Teil 66

66-Kiana

Vor nicht einmal 10 Minuten war ich noch geil. Geil auf meinen Verlobten. Das erste Mal, dass ich geil wurde, während er so schnell fuhr, allein dadurch, ihn dabei zu beobachten.

Und jetzt.....

Alles ging so schnell, plötzlich war da ein Auto.

Meine Augen flogen an mir herunter.

Wasser!

Ich wandte mich ab, schaffte es endlich, zu atmen und mich zu bewegen. Ich sah zu Rune, starrte ihn einen Moment an.

War, dass das Ende?

Würden wir hier sterben?

Ich hatte Angst.

Ich blinzelte ein paar mal und öffnete meine Lippen. »W...Was....Was kann ich tun?« stotterte ich und meine Hände zitterten.

»Bist du verletzt?«, fragte er und seine Stimme klang gepresst und angespannt. Er blutete am Kopf und es lief ihm die Stirn hinab, auf seinen Ärmel und auf seine Hand.

»Geht es dir gut?«

»Mir geht es gut, aber....du... oh mein Gott! Werden wir sterben?!« nun fing ich an zu weinen. Ich stand kurz vor einer Panikattacke. Wieder sah ich hastig an mir herunter. Das Wasser stieg und wir sanken immer tiefer ins Meer.

»Rune, ich habe Angst!« Ich versuchte mein Gurt zu öffnen. Ich zog regelrecht daran.

Mein verlobter atmete hektisch, versuchte aber, das zu kontrollieren. »Kiana, atmet Cal noch? Oder ist er ...«

Ich schaffte es meinen Gurt zu öffnen und wandte mich Rune zu. Ich war die Einzige, die so weit unverletzt war. Ich wollte mich nach hinten beugen und zischte dann. Ich sah wieder an mir herab, mein Rechter Oberschenkel tat weh. Aber es blutete nicht. Okay...

Ich schaff das.

Ich muss jetzt...ich bin die einzige...die noch ansatzweise unverletzt ist. Ich griff nach Runes Gurt, meine Hände zitterten wie verrückt. Das Wasser war eiskalt, weshalb meine Unterlippe ebenfalls zitterte. Ich brauchte mehrere Anläufe, bis ich sein Gurt lösen konnte. Dann setzte ich mich auf meinem Sitz auf die Knie.

Meine Atmung ging schnell, die Panikattacke war da, aber ich unterdrückte sie.

Ich schaff das, rief ich mir gedanklich zu, während mir die Tränen liefen und mein Mascara verwischte.

Ach Scheiße!

Ich beugte mich ganz nach hinten, packte Cals Kopf und klopfte ihm mehrmals gegen die Wange.

»Cal? Hörst du mich?«, fragte ich mit ängstlicher Stimme. Er reagierte nicht. Meine Finger wanderten ein Stück runter und ich legte zwei Finger an seinen Hals. Ich atmete stockend ein. »Rune! Sein Herz schlägt noch. Cal ... lebt«, informierte ich ihn und befreite im selben Moment auch ihn vom Gurt.

»Gut«, zischte er mit zusammengebissen Zähnen. »Gut. Gib ... gib mir die Waffe, ja?«

Mir war so kalt. Das Zittern übernahm immer mehr meinen Körper. Dennoch tat ich, was Rune verlangte. Schnell öffnete ich das Fach, holte die Waffe raus. Dass Meerwasser ging uns schon bis zu den Sitzen.

»G..Geht es dir g...gut? D..Du b..blutest«, stotterte ich und sah ihn unsicher an.

Gott! Ich hatte solche Angst.

»Ja«, stöhnte er, aber machte nicht den Eindruck als sei er sich damit sicher. Rune blinzelte mehrfach. »Hör zu. Wir müssen hier raus, bevor das Auto ganz auf dem Meeresgrund aufliegt. Wenn ... ich mich nicht irre, dürfte es nicht t-tiefer als ... 7 Meter sein. Die Türen bekommen wir wegen d-des Wasserdrucks nicht auf. Ich ... muss die hintere Scheibe aufschießen«, erklärte er mit rauer Stimme. »Du musst Cal rausschaffen.« Er sah mich an und blinzelte das Blut in seinen Augen weg. »Wie gut kannst du schwimmen?«

Ich sah ihn mit großen Augen an. Beugte mich zu ihm vor, wischte ihm über die Augen und das halbe Gesicht und das Blut wegzubekommen, bevor ich ihn küsste. »U...Und du? D...Du k...kommst auch, o...oder?«, fragte ich, statt auf seine Frage zu antworten.

Er muss auch leben.

Nichts anderes würde ich akzeptieren.

Rune versuchte sich an einem Lächeln. »Natürlich. Und jetzt, gib mir die Waffe, okay?« Er küsste mich ebenfalls. »Klettere hinten auf die Rückbank und legt dich über Cal, damit ihn keine Scherben treffen«, forderte er mich auf und wandte sich mit zitternden Händen um. Rune atmete mehrmals tief ein und aus. Das Wasser ging uns schon bis zum Bauchnabel. »Fuck. Okay, okay«, sagte er zu sich selbst. »Schaff sie raus Rune.« Er nickte und verzog vor Schmerzen das Gesicht, als ich über Cal gebeugt war. »Wenn das Auto voll mit Wasser ist, versuchst du mit ihm hoch zu schwimmen, ja? Und wenn es nicht geht, dann ... dann lass ihn los, verstanden?«

Ich sah ihn an, nickte nur ängstlich und drückte meine Hände auf meine Ohren.

Ich würde Cal niemals loslassen! Aber jetzt mit ihm zu diskutieren, brachte nichts. Wir müssten hier raus.

Es wird alles gut.

Alles gut.

Wir schafften das.

Wir würden das überleben.

Ich presste mich an Cal und wartete auf den Schuss.

Bam!

Wasser strömte rein und Rune sah nur noch, wie ich mit Cal versuchte, aus dem Auto zu kommen.

Ich zog an Cal und Scheiße. Er war so schwer! Wie viel wog der Typ? 200 Kilo! Ich biss die Zähne zusammen und schaffte es irgendwie Cal aus dem Hinter Fenster hindurchzubekommen. Ich schwamm los, obwohl ich auf Rune warten wollte, aber mir ging die Luft aus. Das Wasser war verdammt kalt und das Meer dunkel. Ich stieß meine letzte Luft aus, schwamm auf der Stelle und sah runter.

Ich konnte Rune nicht sehen, das Auto dagegen sank immer weiter. Panik breitete sich aus, während Cal um meine Schultern hing. Ich hielt inne, aber als ich wirklich keine Luft mehr übrig hatte, schwamm ich mit Cal weiter hoch.

An der Oberfläche angekommen, sog ich die Luft gierig ein und hustete. Ich sah mich hastig um, achtete darauf, dass Cal ebenfalls mit seinem Gesicht an der Oberfläche lag. Ich atmete stoßweise.

»Rune?« rief ich und wusste, dass meine Lippen bereits bläulich wurden. »Rune!«

Oh Gott!

Schluchzend versuchte ich mich an der Oberfläche zu halten.

»Verdammt nochmal RUNE!«, schrie ich total in Panik. »Bitte!«

Cal war so schwer, dass ich immer wieder mit dem Kopf abtauchte, um mich dann wieder hochzukämpfen.

Es war alles so dunkel. Nur ein paar Lichter waren zu erkennen. Das musste der Hafen sein. Aber ich kann nicht weg. Nicht ohne Rune!

»RUNE!!«, weinte ich laut. »Wo bist du?!«

Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, als er endlich durch die Wasseroberfläche brach. Mein Verlobter drehte sich mehrfach, bevor er mich fand und schwamm umständlich zu mir. Er nahm mir Cal ab und schnaufte schwer. Dann nickte er mit dem Kinn Richtung Straße. Dort, wo wir wohl ins Meer gestürzt sein mussten, hatten wir die größten Chancen irgendwie hochzukommen. »Schwimm.«

Erleichtert sah ich ihn an.

Er lebte.

Wir lebten.

Ich nickte und versuchte zu schwimmen.

Es war so kalt und mir tat alles weh.

Ich spannte mich an, nahm meine letzte verdammte Kraft und schwamm. Ich konnte mich aber wirklich kaum noch an der Oberfläche halten und war demnach mehr als froh, als wir endlich an Land ankamen. Ich hielt mich am Gestein fest und sah zu Rune.

»Nur noch hier hoch. Du schaffst das!«

»Du zuerst«, forderte er. »ich«- sein Kopf tauchte unter, aber er kam wieder hoch. Die Wellen waren hier stärker und schoben uns hin und her. »-ich muss dir Cal dann geben, damit du ihn hochziehen kannst.«

Ich nickte nur mit zittrigen Lippen und kletterte hinaus.

Scheiße war das schwer!

»G...Gib mir Cal! Schnell!«, forderte ich und stürzte mich mit einer Hand ab und hielt ihm meine andere Hand hin. »Beeil dich! Gott! Wehe du stirbst! Dann bring ich dich um!«, drohte ich ihm heulend.

Der Idiot lachte auf, und versuchte, irgendwie Cal mit einer Hand zu packen und mit der anderen den Rand zu fassen zu bekommen. Er hob Cal unter einem schmerzhaften und angestrengten Schrei hinauf und sah zu, wie ich in packte. Runes Muskeln zitterten und er verzog massiv das Gesicht.

Ich zog ihn hoch, ich hatte keine Wahl, ich musste ihn doch mit beiden Händen fassen und ziehen.

Ich würde mit Cal ein ernstes Gespräch führen müssen, der sollte mal abnehmen! Dass war doch nicht normal.

Ich biss die Zähne zusammen und zog ihn mit aller Kraft hinauf. Dann landete ich erst auf meinen Hintern und kippte dann nach hinten und Cal somit auf mir. Er war wie so ein Bulle, der mich halb zerdrückte.

»Scheiße!« Ich drückte Cal weg, sodass er auf die Seite rollte und setzte mich wieder auf. Ich atmete tief ein, beugte mich vor und sah runter. »Schnell! Komm!«, schrie ich und sah, dass Rune mehrmals blinzelte als würde er gleich das Bewusstsein verlieren. Aber nicht mit mir!

»RUNE!«, schrie ich verzweifelt. »Komm hoch! Sofort!« Unsicher sah ich mich um, beugte mich weiter runter und streckte ihm die Hand hin. »Ich schwöre bei allem was mir heilig ist, wenn du nicht sofort hochkommst, darfst du....dann...darfst du mich nie wieder in den Arsch ficken, Du verdammter Penner!«

Was redete ich da für einen Unsinn!

Doch es klappte und er blinzelte schneller und griff endlich meine Hand. »Das ist ... e-e-effektiv, Kitty C-Cat.« Ich zog und er stemmte sich mit aller Kraft über den Rand. Ihm entkam ein rabiater Fluch, als er auf seinem Bein landete und drehte sich so, dass er schwer atmend auf dem Rücken lag. »Fuck!«

Ich saß nun auf meinem Hintern, klitschnass und sah erst Rune, dann Cal und dann wieder Rune an.

Scheiße.

Ich atmete tief ein und wieder aus.

Wir hatten es geschafft.

Wir lebten.

Meine Augen wanderten wieder zum Meer, in dem nun sein Auto am Meeresboden lag.

Mein Handy auch.

Ich ging auf meine Knie und krabbelte zur Rune. »Was...was tun wir jetzt? S..soll ich einen Krankenwagen rufen? H...hast du ein Handy?«

»Ihr lebt ja noch«, erklang plötzlich eine Stimme hinter uns. »Ihr seid ja schlimmer als Kakerlaken.«

Ich hob mein Blick und starrte den Mann mit großen Augen an. Das war anscheinend der Typ, der uns angefahren hatte. Er hatte ein ganz normales nullachtfünfzehn Gesicht, war etwas pummelig und hatte eine Waffe in der Hand. Bevor ich ihn unnötigerweise weiter betrachtete, packte ich die Knarre, die an Runes Hosenbund steckte und hielt sie mit zittrigen Händen auf den Typen gerichtet.

»E...Ein Schritt weiter....Wichser und...und ich .....ich schieße.«

Rune rollte sich auf alle viere und stellte sich neben mich, weil ich so zittrig die Waffe hielt. »Ich denke nicht, das-«

Bevor er fertig sprechen konnte, huschte er hinter mich, griff mit mir zusammen die Waffe und legte seine Hände auf meine. Binnen einer Sekunde hob Rune meine Finger einen guten Zentimeter und drückte mit mir zusammen ab.

BAM!

»Höher zielen, für einen Kopfschuss, Kätzchen.«

Mit offenem Mund starrte ich den Mann an, dem ich gerade mit Rune gemeinsam in den Kopf geschossen hatte. Meine Augen flogen zu Waffe, die ich noch genauso festhielt. Das war das erste Mal, dass ich mit einer Waffe einen Menschen umgebracht hatte.

Ich schluckte schwer und ließ langsam meine Arme sinken.

»Er...er ist tot«, sagte ich das offensichtliche.

Der Mafiaboss ließ los, nahm mir die Waffe ab und drehte mich zu ihm herum. Die Wunde an seinem Kopf blutete fröhlich weiter, als er mich betrachtete.

»Besser er als du.« Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Geht's dir gut?«

Ich sah zwischen seinen Augen hin und her und fiel ihm dann in die Arme. Ich fing laut an zu weinen.

»Ich hatte solche Angst!« Ich schniefte und presste mich so fest an ihn heran, wie es nur ging. »Mir geht es gut. Aber dir...und Cal....wer...wer war dieser Mann?! Wieso haben die...die das getan?!«

»Lombardo«, sagte Rune einsilbig und zog mich an sich. Er küsste mich auf den nassen Scheitel. »Ich sagte dir, es wird nicht schön.« Dann ließ er mich los und wandte sich Cal zu. Er kniete sich unter einem tiefen Stöhnen zu ihm und betastete seinen Körper. »Bis auf ein paar Kratzer ist er okay. Wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung.«

In diesem Moment stöhnte auch Cal auf. »Seit .... wann f-fährst du s-so ... scheiße, Arschloch.«

Rune lachte auf und schüttelte den Kopf. »Muss wohl etwas abgelenkt gewesen sein.«

Cal hustete und richtete sich auf. »Fuck, mein Kopf platzt gleich.« Sein Cousin sah zu mir. »Gehts dir gut?«

Tränen rollten mir wie ein Wasserfall über die Wangen. »Mir geht es gut. Aber mal ehrlich Cal-« setzte ich an, wischte mir über die Augen und schniefte wieder. »Nimm ab. Ich dachte echt, ich habe einen Gorilla auf dem Rücken.«

Noch einmal wischte ich mir über die Augen und legte meine Hände auf meinen jeweiligen Oberarm. Ich zitterte am ganzen Körper. Aber kein Wunder. Ich trug fast nichts und es war bald Winteranfang.

Cal und mein Verlobter lachten beide, als sie sich schwerfällig und stöhnend aufrichteten. Cal ging auf mich zu und zog mich in eine Umarmung, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn gab.

»Weißt du wie lange ich dafür trainieren musste, um so auszusehen?«

»Und wie viel Pizza und Pasta er verschlingen musste?« Rune zog mich aus seinem Arm und legte seine Lippen auf meine. Dann zog er seine Lederjacke aus und schlang sie um mich. »Lass uns Sam suchen. Ich muss da, was mit ihr klären, und du musst dringend was anderes anziehen.«

Ich sah die beiden an und konnte endlich ebenfalls lächeln. »Ihr seid doch verrückt.« nuschelte ich und kuschelte mich in die Lederjacke ein. Sie war mir viel zu groß und fast so lang wie mein Kleid selbst, aber sie roch nach Rune und Meer. Ich nahm Runes Hand und sah zu Cal. »Tut mir leid für vorhin, ich hätte nicht so aufdringlich sein dürfen.« Dieser Unfall hatte mir wieder einmal gezeigt, wie schnell es in meinem neuen Lebensstile zu Ende sein konnte. Ich sollte wirklich jede Minute genießen.

»Ich hab dich lieb, Cal.« lächelte ich und hob Runes Hand und küsste diese. »Ich liebe dich, Rune.«

Beide schnaubten bei meinen Worten und humpelten auf das Ziel zu, das wir eigentlich mit dem Auto überqueren hätte sollen. Ein mitleidiger und auch wütender Ton brach aus Rune heraus. »Das war eins meiner Lieblingsautos. Ich häute diese blöden Motherfucker, sobald ich sie in die Finger bekomme.«

Etwas schmollend folgte ich ihnen. Keiner erwiderte meine lieben Worte.

Pfff ...

Arschgesichter!

»Mein Handy ist auch mit untergegangen«, fügte ich hinzu, auch wenn man das nicht mal ansatzweise mit einem Auto gleichsetzen konnte.

Der Mafiosi angelte in seiner Tasche und zog, mit Cal der dasselbe tat, zwei funktionsunfähige Smartphones raus. »Gott sei Dank, ist mein Bankkonto bis ans Limit gefüllt, huh?«

»Aber die Bilder, die ich von dir immer mache, wenn du schläfst oder kochst, die sind vielleicht futsch«, schmunzelte ich.

Ich wusste, dass das Rune nervte. Aber ich machte gerne Bilder von ihm.

»Oh mein Gott, da fällt mir gerade ein!«, setzte ich an und grinste. »Wir brauchen auf jeden Fall einen Fotografen auf der Hochzeit. Ich will viele schöne Bilder von uns. Und ein großes Bild von uns als Hochzeitspaar. Das hänge ich dann bei uns im Flur auf.«, erzählte ich ihnen freudig meinen Einfall, als wären wir nicht gerade noch mit dem Leben davongekommen.

Beide stöhnte genervt auf.

Ich blinzelte.

Was hatten die denn?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top