Teil 44
44-Kiana
Ich sah zwischen seinen Augen hin und her.
Für einen kurzen Augenblick hatte er mir mit seiner Ausstrahlung wirklich Angst gemacht. Dieser Moment, in dem er ein Mafia Boss war und nicht mehr einfach nur Rune.
In diesem Moment hatte ich bemerkt, dass ich zu weit ging.
»Es...Es tut mir auch leid. Ich...Ich wollte dich nicht schlagen. Ich...Ich bin einfach so verletzt. Ich....Nein...mein Körper sehnt sich nach dir. Doch gleichzeitig weiß ich, dass ich mir wieder Vorwürfe machen werde«, erklärte ich und entschuldigte mich auch.
Es war mit mir durchgegangen und die ganzen Emotionen der letzten Wochen sind hochgekocht. Drei Wochen haben wir uns nicht wirklich gesehen oder gesprochen und dennoch schlug mein Herz für diesen Mann, der mich nicht liebte.
Wieso konnte er mich nicht einfach lieben?
Ohne es zu wollen, lockerte ich sein Griff und wandte mich ab. Ich sah auf den Boden und blinzelte die aufkommenden Tränen weg. »Bitte....lass mich endlich gehen. Bitte quäle mich nicht weiter.«
Meine Stimme klang ruhig und der Schmerz darin war nicht zu überhören.
Ich spürte seinen Blick auf mir und sah im Augenwinkel, wie er nickte. Doch statt mir zu sahen, was ich hören wollte ....
»Es wäre weniger kompliziert, wenn du einfach ›Ja‹ sagen würdest, Kitty Cat.« Er hob die Hand und öffnete die kleine Tür. Schon halb draußen erklärte er: »Ich kann dich nicht gehen lassen. Das weißt du. Ich-«
Ich sah auf, als Rune erstarrte und in das Gesicht eines Kindes sah.
»Hey, bambina.«
»Hallo«, antwortete das Mädchen. Sie sah ihn skeptisch an. »Da darf man nur rein, wenn man gespielt hat.«
Dieser verdammte Herzensbrecher lächelte. »Meine Freundin und ich haben gespielt«, erwiderte er und nickte mit dem Kopf in meine Richtung.
Das Kind verschränkte die Arme. »Aber ihr seid keine Kinder.«
»Offensichtlich nicht.«
»Dann darfst du da eben nicht spielen.«
Rune verdrehte die Augen. »Aha, du bist also so ein Kind. Pass auf, wir haben nun aber gerade hier gespielt, also ....«
»Hast du was Böses gespielt?«
»Was?« er hob eine Braue. »Böse?«
»Na, weil du deine Freundin geschlagen hast.«
»Ich hab sie nicht geschlagen.«
Sie verzog wie eine kleine Erwachsene das Gesicht. »Doch. Ich hab's gehört! Du hast ganz oft gehauen und sie hat dann so Geräusche gemacht.«
Ich sah nach hinten zu Kiana, dann wieder zu dem Kind. »Wir haben nur gefi-«
Geschockt ging ich dazwischen.
»Wir...«, begann ich laut, stieg ebenfalls aus dem Häuschen und sah dabei Rune mit einem Halt-Die-Klappe-Blick an. Dann sah ich zu der Kleinen und lächelte sie an. »Wir haben nur Rotkäppchen und der böse Wolf gespielt. Weißt du, auch wenn Rotkäppchen in der Originalgeschichte von dem großen bösen Wolf gefressen wird, bedeutet das nicht, dass es nicht auch Rotkäppchen geben kann, die sich gegen den großen bösen Wolf zu Wehr setzen.« Ich schmunzelte und fügte hinzu: »Also wenn dann, habe ich ihn geschlagen und erfolgreich das Biest zurückgedrängt.« Ich stupste ihre Nase an und sah lachend hoch zu Rune.
Der Spielverderber verdrehte die Augen und lief an der Kleinen vorbei. »Sie lügt. Rotkäppchen wird am Ende immer gefressen, bambina.«
Das Mädchen sah von mir zu ihr und rieb sich die Nase. »Ich sag jetzt meiner Mama, dass ihr doof seid.«
Und damit stiefelte sie weg. Er sah ihr Kopfschüttelnd nach. »Wir sollten gehen. Don und Amore rennen hier ja auch noch irgendwo rum.«
Ich sah der Kleinen nach und ging dann mit schnellen Schritten an Rune vorbei. »Ich hau ab. Du bist und bleibst ein Arsch. Lass doch das Mädchen ihre unschuldige Fantasie. Sie wird noch schnell genug erfahren, wie Scheiße diese Welt sein kann«, meckerte ich und sah mich nach Amore um.
Wo war mein Baby nur hin?
»Ich bin der Arsch? Wer hat ihr denn diese Fantasie vorgelogen? Du verdrehst doch deine Worte und die Wahrheit so, dass es schön und blumig ist.« Rune schloss zu mir auf und pfiff, sodass unsere Hunde aus einem Busch hüpften und anrannten. Don bellte fröhlich und Amore rannte an ihm vorbei direkt auf mich zu. »Dasselbe machst du übrigens auch bei uns. Du willst alles so verdrehen, dass es passt. Es muss so sein, dass es anders ist. Das Original reicht nicht. Nein, ich MUSS dir unbedingt sagen, dass ich dich liebe, damit du bleibst.«
Ich legte Amore die Leine an und sah wütend zu Rune. »Du musst gar nichts! Sowie ich dich nicht heiraten muss.« Ich schüttelte enttäuscht den Kopf. »Und ich verschönere rein gar nichts. Genau deswegen will ich das hier ja beenden, aber du lässt mich nicht gehen! Du bist derjenige, der das Original nicht akzeptiert, und zwar, dass wir beide nicht zusammenpassen.« Ich wandte mich ab. »Schreib mir nicht mehr und ruf mich nicht mehr an.«
»WARUM musstest du es sagen?! WARUM, Kiana?« Ich spürte sein starren. Wütend. »Was wir hatten, war doch gut, so wie es war. Und du? Du machst es kaputt. ›Ich liebe dich‹ DAS hat es kaputt gemacht.«
Ich sah ihn wieder an. Fassungslos, dass er mir die Schuld gab. Was konnte ich denn dafür, dass ich mich in ihn verliebt hatte?
Was konnte ich für meine Gefühle?!
Sollte ich sie lieber....
»Also hätte ich meine Gefühle lieber für mich behalten sollen, nur damit du dein Schein aufrechterhalten kannst?!«
»JA!« Don zuckte zusammen. »Fuck, ja! Genau das wäre das Beste gewesen.«
Mit offenem Mund sah ich ihn an. Lange an. Nichts bis auf die Vögel und das Rascheln der Bäume war zu hören. Bis ich anfing zu sprechen.
»Dann hast du dir die falsche ausgesucht. Ich werde nicht so tun als wäre alles gut, nur damit du dich wohl fühlst.« Ich wandte mich ab und lief mit Amore los. Diese wehrte sich etwas, wollte bei Don bleiben, aber ich zog sie mit mir. »Halt dich von mir fern!«
»ICH KANN NICHT!«, rief er. »Scheiße bist du wirklich so bescheuert, dass du nicht siehst, dass ich dich will?«
»Du willst mich! Aber nicht mein HERZ!«, schrie ich zurück. Leute sahen schon zu uns rüber, die vorbeiliefen, aber ich sah nicht zurück und ging weiter. »Komm Amore«, flüsterte ich, weshalb die langsam aufhörte zu ziehen und mich ansah.
»Fuck! Du stures Weib! Ich ... Ich hab keine Zeit für so was. Don, andiamo, ragazzo. Wir hauen ab.«
»Ja! DANN VERPISS DICH DOCH. Stronzo!«, schrie ich wieder und joggte los. Meine Mitte kribbelte noch. Es war wie immer aufregend und heiß. Gott wir haben es auf einem Spielplatz getan und ich bereute es nicht.
Ich liebte es.
Aber ich muss stark sein! Er ist nicht gut. Das, was wir haben, ist nicht gut!
***
»Kia-na...« holte mich Bianca aus meinen Gedanken. Ich sah auf und schaute sie an. »Ja?« fragte ich erschöpft.
Ich hatte nachdem ungewollten Treffen vor 2 Wochen mit Rune nur noch durchgearbeitet. Mein Ziel, so wenig wie möglich zu denken und so viel wie möglich zu arbeiten.
Bianca seufzte. »Du hast Feierabend. Geh endlich nachhause. Immer dasselbe mit dir! Du bist Kellnerin und nicht die Putzkraft«, meckerte sie mit mir und ordnete gerade ein paar Rechnungen.
»Du machst dauernd Überstunden und putzt hier noch den halben Club. Echt mal, hör auf damit. Niemand dankt dir das.«
Ich nickte nur und legte den Lappen auf den Tresen.
»Gutes Mädchen. Geh jetzt.« grinste sie und mit einem versuchten Lächeln verschwand ich in die umkleide.
****
Total erschöpft kramte ich meinen Schlüssel aus meiner Tasche.
Wieso bekam ich diesen heißen und doch verdammten Penner nicht aus dem Kopf?!
Ich könnte durchdrehen.
Wie oft hatte ich mich in diesen Wochen angefasst und dabei an ihn gedacht.
Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und betrat die Wohnung.
Gähnend zog ich meine Schuhe aus und ging in unser Wohnzimmer.
»Dad, bist du ...«
»Dreckige Schlampe!« brüllte Dad plötzlich und packte mich am Hals. Ich stolperte erschrocken nach hinten und wir stürzten auf den Boden.
Mein Vater auf mir drauf, seine Hände an meinem Hals, drückte er zu.
»Du denkst, du kannst mich betrügen und einfach abhauen! Hure!«, brüllte er und sein Griff wurde stärker.
Ich krallte mich in seine Hände, die um meinen Hals lagen. Im selben Moment kam Amore ins Wohnzimmer gerannt und bellte laut.
Es war nicht das erste Mal, dass mich mein Vater nicht erkannte, wenn er zu viel getrunken hatte.
»Ich....bins...deine Tochter...«, krächzte ich tonlos.
»Du hast uns im Stich gelassen! Dreckiges Weibsstück«, zischte er wieder und hörte mir gar nicht zu.
Wie ich das hasste, wenn er so war.
»Verdammt! DAD!« versuchte ich es lauter, doch der Sauerstoff Mangel kickte schneller als gedacht.
Scheiße. »Du wirst schon sehen, was du davon hast!«, zischte er im Rausch und ließ plötzlich eine Hand von meinem Hals.
Gierig sog ich die Luft, die ich bekam in meine Lunge und hustete. Wenn ich jetzt noch seine andere Hand von meinem Hals bekäme, könnte ich wieder normal atmen.
Aber verdammt ... ich war einfach von den letzten Wochen kräftemäßig unglaublich ausgezehrt.
»Bitte...hör auf...Dad..ich bin nicht Mum...hörst du mi-» Ich stoppte abrupt, als ich seine Hand an meinem Hosenbund spürte.
»Dad!« meine Stimme getränkt in Angst und Verzweiflung.
Es war ganz klar, dass er mich gerade in seinem Suff mit meiner Mutter verwechselte und mich nicht erkannte. Das ist so oft schon passiert. Aber meistens hatte er mich dann verprügelt, mich angebrüllt oder beleidigt. Doch nie....ist es so weit gekommen.
»Bitte...«, flüsterte ich. Amore knurrte und biss meinen Vater in die Hand.
»Scheiß Köter!«, brüllte er sie an und schlug meinen Hund weg, dieser knallte gegen den Tisch. »Ich werde dich jetzt so hart ficken, dass du dir wünscht, mich nie verlassen zu haben«, knurrte er mich wieder an und zog mir meine Jeans aus.
Tränen hatten ihren Weg schon über meine Wangen begonnen.
Das war so erniedrigend.
Er war mein Vater!
Er war derjenige, der für mich da sein sollte. Der mich beschützen sollte.
Wie konnte er mir so was antun?
»Bitte.« schluchzte ich nur wieder.
Sein Griff an meinem Hals nahm wieder zu, als er sich erhob und seine Hand über meine innen Schenkel zu meiner Mitte wanderte.
»Dad....bitte...« weinte ich und die Luft nahm wieder ab.
Ich will das nicht!
Ich ...
Ich muss was tun...
Sonst wird er mich .... Er wird....
Aber....keine Luft...
Ich spürte seine Finger, sie berührten meinen Tanga und wollten ihn ausziehen.
»Halt still! Hure«, knurrte er.
Nein.
Nein.
NEIN!!
Während ich mit aufgerissenen Augen nach Luft rang, tastete meine Hand verzweifelt den Boden ab.
Und dann geschah alles ganz schnell, ich bekam eine seiner vielen Wodka Flaschen in die Finger. Amore griff meinen Vater wieder an und im selben Moment hob ich meinen Arm und schlug mit all meiner verbliebenden Kraft die Glasflasche gegen seinen Kopf. Sein Griff um meinen Hals lockerte sich sofort und ich bekam wieder mehr Luft. Meine Augen auf ihn gerichtet, verlor er das Bewusstsein und krachte kurz darauf mit dem Kopf an die Tischecke und landete mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden.
Ich atmete tief ein und wieder aus. Das tat ich mehrmals.
Ich war wie erstarrt und lag einfach nur da. Meine Beine zitterten, meine Hände zitterten. Amore, die immer wieder knurrte und immer wieder in seinen Pullover biss und daran zog.
»Dad! Das ging jetzt eindeutig zu weit! Bist du von allen guten Geistern verlassen! Das ist KRANK!«, wurde ich immer lauter und fing schrecklich an zu weinen.
Er wollte mich vergewaltigen!
Ich atmete wieder tief ein und drückte meine Hände auf meine Augen.
Das war zu viel.
Die Beleidigungen: Okay. Das handgreifliche: Okay.
Aber das hier? Nein!
Ich schniefte und drückte mich langsam vom Boden hoch.
Verwirrt sah ich auf meine Hand, die auf einmal in etwas feuchtes gegriffen hatte. Mehrere Sekunden starrte ich auf die Pfütze Blut, die sich von seinem Kopf aus ausbreitete.
»Amore....hör auf...«, flüsterte ich ängstlich.
Sie hörte zum Glück sofort und kam jaulend zu mir.
Meine Augen weiterhin auf seinen Kopf gerichtet, fing ich an zu schreien, als ich begriff, was ich getan hatte. Ich rutschte von ihm weg, bis ich eine Wand an meinem Rücken spürte und zog meine Beine an meinen Körper.
Ich sah meine Hand an, die blutverschmiert war, dann sah ich zu unserem Teppich, der sich mit Blut vollsaugte und dann zu meinem bewegungslosen Vater.
Oh mein Gott!
»D...Dad?«, fragte ich mit zittriger Stimme und drückte mich an die Wand. In der Ecke kauerte ich mich weiter zusammen und sah geschockt auf meinen Vater.
War er tot?
Hatte ich ihn...
War ich ... eine Mörderin?!
Oh mein Gott.
Ich zitterte am ganzen Körper.
Ich spürte, dass Amore über meine Wange leckte, aber ich war wie erstarrt und schaffte es gerade Mal zu atmen.
Ich weiß nicht wie viel Zeit verging und ich weiß auch nicht, wie ich auf einmal mein Handy in der Hand hatte, aber als ich das Ding an mein Ohr hielt, wusste ich, dass ich nur einen Menschen auf dieser Welt anrufen konnte.
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