Kapitel 3, Erwachen, Seoul, Gangnam-gu, 26.07.2020
Kapitel 3
Erwachen, Seoul, Gangnam-gu, 26.07.2020
Wie ihr seht ist der nächste Tag angebrochen. Dieses Kapitel handelt von Jimin und Taehyung. Die ersten Eindrücke und Gefühle der beiden nach dem Unfall.
Ich würde mich über Feedback freuen und würde gerne wissen, ob ihr kürzere oder längere Kapitel bevorzugt.
Viel Spaß beim Lesen
Lg Nick
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Park Jimin:
Der Raum ist hell, erfüllt von weichem und warmem Sonnenlicht, welches durch die bodentiefen Fenster den Weg bis zu dem großen Bett findet. Weich sind die Laken, auf denen ich ruhe, erfüllt von dem herben und doch so wunderbar süßen Duft, der zu einem Gefühl von Heimat und Geborgenheit geworden ist und der deine ist.
Ein vorwitziger Sonnenstrahl kitzelt meine Nase, blendet ein wenig in meinen Augen, als ich sie langsam öffne und ein wenig die Nase krausziehe. Blinzelnd kämpfe ich gegen das helle Licht an, noch erfüllt von der wunderbaren Schwere und leichten Benommenheit eines erholsamen Schlafes.
Leise raschelt die Bettwäsche, als ich mich ein wenig auf die Seite drehe, die Nase tiefer in den weichen Bezug drücke um mehr von deinem lieblichen Duft einzuatmen. Deine Seite ist leer, doch das spielt keine Rolle, denn ich höre deine sanfte Stimme. Sie erfüllt den Raum, ist gedankenverloren und gefangen in dem Song, den du singst.
Du stehst am Fenster. Dein Körper nur als Silhouette, umrahmt von warmem Sonnenlicht, erkennbar. Du hast deinen Kopf leicht gedreht, sodass ich dein Profil erkennen kann. Dein dunkles Haar fällt in leichten Wellen bis in dein Gesicht und du trägst meinen Lieblingspyjama. Ich weiß noch genau, wo wir ihn gekauft haben. Tokyo... vor nicht einmal einem Jahr. Unser Honeymoon, wie die Jungs es scherzhaft nennen. Eine der schönsten Erinnerungen, die du mir geschenkt hast.
Deine Lippen bewegen sich, lassen diesen lieblichen Melodie erklingen, der mich umspült und einhüllt in die Wärme deiner Stimme, die ich so sehr liebe.
Es muss das Rascheln der Bettwäsche gewesen sein, was deine Aufmerksamkeit weckt. Dein Gesang erstirbt und ich bin beinahe traurig darüber, denn ich liebe es, wenn du einfach leise vor dich hin singst. Wenn du glaubst, dass niemand dir zuhört und du einfach ganz bei dir bist.
Doch schon in dem Moment, als du deinen Kopf drehst, unsere Blicke aufeinandertreffen und das Sonnenlicht von der Wärme und Liebe deiner braunen Augen überstrahlt wird, wird auch das Gefühl fortgespült und durch ein ganz anderes ersetzt. Liebe und Hingabe zu dir und das Staunen, dass du wirklich zu mir gehörst.
„Du bist wach? Dabei wollte ich dich gar nicht wecken...", murmelst du und deine Stimme ist noch ein wenig erfüllt von der Rauheit des Schlafes. Und das, wo sie eben solch liebliche Töne von sich gegeben hatte. Ich lächele dir entgegen, bin jedoch noch zu sehr von der Wärme des Bettes gefangen, um aufzustehen.
„Das war schön...", entgegne ich nur und strecke langsam eine Hand nach dir aus. Leise sind die Schritte, als du dich vom Fenster abwendest und zurück zum Bett kommst. Ich spüre, wie sich die Matratze senkt, als du dich auf ihr niederlässt und nach meiner Hand greifst. Unsere Finger verflechten sich miteinander und du hebst sie an um einen leichten Kuss auf meinen Handrücken zu hauchen.
„Wir haben noch so viel Zeit... du kannst noch etwas schlafen", sagst du leise, ganz so, als hättest du Angst, du könntest den Zauber des Morgens zerstören, wenn du lauter reden würdest. Ich lächle dir entgegen, spüre die Wärme deiner Hand und die Weichheit deiner Lippen. Müdigkeit legt sich über mich und die Aussicht tatsächlich noch etwas zu schlafen, klingt einfach wunderbar.
„Nur wenn du noch einmal für mich singst...", murmle ich ruhig und seufze wohlig, als ich deine Hand in meinen Haaren spüre, wie sie sanft hindurchgleitet.
„Natürlich... dann schließe deine Augen...", entgegnest du und wie könnte ich es nicht tun. Meine Augenlider sind noch so schwer, dass sie von allein zufallen. Aber ich weiß, wenn ich erwache, wirst du bei mir sein und mich mit diesem wundervollen Lächeln ansehen.
Deine Lippen senken sich auf meine Stirn, küssen sie sanft und liebevoll.
„Sleep well...
...my beautiful love..."
*
Jimins Vitalparameter waren die ganze Nacht stabil. Immer wieder wurden sie überprüft und für in Ordnung befunden. Er selbst war nicht so ruhig gewesen. Irgendwann, viel später, würde er sich vielleicht an einige Fetzen des Geschehens erinnern.
Bilder, wie er benommen auf der Trage gelegen hatte, während die Notfallsanitäter ihn durch die Krankenhausflure geschoben hatten.
Erinnerungen an ein grelles Licht, das sich in seine Augen gebohrt und sie untersucht hatte.
Bruchtücke von Stimmen, die irgendwas von Autounfall, Schleudertrauma und Gehirnerschütterung gemurmelt hatten.
Angstvolle Momente, als er in die Röhre geschoben worden war, die seinen Kopf und Körper gescannt hatte.
Und eine Erinnerung daran, wie er immer und immer wieder nur ein Wort gemurmelt hatte.
„Kookie..."
Als die Beruhigungs- und Schmerzmittel ihre Wirkung entfalteten und er endlich in einem dunklen Zimmer Ruhe fand, schlief er ein. So tief berauscht, dass es dauern würde, bis er sich an die wachen Momente dieser Nacht würde erinnern können.
Aber er erinnerte sich an diesen wunderschönen Traum. Die Wärme und Geborgenheit, die Liebe und Zuneigung in den Tagen, wo noch alles in Ordnung gewesen war. Die Welt, in die seine Seele sich flüchtete um dem Schrecken zu entkommen, den sie erlebt hatten. Natürlich konnte er nicht ewig fliehen und als die Medikamente langsam etwas abklangen, musste er dieser wunderschönen Welt Lebewohl sagen und sich der Wirklichkeit stellen. Einer Realität, die noch mehr Schrecken beinhaltete, als er es sich je hätte ausmalen können.
Das stete Piepen wurde langsam etwas schneller und seine Fingerspitzen zuckten leicht, während auch sein Gesicht sich etwas verzog und die geschlossenen Augenlider zu zucken begannen.
Eine weiche Unterlage und ein Gefühl von starker Benommenheit begrüßten ihn, als der Schleier sich langsam lichtete und erste Geräusche durch die Stille zu ihm durchdrangen.
Es war nicht länger Jungkooks bezaubernde Stimme, die ihn einhüllte. Ein regelmäßiges Piepen und entferntes Vogelgezwitscher. Und es war auch nicht länger der Geruch ihres Bettes, ihr ganz eigener Duft gepaart mit dem Weichspüler ihres Lieblingswaschmittels, der seine Nase erfüllte. Nein der, der ihn begrüßte war stechend, steril und unangenehm. Er kitzelte in seiner Nase, brachte ihn dazu sie zu verziehen, dann leicht zu zucken, als ein dumpfer Schmerz durch seinen Kopf rauschte.
Jimin stöhnte und fühlte sofort wie rau seine Kehle war, wie trocken und angespannt. Er wollte seine Augen öffnen, doch seine Wimpern waren so verklebt und seine Wangen fühlten sich nass an. Hatte er geweint?
Je weiter er im Prozess des Aufwachens voranschritt, je mehr er seiner Traumwelt entrissen wurde und die Realität auf ihn zurückte, desto unangenehmer wurde es. Sein Kopf schmerzte und als er reflexartig schluckte, spürte er einen Widerstand um seinen Hals. Das Piepen beschleunigte sich weiter. Was war hier los? Wo war er?
Brutal zwang er sich selbst dazu seine Augen zu öffnen und bereute es in dem Augenblick als grelles Licht direkt in sie eindrang. Ein undefinierbarer Laut entwich ihm und er kniff sie wieder zusammen, versuchte eine Hand zu heben um das Licht abzuwehren. Doch sie war so schwer und etwas stach in ihr. Die andere Hand konnte er gar nicht bewegen, denn etwas Stabiles hielt sie umschlossen und in einer starren Position. Panik keimte in ihm auf. Er musste die Augen öffnen, wissen wo er war. Und so kämpfte er unter heftigem Blinzeln gegen das grelle Licht an, spürte wie sich die Tränenflüssigkeit in seinen Augenwinkeln sammelte und ihm dann zwei Tränen über die Wangen perlten.
Weiß... weiß umhüllte ihn. Eine einfach weiße Zimmerdecke. Ein fremder Raum... der Geruch von Desinfektionsmittel... das Piepen. Die Puzzleteile setzten sich langsam zusammen. Er kannte diese Kombination. Ein Krankenhaus? Er war in einem Krankenhaus?
Er versuchte seinen Kopf zu bewegen, doch es gelang ihm kaum und die erste Bewegung jagte einen solchen Stich durch seinen Schädel, dass er vor Schmerz aufstöhnte.
Eine Stimme drang zu ihm durch, dunkel und angenehm, aber so verzerrt, dass er sie kaum erkannte. Sie klang schwer und erstickt, aber sie sprach seinen Namen.
Taehyung... Es war Taehyungs Stimme und die Angst wich ein wenig, aber die Fragen blieben. Die Verwirrung.
„T-Ta-Tae?", fragte er zittrig, versuchte noch einmal den Kopf zu drehen und dieses Mal gelang es ihm ein wenig. Was auch immer um seinen Hals gelegt war, war starr und unangenehm. Und der Schmerz... oh, dieser verdammte Schmerz.
„W-wo... du?" Er konnte kaum sprechen, weil alles so belegt und schwer war. Seine Finger zuckten, suchten nach der Hand seines besten Freundes. Nach irgendetwas Bekanntem in diesem Schrecken aus Weiß und Unverständnis.
Kim Taehyung:
Was zur Hölle war bei ihnen eigentlich los? Seit Wochen, nein, seit Monaten standen sie völlig unter Strom. Vor allem aber ihr Traumpaar. Wann hatte es begonnen? Tae war sich sicher, dass es dieses Bild gewesen war. Das Bild, welches für Schlagzeilen gesorgt hatte und die beiden outete. Es war nicht zu 100% ersichtlich, dass wirklich was zwischen ihnen lief - oder dass es überhaupt die beiden waren, doch die Fragen kamen auf. Man sah sie nur im Hintergrund, leicht verschwommen, aber einige Sachen waren eben unverkennbar. So wie Kookies Handtattoo, oder Jimins auffälliger Ohrring. Es gab einen ordentlichen Shitstorm und die Jungs brauchten einige Tage um sich zu entscheiden welches Statement sie abgeben wollten.
Letztendlich hatten sie sich nach einer Menge Streit - sie hatten das ganze Label zusammengeschrien und es war einiges durch die Gegend geflogen - für das Leugnen entschieden. Es hatte einige Monate gedauert bis sich alles beruhigt hatte, doch seit diesem Tag war die Stimmung zwischen den beiden ziemlich - nun wie sollte er es beschreiben?
Sie war explosiv!
Gefühlt wurde es jeden Tag schlimmer und es kam nicht selten vor, dass beide ihre schlechte Laune an ihnen ausließen. Das Schlimmste an der ganzen Geschichte war, dass die beiden unter der Situation enorm litten. Regelmäßig kamen beide mit geschwollenen Augen zur Arbeit oder sahen sich frostig an. Sie ignorierten und schwiegen sich an. Sie wollten sich nicht öffnen, schienen nicht daran interessiert zu sein, das Ganze zu klären. Es endlich ad acta zu legen.
Es musste endlich aufhören!
Tae hatte schon Angst seinen besten Freund anzusehen, denn er hatte nicht nur einmal Kookies geballte Wut am eigenen Leibe zu spüren bekommen, nur weil er Jimin zu nah gekommen war. Ja, der Jüngste war eifersüchtig, war er schon immer gewesen, doch jetzt war es nur noch krankhaft. Sie riss sie alle auseinander. Das musste endlich aufhören, doch es wurde jeden Tag schlimmer. Immer wieder versuchte Tae Jimin dazu zu bringen mit dem Jüngsten zu reden. Die Wogen zu glätten. Der Stress sorgte für den Rest. Sie standen alle unter enormen Druck und so war es nun wirklich kein Wunder, dass die Bombe explodierte.
Es fing an mit einem Bild. Einem lächerlichen, total unscharfen Bild, auf dem Jimin eng umschlungen mit Taemin tanzte. Ihr Köpfe waren zu nah beisammen und erneut brach ein Shitstorm los, doch dieses Mal glaube Taehyung nicht daran, dass es so einfach aus der Welt zu schaffen war. Bei einem Blick in das Gesicht ihres Jüngsten war ihm klar, dass Jimin einen Schritt zu weit gegangen war.
Vielleicht mochte in der Bar nichts passiert sein, doch Tae sah die Schuld in den Augen des Blonden leuchten. Die beiden standen völlig neben sich und er fragte sich wirklich, wer verdammt nochmal den beiden erlaubt hatte alleine nach Hause zu fahren. Wer hatte Jungkook seinen Autoschlüssel gegeben? Warum hatte sie niemand aufgehalten?
Tae selbst war bereits vor ihnen gegangen, hatte diese ganze Situation einfach nicht mehr ausgehalten und war zu Fuß nach Hause gegangen. Weit hatte er es eh nicht und so hatte er recht zeitig sein Bett aufgesucht und war erschöpft in dieses gefallen, bevor am nächsten Tag seine ganze Welt zusammenbrach.
Wie jeden Morgen weckte ihn sein Radio mit den neusten Nachrichten. Als er dann hörte, dass Jimin und Jungkook einen Autounfall gehabt hatten und man nicht wisse wie es den beiden ginge, saß er kerzengerade in seinem Bett und starrte auf seine Bettdecke.
Bitte was?
Hatte er das gerade richtig verstanden? Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, während sein Körper wie Espenlaub zitterte. Mit seiner bebenden Hand griff er nach seinem Handy und tatsächlich, er hatte eine Nachricht - nicht nur eine, aber nur diese eine war von Bedeutung und sie trieb ihm augenblicklich die Tränen in die Augen.
Es war wahr!
Diese Vollidioten! Was fiel ihnen nur ein? Er würde sie umbringen - eigenhändig! Schwer schluckte Taehyung, wischte sich mit den Händen über das Gesicht und quälte sich aus dem Bett. Er machte sich schnell fertig und begab sich auf direktem Weg ins Krankenhaus.
Mittlerweile wusste er auch was passiert war. Jungkook hatte eine rote Ampel übersehen und sie wurden von dem kreuzenden Verkehr erwischt. Jungkook sollte es ziemlich schwer erwischt haben, wobei er sogar noch vor Ort wiederbelebt worden war. Mittlerweile war er außer Lebensgefahr, aber die Ärzte wussten trotzdem nicht, ob er jemals wieder aufwachen würde. Es war nicht selten, dass Patienten, die ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatten, ins Koma fielen. Doch laut den Werten war er stabil und einem Aufwachen stand nichts im Weg, aber Jungkook wollte offenbar einfach nicht aufwachen.
Sein Blick ruhte auf dem Jüngsten, während seine Hand auf der Scheibe lag. Seine Stirn lehnte ebenfalls gegen diese, während Tränen seine Wangen herunter kullerten. Der Anblick war erschreckend. Er sah aus als würde er schlafen. Das Weiß des Raumes war erdrückend, während die Geräte den Raum füllten. Das Bett stand mitten drin und überall blinkten Lichter. Man konnte gut die Sinuskurve von Kookies Herzschlag sehen. Sie war ganz regelmäßig, während sich sein Brustkorb langsam hob und senkte. Der Schlauch, der an seinem Hals befestigt war, zerstörte dieses friedliche Bild. Wobei auch die ganzen Verbände und Kabel, die an seinen Körper angeklebt waren, dafür sorgten, dass sich alles schmerzhaft in ihm zusammenzog. Die Beatmungsmaske rundeten das Bild eines Intensivpatienten ab. Es war grausam ihn so zu sehen. Völlig weggetreten, seine Augen geschlossen und auf die Hilfe von Maschinen angewiesen.
Die Ärzte hatten ihm bereits gesagt, dass Jungkook nicht lange beatmet werden musste und das nur eine Sicherheitsvorkehrung war. Würden seine Werte stabil bleiben und er selber weiteratmen, dann wäre diese Maschine zumindest nicht mehr notwendig.
Mit seiner anderen Hand hatte er eine Faust gebildet. Wie konnte es dieser verdammte Idiot wagen. Er hatte nicht zu sterben und auch nicht im Koma zu liegen. Er hatte gefällig Jimin glücklich zu machen.
Er hielt das nicht länger aus, weswegen er langsam zu dem Zimmer seines besten Freundes schlurfte. Sachte klopfte er gegen die Tür und trat dann leise ein. Gerade war niemand hier, weswegen er sich den Sessel ans Bett zog und sich auf diesen sinken ließ. Schwer schluckend, zog er seine Beine an seinen Körper, schlang seine Arme um diese und sah den Blonden einfach nur stumm weinend an.
Was sollte er auch tun? Er konnte nur hoffen und beten, dass Beide wieder aufwachten. Dass sie keine bleibenden Schäden hatten. Er hatte Angst - er hatte solche Angst davor, dass Jimin aufwachte. Was sollte er ihm dann sagen? Er ahnte Schlimmes.
Sein Herz schmerzte
Taehyung hockte in die Ecke gelehnt in dem Sessel, bewegte sich nicht, starrte ihn einfach nur an. Sein Kopf war wie leergefegt. Er konnte keinen einzigen klaren Gedanken fassen.Nicht, solange sein bester Freund nicht endlich aufwachen und ihn wieder mit seinem bezaubernden Lächeln anlächeln würde. Er wollte seinen lebensfrohen Jimin zurück. Seinen total verschüchterten Kookie und diese faszinierende Atmosphäre zwischen den beiden.
Wie oft hatte er sie bei V-Lives beschützen müssen, weil sie sich gegenseitig verfallen waren und nicht mehr bemerkten, was sie da preisgaben. Er wollte einfach ihr altes Leben zurückhaben wo sie alle noch glücklich gewesen waren.
Taehyung hatte sein Zeitgefühl verloren. Er hatte keine Ahnung wie lange er hier bereits saß und Jimin einfach nur schweigend und heulend anstarrte. Wie lange er immer wieder Stoßgebete gen Himmel geschickt hatte, oder wie oft er schon verzweifelt aufgeschluchzt hatte.
Jedenfalls erschreckte er sich halb zu Tode, als eine Schwester hereinkam und Jimins Werte überprüfte. Sie hatte ihm nur kurz zugenickt und sich dann direkt an die Arbeit gemacht.
Ob die anderen wohl auch bald kamen? Der Gedanke verflog aber in dem Moment wieder, wo sein Magen lautstark zu knurren begann. Langsam löste er seine krampfhafte Haltung und sah noch einmal zu seinem Besten, bevor er sich dann gänzlich erhob und leise das Zimmer verließ. Seine Füße trugen ihn träge zu der Kantine, wo er sich etwas zu essen und eine Tasse Kaffee besorgte. Da er die Sachen leider nicht mit auf das Zimmer nehmen durfte, aß er schnell vor Ort und trank seinen Kaffee, während er sich seinem Handy widmete, wo er die Nachrichten überflog und dann in ihre Gruppe sah.
>>Bin bei Jimin... leider ist er noch nicht wach... kommt ihr auch?<<
Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern schob sein Handy wieder in die Hoodytasche an seinem Bauch. Danach leerte er die Tasse Kaffee, bevor er das Geschirr wegbrachte und wieder zu Jimin aufs Zimmer ging. Dort klopfte er brav an bevor er eintrat hielt sogleich in der Bewegung inne, als er den Kerl erkannte, der da auf dem Sessel saß und Jimins Hand hielt. Taemin! Was fiel diesem elenden Bastard ein?
„Yah!", entkam es ihm aufgebracht, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte und in den Raum eingetreten war. Dieser Ausruf hatte seine Kehle doch lauter verlassen, als er gedacht hatte, denn der andere zuckte erschrocken zusammen und sah zu ihm auf.
„Lass seine Hand los! Was willst du hier?", fragte Tae knurrend und stierte ihn mit einem bösen Blick an. Er hatte hier einfach nichts verloren, doch Taemin drehte seinen Kopf einfach wieder weg und drückte sich Jimins Hand einfach noch fester an seiner Wange.
„YAH!", schrie Tae schon fast, während er zeitgleich nach Jimins Hand griff und Taemins einfach von ihr schob. Vorsichtig und behutsam, legte er die Hand wieder zurück auf Jimins Bauch und packte den anderen am Kragen.
„Hörst du schlecht? Du! Ausgerechnet du kommst hierher?! Dich will hier keiner sehen! Verschwinde!", fuhr er ihn bissig an und funkelte ihn wütend an.
„Ist ja gut, Taehyung... Ich bin schon weg...", murmelte Taemin, der seine Hände abwehrend hochgehoben hatte und versuchte ihn zu beruhigen. Tae ließ von seinem Kragen ab und ließ ihn schließlich gehen. Sein giftiger Blick folgte ihm und erst als die Tür ins Schloss fiel, entspannte er sich wieder.
Fahrig fuhr er sich durch sein Haar, atmete einmal tief durch und sah dann zu Jimin, der immer noch schlief. Sanft beugte er sich zu ihm hinunter, hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn und strich ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Alles wird wieder gut.. alles wird wieder gut, wir müssen nur fest genug daran glauben... Alles wird wieder gut, Jiminie...", hauchte Taehyung gegen seine Stirn, küsste sie erneut und löste sich dann wieder, nur um sich zurück in den Sessel sinken zu lassen. Er schloss erschöpft seine Augen und döste tatsächlich einfach weg.
Taes Schlaf war unruhig. Es hatte sich ein leichter Schweißfilm über seine Haut gelegt, während sein Kopf hin und her ruckte. Als das Piepsen der Maschinen dann auch noch so alarmierend wurde, riss er seine Augen auf und versuchte einen Punkt im Raum zu fixieren. Was war passiert?
Er brauchte einen Moment bis er begriff, wo er war und was ihn dazu gebracht hatte aufzuwachen. Sofort glitt sein Blick zu Jimin, der ziemlich unruhig geworden war. Tae erhob sich und sah auf den Gleichaltrigen hinab, der in dem Moment seine Augen aufschlug, aber durch ihn hindurchsah. Die Augen wurden kurz darauf wieder zugekniffen, doch dafür wurde die Hand gehoben, die zuvor noch von Taemin gehalten worden war.
Alleine der Gedanke an diesen Kerl ließ Taehyung erschauern. Wäre er nicht gewesen, wäre es niemals derart eskaliert. Es war so viel einfacher einer unbeteiligten Person die Schuld für das hier alles zu geben.
Die Hand fiel schnell wieder zurück auf ihren Platz. Wahrscheinlich, weil Jimin einfach keine Kraft hatte. Sanft griff Tae nach ihr, strich sanft darüber, doch Jimin schien es nicht mitzubekommen. Er schien mit etwas anderem zu kämpfen, weswegen er immer wieder den Namen seines besten Freundes sagte und dennoch nicht reagierte.
Jimin blinzelte heftig und er konnte deutlich die Tränen sehen, die sich aus seinen Augenwinkeln lösten. Der Anblick brach ihm erneut das Herz, weswegen er begann an seiner eigenen Unterlippe zu saugen und draufzubeißen. Ihm kamen ebenfalls die Tränen, weswegen er einen Moment brauchte, bevor er erneut versuchte Jimins Aufmerksamkeit zu bekommen.
Endlich reagierte Jimin auf ihn, weswegen er sich mit seinem Gesicht über seines beugte und seine Hand an seine Wange legte.
„Ich bin hier... ich bin hier, hab keine Angst", hauchte er ihm zu und strich ihm sanft die Tränen weg, während ihm selbst erneut welche kamen, die auf Jimins Gesicht tropften. Wieder presste er seine Lippen fest zusammen, während er versuchte nicht gänzlich in Tränen auszubrechen. Es war so schwer die Beherrschung zu behalten.
„Es wird alles wieder gut. Alles wird wieder gut, hörst du?", fragte er. Wie sollte er die Worte nur glaubwürdig rüberbringen, wenn er langsam selbst den Glauben daran verlor? Es war so schwer und sein Herz blutete, während Jimin offenbar noch nicht in der Realität angekommen war. Er hatte wahrscheinlich noch überhaupt gar keine Ahnung davon, dass sein Geliebter auf der Intensivstation lag und vielleicht nie mehr aufwachen würde. Was war nur zwischen den beiden geschehen, dass Jungkook scheinbar aufgegeben hatte?
Schwer schluckte er und suchte den Augenkontakt zu seinem besten Freund, der den unglaublichen seelischen Schmerz in seinen Augen bestimmt sehen konnte.
„Beweg dich nicht so viel - es wird alles wieder gut", hauchte er trocken und sich damit selbst Mut zusprechend.
Park Jimin:
Jimins Körper war noch schwer und träge von den starken Schmerzmitteln, sein Verstand vernebelt und unklar und er brauchte sichtlich Zeit, bis er auch nur im Ansatz verstand, wo er war. Doch das milderte nicht die Angst und die leichte Panik, die das Piepen der Maschine noch weiter beschleunigte.
Im Moment wusste er noch gar nichts, war vollkommen damit beschäftigt sich irgendwie zurechtzufinden und der Schmerz in seinem Kopf machte es nicht einfacher. Seine Sicht war nach wie vor etwas trüb und doch, in dem Moment, als er es schaffte den Kopf zu drehen, wenn auch nur ein bisschen und Taehyungs leicht verschwommenes, aber unverkennbares Gesicht sich über ihn beugte, wurde er schlagartig ruhiger. Er spürte eine große Hand an seiner Wange, die andere legte sich auf sein. Sein Herzschlag normalisierte sich, wurde gleichmäßiger, blieb aber ein wenig erhöht. Das Taehyung bei ihm war, machte es irgendwie leichter, aber nicht verständlicher.
Jimins Gedanken setzten nur sehr langsam ein, wurden gedämpft von den unterschwelligen Schmerzen und der Schwere seines Kopfes.
Er zuckte minimal, als kalte Tropfen auf sein Gesicht fielen und verliefen. Taehyung sprach und seine Stimme... war erstickt, rau von Tränen, belegt. Er weinte. Taehyung weinte und er litt.
Sofort klickte etwas in ihm und drängte alles andere in den Hintergrund. Das Band, welches sie von Anfang an miteinander geteilt hatten und welches über die ganzen Jahre immer stärker geworden war, setzte ein und weckte nur eines in Jimin: Sein bester Freund, sein Soulmate, litt und er musste für ihn da sein.
So überwand er seine eigene Angst, den Schmerz und brachte einen Willen auf, der in seinem Zustand einfach nur beachtlich war. Mit Mühe brachte er seine Finger dazu sich zu bewegen, legte sie um Taehyuns Hand und schloss sie darum, während seine Lippen Worte der Beruhigung murmelten.
„Shhh... shhh... nicht... nicht weinen, Ta-ta...", murmelte er und lächelte sogar. Es war so grotesk und machte es vielleicht nur noch schwerer, dass ausgerechnet er, der verletzt und verwirrt in diesem Bett lag, ohne die Erinnerung was überhaupt passiert war, nun die Rolle des Beschützers einnahm und alles daran setzte diesen, für ihn so wichtigen Menschen, zu beruhigen. Es machte alles noch schwerer, noch unerträglicher, aber es war die Art, wie ihre Freundschaft funktionierte und um die ihre Freunde wussten.
Zwischen Taehyung und Jimin brauchte es selten viele Worte, wenn es einem von ihnen schlecht ging. Wenn Taehyung weinte oder traurig war, setzten die anderen alles in Bewegung Jimin zu informieren. Und dann brauchte es keine ewigen Erklärungen. Jimin nahm ihn in den Arm, wiegte ihn so lange es eben nötig war und irgendwann ließen die Tränen nach. Auch jetzt wollte er das tun, doch war er zu mehr als dieser einfachen Geste nicht in der Lage. Sein Körper blockierte und jede Bewegung war ein Kampf.
„Ja... ja... das wird... alles... wird wieder gut", murmelte er einfach das nach, was Taehyung ihm sagte, obwohl er noch nicht einmal wusste, was gut werden sollte. Er dachte darüber nicht nach, setzte all seine Kraft nur in das Ziel Taehyung zu beruhigen. Und es kamen keine neuen Tränen, aber der Schmerz, dieser unendliche seelische Schmerz, den Taehyung zu leiden schien, blieb. Er sah es nur verschwommen, doch er spürte es instinktiv.
„Alles... wird gut. Mir... geht es gut... du brauchst... du brauchst nicht weinen, okay?" Wenigstens seine Stimme, wenn auch kaum mehr als ein Flüstern, wurde langsam wieder etwas fester.
Jimin blinzelte erneut. Er konnte sich die Tränenreste nicht wegwischen, aber sie so gut es ging wegblinzeln und ganz langsam wirkte auch das und Taehyungs Gesicht wurde schärfer und klarer. Damit erkannte er aber auch den Ausdruck in seinen Augen und das Begreifen, schnitt tief in Jimins Fleisch.
Er haspelte, verschluckte sich leicht und musste husten. Es tat weh, denn irgendwas war mit seinem Nacken und sein Kehlkopf stieß gegen das Ding, was um seinen Hals gelegt worden war. Eine Halskrause... vermutete er. Was auch sonst in einem Krankenhaus?
Er wollte fragen was passiert war, wieso er hier war, aber er traute sich noch nicht sich seinen Erinnerungen zu stellen. Und so fokussierte er weiterhin Taehyung, versuchte noch einmal zu lächeln, doch es war nur ein schwaches Verziehen der Mundwinkel.
„Ich... ich bin doch... wieder da... also... alles gut", versuchte er es weiter und langsam aber sicher konnte er die Kraft nicht mehr halten und der Druck seiner Hand ließ nach, als ihm das Gefühl aus den Fingern wich.
„Atmen... Tae... einfach... atmen..."
Kim Taehyung:
Taehyungs Blick ruhte auf Jimin, der sich langsam zu beruhigen schien. Zumindest sagten dies die Geräte, die ihn überwachten. Doch das änderte nichts an der eigentlichen Situation, weswegen die Tränen auch unaufhaltsam auf den anderen tropften. Er hatte es einfach nicht aufhalten können. Wie auch?
Seine Worte waren trotzdem positiv, an der Hoffnung festhaltend. Er musste ihm einfach gut zusprechen, aber als er den Druck an seiner Hand spürte, wurde sein Herz nur noch schwerer. Die gemurmelten Worte taten ihr übriges, denn augenblicklich brach er gänzlich in Tränen aus. Er schlug sich die Hand vor den Mund, während ein herzzerreißendes Schluchzen seine Kehle verließ. Wie konnte Jimin so etwas in dieser Situation sagen? Es war völlig verrückt und er wusste auch, dass Jimin es nur gut meinte, dass er ihn nur beruhigen und trösten wollte, doch das machte es nur noch schlimmer.
Tae hatte sich wirklich bemüht nicht zu weinen, für seinen besten Freund stark zu sein, doch jetzt waren die Dämme gebrochen. Die Fürsorge, diese Liebe, die er ihm entgegenbrachte, brachen ihm das Herz, denn er – ja, verdammt er - hatte es nicht geschafft seinen besten Freund vor dieser Tragödie zu beschützen. Wie konnte er sich jemals wieder selbst in die Augen sehen? Er hatte zugelassen, dass er mit Jungkook nach Hause gegangen war, er war nicht einmal dagewesen um ihn wenigstens davon abzuhalten. Er war ein verdammter Schwächling gewesen, der aufgrund der zermürbenden Situation einfach abgehauen war. Er hatte die Flucht ergriffen und war nicht für Jimin dagewesen, als er ihn womöglich am meisten gebraucht hätte.
Die Schuldgefühle zerrissen ihn fast, während Jimins nächste Worte ihn doch glatt auflachen ließen. Ihm ging es gut? Bei einem Blick auf den anderen, presste er fest seine Lippen aufeinander und schüttelte dann den Kopf.
„Nein... nein, dir geht es nicht gut...", entkam es ihm heiser, während seine Hand sich endlich wieder an Jimins Wange legte. Sanft strich er mit dem Daumen über diese und sah ihn einfach nur an. Kurz löste er die Hand noch einmal und wischte sich damit selbst über sein verheultes Gesicht, bevor er sie an seinem Oberteil abwischte und sie dann erneut sanft an seine Wange legte.
Als Jimin sich dann jedoch verschluckte, zuckte er erschrocken zurück und musterte ihn besorgt. War alles okay?
Jimin erwiderte seinen Blick und versuchte ihm ein Lächeln zu schenken, was ihn ebenfalls lächeln ließ. Allerdings geriet es etwas traurig. Es war so makaber.
Schließlich löste er sich von Jimin und setzte sich zu ihm auf das Bett. Da Jimin seine Hand nicht mehr festhielt, zog er nun beide Hände zurück und vergrub sein Gesicht darin. Er brauchte einen Moment, bevor er sich gefasst hatte, dann strich er Jimin erneut sanft über die Wange, nachdem er sich wieder zu ihm gebeugt hatte.
„Ich hol eine Schwester, vielleicht befreit sie dich ja von der Halskrause... und ich gehe dir Wasser holen...", sagte er, erhob sich dann aber und verließ das Zimmer. Er hielt das gerade keine Sekunde länger aus. Er wollte einfach nur noch schreien. Die Schuldgefühle überforderten ihn und nahmen ihm jede Möglichkeit klar zu denken, deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass er im Flur - nachdem er die Tür von Jimins Zimmer geschlossen hatte - auf den Boden sackte und erneut in Tränen ausbrach. Er hockte auf dem Boden, das Gesicht an seine Beine, die Arme auf den Kopf gedrückt.
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