Kapitel 5, Schuldgefühle, Seoul, Gangnam-gu, 26.07.2020

Kapitel 5

Schuldgefühle, Seoul, Gangnam-gu, 26.07.2020


Hallo ihr Lieben. Ich hoffe euch geht es gut. Heute beglücke ich euch mit einem neuen Kapitel, wo mal wieder viele Tränen vergossen werden. *Taschentücher und Kekse bereitstell*

Ich weiß es ist keine leichte Kost. Es sind viele verschiedene Gefühle, die auf die Member von BTS zurzeit einpreschen und das wird leider auch noch eine Weile dauern, bis sie überhaupt begriffen haben was hier passiert ist. Aber sie geben ihr Bestes irgendwie mit der Situation umzugehen. Ich hoffe wirklich, dass ihr durch die verschiedenen Einsichten in die Charaktere diese gut nachfühlen könnt. Es werden noch mehr Eindrücke auf euch zukommen und noch mehr Probleme, denen sich die Members nach und nach stellen müssen.

Ich hoffe ihr habt trotzdem Spaß daran diese Geschichte zu lesen und natürlich freue ich mich über jedes Feedback. Ihr könnt mir gerne sagen, ob ihr die Kapitellänge in Ordnung findet, oder ob euch kürzere Kapitel lieber sind – oder längere.

Aber jetzt viel Spaß beim Lesen.

Lg Nick

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Jung Hoseok:

Das Chaos brach aus. Hoseok hatte es nicht sofort bemerkt, die Veränderung, die allein das Nennen von Jungkooks Namen ausgelöst hatte. Er hatte Jimin nicht in die Augen sehen können, als er ihm erzählte was passiert war. Erst als die Hand in seinen Fingern erstarrte und das Piepen der Maschine schneller wurde, zuckte er zusammen und sah auf. Und seine Augen weiteten sich vor Schreck. Was... was hatte er getan?!

Taehyung kam zurück und hatte gerade noch Zeit sich hinzusetzen, als die Tür aufgerissen wurde und zwei Schwestern gefolgt von einem Arzt in das Zimmer stürmten.

„Weg da! Machen Sie Platz!", rief der Arzt und scheuchte sie beide weg von dem Bett. Hoseoks Herz setzte ebenso aus, als er Jimin nun sah. Seine Augen waren aufgerissen aber leer, sein Mund zu einem Schrei geöffnet. Doch kein Ton entkam ihm. Er schrie still und das war vielleicht das Schlimmste was er je in seinem Leben gesehen hatte.

„Er hat eine Panikattacke", klang die harsche Stimme des Arztes über das schrille Piepen der Maschine hinweg, sowie weitere Anweisungen zur nötigen Behandlung. „Schwester Yoon! Bringen Sie die beiden hier raus! Sofort!" Und dann spürte Hoseok nur, wie ein sanfter, aber bestimmter Griff ihn am Oberarm packte und er von der zweiten Schwester in Richtung Zimmertür geschoben wurde.

„Es tut mir leid, aber Sie müssen jetzt gehen. Warten Sie im Wartebereich. Ich komme so schnell wie möglich zu Ihnen." Und dann wurden sie nach draußen geschoben. Taehyung und er. Die Tür fiel zu.

Hoseok war erstarrt, seine Augen aufgerissen. Er hörte noch hektisches Rufen von drinnen und dann drehte er sich um, presste sich eine Hand auf den Mund. Er starrte nun Taehyung an und dieses Mal schimmerten in seinen Augen die Tränen. „Ich... ich wollte das nicht. Ich... ich habe nur gesagt, dass er einen Unfall hatte. Jungkook und er und dass er auch hier ist und..." Nun stand er am Rande einer Panikattacke.



Kim Taehyung:

Allerdings merkte er erst viel zu spät, dass hier irgendetwas mächtig schieflief, weswegen er völlig verstört und überfordert aufblickte, als die Tür aufgerissen wurde und sie zu Jimin stürzten. Sein Mund stand etwas offen und seine Augen waren ganz groß. Er verstand überhaupt nicht was hier passierte.

Er war aufgesprungen, sah auf seinen besten Freund - geschockt. Was war passiert? Er konnte nicht folgen und so ließ er sich auch völlig anstandslos aus dem Raum verfrachten. Sein Blick glitt zu J-Hope, der ebenfalls ziemlich erschrocken schien. Bei einem Blick in dessen Augen war klar, dass er jetzt dran war für den anderen da zu sein. Es war schließlich seine Schuld, dass er ihn damit alleine gelassen hatte.

Tae wollte gerade nach Hoseoks Hand greifen, da presste er diese gegen seinen Mund. Tief atmete er durch, griff trotzdem nach seiner Hand und zog ihn dann in eine feste Umarmung. Seine Hand verschwand in Hoseoks Haar und drückte dessen Kopf gegen seine Schulter.

"Sht... es wäre so oder so passiert... Hättest du es ihm nicht gesagt... dann hätte es ein anderer getan, oder er hätte sich selbst daran erinnert... Es wird alles wieder gut... ", hauchte Taehyung gebrochen, ebenfalls schon wieder den Tränen nahe. Aber er versuchte sich zusammenzureißen, einer musste jetzt stark sein, sie konnten nicht alle zusammenbrechen, sonst wäre niemand mehr da, der ihnen wieder aufhalf.



Jung Hoseok:

J-Hope war wirklich wie erstarrt und eingefroren, zu überfahren von dem, was er eben gesehen hatte. Und erneut drohten die Schwestern an diesem Tag Zeuge eines Zusammenbruchs zu werden. Denn nun war es Taehyung, der Hoseok auffing, ihn fest an sich zog und dessen Kopf an seinen Hals drückte. Dieses Mal perlten bei ihm die Tränen. Aber er brach nicht so zusammen wie Taehyung, sondern stiller, irgendwie gefasster.

„So eine verfluchte Scheiße... warum wir, Taehyungie... warum sie?", schluchzte er gegen Taes Hals und ließ es das erste Mal an diesem Tag zu, dass er weinte. Er krallte sich an Taehyung fest, gab sich kurz die Blöße und presste seinen Kopf an seine Schulter. Was für ein Bild mussten sie abgeben... es war niemand gestorben, doch der Druck, der überwältigende Druck, dem sie ausgesetzt gewesen waren, die Spannungen der letzten Monate und die Streite. Wenn 2018 für sie schon hart gewesen war, was war dann das hier?

Hoseok beruhigte sich schneller als Taehyung, aber er war noch lange nicht gefasst genug um irgendwie klarzukommen. Herrgott, wenn das so weiterging, konnten sie gleich noch zwei Betten neben das von Jimin stellen. Oder fünf... wenn er nur wüsste, wie es Namjoon, Jin und Yoongi ging. Er verstand nun, wieso Taehyung es nicht ausgehalten hatte bei Jimin zu sein. Der Blick in seine Augen, der Schmerz und die Verwirrung. Auch er hatte es nicht gekonnt. Sie beide waren zu schwach und zu beschämt um in diesem Moment für ihn da zu sein.

Die Tür zum Jimins Zimmer öffnete sich und die Schwester, die sie eben noch hinausgeschoben hatte, kam heraus. Sofort fuhren sie beide herum und sie brauchten keine Frage stellen. Sie sahen das Mitleid und Verständnis in den Augen der Frau, die vielleicht in ihren Mitt-30igern war. Sie schenkte ihnen ein kleines aufmunterndes Lächeln.

„Mr. Park schläft jetzt. Dr. Lee ist noch bei ihm und untersucht ihn. Aber es wird eine Weile dauern bis wir wieder Besuch zu ihm lassen können. Kommen Sie bitte mit. Er braucht nun absolute Ruhe und Sie auch." Sie hatte etwas mütterliches an sich und wer waren sie, sich ihr zu verweigern. Ja auch sie brauchten Ruhe. Dringend.

Hoseok ließ Taehyungs Hand nicht los, als sie der Frau folgten, die sie in ein leeres Patientenzimmer brachte, das wohl für Familienfälle gedacht war. Hier gab es sogar eine ganze Sitzgruppe für Besucher und zwei Betten statt einem.

„Setzen Sie sich bitte. Ich bringe Ihnen einen Tee zur Beruhigung. Dann spreche ich mit Ihnen." Hoseok nickte müde und erschöpft und ließ sich in einen der weichen und noblen Stühle fallen. Er konnte seine Dankbarkeit gerade nicht in Worte fassen, aber das brauchte er wohl auch nicht. Als die Frau ging, seufzte er gedehnt.

„Wie konnte es nur soweit kommen, Taehyung-ah...?", murmelte er und selbst bei ihm waren die Schuldgefühle zu hören. Er wusste, tief in sich drinnen, dass sie keine Schuld traf. Jimin und Jungkook waren zwei erwachsene Männer und es war nicht so, als hätten sie nicht alle versucht ihnen zu helfen. Aber sie hatten keine Hilfe zugelassen.

Er fuhr sich weiter durchs Haar, den Hut hatte er längst abgesetzt. Wahrscheinlich lag er noch bei Jimin im Zimmer. „Wir haben so viel Scheiße durchgestanden. So viel erlebt... das kann nicht das Ende sein. Bitte sag mir, dass es nicht das Ende ist."



Kim Taehyung:

Taehyung ließ seinem Hyung die Zeit, die er brauchte, die sie gerade beide brauchten, denn für ihn war das Ganze auch noch lange nicht ausgestanden. Es war der Horror und gefühlsmäßig glaubte er sogar, dass es schlimmer war, als wären die beiden gestorben. Das wäre endgültig gewesen. Sie hätten sich damit irgendwie abfinden müssen. Hätten trauern können für sich, oder zusammen. Diese Ungewissheit war tausend Mal schlimmer. Sie wussten nicht, ob Jungkook jemals zu ihnen zurückkehren würde und sie wussten auch nicht wie schwer diese ganze Sache auf den Seelen der beiden lasten würde. Wie schwer die Auswirkungen sein würden, die seelischen und die psychischen Schäden. Die physischen Verletzungen waren dabei wirklich nebensächlich, aber alleine die Tatsache, dass Jungkook an dem Unfall die Schuld trug und Jimin und er nicht die einzigen Opfer waren, würde das Ganze vor allem für ihren Maknae unerträglich machen, denn der Fahrer des anderen Wagens schwebte immer noch in Lebensgefahr. Zumindest hatte er das vorhin irgendwo aufgeschnappt.

So drehten sich seine Gedanken und er glaubte, dass sich bereits der Boden unter seinen Füßen drehte, als auf einmal die Schwester herauskam. Er war regelrecht weggetreten gewesen, weswegen er die Worte seines Freundes gar nicht wirklich mitbekommen hatte. Die Frage hätte er aber eh nicht wirklich beantworten können. Stattdessen ließen sie sich von der netten Schwester auf ein privates Zimmer bringen, wo sich Tae ebenfalls an den Tisch sinken ließ. Dabei zog er die Kapuze seines Pullis über seinen Kopf - soweit, dass man sein Gesicht kaum noch erkennen konnte. Stumm sah er auf seinen Schoß, seine Hände, die er nervös knetete. Er wusste nicht wie er mit dieser Situation umgehen sollte und er wusste auch nicht, ob er wirklich mit dieser Krankenschwester reden wollte. Der Nutzen dahinter war für ihn gerade nicht greifbar. Erst als die Schwester gegangen war, Hobi gedehnt seufzte und dann diese Frage in den Raum warf, sah er zu seinem Freund und zuckte leicht mit den hängenden Schultern.

"Wir hätten hartnäckiger sein müssen...", entkam es Taehyung entschlossen, da er wirklich glaubte, dass sie etwas an dieser Situation hätten ändern können. Sie hätten einfach nur aufdringlicher sein sollen. Sie hätten härter durchgreifen müssen. Sie hätten sie fesseln und fest mit den Köpfen gegeneinanderschlagen sollen. Sie hätten sie in einen kleinen Raum einsperren sollen, wo sich die beiden Idioten endlich mal hätten richtig aussprechen können. Sie hätten sicher geweint, geschrien, geflucht und wären sich dann in die Arme gefallen. Bestimmt. Taehyung wollte an diesem Gedanken festhalten. Daran glauben, dass ihre Beziehung zu retten war.

Bei J-Hopes nächsten Worten, zuckte er leicht zusammen, da er so in Gedanken vertieft gewesen war, dass Hobi ihn tatsächlich erschreckt hatte. Erneut sah er zu ihm, ließ seinen Blick traurig sinken, bevor er ihn wieder ruckartig hob und den anderen fest ansah.

"Nein! Nein! Das wird nicht unser Ende sein. Wir haben 2018 überlebt und wir haben 2019 überlebt - Der Erfolg ist hart, aber zusammen schaffen wir das. Zusammen kämpfen wir uns zurück an die Spitze. Wir müssen nur fest genug daran glauben Hobi - du glaubst doch an BTS - an uns?", fragte er und sah ihn dabei fest an. Er musste einfach. Er durfte sie nicht aufgeben, egal wie hart es war gemeinsam würden sie es schaffen.

Als die Schwester mit dem Tee wiederkam, stellte sie ihn vor ihnen auf den Tisch und entschuldigte sich, da sie leider zu einem Notfall gerufen worden war. Sie ging und ließ sie allein zurück.

Tae seufzte schwer, griff nach einer der Tassen und hielt sie in seinen Händen. Er wärmte seine Hände an dieser und sah hinein. Irgendwie beruhigte ihn der Anblick, weswegen er auch etwas in sich zusammensackte und einfach weiter in die Tasse starrte und schwieg.

Im Gegensatz zu J-Hope, war Taehyung ruhig. Er atmete ruhig und zitterte auch nicht, aber er war gerade auch etwas abgedriftet. Sein Kopf war wie leergefegt, was einer der Gründe war, warum er so still war. Tae sah erst von der Tasse auf - er hatte im Übrigen noch keinen einzigen Schluck davon getrunken - als die Tür erneut aufging. Sofort erhellten sich sein Gemüt, als er Namjoon erkannte.

"Hyung...", entkam es Taehyung erstickt. Wo war seine Stimme hin? Die Tasse sank zurück auf den Tisch, bevor er sich erhob und die drei sich in die Arme fielen. Fest drückte er sich an sie und hielt dabei seine Augen geschlossen. Natürlich spürte er nur zu deutlich, wie ihm erneut eine Träne die Wange herunterlief.

Sie hielten sich eine ganze Weile fest in den Armen, bevor sie sich lösten. Langsam ließ sich Tae wieder auf seinen Stuhl sinken und griff nach der Tasse. Endlich nahm er einen Schluck und stellte die Tasse wieder vor sich hin. Tae hatte Angst etwas zu sagen, etwas zu fragen. Er wollte ehrlich gesagt nicht darüber reden, doch J-Hope wusste zum Beispiel auch immer noch überhaupt nicht wie es um Jungkook stand. Ob Namjoon informiert war, wusste er nicht. Vielleicht war er ja schon bei ihm gewesen. Traurig ließ Taehyung seinen Kopf hängen und fuhr sich mit einer Hand immer wieder über sein Gesicht, welches sich wirklich extrem heiß anfühlte.



Jung Hoseok:

Hosoeks Hände zitterten tatsächlich, als er die Tasse fest umklammerte. Der Schock über das, was mit Jimin gerade passiert war, die Wirkung seiner wenigen Worte. Es hatte ihn tief getroffen, vielleicht tiefer als diese Nachricht am Morgen. Denn er hatte in diesem Moment vielleicht erst begriffen was wirklich passiert war. Das jetzt nichts mehr so war, wie es vorher gewesen war.

Er war nicht er selbst. Es war untypisch für ihn den Mut zu verlieren, war er doch sonst derjenige, der immer noch einen Funken Hoffnung in allem sah. Doch jetzt... gerade jetzt... drohte die Dunkelheit ihn zu überschwemmen, sich tief in ihm zu verankern.

Er sackte leicht nach vorne und ein trockenes Schluchzen kam über seine Lippen. Er drohte den Halt zu verlieren und so warf er diese Frage in den Raum. Und das schien etwas in Taehyung zu wecken. Hoseok zuckte selbst hart zusammen, zischte, als ein Schwappen des heißen Tees sich über seine Hände ergoss. Sofort stellte er die Tasse ab, schüttelte die verbrühten Handgelenke und doch war es auch für ihn wie ein Weckruf. Begleitet von Taehyungs Stimme, die auf einmal so energisch war. Taehyung warf ihm das Rettungsseil zu, welches er ergriff und sich darin festkrallte. Seine Worte peitschten die Dunkelheit hinfort. Es war die kalte Dusche, die er gebraucht hatte. Seine Augen waren geweitet, als er in Taehyungs starrte und das Feuer von ihnen in sich aufnahm.

„Du... du hast Recht. Wir müssen glauben. Wir dürfen nicht aufgeben. Wir schaffen das... irgendwie werden wir das schaffen!" Und dann lächelte er, zeigte zumindest ansatzweise sein typisches Lächeln. Die Hoffnung und das Licht waren wieder da. Er griff erneut nach der Tasse, die jetzt wieder zitterte, weil seine Hände so empfindlich waren, und trank einen großen Schluck. Die Hitze tat gut, wärmte seinen Bauch und unterstützte die kleine Flamme, die Taehyung wieder angefacht hatte. Ein Funken Licht, bereit für Hoffnung und Wärme.

„Danke... danke Taehyung-ah... ich glaube das habe ich gebraucht", murmelte er noch, ehe er wieder in seine Gedanken versank. Doch dieses Mal waren sie etwas leichter.

Unterbrochen wurden sie erneut, als die Tür sich öffnete und die Krankenschwester nochmal zurückkehrte. Doch dieses Mal kam sie nicht allein. Namjoon betrat nach ihr den Raum und als ihre Blicke sich trafen, war es als würde Erleichterung über sie hinwegfließen. Beinahe synchron stellten sie ihre Tassen ab und standen auf, genauso wie Namjoon ein paar wenige große Schritte machte. Und dann lagen sie sich in den Armen, hielten einander umklammert, suchten Trost und Stärke beieinander. Taehyung keuchte erstickt und Hoseok verstärkte den Druck auf seine Hüfte, während er selbst den Kopf gegen Namjoons linke Schulter presste. Dass er nun hier war, war wie eine Befreiung. Er war ihr Leader, die Person, die sie immer angeführt hatte. Er würde sie auch jetzt halten. Das wusste Hoseok. Das war der Glaube und das Vertrauen, welche er in diesen jungen Mann setzte, der sie schon so oft sicher von einem dunklen Pfad zurück ins Licht geleitet hatte.



Kim Namjoon:

Der Morgen kam und damit musste der Schock weichen. Namjoons Augen brannten, waren rot und er hatte dunkle Augenringe. Der Schlafmangel war enorm, aber als sein Handy klingelte, konnte er es nicht ignorieren. Mit einer Stimme, die so rau war, dass man sie kaum erkannte, beantwortete er das Telefonat, schlurfte aus dem Raum um Jin noch etwas Ruhe zu gönnen und lauschte den Worten seines CEOs. Auch in seiner Stimme hörte er die Müdigkeit und Erschöpfung der letzten Nacht. Bestimmt hatte auch er keinen Schlaf gefunden, nachdem sie sich noch einmal kurz gesehen hatten, bevor Namjoon und Jin ins Krankenhaus gefahren waren. Er hörte das Bedauern in dessen Stimme, als er ihm mitteilte, dass sie an diesem Nachmittag alle im Entertainment erscheinen sollten. Er hätte ihnen gerne mehr Zeit gegeben, damit sie selbst erst einmal irgendwie mit dem Unfall umgehen konnten, doch die Maschinerie lief weiter, die Medien wurden verrückt, die Fans ebenso. Sie mussten ein Statement abgeben, besprechen wie es weitergehen sollte. Wie es mit BTS weitergehen sollte.

Namjoon legte auf und stützte sich am Tisch in ihrem Essbereich ab, atmete tief durch.

Er war nicht bereit dafür... würde es auch heute Nachmittag nicht sein. Himmel er hatte es doch selbst noch nicht einmal ansatzweise verarbeitet, verstand nicht, was passiert war. Und doch... er musste weitermachen. Er musste sich dem großen Ganzen stellen, was zu ihrem Leben noch dazu gehörte.

Als er leise Schritte hinter sich hörte und sich umdrehte sah er, dass Jin ebenso schlecht aussah, wie er sich fühlte. „Bang-nim... wir müssen heute Nachmittag alle in der Firma sein", murmelte er und sank dann auf einen der Stühle. Es war halb neun, als er wieder zum Handy griff, erneut alle Benachrichtigungen erst einmal wegwischte, um dann jedem die Adresse und Zimmernummer mitzuteilen.

Dann sah er ratlos zu Jin. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte.

Nach einer Weile konnten sie sich doch aufraffen, duschten, machten sich fertig, frühstückten eine Kleinigkeit, ehe sie sich endlich den Nachrichten stellten und diejenigen informierten, die sie über die Nacht hinweg mit Nachrichten und Anrufen geflutet hatten. Namjoon telefonierte mit seinen Eltern, seiner Schwester, schrieb ein paar wenigen wichtigen Freunden und letztendlich war klar, wo sie nun hinfahren würden. Ins Krankenhaus.

Sie informierten einen ihrer Manager darüber und dieser teilte es dem Krankenhaus mit. So konnten sie bestmöglich durch die nach wie vor immense Menge an Reportern und Fans geschleust werden, die sie natürlich erkannten und begannen mit Fragen zu bombardieren. Als sie endlich drinnen waren, entschieden sie sich getrennte Wege zu gehen. Namjoon würde nach Jimin sehen und Seokjin nach Jungkook, nicht wissend, dass sie auf diesem Weg auch den Rest ihrer kleinen Familie begegnen würden.

Namjoon war gerade dabei den Flur entlang zu gehen, der ihn zu Jimins Zimmer bringen würde, als eine Schwester ihm entgegentrat. „Mr. Kim es tut mir leid, aber Mr. Park wird gerade untersucht und kann keinen Besuch empfangen", sagte sie und Namjoon war zwar einen Moment verdutzt, aber nickte dann. „Das ist kein Problem. Gibt es denn einen Raum wo ich warten kann und gibt es schon Neuigkeiten?", fragte er.

Die Frau musste es ihm angesehen haben, denn sie lächelte, wenn auch ein wenig verkniffen. „Er ist aufgewacht und die Vitalparameter sehen gut aus. Mehr kann ich jetzt aber noch nicht sagen. Das wissen wir erst nach der Untersuchung. Dr. Lee wird zu Ihnen kommen, wenn er fertig ist. Und natürlich... folgen Sie mir bitte."

Namjoon verstand, dass sie sich bedeckt halten musste, weil sie hier auf einem, wenn auch privatisierten und nicht der Öffentlichkeit zugänglichen, Krankenhausflur standen, aber er hatte auch sofort bemerkt, dass da mehr war. Aber die Freude zu wissen, dass Jimin zumindest wieder erwacht war, überwog. So nickte er nur und ließ sich dann von der Frau leiten.

Erstaunt war er allerdings, dass sie ihn nicht in einen Wartebereich brachte, sondern ein anderes Patientenzimmer anstrebte. Mit hochgezogener Augenbraue sah er zu, wie sie anklopfte, die Tür dann öffnete und ihn hineinbat. Und als Namjoon den Raum betrat war ihm alles klar. Vor ihm an einem kleinen Tisch und mit zwei Tassen Tee in den Händen saßen Taehyung und Hoseok, die sich nun umdrehten und ihn ansahen.

Erleichterung, aber auch Schmerz wallte durch ihn hindurch, als er sah wie fertig seine beiden Freunde waren. Ihre Augen waren rot und verquollen und gerade Hoseoks Anblick erschütterte ihn ein wenig. Die Tasse in seinen Händen zitterte so stark und die rote Nase wies darauf hin, dass er erst kürzlich stark geweint haben musste. Ohne der Krankenschwester weitere Aufmerksamkeit zu schenken, ging er mit großen Schritten auf seine Freunde zu, die sich gerade erhoben hatten und schloss sie fest in die Arme. Das war dann wohl auch das Zeichen für die Krankenschwester sich zurückzuziehen und den jungen Männern den Raum zu geben das Erlebte zu verarbeiten.

Namjoon spürte wie seine beiden Freunde sich augenblicklich an ihn pressten, als er sie in die Arme schloss. „Shh... es wird alles wieder gut. Wir schaffen das", murmelte er in Taehyungs Haar, schloss ebenso die Augen und unterdrückte es wieder anzufangen zu weinen. Er musste jetzt für sie da sein. Er musste einfach. Er streichelte sowohl Hoseok, als auch Taehyung durchs Haar und versank selbst für einen Moment in der Kraft ihrer gemeinsamen Umarmung. Sie machte es nicht leichter, vertrieb nicht die Verzweiflung und die große Ungewissheit und Angst, die über ihnen schwebte. Aber für einen Moment machte sie es zumindest erträglicher.

Sie standen eine ganze Weile so zusammen, hielten einander fest und beruhigten somit den großen Kummer, der in ihnen allen wohnte. Dann ganz langsam ließen sie los, kämpften sich zurück in die Realität, mehr oder weniger bereit sich dem zu stellen, was auf sie zurollen würde. Namjoon setzte sich in den dritten der vier Stühle und rieb sich einmal harsch über das Gesicht und wischte damit auch die Flüssigkeit weg, die sich erneut in seinen Augen gesammelt hatte. Gott, er wusste wie scheiße er aussah, wie abgekämpft und müde. Aber das galt für sie alle. Taehyung selbst begann sich nun wieder an der Tasse festzuklammern und etwas zu trinken, während Hoseok einfach nur geradeaus starrte.

Namjoon seufzte, überlegte wo und wie er anfangen sollte. Es gab in solch einer Situation kein richtig und kein falsch, nicht die genauen Worte, die man aussprechen konnte um zugleich beruhigend zu wirken und dennoch das Schlimmste, was BTS jemals widerfahren war, beim Namen zu nennen. Doch er wusste, dass sie genau das von ihm erwarteten. Und so räusperte er sich erneut, spürte wieder den dicken Kloß in seiner Kehle und griff dann erst einmal nach Hoseoks Tasse. „Darf ich?", fragte er rau und erhielt ein Nicken. Er trank selbst einen großen Schluck, des inzwischen nur noch warmen Getränks, welcher nur dazu diente seine Kehle zu befeuchten.

„Ich... ich habe bereits gestern Abend, als der Unfall gerade erst passiert war, davon erfahren", begann er und starrte auf den Tisch. Er fing einfach ganz am Anfang an. „Ein Radiosender hat direkt live davon berichtet. Ich... wollte es natürlich nicht glauben... zuerst. Aber dann... ich habe sofort Jin angerufen. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Wir... wir haben uns im Management getroffen, Bang-nim war auch da. Wir waren alle kopflos, verwirrt, hatten Angst und doch mussten bereits gestern Abend Dinge geklärt werden. Aber Jin und ich sind beinahe direkt ins Krankenhaus gefahren. Jungkook... war noch im OP. Ich... hab erst heute früh erfahren, dass er bereits am Unfallort reanimiert werden musste. Aber die OP verlief gut, er war außer Lebensgefahr. Jimin... Jimin war bereits fertig mit der Untersuchung und auf seinem Zimmer, hat aber noch geschlafen. Wir konnten ihn nur kurz sehen. Hyunsoo ist mit uns hergekommen und hat uns dann in unseren Dorm gebracht. Dann mussten wir beraten. Was wir tun sollten. Es... tut mir leid, dass wir euch erst so spät informiert haben und auch heute Morgen erst sagen konnten, in welchen Zimmern die beiden sind." Er sah auf, blickte den beiden ins Gesicht und sah denselben Schmerz, den er in sich fühlte und Erschöpfung, soviel Erschöpfung. „Wir... Jin und ich... hielten es für das Beste euch zumindest noch eine ruhige Nacht zu gönnen. Wir haben nicht geschlafen." Er hob eine Hand und legte sie sich kurz über seine Augen.



Jung Hoseok:

„Namjoonie... das... ist vollkommen okay... ihr... habt das gut gemacht", murmelte Hoseok und legte eine Hand auf Namjoons Oberschenkel. Er spürte deutlich wie schwer es auch für ihn war. Vielleicht sogar noch schwerer, als für sie beide. Er würde Statements abgeben müssen. Zu gegebener Zeit.



Kim Namjoon:

Namjoon nickte nur dankbar und griff die Hand fest, drückte sie, räusperte sich erneut. „Bang-nim hat heute Morgen angerufen. Heute Nachmittag um drei Uhr müssen wir alle... oder zumindest so viele wie möglich ins Label kommen und bereden wie es weitergehen soll. Wir... müssen Statements rausgeben, Erklärungen... ich wünschte wir hätten mehr Zeit selbst zu verstehen was passiert ist... wie es passieren konnte..." Er brach ab, atmete zittrig ein und aus, denn genau in diesem Moment drückte die Last der Schuld unglaublich schwer auf ihn hinab. Er konnte Taehyung und Hoseok nicht ansehen, weswegen er die Augen zusammenpresste. Himmel ja... er gab sich die Schuld daran! Sie alle taten es! Doch er hätte sie nicht zusammen nach Hause fahren lassen sollen. Allen voran er nicht!

Er schluckte, kämpfte wieder die Tränen zurück, denn er hatte jetzt keine Zeit dafür. Keine Zeit für Schuldgefühle. „Jin... ist gerade bei Jungkook um zu sehen wie es ihm geht. Ich schreibe ihm, dass wir hier sind." Was er dann auch tat. Nach wie vor mit fahrigen Fingern textete er kurz, dass er zusammen mit Hoseok und Taehyung in einem Privatzimmer war und er zu ihnen kommen sollte, wenn er fertig war. Dann herrschte Schweigen. Namjoon wusste nicht weiter. Es gab so viel zu sagen und doch zugleich auch nichts. Weil sie nichts wussten, nichts Konkretes. Sie starrten alle nur ins Leere. Doch dann räusperte er sich, einmal, dann zweimal.

„Es... wird hart. Es wird das Härteste, was wir je durchmachen mussten. Aber wir werden das schaffen. Wir werden es schaffen, wie wir auch die anderen Krisen gemeistert haben." Er griff nach Taehyungs und Hoseoks Hand. „Gemeinsam werden wir das durchstehen und für Jimin und Jungkook da sein. Und für einander. Ihr müsst mir versprechen, dass ihr - wenn euch etwas belastet - ihr sofort zu mir kommt, okay? Wir dürfen nicht... Wir dürfen nicht noch einmal jemanden von uns zurücklassen..." Er beendete den Satz nicht, aber das musste er auch nicht, denn beide wussten wohl genau, was er meinte.

„Wenn ihr Hilfe braucht... egal um was es geht, behaltet es nicht für euch. Sprecht mit jemanden von uns, mit uns allen. Okay?" Er sah sie intensiv an, erst Taehyung und dann Hoseok. Und erst als sie beide nickten, drückte er ihre Hände noch fester, ließ sie aber nicht los.

„Als ich gerade zu Jimin wollte, wurde ich aufgehalten, weil er untersucht wird. Ihr wart bei ihm oder? Wie geht es ihm?"

Schweigen. Für einen Moment herrschte erneut Schweigen. Dann verhärtete sich Hoseoks Griff und er schluckte hart. „Er... er war wach. Und er hat gefragt... er hat gefragt, was passiert ist. Ich... wusste nicht, was ich sagen sollte. Daher... hab ich nur gesagt, dass er einen Autounfall mit Jungkook hatte. Und dann... ist er panisch geworden, hatte eine Panikattacke... Gott... ich hätte es ihm nicht sagen sollen... ich..."

„Nein! Nein... du hast es gut gemacht, Hoseok. Du hast das getan, was wir alle getan hätten. Jimin hätte es so oder so erfahren. Egal von wem... die Reaktion wäre dieselbe gewesen", fuhr Namjoon dazwischen, ließ es nicht zu, dass Hoseok sich in dieser Gedankenspirale verirrte. Ein kurzer Blick zu Taehyung zeigte ihm, dass auch dieser nun mit beiden Händen nach Hoseoks zweiter Hand gegriffen hatte.

„Es ist okay, Hobi. Gib dir nicht die Schuld daran, bitte." Seine Stimme war weich und dennoch eindringlich und Hoseoks Blick lichtete sich etwas, die Dunkelheit milderte sich, als er sich wieder auf ihn fokussierte. Namjoon nickte.

„Bleib bei uns, okay? Taehyung und ich sind hier. Niemand... und ich wiederhole: Niemand hat Schuld an dem was passiert ist. Auch wenn wir uns alle das einreden. Egal ob wir uns alle sagen wir hätten sie nachdem was gestern passiert ist nicht zusammen nach Hause fahren lassen sollen. Aber es ist passiert... und wir können es nicht ändern. Und niemand hat Schuld!" Mit jedem Wort wurde seine Stimme härter, als müsse er sich selbst es nur immer und immer wieder vorsagen. Natürlich würde die Schuld bleiben, für immer. In jedem von ihnen. Aber sie mussten füreinander da sein.

„Wir werden das schaffen. Egal wie hart es wird. Wir werden es schaffen!" Er wusste, dass er nun zum dritten Mal dasselbe sagte, aber er würde es noch hundert oder tausendmal sagen.

Er wollte gerade weitersprechen, als es leise klopfte und die Tür sich erneut öffnete und damit nicht nur Jin... sondern auch Yoongi in das Zimmer traten und schlagartig alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war. Und das, was Namjoon auf beiden Gesichtern sah, dämpfte die gerade aufgekommene Hoffnung wieder gen Null.

„Was... was ist passiert? Ist etwas mit Jungkook?", fragte er nur, alarmiert und doch dazu gezwungen auf eine Antwort zu warten.

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