Teil 28

28-Kiana

Ich war wie erstarrt und bekam die Unterhaltung zwischen Cal und Rune nur gedämpft mit. Mein Augenmerk lag auf dem Mann, der jetzt Tod war.

Er war Tod.

Einfach so.

Von einer Sekunde zu nächsten.

Tod.

Ich blinzelte nicht einmal mehr.

Rune und Cal redeten ganz normal, als wäre das hier nichts Besonderes. Als wäre es Alltag in ihrem Leben.

Der Mann hatte Kinder. Seine Tochter erst zwei Jahre alt.

Das war grausam.

Aber....

Was hatte mir Rune erzählt? Er müsse bei Verrat so grausam sein. Sonst würde es nicht lange dauern und er würde selbst eine Kugel in den Kopf bekommen. Ich verstand damit nur eines, dass man als Mafiaboss so brutal und grausam sein musste und er keine Wahl hatte.

Und eins wusste ich genau, Runes Leben war mir wichtiger als das Leben des Mannes.

Und wenn es bedeutet das er nur in Sicherheit ist, wenn er so etwas tat, dann....

Ich blinzelte endlich, als Cal die Leiche mitnahm und aus dem Büro verschwand. Doch das Blut und der Geruch des Todes blieb bestehend.

Langsam tauten meine Glieder auf und ich sprang regelrecht von Runes Schoß. Meine Atmung ging schnell und unregelmäßig. Ich hustete und wedelte mir Luft zu. Ich....

Ich bekam gerade eine Panikattacke.

Er war Tod.

Das Blut.

Der Geruch.

Er war Tod.

Ich drehte mich weg, drehte mich zu einer Ecke und stützte mich an der Wand ab. Ich würgte und hustete wieder. Meine Hand an meinen Mund gedrückt, starrte ich geschockt auf den Boden.

»Gehts wieder?«, fragte Rune unbeeindruckt und drehte den Stuhl so, dass er mich sehen konnte.

Ich atmete tief ein und wieder aus. Meine Augen weit aufgerissen, sah ich ihn nicht an.

Ja, ich wusste jetzt, wer er war. Ich wusste über seine Geschäfte, seine Arbeit und über alles Bescheid. Aber es zu hören und zu lesen oder es mit eigenen Augen mitzuerleben war etwas ganz anderes.

Diese Seite war anders.

Der Tod ... Ein stetiger Begleiter von seinem Leben.

Würde ich bei ihm bleiben, dann würde er auch meiner werden.

Wollte ich das?

Die Antwort war klar, denn bevor ich überhaupt in Gedanken das Wort Nein formulieren konnte, schrie mein Herz ›Ja‹. Ja, ich wollte an seiner Seite bleiben.

Auch, wenn das bedeutet mit so etwas konfrontiert zu werden.

Ich stellte mich langsam wieder aufrecht hin. Meine Atmung beruhigte sich und ich fuhr mir übers Gesicht.

»Ja ... Ja, es geht«, antwortete ich, obwohl ich ihm am liebsten in den Arsch treten würde. Er könnte ja wenigstens mal mehr Mitgefühl zeigen. Aber ich hatte gerade keine Kraft, mit ihm zu diskutieren.

Der Schock saß noch fest in meinen Knochen.

»Sieh mich an«, forderte er und lehnte sich so weit vor, dass er mich packen konnte. Und dass da Büro des Clubs verhältnismäßig klein war, bekam er mich am Handgelenk zu fassen. Er zog mich an sich und setzte mich wieder auf seinen Schoß. »Du hast noch nie gesehen, wie jemand stirbt, oder?«

Ich sah ihn an, in meinen Augen immer noch der Schock zu sehen, den ich erlitten hatte.

Meine Hände lagen diesmal auf meinem Schoß zusammengefaltet.

»Doch, idiota«, beleidigte ich ihn etwas zickig und seufzte. »Meine Oma und mein Opa sind gestorben wegen ihres hohen Alters. Aber sterben und erschossen werden sind zwei verschiedene paar Schuhe, mein lieber Rune.«

Ich war selbst überrascht, dass ich so schnell meine scharfe Zunge wieder gefunden hatte.

Er grinste. »Tot ist tot. Wie er eintritt, ist irrelevant. Für mich zumindest.«

»Ich bin da anderer Meinung, aber gut.« Ich spielte an der Stoffhose meiner Uniform herum und zögerte kurz, bevor ich fragte: »Könntest du ... nun«, begann ich und hob mein Blick. Meine blauen Augen sahen ihn hoffnungsvoll an. »Könntest du seiner Familie Geld schicken? Seine ... Seine Frau und seine Kinder können doch nichts dafür. Ich ... Ich bitte darum.«

Rune erstarrte und kniff die Augen zusammen. »Nein. Sicher nicht. Was geht mich die Familie eines Mannes an, der mich verraten hat? Mit eben dieser, hat er sich genauso meine Güte verspielt, Kiana.«

Ich sah ihn eine Weile an und dann wieder auf meine Hände. »Ich verstehe. Aber ... wenn jemand mich oder Cal bedrohen würde, würdest du nicht genauso handeln?«

»Das wird nicht passieren. Von daher, mache ich mir über die ›Was-wäre-wenn- Frage‹ keine Gedanken.« Er starrte mich an. »Ich bin das höchste Tier in dieser Kette. Wenn jemand diejenigen bedroht, die mir wichtig sind, muss ich mich selbst darum kümmern. Er«, Rune nickte auf den Blutfleck, »hatte die Möglichkeit mit seinen Problemen zu mir zu kommen und hat sich dagegen entschieden. Das ist sein Versäumnis, nicht meines.«

Ich sah selbst zu dem Blutfleck und dann wieder zu ihm. Er redete gerade mit mir wie ein echter Mafiaboss und nicht wie Rune, wenn wir bei ihm waren.

Ich kaute nachdenklich an meiner Lippe und überlegte, ob ich nicht selbst der Familie Geld schicken sollte.

Würden sie es ohne den Vater schaffen?

Würde die Mutter sich Schulden machen, wie es mein Vater getan hatte?

Da fiel mir ein, ich hatte bald wieder das Treffen mit den Geldeintreibern. Sobald ich Gehalt drauf hatte, würde ich die Hälfte davon an ihnen weitergeben. Sie hatten mir gesagt, dass die Zinsen steigen, wenn ich mir zu viel Zeit lasse, also würde ich mehr zahlen und dafür selbst mehr zurückstecken.

Ich blickte wieder Rune an und änderte meine Sitzposition. Sodass ich rittlings auf ihm drauf saß und ihn umarmte.

»Du hast recht. Er hätte zu dir kommen sollen mit seinen Problemen. Du bist zwar ein kaltblütiger Mafiaboss, aber du hast auch eine gute Seite an dir und die ist mir auf jeden Fall lieber.«

»Dann«, erklärte Rune und legte seinen Arm um mich. »Wirst du dich damit abfinden müssen, dass du diese Seite an mir, sehr oft zusehen bekommst, Kitty. Und jetzt«, sagte er und schob mich etwas weg. »Holst du jemanden, der das hier wegwischt. Und zwar nicht irgendwen, sondern den Hausmeister. Sag ihm, im Büro sei ein kleiner Wasserschaden«, erklärte er. »Er weiß was das heißt und kümmert sich darum.« Rune stand mit mir auf dem Arm auf, mied es, in das Blut zu treten, und stellte mich dann vor der Tür ab. Er legte seine Lippen auf meine und küsste mich kurz auf verzehrende Weise. »Ich muss jetzt arbeiten und böse kriminelle Dinge klären.« Er drehte mich herum und schlug mir hart auf den Arsch. »Verschwinde.«

»J ... Ja, Okay«, sagte ich noch etwas überfordert mit all dem und rieb mir den Hintern. Ich sah ihn noch mal an, bevor er mir zu zwinkerte und die Tür schloss. Dann ging ich langsam und nachdenklich zu dem genannten Hausmeister.

Es war ein älterer Mann, vielleicht Ende 40 oder so. Ich erklärte ihm, genau wie Rune sagte, dass oben im Büro ein kleiner Wasserschaden sei. Er nickte und meinte mit ruhiger Stimme, dass er sich darum kümmern würde. Als er an mir vorbeiging, verschiedene Utensilien für die Reinigung mit sich nahm, die auf jeden Fall für einen Wasserschaden nie benötigt würden und dann die Treppen mit ruhiger Miene hinauf ging, stand ich immer noch überfordert da.

Er machte es also öfter.

Wie viele Leute wurden in diesem Club schon von Rune oder Cal erschossen, während die lauten Bässe die verdächtigen Geräusche übertönten.

Wie oft war das schon passiert, während ich hier seelenruhig gearbeitet hatte?

Ich schüttelte meinen Kopf und wandte mich ab. Ich begann mit meiner Arbeit und die Nacht ging schneller vorbei als gedacht. Nachdem ich noch aufräumte und sauber machte, ging ich müde in die Umkleide und öffnete meinen Spind. Die ganze Schicht über hatte ich über all das nachgedacht.

Wie fühlte es sich wohl an, jemanden zu töten?

Mein Blick ging auf meine Hände, die ich offen vor mir hielt. Ich ballte sie zu Fäusten und ließ sie wieder locker.

Würde ich auch irgendwann so eine Waffe in der Hand haben und abdrücken?

Würde ich Angst haben?

Würde es mir gefallen?

Ich....

»Hast du gehört? Die soll mit dem Boss schlafen«, unterbrach mich das Flüstern von zwei Frauen, die ebenfalls in der Umkleidekabine standen und sich umzogen.

Ich hob meinen Blick und sah sie an.

Unsere Blicke kreuzten sich und da wurde mir klar, dass sie über mich redeten.

Die eine, die Blond war, wie ich, schob arrogant ihr kurzes Haar hinters Ohr, bevor sie sich wieder an ihre schwarzhaarige Freundin wandte.

»Hätte ich gewusst, dass Nox auf Blondinen steht, dann hätte ich mich auch hochgeschlafen.«

Ich hob eine Braue.

Hochgeschlafen?

Die Schwarzhaarige kicherte gehässig. »Ich würde für diesen Mann auch meine Beine breit machen, wenn er mir keine Beförderung dafür schenken würde. Er ist einfach Sex pur«, stöhnte sie schon fast.

Oh Liebes, das weiß ich.

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust.

»Vielleicht, wenn wir uns genauso billig anbieten, wie Misses: Ich schlafe mit dem Boss und kann mir jetzt alles erlauben, dann kön-«.

»Hey!«, unterbrach ich die blonde Kuh. Beide drehten sich wieder zu mir und sahen mich genervt an. »Was ist euer Problem? Ich arbeite hier genauso wie ihr alle in diesem Club. Nur weil ich seinen Schwanz lutschen darf und ihr nicht, braucht ihr keine Scheiße herumerzählen«, zischte ich sauer.

Was bildeten die sich ein?

Beide sahen mich überrascht an, bis sie sich wieder fassten und die Schwarzhaarige die Augenbrauen zusammenzog.

»Ach ja? Deswegen müssen wir also dauernd deine Schichten übernehmen? Weil du angeblich genauso hier angestellt bist wie wir?«, fragte sie und trat ein Schritt auf mich zu.

Ich blinzelte überrascht.

Ich habe das noch gar nicht mitbekommen, aber sie hatte recht, Rune tauschte in letzter Zeit öfter meine Schichten. Meistens war ich hier, wenn er auch hier war.

Ich seufzte.

Super gemacht Rune.

Ich schüttelte den Kopf und sah dann wieder die beiden Schlampen an.

»Wenn der Boss das entscheidet, kann ich ja nichts dafür. Also sucht euch einen anderen Sündenbock.« Ich grinste. »Oder beschwert euch bei Nox. Er wird bestimmt Verständnis zeigen, dass ihr etwas gegen mich vorzubringen habt«, fügte ich hinzu.

Was war das? Dieses Gefühl. Dieses Gefühl, über den beiden zu stehen.

Sie waren eindeutig eifersüchtig auf mich. Und mir war sehr wohl bewusst, dass Rune auch bei den anderen Frauen sehr gut ankam. Ich hatte Augen im Kopf und Scheiße er war so heiß, dass allein nur an ihn zu denken mein Höschen feucht machte. Aber wer hat diesen billigen Schlampen bitte erlaubt, ebenfalls an ihn zu denken und feucht zu werden.

Fühlt sich so Überlegenheit an?

Ich trat nun ebenfalls einen Schritt auf die beiden zu. »Na los! Nox ist oben in seinem Büro. Er wird sich sicherlich freuen, weil er ja nichts Besseres zu tun hat.« Mein Grinsen wurde gemeiner.

Oh ja.

Beide zögerten, sahen sich gegenseitig an und dann wieder mich.

Ich trat noch ein Schritt näher.

»Was ist? Gerade noch eine große Klappe gehabt und jetzt so ruhig?«

Die Blondine machte zuerst einen Rückzieher. »Hey lass uns einfach Feierabend machen. Ich hab kein Bock auf so was.« Sie drehte sich herum und fing an, sich umzuziehen.

Sie schwarzhaarige sah mich noch mit knirschenden Zähnen an, bevor sie sich, ohne etwas zu sagen, ebenfalls umdrehte.

Ich sah die beiden an und ging zurück zu meinem Spind.

Wow.

Das fühlte sich toll an.

Ich lächelte und zog mich auch um.

Ich trug auch heute wieder Sachen, die mir Rune geschenkt hatte. Eine enge schwarze Lederhose, mit einem passenden Gürtel und ein weißes spitzen Top mit dünnen Trägern. Ich trug kein BH darunter und nahm meine teure Gucci-Tasche. Ich schmiss den Spind zu und schulterte meine Handtasche. Dann ging ich an die beiden vorbei zu Tür und drehte mich noch mal herum. »Und falls ihr euch fragt, ob er wirklich so groß ist. Dann kann ich euch nur sagen: Ja, er ist so groß und der Sex ist Wahnsinn. Schönen Feierabend.«

Und mit diesen Worten verließ ich die Umkleide.

Die Tür fiel ins Schloss und ich starrte Rune an, der grinsend an der Wand gegenüber lehnte.

Scheiße.

Hat er alles gehört?!

Er sah mich an. »Er ist also wirklich so groß, huh? Und der Sex ist«, er stieß sich ab und lief auf mich zu, »ist Wahnsinn?« Dicht vor mir blieb er stehen und sah auf mich hinab. Funkelte mich intensiv aus dem Halbschatten an, der im Flur herrschte. »Was noch, Kira?«

Meine Wangen färbten sich rot.

Wieso musste er mich hören?

Ich sah verlegen zur Seite und drückte mich an die Wand, genau neben der Tür zu Umkleide.

»Du ... hast was missverstanden. Ich habe so etwas nie ... gesagt«, versuchte ich etwas, dass nichts brachte. Er hatte es ja gehört.

»Mhm«, raunte er an mein Ohr. »Lügt man seinen Boss an?«

Ich schluckte und mein Gesicht war zu Tür gedreht, während er mir so nahe war.

Gott!

Dieser verdammte Kerl!

Ich atmete ein und öffnete meine Lippen, wollte ihm sagen, dass er sich mal nichts einbilden sollte, als plötzlich die Tür neben uns aufging und die beiden Schlampen erst mir direkt in die Augen blickten und dann zu Rune hochschauten.

Na, ganz toll.

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