Teil 96
Kiana
Wie eine Statur stand ich da, während Renata noch einmal das Kleid ansah, ob es perfekt saß. Die Friseurin meine Hochsteckfrisur fertigstelle und mir gerade das Diadem auf den Kopf setzte. Carmen, die mir den Brautstrauß reichte und dem Fotografen im Weg stand, weil sie selber nicht genug Bilder von mir und diesem Kleid bekam. Und zum Schluss mein großer Bruder, der schräg neben mir stand und mich ansah, als wollte er eigentlich noch so viel sagen.
Atmete ich überhaupt noch?
Plötzlich tauchte die Dame in meinem Blickfeld auf, die für mein Make-Up zuständig war. »Nix weinen, haben sie verstanden? Sonst Make-Up weg«, meinte sie mit ihrem russischen Akzent. Sie war eine alte Bekannte von Renata.
Ich nickte nur.
Ob ich das schaffe?
»Sag mir jetzt bitte nicht, dass du kalte Füße bekommst«, flehte Carmen auf einmal. »Rune richtet sonst ein Blutbad an.«
Louis sah mich ebenfalls an. »Mach das nur, wenn du dir sicher bist.«
Carmen runzelte die Stirn. »Hey, was soll der Scheiß?! Sie ist sich sicher.« Sie wandte sich mir zu. »Das bist du doch, oder?«
Sicher?
Nun ... ja.
Ich war mir sicher.
Aber wieso reagierte ich dann so?
Gestern hatte ich mit Rune noch so einen schönen Tag verbracht.
Bei seinen Worten, zuckten meine Mundwinkel nach oben und ich lächelte vor mich hin. Er war nicht der Mann meiner Träume, aber ... er war der Mann, den ich liebte.
»Ich bin mir sicher«, informierte ich beide und sah Louis an. »Ich liebe ihn, bitte akzeptiere das endlich, großer Bruder«, lächelte ich ihn warmherzig an.
Louis erwiderte meinen Blick und sah dann zu Carmen. Er nickte und hob mir den Arm hin. »Dann komm.«
Er lächelte und meine beste Freundin knipste noch ein paar Fotos.
»Weg da!«, fuhr sie den Fotografen an, der doch nur seine Arbeit machen wollte.
Ich starrte Carmen an und seufzte. Der Arme Fotograf wurde heute Morgen schon von mir dumm angemacht, dass er ja gute Bilder schießen soll und jetzt musste er sich noch von Carmen anfahren lassen.
Ich atmete tief ein und hakte mich bei Louis unter. »Ich bin nervös. Sehe ich gut aus?« fragte ich ihn, während alle anderen zur Seite gingen und wir auf die Musik warteten.
»Sehr hübsch«, sagte Louis doch die Latina schnaufte.
»Heiß, sexy und damit genau das, worauf dein ebenfalls heißer und sexy Gleich-Ehemann steht.« Sie lachte. »So wie ich ihn kenne, wird er dir das Kleid sofort vom Leib reißen und dich-«
»Oh Gott, bitte nicht«, sagte Cal, der seine Freundin schnappte und von mir wegzog. »Komm jetzt. Es geht gleich los und Rune sieht aus, als wolle er die Hälfte der Leute abknallen. Inklusive deines Padre und seinen andren Geschäftspartner. Andiamo.«
»Aber ...«
»Carmen, los!«
Sie schnaufte unzufrieden. »Ist ja schon gut.«
Ich sah den beiden nach und musste lachen. Typisch die beiden und typisch Rune.
»Ich hab euch beide lieb«, rief ich Carmen und Cal noch zu und sah dann hoch zu meinem großen Bruder. »Ich bin bereit«, nickte ich und sah dann wieder geradeaus.
In demselben Moment fing die Musik an zu spielen und wir liefen hinaus. Die Sonne berührte schon fast den Horizont und es sah einfach atemberaubend aus. Die Gäste erhoben sich und drehten sich zu uns herum. Als wir näher kamen, sah ich Rune und hinter ihn die Sonne, die alles in ein warmes Licht einhüllte. Der Priester stand an der Seite und würde erst hervortreten, wenn Louis mich an Rune übergeben hat. Ich sah meinen Verlobten an und wieder einmal wurde mir bewusst, wie gut er einfach aussah. Er trug heute einen schwarzen Anzug, ein schwarzes Hemd, eine schwarze Krawatte und perfekt lackierte und schwarze Schuhe. Sein kurzes Haar war zurecht gemacht und er sah aus wie ein Ehemann und ein Mafiaboss zugleich. Ich beobachtete die Reaktion meines Verlobten, während wir auf ihn zuschritten.
Er drehte den Kopf und sah mich an. Sein ganzer Körper spannte sich an und seine Männlichkeit reagierte auf mein Erscheinungsbild und wurde hart, sodass er sich etwas zur Seite drehen musste, damit keiner der Gäste seinen Ständer sah. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, aber es freute mich, dass ich ihn immer noch heiß machte.
»Fuck«, raunte er heißer, als Louis mich an den Bogen führte und vor sich stellte. Er legte meine Hand auf seine, wirkte etwas unzufrieden, doch das kümmerte Rune nicht. Er sah nur mich an und ich nur ihn. Von oben bis unten und wieder zurück.
»Verdammte Scheiße, amore, ich ... Ich ... Fuck, du bist ... atemberaubend.« Der Priester neben uns räusperte sich bei seinen anhaltenden Flüchen, doch auch das war ihm egal. »Ich werde dir«, sagte er nun und beugte sich an mein Ohr, »jeden einzelnen Faden, jede Rüsche, jede Perle, jedes Stück Spitze einzeln vom Leib reißen. Mit meinen Zähnen. Du ... Ich liebe dich, amore.«
Ich kicherte und wurde leicht rot bei seinen Worten. Ich legte meine Lippen begierig auf seine und wir knutschen hemmungslos vor den Gästen herum. Erst als sich der Priester noch einmal räusperte und diesmal mit Nachdruck, ließen wir voneinander ab.
»Ich bin froh, dass ich dir gefalle. Ich liebe dich auch«, hauchte ich gegen seine tollen Lippen und auf einmal verschwand jeglicher Zweifel.
Ich wollte ihn, nur ihn.
Jemand unter den Leuten stöhnte auf und wir mussten nicht hinsehen, um Cal rauszuhören. »Che Dio ci aiuti, stanno per scopare davanti a tutti.« Er stöhnte auf, als Carmen ihn einen Schlag gab.
»Halt die Schnauze, Pendejo! Das ist voll romantisch. Schau doch mal, wie Rune sie ansieht!«
»Ich sehe das und wenn ich es übersetzen müsste hieße es: Lass uns fick-»
Ihn traf ein neuer Schlag und der Priester bekreuzigte sich.
Rune lächelte mich an. »Er hat nicht ganz unrecht, ich würde dich gerne vö-«
Nun brachte ihn der Blick des Priesters doch zum Schweigen. »Scusare, Padre.«
Wieder musste ich lachen. Diese beiden Idioten!
Ich war glücklich, dass ich sie kennenlernen durfte. Sie haben mein Leben zwar auf den Kopf gestellt, aber es war nie langweilig mit ihnen.
Der Priester sah erst auf sein Buch, und dann die Anwesenden an. Er begann mit einer normalen Rede, wieso wir uns hier eingefunden haben, dass sich zwei Liebende für die Ehe entschieden haben und so weiter. Ich hörte kaum zu und hatte nur Augen für ihn - meinen baldigen Ehemann.
Während wir uns regelrecht schon mit den Augen auszogen, wurde mir klar, dass ich gleich nicht länger mehr Kiana Lou Silver heißen würde.
Der Priester räusperte sich und richtete sich an Rune: »Rune Costello, möchtest du Kiana Lou Silver zu deiner Frau nehmen, dann antworte jetzt mit: JA, ICH WILL.« Cal brachte uns sie Ringe und Rune nahm das goldene Schmuckstück an sich. Und während er mir den Ring überstreifte und dann meine Hand hob, um den Punkt zu küssen, sagte er: »Ja, ich will.«
Meine Augen fielen auf den Ring und er war wunderschön. Ich musste an die Eingravierung denken, die ich ausgewählt hatte und schmunzelte ihn an.
Der Priester wandte sich jetzt mir zu: »Kiana Lou Silva, möchtest du Rune Costello zu deinem Mann nehmen, dann antworte jetzt ebenfalls mit: JA, ICH WILL.«
Ich atmete tief ein und sagte: »Ja, ich will.«
Ich sah zu Cal, nahm den Ring und steckte ihn Rune an den Finger.
»Hiermit erkläre ich euch vor Gott zu Mann und Frau-« er nickte Rune zu. »-Du darfst die Braut jetzt küssen.«
Mein Ehemann grinste und zog mich in einer etwas wilden Geste an sich. Seine Zunge fand sofort meinen Mund und er ließ seine Hände über meinen Körper wandern. »Endlich, Signora Costello. Meins.«
Ich erwiderte den Kuss und unsere Gäste fingen an zu klatschen. Der Priester schien froh zu sein, diesen Akt hinter sich gebracht zu haben. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Er hatte, glaube innerhalb dieser 30 Minuten mehr Beleidigungen und Flüche gehört, wie er sonst in einem ganzen Jahr nicht hörte.
Ich lächelte an Runes Lippen. »Ich habe dir doch schon die ganze Zeit gehört, Signor Costello.«
»Oh ... Richtig«, schnurrte er und biss in meine Unterlippe.
»Hey!«, rief Cal. »Ein Kuss, kein Vorspiel!«
»Wir sollten auf Cal hören, sonst läuft er eines Tages Amok«, scherzte ich immer noch an Runes Lippen und küsste ihn noch einmal.
»Soll er doch«, erklärte er unbeeindruckt und hob mich hoch, um mich den Gang hinunterzutragen, den ich zu ihm gelaufen war. Unsere Gäste sahen uns an und klatschten weiter, doch sowie ich nur Augen für ihn hatte, hatte auch er nur Augen für mich, als er rief: »Lasst uns FEIERN!«
****
Nachdem uns alle gratuliert hatten und ich den Berg voll von Geschenken auf den 3 langen Tischen an der Wand betrachtete, wusste ich, dass viel Arbeit nach diesem Urlaub auf mich wartete. Obwohl ich es ja liebte Geschenke auszupacken, kannte ich die Etikette, dass jeder eine Dankeskarte erhalten musste.
Ich seufzte und wandte mich Rune zu, der neben mir saß und hungrig auf das Essen wartete, dass uns gleich serviert werden würde.
Ich musste schmunzeln, da ich glaube, dass er nicht nur Hunger auf das Essen hatte, sowie er mich ansah. Ihm gefiel mein Kleid und darüber war ich glücklich. Das war mein Ziel gewesen und ich hatte es erreicht.
Ich strich mir eine lockige Haarsträhne hinters Ohr und sah zu den vielen Kellnern, die anfingen den ersten Gang zu servieren.
Auf der großen Terrasse mit Überdachung hatten wir die Tische zu einem riesigen U aufstellen lassen. Da die meisten Gäste aus Italien stammten, würde es heute wohl noch laut werden. Es war bekannt, dass Italiener lautstark und ausgiebig feiern konnten.
Während die Kellner umherschwirrten und neben dem ersten Gang auch Wein und Sekt verteilten, saßen Cal, Carmen und Louis ganz vorne an dem Tisch. Aber auch an den restlichen Plätzen war lautes Gerede. Anscheinend verstanden sich alle Gäste und es war noch nicht zu einer Schießerei gekommen. Darüber sollte ich wohl erleichtert sein. Aber mir war klar, dass hier mindestens die Hälfte alle Gäste, inklusive meines Ehemannes und seinem Trauzeugen, Waffen dabeihatten.
Ich lächelte, als auch uns das Essen serviert wurde.
»Wein oder Sekt, Signora Costello?«, fragte der Kellner.
»Wein, danke.« antwortete ich freundlich.
Der Kellner schenkte mir ein und ging dann zu Rune und fragte dasselbe. Auch er wählte Wein. Nachdem alle Essen und Getränke hatten, eröffnete Rune mit einer knappen Rede das Essen und alle begannen anzustoßen.
Danach benahmen wir uns beide, als wären wir allein. Wir flirteten, seine Hand rutschte mehrfach unter mein Kleid und immer wieder schob er mir etwas zu essen in den Mund und küsste mich dann. Wir konnten gar nicht genug voneinander bekommen und verhielten uns wie frisch verliebte, und nicht wie zwei Menschen, die bereits seit fast einem Jahr zusammen waren.
Ich musste zu geben, ich könnte ihn hier und jetzt besteigen. Essen und Sex gleichzeitig wäre eine Idee. Doch leider waren zu viele Gäste hier und ich wusste nicht, was Cal dann mit uns machen würde. Und da noch etwas anderes geplant war, konnte ich das nicht riskieren.
****
Mit einem breiten Grinsen erhob ich mich, nachdem wir den 5ten Gang fertig gegessen hatten. Ich nahm meinen Brautstrauß und ging in die Mitte des Saales.
»Ich würde jetzt den Brautstrauß werfen«, rief ich und die unverheirateten Frauen waren schneller in der Mitte, als manche Männer gucken konnten.
Ich sah zu Rune, der ebenfalls wusste, was jetzt kam, dann drehte ich allen den Rücken zu, hob meine Arme und warf den Strauß so, dass dieser perfekt in Carmens Arme landete. Ich drehte mich wieder und sah sie lächelnd an. »Wehe du sagst ›Nein‹, Miss Latina.«
Sie sah mich verwirrt an, bis sie Cal hinter sich bemerkte.
Er ging auf die Knie und sah zu Carmen hinauf. Ich sah zu Rune und bemerkte, dass er zu Carlos sah, der nicht unbedingt glücklich schien. Doch er nickte und hob sein Glas in Runes Richtung. Ich seufzte erleichtert und drehte mich wieder zu Cal und meiner besten Freundin.
»Carmen, willst du meine Frau werden?«
»Aber ... ich ... du ...«
Cal schnaubte und verdrehte die Augen. »Ja, oder nein, mamacita?«
»Ich ... JA!« Sie fiel ihm um den Hals und beide landeten im Sand und knutschten rum.
Rune grinste und hob das Glas. »Auf das baldige Brautpaar! Salut!«
Ich lief zum Tisch und hob ebenfalls das Glas mit allen anderen Gästen. Mein Blick fiel dabei auf Louis, der sich nicht wirklich freute und ich nippte an meinem Glas.
Ich musste zugeben, als ich von Cal hörte, dass er Carmen einen Antrag machen wollte und ob wir damit einverstanden wären, wenn das auf unserer Hochzeit stattfinden würde, hatte ich erst bedenken. Immerhin hatte ich erst erfahren, dass Carmen mit meinem Bruder gevögelt hat und davon war ich immer noch nicht begeistert. Ich hatte es selbst Rune noch nicht erzählt, weil ich nicht sicher war, ob er es nicht seinen Cousin weitersagen würde.
Naja, am Ende hatte ich es erlaubt, da es Rune egal war. Und hier waren wir nun, das heißt wohl, dass es bald eine weitere Hochzeit geben wird. Hoffentlich verläuft Carmen zweite Hochzeit besser als die letzte.
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