Magen mit heraus." Lächelnd zwinkerte er den Lord an. „Aber das wäre doch echt schade, da du der letzte bist." Jetzt zog er einen Schmollmund. So schnell wie Moriarty die Stimmung wechselte kam der Holmes kaum hinterher. „Erzähle es mir mir." Bettelte er. „Bitte."

Mit flehenden Augen sah der Mörder zu ihm hinunter, während sie nur Zentimeter voneinander entfernt waren. Durch den Dolch im Bauch breitete sich eine Starre im ganzen Körper von Holmes aus, die sich in seinen Kopf ausbreitete, sodass er den Mann über ihm nur fassungslos anstarren konnte.

Etwas ungedudig seufzte der Jäger. „Ich werde es dir erklären. Wir beide werden daraus einen Nutzen ziehen können." Verschwörerisch beugte er sich zum Ohr des Lords, um ihm etwas zu zu flüstern. Und da endlich fing sich ein Gedanke in Holmes' Gehirn. Er sah die Schlagader an Moriartys Hals und war ihm so dankbar, dass er diesen Fehler gemacht hatte.

„Ich werde so stark werden wie du, und du wirst nicht mehr allein sein."

Noch ein bisschen näher.

„Das ist es doch wonach du dich so sehr sehnst, dass du dich sogar mit der jungen Lady Watsons begnügst."

Warten, warten!

„Aber das brauchst du nicht mehr. Ich, bin viel besser -"

Jetzt!

Mit einer Hand zerrte er Moriarty auf sich, riss den Mund auf und biss mit allen Zähnen direkt in seinen Hals. Der Jäger war nicht vorbereitet und konnte sich nicht wehren, als die spitzen Zähne seine Haut durchbohrten und schließlich die Kehle umschlossen. Mit aller Kraft riss das Monster an Ader, Kehle und Fleisch bis Moriartys halber Hals zerbarst.

Leblos fiel der Mann auf Lord Holmes, während dieser versuchte die menschlichen Überreste aus den Mund zu bekommen.


Es dauerte ein paar Minuten bis er realisiert hatte, dass es vorbei war. Der Mörder seiner Geschwister lag mit einem klaffenden Loch zwischen Kopf und Körper neben ihm. Er würde nie wieder von ihm gejagt werden und nie wieder Angst haben müssen. Zumindest nicht vor ihm.

Erleichtert richtete er sich auf, doch der Schmerz wollte ihn wieder zu Boden reißen. Er war bis auf den letzten Rest ausgelaugt. Doch er musste das Messer in seinem jetzigen Zustand noch loswerden. Wenn es Zacken in die eine Richtung hatte, must es andersherum keine haben, sonst würde es nicht in die Scheide passen. Also übte er erst leicht Druck auf den Dolch in sich aus, dann immer fester, bis er vor Qualen aufstöhnen musste. Als das Dolchende gerade in seiner Bauchdecke verschwunden war, durchstach die Spitze seinen Rücken. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis die metallene Spitze so weit aus ihm heraus ragte, dass er sie fassen konnte. Seine Finger rutschten erst über das glatte Metall, bis er mit unterdrücktem Aufschrei die Zacken in seine Hand bohren ließ. Die Widerhaken steckten fest in den Fingern, sodass er den Dolch nun aus seinem Rücken ziehen konnte. Falls jemand vor der Tür wartete musste er meinen er durchleide Höllenqualen, den gequälten Lauten nach zu urteilen die er von sich gab.

Mit einem letzten schmerzvollen Stöhnen glitt das Messer aus ihm heraus und fiel klirrend auf den Boden. Diese Erleichterung machte sich sofort in ihm breit, denn sobald er seine Hände ansah, zogen sich die Krallen ein und er sah nun in ein dunkelrotes Rot in seinem Menschenkörper. Zwar spürte der Lord, wie sein Gewebe begann sich zu erneuern, doch es fühlte sich kläglich langsam an.

Er musste an einen ruhigen Ort und heilen, dann essen und hoffen dass er überleben würde ...

Ein letztes Mal betrachtete er die Leiche des Mörders, beugte sich zu ihm und riss die goldene Kette von dem was von seinem Hals übrig geblieben war.

Das letzte was sein Verstand wahrnahm war das Fenster, durch das er sich fallen ließ. Den Aufprall, bei dem er sich mindestens vier Knochen gebrochen hatte. Und die dunklen Nadeln, die in sein Gesicht piksten, als er versuchte sich an den Bäumen entlang zu hangeln, bis zu seiner Höhle ...

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