Teil 16

16 - Kiana

Was war verdammt noch mal los mit mir.

Gott! Ich wollte ihn.

Ich wollte ihn so sehr und er hat mich ernsthaft bei unserem ersten Mal noch nicht richtig gevögelt? Es ging noch besser?

Aber trotzdem konnte ich meine Klappe nicht halten. Er provozierte mich und ich musste einfach immer widersprechen. Und Scheiße, ich wollte nichts Sehnlicheres, als ihm einen zu lutschen. Ihn zu ärgern, dass ich nicht würgte, machte mir Spaß. Ich genoss es. Und ich wollte ihn schmecken. Ich wollte alles mit ihm machen. Und ich wollte, dass er alles mit mir macht.

Ich wollte gerade widersprechen, obwohl ich seinen Schwanz wollte, als Cals Stimme ertönte. Ich sah zu Tür und wollte automatisch meine Hände bewegen, doch sie waren immer noch von Rune festgebunden.

»Lass mich los, Rune. Meine Brüste ... Gott, ich will nicht, dass Cal mich so sieht!«

Rune sah zur Tür und dann auf mich. Grinste. »Ich denke, ich lasse nicht los.«

Ich blinzelte mehrfach, meine Nippel immer noch steif. Ich versuchte, mich zu befreien, windete mich unter seinem Griff, wodurch mein Busen sich ebenfalls hin und her bewegte. Aber meine Arme immer noch über meinen Kopf an die Wand gedrückt, hatte ich keine Chance.

»Verdammt Rune. Lass mich los!«, rief ich unsicher.

Doch er hielt mich problemlos fest. Und das Lächeln, das er mir jetzt schenkte, war gemein und siegessicher.

»Bettel darum.«

Ich sah ihn mit großen Augen an. War das sein Scheiß ernst?!

Okay! Ich nahm alles zurück.

Ich hasste ihn und wollte nichts von ihm. Rein gar nichts.

Stur drehte ich den Kopf weg und sagte. »Nö.«

Schmunzelnd beugte er sich hinab. »Dann wird mein Cousin wohl ziemlich viel von dir zusehen bekommen.« Er fuhr mit den Fingern über den Stoff und schob ihn weiter weg. Legte mehr von mir frei und massierte mich.

Ich stöhnte vor Verlangen und zuckte gleichzeitig zusammen, als ich Schritte näher kommen hörte und kurz darauf Cals Stimme.

»Nox? Bist du im Büro?«

Ich sah geschockt zu Tür.

Dann zu Rune. War ihm das etwa egal? Ich dachte nach, überlegte, wieso ...

Und dann machte es Klick.

»Ist dir das egal, wenn Cal mich so sieht? Weil ich für dich nichts weiter als eine Hure bin?« Ich sah zwischen seinen Augen hin und her und ignorierte seine Berührung, die mich erregten.

Er kniff die Lider zusammen. »Nein, du bist keine Hure für mich. Ich ficke dich wie eine, ja, aber keinesfalls bist du eine Hure«, stellte er klar. Dann lächelte er. »Aber ich bin einfach nicht bereit, den Rückwärtsgang einzulegen. Ich hab hier einen Standpunkt zu beweisen.«

Ich sah ihn direkt an.

War das wirklich die Wahrheit?

Ich musste es wohl glauben.

Es war keine Zeit mehr, um weiter zu diskutieren.

Also lächelte ich zurück.

»Rune...«, begann ich und sah ihn mit einem süßen Blick an. »...lass mich bitte los, dann werde ich dir das nächste Mal auch nicht mehr widersprechen. Versprochen.« Ich legte den Kopf schief und versuchte, ihn mit meinem niedlichen Wesen umzustimmen. Doch statt darauf reinzufallen, zog er mich ruckhaft an sich.

»Nein, ich sagte-«, er schob seine Zunge in meinen Mund und küsste mich leidenschaftlich, während draußen Cal erneut rief, »-bettle drum.«

Ich leckte mir über die Lippen und genoss seinen Geschmack. Dabei kniff ich leicht die Augen zusammen und sah ihn wütend an.

Eines Tages drehe ich ihm den Hals um!

Ich könnte jetzt betteln und mich das nächste Mal rächen. Aber...

»Lass mich los. Ich flehe dich an«, sagte ich nicht wirklich überzeugend.

Ich konnte so was einfach nicht.

»Nicht genug«, er riss mein Oberteil weiter auseinander und schob die Hosenträger weg. »Ich will dich FLEHEN hören. Und du solltest dich beeilen, wenn du vor Cal nicht blankziehen willst.«

Ich konnte einfach nicht. Ich konnte das nicht!

Mein Stolz stand mir im Weg.

Ich flehte nicht.

Niemals.

Nein.

Ich sah ihn ernst und angespannt an.

»Nein. Ich werde nicht betteln.«

»Dann ....« Der Türknauf drehte sich wie in Zeitlupe. Er quietschte sogar etwas. Rune starrte mich an.

Ich schluckte schwer und sah zu Tür und wieder zu Rune. Meine Atmung ging schnell.

Ich hatte Angst.

Ich wollte nicht, dass Cal mich so sah.

Aber ... ich konnte nicht betteln.

Trotz allem, was ich durch hatte, war ich eine stolze Frau.

Ich streckte den Kopf zu ihm hoch und sah ihn intensiv an.

»Keinen außer dir«, wiederholte ich seine Worte von vorhin.

Rune blinzelte, als ich seine Worte gegen ihn benutzte. Dann wirbelte er mich plötzlich herum und stellte sich so vor mich, dass Cal, der gerade den Kopf reinsteckte, nichts von mir sehen konnte.

»Boss, ich such dich schon die ganze Zeit. Mann, du mu-«.

»Gib mir zwei Minuten«, sagte Rune und sah über die Schulter zu ihm. »Verpiss dich.«

Cal blinzelte, sah dann zu mir, wie ich von Runes Körper verdeckt wurde, und nickte wortlos.

Als er weg war, raunte er: »Schlau gespielt, Kimberlie.« Er küsste mich seitlich auf die Schläfe und erklärte dann: »Zieh dich an und warte unten auf mich.«

Ich sah ihn überrascht an, dass er schlussendlich so reagiert hatte. Also ... meinte er die Worte ernst.

Keinen außer ihm.

Mein Herz schlug mir noch bis zum Hals. Aber ich spürte, dass ich auch nur noch ihn wollte. Ich hatte aktuell kein Interesse, andere Männer kennenzulernen. Ich lächelte ihn also an und nickte. Wir sahen uns mehrere Sekunden in die Augen und waren uns unglaublich nahe. Dann wandte er sich ab, befreite meine Handgelenke und verließ sein Büro. Ich kaute auf meiner Unterlippe, spürte, dass mein ganzer Körper kribbelte.

Ich freute mich...

Ja. Ich glaubte, ich freute mich, dass ich ihn gleich Wiedersehen würde.

Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und zog mich an. Als alles wieder richtig saß, ging ich runter zur Umkleide. Dort zog ich mich noch einmal um. Eine enge dunkelblaue Jeans, in der mein Arsch einfach schmackhaft aussah und ein weißes enges T-Shirt, das bauchfrei war. Ich sah mich im Spiegel an und richtete mein Top. Ich wollte für Rune sexy aussehen. Als mir das klar wurde, starrte ich überrascht mein Spiegelbild an.

Ich wollte ihm wirklich gefallen, stellte ich fest.

Was war nur los mit mir?

Bin ich verrückt?

Ich sah an mir herab.

Würde er mich sexy finden?

Meine Hand legte sich auf meinen flachen leicht definierten Bauch. Als ich meinen Bauchnabel ansah, fiel mir wieder ein, was ich mir heute vor der Arbeit gekauft hatte. Schnell ging ich an meine Tasche und holte mein Bauchnabelpiercing heraus. Meinen Alten hatte ich vor Wochen verloren und war zu geizig einen Neuen zu kaufen.

Bis heute.

Er war Golden und ein kleiner bunter Schmetterling hing als Anhänger daran.

Ich ging zurück zum Spiegel und steckte ihn durch das Loch.

Wieder sah ich mich an.

Dann nahm ich mein Handy. Sah, dass mein Dad mehrmals angerufen hatte. Doch es war mir aktuell egal. Nachdem ich letzte Woche ein paar Tage bei meinem Bruder Louis geschlafen und auch ihm die Story erzählt hatte, war ich erst im Laufe der Woche nach Hause gekommen. Doch ich hatte kaum ein Wort mit meinem Vater gesprochen. Ich konnte ihn nicht mal richtig in die Augen sehen. Ich war so enttäuscht und ... wusste immer noch nicht, wie ich das schaffen sollte. Das Einzige, das mich etwas zur Ruhe brachte, war Rune. Wirklich verrückt, wenn man bedachte, wie wir letzte Woche noch auseinandergegangen waren. Aber egal wie oft ich versuchte, Abstand zu halten, sobald ich ihn sah, war ich ihm verfallen.

Was stimmte mit mir nicht?

Ich seufzte, ignorierte die Anrufe meines Vaters und schaltete das Handy aus. Gerade war er mir auf einer gewissen Ebene egal.

Ich schulterte meine Tasche und wuschelte mir noch mal durch mein langes blondes Haar. Dann verließ ich die Umkleide und sah, dass auch Cal auf Rune wartete. Ich stellte mich zu ihm, aber wir sagten nicht viel. Es dauerte auch nicht lange und da hörte ich Schritte. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Rune die letzten Stufen zum Personalausgang lief und mit großen Schritten und ohne zu lächeln, auf mich und Cal zu ging.

Sein Blick huschte über mich, doch blieb er dort nicht, und legte sich auf Cal.

»Nimm sie mit«, forderte er kalt. »Erledige diese Sache und bring sie dann zu mir.«

»Zu dir? Nach Hause?«

»Wohin sonst, Schwachkopf?«

Cal zog eine Braue hinauf. »Ist nicht ganz so üblich, deswegen dachte ich-«.

»Hör auf, zu denken-«, knurrte er böse und unterbrach ihn damit, »und mach, was ich dir sage.«

Ich sah zwischen den beiden Hin und Her aber mein Blick blieb letzten Endes auf Rune hängen.

»Wieso kann ich nicht gleich mit dir fahren?«, fragte ich verwirrt. Ich hatte nichts gegen Cal, aber so gut kannte ich ihn nun auch noch nicht. Wieso sollte ich also in sein Auto einsteigen?

Rune sah auf mich herab. »Ich muss was erledigen.«

Ich erwiderte seinen Blick. Wollte widersprechen. Doch....

»Alles klar.«

Seine Worte: Keine Gesetze, keine Regeln ... keine Fragen. Also würde ich keine Fragen stellen.

Aber ich wusste nicht, ob ich das auf Dauer einhalten würde bei zu vielen Geheimnissen.

Vorerst würde ich mich jedoch daran halten.

Er nickte nur und lief an uns vorbei.

Cal fuhr mit der Zunge über seine Zähne und machte ein schnalzendes Geräusch. »Ich würde dir ja gerne sagen, dass ich nicht wüsste, welche Laus ihm über die Leber gelaufen ist, aber das wäre doch glatt gelogen.« Er legte seine Hand auf meinen Rücken und schob mich zu seinem Auto.

Ich nickte nur und ließ mich führen.

Wir stiegen ein und er seufzte dann. Als sei es nichts Besonderes, griff er über meine Beine, öffnete das Handschuhfach und prüfte, ob seine Waffe da und geladen war.

Ich starrte auf die Waffe, während ich mich anschnallte.

»Wirst du ...« Ich stoppte, weil die Frage total bekloppt klang, aber... »Jemanden umbringen?«

Meine blauen Augen trafen auch seine Dunkelbraunen.

Cal sah mich seitlich an und startete den Motor. »Da du jetzt wohl Nox Aufmerksamkeit hast, gebe ich dir mal ein paar Ratschläge, was ein Leben mit uns, in unserer Welt, angeht. Regel Nummer eins: Frag nichts, was du nicht wissen willst. Nummer zwei: Man muss immer damit rechnen, jemanden umzubringen oder umgebracht zu werden. Drei: Misch dich niemals ein.« Er gab Gas und lenkte den Wagen über die Straßen. »Vier: Wenn er oder, in dem jetzigen Fall, ich die etwas sagen, mach es und frag nicht erst dumm rum. Das kann im schlimmsten Fall damit enden, dass was Schlimmes passiert. Und zu guter Letzt legst du dir am besten ne dicke Haut zu und vergisst so ziemlich alle deine moralischen Vorsätze - und am besten packst du dein Gewissen auch gleich weg.«

Ich sah ihn an. »Entschuldige, dass ich deinen Rat, mich von euch fernzuhalten, nicht folgen konnte«, begann ich und sah dann gerade aus auf die Straße. »Bin ich jetzt auch in Gefahr? Werden mich andere Menschen umbringen wollen, weil ich seine Aufmerksamkeit habe?«

Meinen Blick wieder auf ihn gerichtet, spielte ich mit meinen Fingern. Ich war eindeutig nervös. Seine ganzen Informationen machten mich nervös.

Musste ich mich wirklich an all das halten?

KONNTE ich mich an all das halten?

»Und schon brichst du Regel eins.« Er schnaubte, versuchte aber, zu lächeln. »Ich könnte dich anlügen und sagen, dass wir dich sicherlich zu hundert Prozent beschützen können, aber das ist nicht so mein Ding. Also ja, wahrscheinlich kommst du früher oder später in die Schussbahn, wenn du dich auf Nox einlässt. Aber wenn wir können, werden wir es wohl vermeiden.«

Ich starrte ihn eine Weile an, dachte daran, dass ich meine zweite Frage hiermit wohl schon beantwortet hatte, und presste meine Lippen zusammen. Dann schmunzelte ich jedoch.

»Besteht die Chance, dass ich noch abhauen kann?«, scherzte ich, um die Stimmung aufzulockern oder eher mich zu beruhigen.

Die Frage, die ich eigentlich stellen wollte, war, ob Rune immer noch so denkt und sich auch jemand anderes für seinen Zeitvertreib anschaffen könnte.

Cal lachte. »So, wie ich ihn kenne ... Nein, auf keinen Fall. Selbst wenn du so schnell rennen würdest, wie du kannst ... Nox ist ein guter Jäger und so, wie er dich ansieht, bist du sein neues Spielzeug.«

Sein neues Spielzeug?

Ich verzog leicht das Gesicht. Diese Bezeichnung gefiel mir nicht.

»Du solltest wissen, dass ich eine ausgezeichnete Läuferin bin. Ich renne gerne um mein Leben«, meinte ich dennoch und kicherte. Dann sah ich aber wieder nervös auf meine Finger.

»Ich weiß. Leider.« Er parkte den Wagen direkt vor einer Buchhandlung und drehte sich dann im Sitz herum. »Bleib hier.«

Schnell checkte er die zwei Waffen, die er im Brustholzter unter seiner Anzugjacke bei sich hatte. Und stieg dann aus.

Ich sah Cal, wie er die Buchhandlung betrat, und dachte über seine Worte nach.

Was meinte er mit – Ich weiß. Leider – hatte er mich beobachtet? Nein.... Oder?

Doch weiter konnte ich nicht drüber nachdenken, da Gerümpel aus dem Laden zu hören war. Meine Aufmerksamkeit lag wieder auf der Buchhandlung und ich sah, wie zwei Kunden ängstlich raus stürmten.

Wieder rumpelte es. Und auf einmal flog ein Typ regelrecht aus dem Laden und Cal folgte ihm.

Dann ging alles schnell.

Er packte den Typen am Kragen, schlug ihm ins Gesicht, der Typ fiel um. Cal zog die Waffe und zielte auf den Mann. Währenddessen kam eine Frau aus dem Laden und bettelte um Gnade, hing sich an Cals Arm. Doch er schubste sie grob weg, sagte etwas und nahm dann den Umschlag, den der Mann auf dem Boden ihm mit zitternden Händen hinhielt. Dann kam er ganz normal, als wäre nichts passiert zum Auto zurück und stieg ein.

Geschockt starrte ich Cal an. Sprachlos. Ich war ... Sprachlos. Was hatte ich da gerade gesehen?

War das echt?

Mein Blick ging auf den Typen und der Frau, die vor dem Laden und kurz trafen, sich die Blicke von mir und der Frau. Sie hatte total Angst.

Mit offenem Mund sah ich wieder Cal an.

Keine Fragen stellen, über Dinge, die ich nicht wissen will oder sollte.

Gilt das auch für das hier? Was auch immer das war!

Ich starrte Cal weiter an, aber bekam kein Wort heraus. Ich wankte noch, zwischen ich will es wissen und ich will es lieber nicht wissen.

»Was?«, fragte er, als er sich die Hand mit einem Tuch abwischte, bevor er den Umschlag mit dem Bargeld auf meinen Schoß warf. »Sei so gut, und mach das ins Handschuhfach.«

Ich starrte auf den Umschlag. Nahm ihn langsam in die Hand. Das war ein dicker Umschlag. Wie viel Geld wohl hier drinnen war?

Mein Kopf fuhr hoch, als ich die Frau weinen hörte. Dabei erblickte ich ein Kind, das in der Ladentür stand. Die Frau war unsicher, sie wollte ihr Kind reinbringen, aber auch ihren Mann nicht alleine lassen.

Mein Blick wurde weicher und ich hatte mich entschieden.

»Was war das? Wieso hast du den Mann so zugerichtet? Für Geld? Ernsthaft?«, fragte ich aufgebracht und wedelte mit dem Umschlag herum.

»Die Regeln, Süße. Vergiss die Regeln nicht.« Cal dehnte seinen Nacken und wollte den Zündschlüssel drehen.

Ich kniff die Augen leicht zusammen und sah ihn wütend an. Dann schmiss ich den Umschlag auf seinen Schoß, schnallte mich ab und stieg aus dem Auto. Ich ging um den Wagen herum und auf die Frau und den Mann zu.

»Ist alles in Ordnung? Soll ich ihnen helfen?«, fragte ich einfühlsam.

Doch bevor ich ihnen zu nahekommen konnte. Fing die Frau an mich an zu schreien, dass ich verschwinden soll und sie nichts mit uns Abschaum zu tun haben wollte.

Ich war wie erstarrt.

Cal stieg aus, packte mich grob am Arm und schmiss mich regelrecht zurück ins Auto.

»Sag mal, bist du bescheuert?! Was sollte der Mist?«, fragte er, als er selbst wieder im Auto saß.

Ich umfasste meinen Arm. »Das hat wehgetan! Und was der Mist soll? Sind sie etwa die Verbrecher? Da steht sogar ein Kind. Was ihr tut ist grausam!« Ich sah ihn verständnislos an. »Ich dachte Rune sein Multimillionär. Wieso also, stiehlt ihr Geld von anderen Menschen, die es viel nötiger haben als ihr?«

»Verbrecher?« Er lachte. »Die da? Nein. Aber wenn du dir endlich mal Gedanken machen würdest, beantwortest du dir die Frage, wer hier die Verbrecher sind, selbst.« Das Lachen erlosch. »Das Kind ist mir egal, die Frau ist mir egal, der Mann ist mir egal. Das Geld allerdings«, er nahm den Umschlag und wedelte damit herum, »DAS ist mir nicht egal. Sie schulden es uns und wir holen es. Wenn sie nicht zahlen können, warten wir genau eine Woche. Zahlen sie dann immer noch nicht, komme ich vorbei und erinnere sie an die Vereinbarung. So einfach.«

»Was? Ich ... ich verstehe nicht«, sagte ich zwar, aber meine Augen weiteten sich etwas. »Ihr seid die Verbrecher? Aber wieso tut ihr das? Was ist die Vereinbarung, die ihr mit unschuldigen Menschen habt?« Ich wollte es wissen! Bevor aber Cal den Mund aufmachen konnte, hob ich die Hand. »Mir ist deine Regel gerade scheißegal. Du wirst mir jetzt erklären, wieso diese Menschen euch Geld schulden. Und wenn du es mir nicht sagst, werde ich meine Antwort spätestens bei Rune bekommen«, erklärte ich stur.

Er hob eine Braue, starrte mich dann aber an bevor er resignierend ein und ausatmete. »Viel Erfolg dabei, Süße.«

Dieser Penner!

Ich verschränkte bockig die Arme vor der Brust und drückte mich in den Sitz. Mein Blick war geradeaus gerichtet.

Cal fuhr los, sagte aber: »Hör zu. Was ich gesagt habe, war kein Scheiß. Du bist hier nicht richtig. Du ... hast nicht das Zeug so zu sein, so zu leben und so zu handeln wie wir. Du bist zu nett und mein Cousin zu skrupellos. An irgendeinem Punkt wird dir das auffallen. Aber dann wird es zu spät sein«, meinte er. »Ich weiß ja, der Wichser ist ein echter Blickfang und die ganzen Tattoos und Piercings und seine Ausstrahlung sind gefährlich und anziehend und so, aber ... Er IST gefährlich und das Leben bei uns ist keine sexy Fantasie.«

Obwohl ich ihn weiterhin nicht ansah, hörte ich zu. Und ich bemerkte gerade, dass er mal wieder recht hatte. Wenn das, was gerade vorgefallen ist, bei denen Alltag war. War ich dann nicht wirklich falsch? Und....

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum.

War es nicht vielleicht schon zu spät?

Es war nicht nur Runes Aussehen, das mich faszinierte. Er war so mysteriös und obwohl er oft ein Riesenarschloch war, konnte er auch ein Gentleman und nett sein. Allein wenn ich an Haru dachte und seinen großen Bruder. Er bezahlte die Krankenhausrechnungen für ihn. Machte das wirklich jemand, der ausschließlich skrupellos war?

Ich atmete tief ein und wieder aus.

Hatte ich womöglich nur diese zwei Möglichkeiten?

Wenn schon lieb ich bei ihnen, bei Rune und sah bei all dem Scheiß weg.

Oder ich beendete das jetzt sofort, hielt mich fern und vergaß alles, was ich bisher gesehen hatte.

Bei der letzten Möglichkeit spürte ich ein stechen in meinem Herzen.

Scheiße.

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