Teil 70

70-Kiana

> Wehe du sagst jetzt, dass du ihr eine Kugel in den Kopf schießen wirst. 🙄<

Ich schickte die Nachricht ab und lehnte mich an seinen Schreibtisch. Der akkubetriebene Staubsauger noch in meiner Hand.

Meine Mutter?

Verdammt Louis!

> Danke Louis, dass du Mum erzählt hast das ich heirate. Jetzt kommt sie her und ich habe echt kein Bock drauf! <

Ich schickte auch diese Nachricht ab und atmete laut und genervt aus.

Wie fröhlich sie am Telefon klang. Und sie hat mit mir gesprochen als wäre nie etwas zwischen uns vorgefallen. Als hätte sie uns nicht verlassen und im Stich gelassen.

Mein Griff um den Staubsauger wurde fester.

Ich erinnere mich daran als wäre es gestern gewesen, als sie mir die gesamte Verantwortung aufgehalst hatte und mit ihrem Liebhaber verschwand.

Und Dad ...

Was wenn sie Fragen stellte?

Ich massierte mir die Stirn und schloss kurz meine Augen. Dann blickte ich zu meinem Handy.

Wieso antwortete Rune mir nicht?

Verwirrt und besorgt, wählte ich die Kurzwahl und rief ihn an. Es tutete mehrmals, aber niemand ging ran. Ich probierte es noch einmal. Wieder ging niemand ran. Langsam bildete sich ein Klos in meinem Hals. Es fühlte sich an, als würde mir jemand die Luft abschnüren. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit.

Ich ließ den Staubsauger auf den Boden fallen und eilte ins Wohnzimmer, in dem meine drei Aufpasser auf der Couch saßen und Football schauten. Ich stellte mich ohne Umschweife vor dem Fernseher und sah die drei unsicher an.

»Ich kann .....Nox nicht erreichen. Könnt ihr es mal versuchen?«

»Don Costello sagte, wir sollen ihn nur anrufen, wenn es etwas Wichtiges gibt«, erklärte Paolo und sah nicht mal vom TV auf. »Und wie ich es einschätze, ist es nicht dringend, wenn er nicht ans Handy geht.«

Pino sah mich an und nickte zustimmend.

»Er wird beschäftigt sein, Madrina«, erklärte Mike dann und sah mich an.

Ich verzog die Lippen.

Er hatte vor nicht einmal 5 Minuten noch mit mir geschrieben! Es konnte unmöglich sein, dass er plötzlich nicht mehr erreichbar war. Ich habe die letzten Wochen eindeutig zu viel gesehen und am eigenen Leib gespürt. Allein der beabsichtigte Autounfall steckte mir noch in den Knochen.

Ich stieß wütend Luft aus, stampfte weg und ging ins Schlafzimmer. Nachdem ich die Tür zugeknallt hatte, versuchte ich Rune noch einmal anzurufen.

Als wieder niemand ran ging, versuchte ich es bei Cal.

»Ja?«

»Cal, ich erreiche Rune nicht mehr. Und jetzt sag mir nicht, dass er beschäftigt ist. Wir haben geschrieben und plötzlich kam keine Antwort mehr. Es ist so viel passiert die letzten Wochen, bitte wimmle mich jetzt nicht ab«, flehte ich und schob den Gedanken beiseite, dass er mich nackt und von der Decke hängend gesehen hat.

»Ähm ... er hat eventuell ...«, begann er und überlegte, »Er könnte keine Lust mehr haben, zu schreiben? Immerhin reden wir hier von Rune.« Lacht leise. »Siehst du, ich hab nicht gesagt, dass er zu tun hat.«

Ich starrte mich selbst im Spiegel mit einem Will-Der-Mich-Verarschen-Blick an und erwiderte: »Warum seid ihr alle so ruhig? Mach ich mich einfach umsonst verrückt?«

Aber mein Gefühl sagt mir ...

Oder täuscht mich das, wegen dem aufreibenden Gespräch mit meiner Mutter?

»Mach dir keinen Kopf. Rune meldet sich schon, wenn er Zeit hat. Du weißt doch was gerade los ist. Außerdem hat er doch jemanden bei sich, oder?«

»Nein, nur die Hunde.«

Ich konnte dieses Gefühl einfach nicht abstellen, weshalb ich in unser Ankleidezimmer lief und mir etwas zum Anziehen raus suchte.

»Er hat Mike, Paolo und Pino bei dir gelassen und ist allein los? So ein Idiot. Weißt du, wo er hin wollte?«

Ich legte das Handy auf einen Schrankabschnitt und stellte Cal auf Laut.

»Er sagte, er sei am Strand«, antwortete ich, zog meine Jogginghose aus und wechselte diese mit einer Leggings. Danach zog ich meinen Hoodie über meinen Kopf aus und zog einen engen dünnen Pullover mit Ausschnitt an. Noch eine kurze Lederjacke drüber und ich war fertig. Meine Haare ließ ich offen. Komplett in schwarz gekleidet, nahm ich wieder das Handy an mich.

»Weißt du, wo genau?« fragte Cal und es entstand kurz eine Stille, bevor er sagte: »Und denk nicht mal dran, alleine loszugehen!«

»Was weiß ich. Irgendwo am Strand. Er hat mir kein Standort geschickt«, meinte ich etwas zickig, weil er anscheinend bemerkt hatte, dass ich mich auf den Weg machen wollte. Ich stellte das Telefon wieder auf normale Lautstärke und legte das Handy an mein Ohr, während ich aus dem Schlafzimmer lief und ganz selbstverständlich in den Flur trat. Ich zog meine Turnschuhe an.

»Fuck, du bist anstrengender als ein Kleinkind. Warte, ich bin in 5 Minuten da. Komm in die Tiefgarage.«

»Was?!«, schrie ich ins Telefon. »Selber Kleinkind!«, rief ich noch und bemerkte erst da, dass er schon längst aufgelegt hatte.

»Penner.« brummend, ging ich zum Aufzug und drückte auf den Knopf.

Genervt, weil mich die drei Aufpasser erst nicht rauslassen wollten, stand ich nun im Lift, mit drei große Typen hinter mir.

Auch nachdem ich ihnen sagte, dass unten Cal auf mich wartete, bestanden sie darauf mich mindestens bis zu seinem Wagen zu begleiten.

Es dauerte zum Glück nicht lange und Cal bog in die Tiefgarage ein. »Stieg ein«, sagte er ernst.

Mit einem Blick auf die drei Männer, der eindeutig sagte: Ich-Hab's-Euch-Doch-Gesagt, ging ich augenverdrehend um das Auto herum und stieg neben Cal ein.

Mike, Paolo und Pino blieben vor Cals Auto stehen und sahen ihn an, als würden sie auf einen weiteren Befehl warten.

»Wartet hier. Ich hab's im Griff.«

»Der Don meinte, wir sollen sie nicht aus den Augen lassen.«

Er schnaubte. »Und ich sage, ich habe es im Griff. Wartet hier.«

»Cal«, setzte Pino an, doch Cal gab schon gas und fuhr raus.

»Dir ist klar, dass der Aufriss hier wahrscheinlich völlig unnötig ist, oder?«

Ich schnallte mich an und sah Cal nicht an. »Sicher ist sicher«, meinte ich nur und mied seinen Blick.

Er schnaubte wieder und es blieb kurz still, bis ihm auffiel, dass ich seinen Blick mied. Cal sah mich grinsend an. »Warum schaust du mir nicht ins Gesicht?«

»Als wüsstest du das nicht«, nuschelte ich und mit einem Mal war ich verlegen.

Wieso verdammt nochmal musste er mich so sehen?

»Oh du meinst, weil du von der Decke gehangen hast? Nackt?« Rune Cousin lachte und klopfte mir auf den Oberschenkel. »Ich hab schon schlimmeres gesehen. Oder denkst du, Rune ist erst so drauf, seit du da bist?«

Die Röte stieg mir weiter in die Wangen und ich biss die Zähne zusammen. »Darum geht es nicht du Idiot! Sondern darum, dass du gerade MICH so gesehen hast. Mir ist egal, ob du seine anderen Schlampen nackt gesehen hast. Ich bin nicht einfach nur ein Zeitvertreib, okay? Ich bin ... seine Verlobte«, wurde ich mit den letzten Worten wieder leiser.

Genau das war eben der Punkt. Ich war nicht irgendeine Frau für eine Nacht, sondern seine verdammte Verlobte. Und dass beide es als Spaß sahen, konnte ich absolut nicht nachvollziehen.

»Fühl dich nicht angegriffen, Süße«, setzte mein Beifahrer an und parkte am Anfang der Promenade. »Du bist die zukünftige Madrina, Kiana. Ich weiß also, dass du keine seiner Schlampen bist. Er liebt dich. Deswegen muss ich jetzt wohl auch immer brav anklopfen, wenn ich in die Wohnung meines Cousins muss.« Er stieg aus und hielt mir die Tür auf. Dann sah er mich an. »Und noch mal, du bist nicht mein Typ. Zu ... blond.«

Ich stieg aus und sah Cal an. »Es geht mir nicht darum, ob ich dein Typ bin oder nicht. Es ist einfach nur unangenehm, versteh es endlich mal.« Ich seufzte übertrieben. »Ihr Männer seid echt schwer von Begriff«, fügte ich hinzu. Doch ich entschied mich dieses Thema fallen zu lassen, also boxte ich ihm verspielt gegen seine harte Brust. »Belassen wir es und wehe du erwähnst das nur mit einem einzigen Wort. Es ist nie geschehen und damit hat sich die Sache.«

»Ich versteh nur nicht, warum du so einen Aufriss machst? Immerhin sind deine Titten nicht die ersten die ich sehe. Aber wie du willst. Ich hab dich also nie Hängen sehen. Nackt. Irgendwelche SM-Spielchen spielend. Mit meinem Cousin«, witzelte er und lief zum Strand runter.

»Halt die Klappe.« schoss ich zurück. Folgte ihm aber und sah mich um. Jetzt stand etwas Wichtigeres auf dem Plan. »Du hast eine Waffe mit dabei, oder?«

»Pff«, blies Cal Luft aus. »Das ist schon fast ne Beleidigung, also antworte ich darauf nicht.« Er zog seine Jacke zurück und zeigte mir die beiden Knarren.

Ich nickte und lief neben ihm her. »Ich mach mir wirklich sorgen. Was, wenn ihm etwas passiert ist.«

»Ihm ist schon nichts passiert«, gab Cal leicht genervt zurück und wir liefen eine Weile. Dann, nach guten 15 min, richtete er den Blick nach vorne und sagte.:»Da sitzt er doch.« Der Gorilla zeigte mit dem Finger auf Rune, der ein gutes Stück von uns entfernt im Sand saß. Ein Hund lag neben ihm, ein anderer drehte den Kopf und sah zu uns. Es war Amore, die auf uns zu rannte.

Meine Augen weiteten sich und ich rannte ihr entgegen. Sofort nahm ich sie in den Arm und ließ sie mein Gesicht ablecken. Nachdem ich sie genug begrüßt hatte, sah ich zu Rune.

»Rune?«, fragte ich unsicher und bewegte mich auf ihn zu. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Schulter.

Er wandte sich mir zu. Seine Jacke und seine Hände waren dunkel verfärbt.

»Was machst du hier?«, fragte er tonlos und sah auf seinen leblosen Hund. Sah auf das Blut im Sand.

Meine Augen folgte seinen und ich blickte auf Don. Sofort presste ich meine Hand auf meinen Mund, als ich begriff, dass er tot war.

Wie schrecklich!

»R...Rune...Ich...«, meine Stimme brach und Amore neben mir winselte leise. Sie trat wieder an Don heran und stupste ihn mit ihrer Nase an, doch er reagierte nicht mehr.

»Fuck«, brummte Cal und sah Rune an. »Gehts dir gut? Was zum Teufel ist passiert?«

Mein Verlobter nickte auf die zwei Leichen, die dort lagen, wo das Meer immer wieder den Sand umspülte. »Die dachten, sie könnten mich abknallen. Ich hab sie erschossen, aber sie haben Don bei der Schießerei erwischt.«

Ich sah von den Leichen wieder zu Rune. Dann kniete ich mich neben ihn hin und zog ihn in eine Umarmung.

»Es tut mir leid«, flüsterte ich. Meine Stimme zitterte.

Don war mir auch ans Herz gewachsen. Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich tot ist. Ich presste meine Lippen zusammen und unterdrückte meine Tränen. Nicht weinen. Ich musste stark sein für Rune.

Doch Rune schob mich ruppiger weg als nötig.

»Lass es«, brummte er und stand auf. Er fluchte und hob sein Shirt an. An seinen Rippen klaffte die Haut, wegen einem Streifschuss auf, der ihn wohl im Kugelhagel getroffen hatte.

Cal musterte seinen Cousin und lief wortlos zu den Toten, um sie zu untersuchen.

Rune dagegen betastete die Wunde.

Ich blinzelte mehrfach und sah ihn traurig an.

Dann senkte ich den Blick und erhob mich ebenfalls. Ich hielt inne, wollte eigentlich so viel sagen.

Gott! Ich war wirklich dumm.

Rune war einfach nicht der Mann für Gefühle oder jegliche Emotionen.

Keine Ahnung wie er mit so etwas umging. Aber gut, dann würde ich ihn eben in Ruhe lassen. Jetzt rumzumotzen, würde auch nichts besser machen.

Mein Blick fiel auf Don.

Es war ein naiver Gedanke, aber ich hoffe er war jetzt im Hundehimmel und hatte ganz viel leckeres Essen dort.

Der Gedanke war dumm, aber er half mir damit umzugehen.

Nun sah ich zu Amore, die mir traurig entgegenblickte. Ob sie überhaupt verstand, was mit Don passiert war? Sie war mit ihm aufgewachsen.

Ich kraulte ihr über die Ohren und nahm etwas Abstand zu Rune. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also stand ich etwas hilflos herum und Amore saß brav neben mir.

Rune legte den Kopf in den Nacken und sah wieder auf seinen Hund. Sein Kiefermuskel zuckte rhythmisch zu seiner schweren Atmung. Dann ging er in die Knie und hob seinen Körper hoch. Ohne ein Wort zu sagen. Legte er ihn an den Rand der Promenade und sah ihn sich an. Mein Verlobter beugte sich hinab, zog ihm sein Halsband aus und stricht noch einmal über sein Blut durchtränktes Fell.

»Abbiate cura di voi, grandi«, sagte er und lief an mir vorbei und stellte sich neben Cal.

Ich wandte mich Rune zu. »Willst du ihn da einfach liegen lassen?« sagte ich entsetzt.

Er sah mich an. »Ja. Ich nehme ihn sicher nicht mit ins Penthouse.«

Ohne noch etwas zu erwidern, ging ich zu Dons Leiche. Ich zog meine Lederjacke aus und wickelte diese etwas umständlich um seinen Körper. Dann versuchte ich ihn hochzuheben.

Ich würde ihn nicht einfach hier verrotten lassen.

»Was soll das?«, zischte Rune und stellte sich vor mich.

»Ich will ihn beerdigen. Irgendwo im Wald. Und-«, setzte ich an und blickte zu meinem Verlobten auf. »Versuch nicht einmal, es mir auszureden. Wenn es sein muss, mach ich es auch allein!«

»MEIN Hund, MEINE Entscheidung.« Mein Gegenüber sah mir ernst entgegen. »Leg ihn wieder hin.«

»Nein!« Ich drückte den schweren Körper an mich. »Das werde ich nicht tun!«

»Non riesco a credere alla tua testardaggine! Lass ihn runter Kiana«, bestimmte er und nahm mir Don ab, um ihn wieder in den Sand zu legen, bevor er aufstand und sich vor mich stellte. »Der Strand war sein Lieblingsort. Er. Bleibt. Hier.« Sein Kiefer zuckte wieder und er fluchte. Runes Hand wanderte auf die Wunde. »Cal und ich schaffen jetzt die Wichser weg, damit morgen früh keine Kinder über die Leichen stolpern. Schaffst du es einmal einfach nichts zu tun und verdammt noch mal zu warten?!«, brüllte er jetzt.

Ich starrte ihn verletzt an. Ich mochte es nicht, wenn er so mit mir sprach. Wenn er mir gegenüber laut wurde.

Ich trat erst ein Schritt zurück, dann noch einen und dann....

Ich musste weg. Genau, wegrennen war das Beste. Ich wollte ihn gerade nicht sehen.

Arschloch, dachte ich mehrmals, blieb aber still. Stattdessen wandte ich mich ab und rannte los, erst durch den Sand, bis ich auf dem Bürgersteig landete und nun schneller rennen konnte. Amore folgte mir und eilte mir nach. Ich hörte Rune noch etwas hinterherrufen, aber ich verbannte seine Stimme aus meinem Kopf und rannte durch die Straße.

****

Schwer atmend lehnte ich meine verschwitzte Stirn gegen das Eisen einer Brücke. Meine Augen geschlossen, hörte ich dem Wasser zu, dass unter mir durch mehrere große Steine herum plätscherte. Amore hechelte neben mir und auch sie war fix und fertig.

Über 1 Stunde war ich umhergerannt, bis ich irgendwann außerhalb der Stadt diese Brücke fand. Sie war nur für Fußgänger und führte in einen Waldabschnitt. Mein Handy hatte ich nach mehreren versuchten Anrufen von Rune ausgeschalten.

Ich wollte allein sein.

Wegrennen war immer noch die beste Möglichkeit vor allem zu fliehen.

Don....

Plötzlich stiegen mir die Tränen in die Augen und ich fing an zu schluchzen und sog schnell Luft in die Lungen. Ich weinte los und ließ die Trauer über Dons Tod und die Tatsache, wie Rune mit mir gesprochen hat einfach raus.

Ich hörte Amore neben mir jaulen und sie stupste mich mit der Nase an, aber ich beachtete sie nicht und weinte für mich alleine weiter. Irgendwann legte sie sich einfach neben mich und blieb ruhig.

Wieso war dieses Leben nur mit so viel Tod verbunden!

Ich hasste es!

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