Teil 14
14 - Kiana
Mit verheulten Augen starrte ich mein Spiegelbild im Aufzug an.
Ich sah scheiße aus. Meine Haare zerzaust, mein T-Shirt-Kleid hatte Flecken vom Hinfallen. Mein Gesicht, rot und geschwollen. Meine Augen leer und doch so unendlich traurig. Ich sah diese Frau im Spiegel an und ... Ich hasste sie gerade mehr als alles andere.
Und als mir wieder alles hochkam, obwohl ich mich doch für diesen kurzen Moment bei Nox zusammenreißen wollte, packte ich mich selbst am Hals und wollte mich am liebsten erwürgen.
»Ich hasse dich.«
Ich hasse dich.
ICH HASSE DICH!!!
Meine Hand drückte zu, doch.... Ich konnte es nicht, stattdessen flog die Innenseite meiner Faust mehrmals gegen den Spiegel.
Ich sackte zusammen, hockte auf dem Boden und hielt mich an der Stange des Aufzugs fest.
Mit großen Augen starrte ich auf den Boden. Tränen bahnten sich wieder den Weg und tropften auf meine nackten Knie.
»Scheiße!«, schluchzte ich und biss mir dann hart auf meine Unterlippe.
Wie konnte er nur!
3 Jahre!
Verdammt! 3 Jahre für nichts und wieder nichts!
Ich dachte.... Ich würde endlich aus diesem verdammten Teufelskreis entkommen können.
Dachte, wenn ich heute die ganzen 5 Riesen an diese Penner übergebe, dass ich frei wäre....
»Kann ich nicht einfach endlich verrecken?«, schluchzte ich.
Ich hasste mich, meinen Dad und diese Penner. Ich hasste gerade einfach alles und jeden.
Ich war an meinem Limit.
3 verdammte Jahre habe ich mein Maul gehalten und alles abbezahlt.
Ich hasste es so!
Der laute Ton des Aufzugs, dass mir sagte, dass wir im genannten Stock angekommen waren, ließ mich aufschrecken. Schnell erhob ich mich, wischte mir mehrmals über die Augen und trat in die Wohnung, als die Türen aufgingen.
Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich es schaffte, meine Stimme zu beruhigen.
Ich wollte Nox nicht weiter mit all dem belästigen.
Ich war eh zu weit gegangen, dass ich hier überhaupt aufgetaucht bin und das ich jetzt wieder hier bin, lag nur an dem Versprechen, das ich ihm gegeben hatte.
»Nox ... ich bin wieder da, genau wie ich es versprochen habe«, informierte ich ihn und meine müden Augen suchten ihn.
Kurz so tun, als wäre alles in Ordnung und dann weg hier.
Er saß auf der Couch und schaute auf den Fernseher. Ein Arm auf der Lehne, in der anderen ein Bier, zwischen den Lippen eine Kippe.
»Das sehe ich.« Seine Augen wanderten zu mir und er sagte gefährlich leise: »Und jetzt redest du.«
Ich musterte ihn verwirrt. »Was ... meinst du mit reden?« Meine Hände begannen wieder zu zittern, weshalb ich sie hinter meinem Rücken versteckte.
Er zog an der Zigarette und richtete sich auf. Langsam griff er hinter sich und zog eine Pistole aus seiner Hose. Er legte sie auf den Sofatisch. Den Lauf in meine Richtung.
»Setzt dich. Sag mir, wo du warst.«
Als ich die Waffe sah, fing mein Herz schneller an zu schlagen.
Wieso wollte er das auf einmal wissen?!
Was sollte das?!
Meine Augen fanden wieder seine bernsteinfarbenen Augen und ich bewegte mich langsam auf den Sessel schräg neben ihm hin. Ich setzte mich und schluckte schwer.
»Ich ... Ich war nur bei meinem Dad. Ich ... Ich ... Ich«, stotterte ich überfordert. Meine Augen wieder auf die Waffe. »Ich zahl dir das ... das Geld zurück. Ich schwöre es!«
»Vergiss doch mal«, zischte Nox dunkel, »dieses beschissene Geld, Püppchen. Nichts könnte mich weniger interessieren. Das Penthouse hat 10,5 Mille gekostet, meine Autos sind insgesamt sicher genauso viel wert. Fuck, wahrscheinlich würde ich, wenn ich nur drei paar meiner Anzüge verkaufen würde, so viel Geld bekommen, wie ein Normal-Verdiener in einem ganzen Jahr. Ich. Bin. Multimillionär. Ich scheiße auf 5.000. Das ist für mich Trinkgeld - und noch nicht mal ein besonders Großes.« Er lehnte sich vor und strich mit dem Finger über die Waffe. »Was ich wissen will, ist, was du mit Johnny und Chris zu schaffen hast?«
Ich starrte ihn an und das mehrere lange Sekunden. Ich konnte ihn nur anstarren, versuchen, zu verstehen, was er gerade sagte.
Jonny?
Chris?
Geldeintreiber.
Wieso ... kannte er die beiden ...
Nein! Die wichtigere Frage war: Wieso wusste er, mit wem ich mich traf?
Als ich langsam begriff und es in meinem Gehirn ankam. Weiteten sich meine Augen und ich stand ruckartig auf.
»Ich gehe!«, sagte ich komplett überfordert von allem.
Ich drehte mich herum und rannte regelrecht zum Aufzug.
Soll er doch schießen.
Sollte er richtig treffen, bin ich zumindest endlich diese ganzen verschissenen Probleme los.
Ich kam beim Aufzug an und drückte den Knopf unentwegt.
Schnell weg.
Einfach nur weg.
Ich hörte, wie er die Pistole vom Tisch in die Hand nahm und lud. Ein Klacken ertönte und er stand binnen einer Sekunde vor mir. Den Lauf an die Unterseite meines Kinns gedrückt, sodass ich den Kopf heben musste.
»Was hast du mit diesen Kerlen am Hut?«, fragte er.
Wieso will er das wissen?! Was will er denn von mir?!
Wenn es nichts mit den 5 Riesen zu tun hat, weil er ja so reich ist, wieso will er das dann wissen?!
Ich tastete mit meinen Händen die Wand ab, auf der Suche nach Halt und drückte mich dabei selbst an diese heran. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich hatte das Gefühl, das ich mich gleich übergebe.
Ich konnte nicht mehr.
Ich sah Nox an. Und während ich ihn ansah und in seinen Augen Feindseligkeit erblickte, stiegen mir die Tränen in die Augen.
Ich war allein. Allein mit all diesem Scheiß.
»Ich ... ich ... ich schulde ihnen Geld«, setzte ich an und die Tränen rollten über meine Wangen. »Mein Vater ... schuldet ihnen Geld ... er ist spielsüchtig«, schluchzte ich.
Nox legte den Kopf schief und trat näher. »So was in der Art dachte ich mir schon, als du dich, nach dem Treffen mit diesen Hurensöhnen, noch mit deinem besoffenen Vater getroffen hast.« Er bis die Zähne zusammen und ließ die Waffe sinken. »Wie viel schuldest du, oder besser dein Vater, ihnen?«
»Was?«, fragte ich. Er war mir also tatsächlich gefolgt. »Wieso bist du mir gefolgt?« Mir liefen immer noch die Tränen und eigentlich war es so unwichtig im Gegensatz zu dem, was mein Vater getan hatte.
Er lachte tonlos. »Denkst du nicht, wenn einer meiner Mitarbeiter zu mir nach Hause kommt, und mich um Geld anbettelt, das er dummerweise wegen falschem Stolz, oder einer kindischen Trotzphase abgelehnt hat, mache ich mir nicht so meiner Gedanken?« Er ließ die Hände sinken und steckte die Waffe weg. »Du hattest Angst. Und mich hat eben interessiert, vor was. Und jetzt, sag mir, verdammt noch mal, wie viel du ihnen schuldig bist.«
Er sagte das so ruhig, als wäre das normal für ihn. Als könnte es jedem Mal passieren. Meine Unterlippe zitterte und in dem Moment, als ich ihm die Summe von 100.000 nannte, brach alles über mich zusammen. Meine Beine ließen nach und ich sackte auf den Boden. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und weinte laut.
Wie um Gotteswillen sollte ich so eine hohe Summe abbezahlen.
Nox zögerte nicht, ging in die Hocke und hob mich auf. Während ich einfach weiter vor Verzweiflung weinte, setzte er mich auf die Couch und lief dann in die Küche. Er nahm sich ein neues Bier und trank davon, bevor er mir einen Kaffee machte und ihn mir vor die Nase stellte.
Vor dem Sofa stehend, sah er auf mich, das schluchzende Etwas und sagte: »Rune.«
Ich wischte mir immer wieder die aufkommenden Tränen weg und sah dann zögerlich zu ihm auf.
»Was?«, fragte ich und schniefte.
»Rune«, wiederholte er. »Das ist mein Name. Mein echter Name. Rune Costello.«
Ich sah ihn noch einen Moment verwirrt an. Bis ich verstand.
»Was?!«, fragte ich nun lauter. »Du hast mir einen falschen Namen genannt? W- wieso?«
Was sollte das?! Wieso hieß er nicht Nox? Aber... hatte die anderen ihn nicht auch Nox genannt?
Ich verstand es nicht.
Nox... oder Rune, wie er anscheinend wirklich hieß, nippte wieder an seinem Bier.
»Es ist ein Pseudonym. Wie Lady Gaga«, erklärte er. »Rune ist mein privates ICH. Kaum jemand kennt meinen richtigen Namen und das ist ... wichtig.«
Ich wischte mir noch einmal die letzten Tränen weg und musterte ihn.
»Ich verstehe...«, meinte ich nachdenklich. Dann beugte ich mich vor und nahm dankend den Kaffee zwischen meine Hände. Die heiße Tasse versuchte, meine kalten Finger zu erwärmen, was nicht ganz funktionierte.
»Und...« begann ich, nachdem ich einmal an dem Kaffee genippt hatte. »...wieso darf ich ihn jetzt erfahren? Und wieso ist das wichtig, dass kaum jemand den Namen kennt?«
Ich sah ihn an. Und dieses neue Wissen, lenkte mich ab und machte mich mit der letzten Kraft, die ich für heute noch übrighatte, neugierig.
Er musterte mich, befeuchtete seine Unterlippe und zog sie einmal in den Mund.
»Für das, was sich mache, ist es einfacher Nox zu sein als Rune«, erklärte er vage. »Nox ist eine Rüstung. Eine Person, die ich tragen kann und wenn ich am Ende des Tages nach Hause komme, ausziehe und wegpacke. Meistens zumindest.«
Ich trank den Kaffee und seufzte innerlich. Der Kaffee tat gerade so gut.
»Und du hast jetzt entschieden, nachdem du mich in meiner armseligsten Situation vorgefunden hast, dass ich es Wert bin, deinen wahren Namen zu erfahren?«
Rune lehnte sich an seine Wand, dem Sofa gegenüber. »An deiner Situation ist nichts armselig. Oder hast du einen arschvoll Geld verzockt? Sitzt du jeden Tag rum und kippst dir literweise Alk hinter die Birne?« Er sah mich ernst an. »DU arbeitest dir den Arsch ab, für jemanden, der DICH in die Scheiße geritten hat. Armselig bist nicht du in der Geschichte, sondern dein beschissener Vater.« Rune knurrte. »Also sag das nie wieder von dir selbst. Deine Situation ist nicht deine Schuld.« Er stieß sich ab und trat auf mich zu, stellte sich dicht vor mich. »An deiner Stelle hätte ich schon jede Menge Kugeln in jede Menge Köpfe geschossen. Und die Erste hätte deinen Vater getroffen.«
Ich folgte ihm mit meinen Augen, bis er vor mir stand.
Was redet er da?
»Ich danke dir für deine Worte. Doch ... es betrifft meine Familie und-«. Ich brach ab, es war dumm. Er hatte natürlich recht. Aber... »Mein Vater braucht mich. Ich kann ihn nicht verlassen, wie meine Mutter es getan hat«, meinte ich nun ernst und erhob mich dann. Aber weil Nox ... nein ... Rune über einen Kopf größer war als ich, drehte ich mich herum und stieg auf die Couch. Nun war ich ein Stück größer als er. »Und ich werde niemanden umbringen. Für euch scheint es ja normal zu sein, den Leuten eine Kugel in den Kopf zu jagen, die ihr loswerden wollt oder nicht mögt. Aber für mich nicht, ich töte keine Menschen. Ich ...« Ich hielt inne, sah ihm direkt in die Augen. »Ich ... schaff das«, meinte ich, so blond wie ich nun mal war. »Ich habe es die letzten drei Jahre geschafft, dann schaff ich das auch jetzt ... ja ...« Ich wurde immer leiser, bis ich verstummte.
Man sah mir an, dass ich selbst nicht mal daran glaubte.
Es war hoffnungslos.
Diese Summe konnte ich nicht zurückzahlen. Ich würde mehr als ein Jahrzehnt brauchen.
Rune hob die Hände und ließ sie langsam meine Beine hinaufwandern, bis er sie in die Falten legte, an denen mein Arsch anfing. Zu mir aufsehend fragte er: »Warum gehst du davon aus, dass ich schon jemanden getötet habe?« Seine Finger massierten meinen Hintern. »Warum denkst du, es sei normal? Weil ich eine Waffe habe?« Er lachte. »Mit einem Waffenschein kann sich jeder legal eine kaufen. Ich bin nur der Besitzer eines Clubs. Mehreren Clubs.« Er packte mich, hob mich von dem Sofa und zwang mich, die Beine, um seine Hüfte zu legen, während er mich am Hintern packte und hielt. »Dein Vater ist ein Arschloch, Kiana. Und als er dich geschlagen hat ...«, Rune hob den Kopf und knabberte an meinem Kinn. »Ich hätte ihn gerne umgebracht. Man schlägt seine Tochter nicht. Man schlägt keine Frauen im Generellen. Es sei denn, sie bitten einen darum.« Seine Zunge fuhr meinen Hals entlang. »Es sei denn, sie wollen es.«
Ich hatte automatisch meine Arme um seinen Nacken gelegt und sah ihn erregt an. Ich wollte doch nicht mehr so auf seine Berührungen reagieren.
Wieso hatte er so viel Macht über mich?
Heute war ein beschissener Tag und doch ... wollte ich mit ihm schlafen.
Ich seufzte sinnlich und meine Lieder flatterten. »Ich glaub dir kein Wort.«
Bitte mehr.
Berühre mich.
Küsse mich.
Nimm mich.
Nein!
Ich hatte andere Probleme.
Aber ... Gott, ich wollte es!
Ich sah ihn wieder an.
Ich wollte ihn!
Ich legte begierig meine Lippen auf seine und öffnete sofort meinen Mund, um ihm Einlass zu gewähren.
Ich stöhnte in den Kuss.
Drückte meine Mitte stärker gegen seine Männlichkeit. Es hatte noch nicht einmal richtig begonnen und doch war ich feucht.
Rune grinste in den Kuss. »Du denkst, ich lüge?«
»Ich denke das nicht nur, ich weiß es«, erwiderte ich zwischen mehreren Küssen. Dann drückte ich mich von ihm weg. »Das ist ...« Ich atmete schwer. Mein ganzer Körper schrie nach ihm, aber mein Verstand kam mir dazwischen. »Das ist nicht richtig. Ich ... Cal, er hat recht. Ich sollte mich von dir fernhalten«, meinte ich zwar, aber meine Augen starrten auf seine Lippen.
Gott diese goldenen Ringe daran machten mich verrückt. Meine Augen wanderten über seine Tattoos im Gesicht und weiter runter zu seinem Hals. Langsam berührte ich mit den Fingern den Schmetterling direkt an seinem Kehlkopf. Dasselbe tat ich mit dem geflügelten Panther, der auf einer Mondsichel saß, und seitlich an seinem Hals bis hinter sein Ohr reichte.
»Geh, es hält dich keiner auf«, meinte er gelassen und hob den Kopf an, sodass ich seinen Hals besser betasten konnte. »Ich finde jemand anderen, mit dem ich mir die Zeit vertreiben kann.«
Ich sah von seinen Tattoos hoch in seine Augen. Er würde also jemand anderes finden? Es war also nichts Besonderes, dass er mir seinen Namen verraten hatte?
Ich war nichts Besonderes.
Ich nickte verstehend. »Natürlich.«
Ich drückte mich weg, sodass er mich runterlassen musste, und zeigte auf den Kaffee.
»Danke«, meinte ich knapp und lief Richtung Aufzug.
Rune lachte und packte mich. »Warum der vorwurfsvolle Ton? Hast du nicht eben gesagt, du solltest gehen?« Er sah auf mich hinab. »Wenn es nach mir ginge, würde ich dich wohl den ganzen Tag so hart ficken, dass du weder laufen noch sprechen könntest. Jeden verdammten Tag. DU hast gesagt, du willst das nicht.« Seine Augen funkelten mich an. »Ich bin dein Boss, du meine Angestellte. Wenn wir ficken, ist es eine rein berufliche Affäre, richtig? Oder was ist das-«, er deutete zwischen uns hin und her, »Für dich?«
Ja, was war das zwischen uns? Interpretierte ich hier etwas mehr rein, als ich es tun sollte und wollte?
Er war mein Boss. Er wollte also nur eine berufliche Affäre. Nicht mehr und nicht weniger.
Aber wieso schmerzte die Vorstellung, dass er mich wegwerfen könnte, wenn er genug von mir hatte?
Eigentlich hatte ich auch keine Zeit für so was. Ich musste ... Arbeiten.
Es würde nie ein Ende haben.
Ich nie frei von all dem sein.
Hunderttausend.
Ich war wirklich dumm.
Ich begriff gerade, dass ich einen kurzen Augenblick geglaubt hatte, dass ich für ihn etwas Besonderes wäre. Aber wir kannten uns gar nicht. Es war naiv und verzweifelt von mir.
Er war mein Boss und fertig.
Ich befreite mich aus seinem Griff und setzte ein Lächeln auf. Es war so unecht wie alles andere auf der Welt auch.
»Nichts. Es nichts für mich. Und ich werde jetzt gehen. Ich bin müde und muss mir höchstwahrscheinlich einen dritten Job suchen.« Ich lachte, obwohl das null lustig war. »Ich danke dir wirklich für diesen kurzen Moment, wo du dich für mich und meine Probleme interessiert hast.«
Dann wandte ich mich ab und drückte auf den Knopf des Aufzuges.
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