Teil 22
22 - Kiana
Mit einem kleinen Wörterbuch Deutsch - Italienisch, betrat ich meine Wohnung.
»Grazie mille«, sprach ich die beiden Worte aus, die anscheinend ›danke schön‹ heißen.
Ich musste grinsen, als ich auch an ein paar schmutzige Wörter zurückdachte, die ich mir bereits angeeignet hatte.
Ich schüttelte den Kopf über mich selbst und schloss die Tür hinter mich.
Gedankenverloren beachtete ich meinen Vater nicht und ging in Richtung meines Zimmers. Ich gähnte und streckte meine Glieder.
Ich hatte die letzten 3 Tage so viel gearbeitet.
Ich seufzte.
Rune habe ich dadurch auch kaum gesehen. Er scheint einiges zu tun zu haben. Wenn ich ihn sah, wirkte er gestresst. Ob es wohl Probleme gibt, von denen er mir nichts sagte? Ja, bestimmt. Immerhin erzählte er mir nicht alles. Ich wusste, dass er immer noch Geheimnisse hatte. Ich fragte auch nicht mehr nach. Es war wohl besser, dass ich nicht alles wusste. Sicherer für mich.
Ich öffnete die Tür und riss meine Augen auf.
»Was ist ... hier los?«, flüsterte ich überfordert.
Mein ganzes Zimmer war vollgestellt mit Tüten und Kartons von sehr, SEHR teuren Marken.
Mit offenem Mund wanderten meine Augen über die ganzen Verpackungen. Ich sah Gucci, Prada, Versace, Louis Vuitton, Dior, Chanel und Saint Laurent. Geschockt legte ich meine zitternde Hand auf meinen Mund. Das alles hier waren mehrere Tausende Wert ... Scheiße!
Ich wandte mich ab, ging mit schnellen Schritten ins Wohnzimmer und rannte in Dad rein, der gerade das Wohnzimmer verlassen wollte.
Ich rieb mir die Nase und sah zu ihm hoch.
»Dad! Ich schwöre, ich habe das alles nicht bestellt ...«
Er unterbrach mich, in dem er seine Hand auf meine Schulter legte.
»Du-«, begann er und biss die Zähne zusammen. Er sah mich nicht an. »Du hast dir das auch mal verdient«, sprach er angespannt und zog dann schnell die Hand wieder weg, als dürfte er mich nicht anfassen.
Ich zog die Augenbrauen zusammen.
Was?!
Normalerweise würde er komplett ausrasten.
Dad räusperte sich und ging an mir vorbei. Er zog sich die Schuhe an und verschwand mit einem »Ich bin weg.«
Verwirrt stand ich im Flur und starrte die Tür an.
Seit über einer Woche war er so komisch drauf.
Ich verstehe das nicht.
Was ist nur passiert, dass er mich gar nicht mehr anbrüllte oder schlug. Er kam in letzter Zeit auch gar nicht mehr betrunken nach Hause. Immer wenn ich ihn sah, war er höchstens angetrunken aber nie komplett dicht, wie zuvor immer.
Nachdenklich ging ich wieder in mein Zimmer.
Jetzt bemerkte erst die iPhone Packung, die auf einem Louis-Vuitton-Karton lag.
Ich öffnete sie und das Handy war bereits eingeschalten.
Es war das neuste iPhone. Allein dieses Handy kostete schon eintausend.
Was ist hier nur los?
Ich sah einfach mal in die Kurzwahl und erblickte eine Nummer.
»Der Einzige?« Ich legte den Kopf schief.
Bis es plötzlich klick machte.
Rune!
Meine Augen wanderten wieder über all diese teuren Luxusartikel.
Er ....
Auf einmal zitterte meine Unterlippe und Tränen sammelten sich in meinen Augen.
Rune hatte mir das alles gekauft.
Deswegen waren wir also vor paar Tagen in der Einkaufsmeile. Ich habe mich schon gefragt, wieso ich dabei war. Ich dachte, er hatte mich einfach nur bei seinen Geschäften mitgenommen. Und während er mit dem Angestellten oder Besitzer des Ladens sprach, hatte ich mich umgeschaut.
Meine Augen weiteten sich.
Ich legte das Handy beiseite und öffnete die erste Schachtel.
Ich hatte mir bei Louis Vuitton und bei Gucci eine Tasche angesehen.
Ich sog schnell die Luft ein.
Da lag die Tasche. Sauber eingepackt.
Schnell suchte ich die Gucci Tüte. Ich holte da auch den Karton raus und öffnete den.
»Oh mein Gott«, schluchzte ich.
Da war auch die Tasche drinnen.
Ich öffnete alle Kartons und Tüten. Es waren Hosen dabei, Kleider, Oberteile, Schuhe, Taschen und sogar eine Sonnenbrille. Alles Sachen, die ich nur angesehen oder berührt hatte.
Ich saß auf dem Boden und hatte mittlerweile angefangen zu weinen.
Ich war glücklich.
Noch nie hat mir jemand so viele Geschenke gemacht.
Ich schniefte und nahm das iPhone.
Ich drückte auf die einzige Nummer, die in meinem Handy eingespeichert war und legte es an mein Ohr.
Ich wollte seine Stimme hören.
»Buongiorno, angelo mio.«
»Guten Morgen.« Ich weinte und lachte gleichzeitig. Ich wischte mir die Tränen weg und atmete tief ein. »Du bist verrückt, weißt du das?«
»Weinst du?«
»Ja, wegen dir«, erwiderte und schmunzelte.
»Was? Warum?«, fragte er sofort angespannt.
Ich kicherte. Mein Blick ging über die ganzen schönen Sachen und blieb am Wörterbuch hängen. Mein Lächeln wurde breite und ich sagte: »Grazie mille, Rune. Ich liebe meine neuen Sachen.«
Meine Wangen wurden rot, mein Herz fing an, schneller zu schlagen.
Verliebte ich mich all Ernstes in ihn?
Er fing an zu lachen. »An der Aussprache feilen wir noch, Kleine.« Dann entstand eine kurze Stille und im Hintergrund raschelt es. »Gefallen dir die Sachen, also?«
Mit angezogenen Beinen lachte ich ins Telefon. »Ja, sehr sogar. Aber eigentlich müsste ich dir jetzt sagen, dass ich sie nicht annehmen kann.« Meine Finger glitten über den Stoff eines Kleides. »Das alles ist ein Vermögen wert. Bist du sicher, dass du so viel Geld für mich ausgeben möchtest?«
»Viel ist in meinem Fall ein relativer Begriff. Außerdem hab ich dir die Sachen nicht einfach so gekauft.«
Sagte er und wieder raschelt Papier. Etwa klackt im Hintergrund und ich hatte dieses Klacken schon paar Mal gehört, seitdem ich mit Rune zu tun hatte. Es war eine Waffe. Dann hörte ich, wie Rune jemanden etwas zuflüsterte, dass ich selbst nicht verstand.
»Zum einen habe ich da einen ganz eigennützigen Gedanken und zum anderen, sind wir auf eine Hochzeit eingeladen. Das heißt, ich bin es, aber du begleitest mich. Für den Anlass brauchst du das Zeug.« Fuhr er ganz normal fort.
Ich sah überrascht meine gegenüberliegende Wand an. »Oh ... ja, klar«, meinte ich etwas halbherzig.
Mein Blick wanderte auf meinen Boden und ich spielte mit dem Fussel meines Teppichs. Er hatte also einen eigennützigen Gedanken, natürlich.
»Was machst du gerade?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln, und weil ich wissen wollte, was er anscheinend mit einer Waffe tat.
»Arbeiten« erwiderte er und klang wieder angespannt.
›Arbeiten‹ bedeutete bei ihm nicht normales arbeiten, das war mir schon langsam bewusst.
»Verstehe, dann will ich dich nicht weiter stören«, meinte ich leise und wischte mir mit meinem Ärmel meine leisen Tränen weg.
Er will keine Freundin und sucht auch nicht die Liebe, Kiana. Sprach ich gedanklich mit mir selbst. Das musst du akzeptieren und einfach das hier und jetzt genießen.
»Noch einmal vielen Dank für diese ganzen schönen Sachen. Ich habe mich sehr gefreut. Auch für das Handy«, bedankte ich mich noch mal.
»Schon gut.« Meinte er und im Hintergrund konnte ich jemanden hören, der nach Nox rief, und ihm sagte, er solle kommen. »Komm heute Abend zu mir. Gegen neun. Ich hab deine Schicht getauscht.« Sagte Rune zu mir und legte dann auf.
»Was? Ich ...« Verwundert sah ich auf das Handy. »Okay«, murmelte ich für mich allein und sah wieder die ganzen Sachen an.
Was treibt er gerade nur?
Ich atmete laut aus.
Dieser Kerl bringt mich noch um den Verstand.
Eine Weile saß ich einfach da und ließ alles auf mich wirken.
Irgendwann nahm ich wieder mein neues iPhone in die Hand und tippte die Nummer von meinem Halbbruder ein. Ich speicherte ihn unter ›Schatziiii‹ ein.
Dann rief ihn an, da ich mich auch bei ihm nicht mehr melden konnte.
Er machte sich wahrscheinlich auch sorgen, dass er mich plötzlich nicht mehr erreichen konnte.
Während es am Handy piepte, fing ich an die Sachen in meinen Schrank zu räumen.
»Was geht ab im Kiki-Land?«
»Hey mein Schatzi«, grinste ich und es raschelte im Hintergrund, weil ich eine Tasche aus Unmengen an Papier befreite. »Sorry das ich mich eine Weile nicht gemeldet habe. Mein Handy ist kaputt gegangen«, log ich etwas.
»Und jetzt rufst du mit einem Brot an? Oder wie verstehe ich das?« Schnaubt er. »Was auch immer du machst, hör auf damit. Das tut in den Ohren weh. Ich hab einen verdammt schlimmen Kater.«
Ich beendete das Auspacken meiner neuen Tasche und setzte mich auf mein Bett. »Ähm nein, ich habe ein neues Handy«, lachte ich verlegen.
»Hast du im Lotto gewonnen? Du hast dir seit Jahren kein Neues geholt, obwohl dein Ding total veraltet war.«
Ich presste meine Lippen zusammen. »Nein, ich ... habe eher einen Macker«, lachte ich nun.
Gott, was rede ich hier nur.
Es entstand eine kurze Stille, bevor Louis anfing zu lachen. »Sagts du mir gerade echt, dass du einen Sugardaddy hast?«
Nun, so was in der Art war Rune ja schon, oder?
Ich überlegte.
»Ja, so in der Art.« Stimme ich zu.
»Wow!«, lachte er wieder. »Gönn dir, Schwesterherz. Gönn dir. Also, wann sehen wir uns mal wieder? Ich brauch ne Dosis Kiki und vor allem ne Pause vom Studium. Ich arbeite mehr, als das ich lebe«, seufzte er.
»Aw, ich habe dich auch total vermisst. Ja, lass demnächst treffen. Ich muss zwar diese Woche noch viel arbeiten, aber ich glaube Ende nächste Woche, habe ich einen ganzen Tag frei«, lächelte ich ins Telefon.
Ich hatte wirklich nächste Woche einen Tag, wo ich weder ins Café noch in den Club musste. So einen Tag hatte ich schon lange nicht mehr.
»Und ich habe dir schon öfter gesagt, dass du dich nicht überanstrengen sollst. Genieße dein Leben mehr, sowie du es anscheinend gestern gemacht hast. Oder woher kommt der Kater?«
»Schreib mir einfach, wann wie was und wo. Ich bin mit allem zufrieden. Und was den Kater angeht, sagen wir so, angehende Ärzte sind, wenn sie denn mal frei haben, unglaubliche Schluckspechte. Da ich mir das nicht nehmen lassen kann, und mich sicher nicht von den Pennern unter den Tisch trinken lasse, ist das jetzt meine Strafe.«
Ich lachte und lehnte mich zurück, sodass ich nun an dem Wind saß.
Was war das nur für ein Gefühl in meiner Magengrube?
Fühlte sich so noch mal Glück an?
Wie lange habe ich das schon nicht mehr gefühlt.
Obwohl diese hohen Schulden in meinem Hinterkopf warteten, lief der Rest in meinem Leben gruslig gut.
»Ich bin froh, dass du Spaß hattest. Und stolz, dass du denen gezeigt hast, was du draufhast.«
Ich seufzte zufrieden.
»Ich schreib dir noch mal und freue mich sehr, dich mal wieder persönlich zu sehen. Ich hab dich lieb.«
»Ich dich auch, Kiki. Grüß deinen Sugardaddy.«
»Mach ich, Schatzi. Bis dann« verabschiedet ich mich und wir legten auf.
Ich sah auf mein Handy und dann wieder auf die ganzen Sachen. Dann sprang ich vom Bett. Räumte den Rest noch ein, ging duschen, Haar waschen und dann stand ich wieder vor meinem Schrank.
Ich entschied mich einen kurzen Faltenrock in Kombination mit einem engen dünnen Pullover zu tragen. Beides komplett schwarz. Den Pullover in den Rock gesteckt, zog ich noch die Overknees Stiefel an mit einem Absatz von 10 cm. Ich sah WOW aus. Und das waren alles Sachen, die mir Rune gekauft hatte. Ich drehte mich um meine eigene Achse und mein offenes Haar fiel über die Schultern.
Nein, das passt nicht.
Und mit diesem Gedanken machte ich mir einen hohen Zopf und flocht die Haare. Ich sah mich wieder an und ich sah aus wie eine Auftragskillerin.
Mit einem Grinsen nahm ich eine der neuen Taschen und packte alles zusammen. Dann verließ ich die Wohnung und machte mich auf den Weg zu Rune.
Wann habe ich mich das letzte Mal so gut gefühlt? War es an dem Tag, wo mich mein Date versetzt hatte und ich Rune kennenlernte?
Ja an dem Tag fühlte ich mich attraktiv. Und heute war es genauso. Ich fühlte mich nicht wie eine Frau, die viel arbeiten musste und sich nichts leisten konnte. Ich fühlte mich wohl in meiner Haut.
Und anscheinend strahlte ich auch genau das aus. Denn die Männer starrten mich an, als wäre ich frisches Fleisch, dass sie gerne verspeisen möchten. Ich genoss bis zu einem gewissen Grad die Blicke.
Als ich aus der Straßenbahn Ausstieg, lief ich den Rest bis Runes Penthouse. Währenddessen kramte ich in meiner neuen Tasche herum und schnappte mir einen Kaugummi.
Bis es auf einmal neben mir hupte und ein Typ, in einem teuren Auto sein Fenster runterließ. Er war rechts rangefahren und ein Arm lag auf dem Lenkrad, während er sich zum Beifahrersitz vorbeugte, und mich angrinste.
Kaum, dass ich in die Nähe von seinem Penthouse kam, waren nur noch teure Autos und reiche Menschen zu sehen. Ganz anders als in meinem Viertel. Ein Wunder, dass ich noch nicht ausgeraubt wurde.
Ich blinzelte, als mich der Typ näher heranwinkte.
»Komm her, Süße.«
Ich hob meine Augenbrauen.
»Sorry, ich habe keine Zeit«, meinte ich freundlich und ging weiter.
Doch der Typ ließ nicht locker und fuhr mit langsamer Geschwindigkeit neben mir her. »Ach komm schon. Du siehst aus, als hättest du heute nichts vor.«
»Tja, dann solltest du dir eine Brille kaufen.«
Er sah mich überrascht an.
»Ich steh drauf, wenn sie frech sind. Darf ich dich dann zu deinem Treffpunkt fahren?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich steig nicht in fremde Autos ein.«
Was stimmt mit dem nicht! Arschloch.
»Spielverderberin«, meinte er immer noch belustigt.
Als ich daraufhin nichts mehr sagte, fuhr er mit Vollgas los. Er beleidigte mich noch als Schlampe.
Ich verdrehte die Augen.
Danach hupten noch weitere Männer und riefen mir schmutzige Dinge zu.
Männer konnten wirklich abartig sein.
Als ich dann endlich dem Penthouse stand, war ich mehr als froh.
Ich hätte nicht gedacht, dass mein Outfit für so viel Aufregung sorgen würde. Letzten Endes hatte ich mich nur für ihn so hübsch gemacht. Und doch reagierten andere Männer darauf.
Ich sah mich noch mal um und ging dann hinein.
Ich grüßte Phil und er lächelte mich an. Dann stieg ich in den Aufzug und gab den Code zu seinem Penthouse ein.
Ich hoffe, Rune gefielen die Sachen, die er mir gekauft hatte.
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