Kapitel 29, Die Pressekonferenz: Zweisamkeit, Seoul, Gangnam-gu, 17.08.2020

Kapitel 29

Die Pressekonferenz: Zweisamkeit, Seoul, Gangnam-gu, 17.08.2020

Hallo meine Lieben,

willkommen zurück. Heute geht es wieder mit Sope weiter. Werden sie endlich über das reden, was geschehen ist, oder werden sie es totschweigen? Über Feedback und ein Sternchen würde ich mich sehr freuen. Es interessiert mich brennend, was ihr von der Entwicklung zwischen den beiden haltet, oder nervt es euch sogar, dass es jetzt schon wieder um Sope geht?

*Kekse und Taschentücher bereitstell*

Lg Nick [Hobi]

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Min Yoongi:

Yoongi hatte sich nicht getäuscht, denn kaum, dass die Worte aus ihm herausgeplatzt waren, hatte Sejin ihn zu sich in das Zimmer geholt. Das Bild, welches sich ihm bot, war auf zweierlei Weise verstörend und schmerzlich zugleich. Jimin lag wie ein Engel in dem Bett. Sein Gesicht war befreit von all dem Make-up und man hatte ihn umgezogen. Sein Haar fiel nun sanft in sein Gesicht, welches das erste Mal seit langem frei von all den Sorgen war, die Yoongi stets an ihm gesehen hatte. Seine Stirn war glatt, seine Augenbrauen nicht zusammengezogen. Er schlief, genauso wie Jungkook ausgesehen hatte. Es sah so aus, als würde er einfach morgen früh wieder erwachen, nur um in die Hölle zurückzukehren, in der er nicht zurechtkam. Yoongi wünschte sich beinahe für ihn, dass er nicht aufwachen würde und genauso wie Jungkook einfach so lange schlief, bis das alles vorbei war. Ein Gedanke, den er bezogen auf sich selbst so oft gehabt hatte in den letzten Wochen. Die Schlaftabletten, die er in seinem Studio deponiert hatte, waren sein Notausgang für jeden möglichen Fall.

Dann glitt sein Blick zu Hoseok, dessen Anblick allein sein Herz schwer machte. Wie er da auf dem Sofa lag, schlaff und so verdächtig ruhig. Seine Hand gegen das Licht gestreckt und sein Blick starr auf die Decke gerichtet. Und doch waren seine Augen furchtbar gerötet und Yoongi brauchte keine Erklärung. Er hatte Hoseok allzu oft zusammenbrechen und sich in einer Panikattacke verlieren sehen. Man hatte ihm ein Beruhigungsmittel verabreicht. Er war nicht weggegangen, um allein zu sein. Nein, er war zu Sejin gekommen, um ihm sein Herz auszuschütten. Die Rolle, die Yoongi hätte übernehmen sollen.

Hoseoks Bewegungen waren ungewöhnlich langsam, als Sejin ihm von den Neuigkeiten berichtete. Wie er den Kopf schief legte und Sejin versuchte anzusehen, jedoch leicht an ihm vorbeiblickte. Er war nicht klar bei Sinnen, verstand nicht, was Sejin ihm wirklich sagen wollte. Doch mit dem, was Hoseok dann tat, hatte niemand gerechnet. Yoongi fühlte sich, als würde er einen Film sehen. Einen, der nicht nur bizarr und seltsam, sondern zugleich unglaublich schwer zu ertragen war.

Hoseok erhob sich, schwankte, drohte immer wieder umzufallen, während er auf das Bett zuwankte, in dem Jimin schlief. Er begann zu brabbeln, einiges deutlich, einiges undeutlich. Und doch war das, was er sagte und wie er es sagte, ein so verzweifelter Anblick, dass er Yoongi wieder die Tränen in die Augen trieb.

„Hoseokie ...", murmelte er leise und unglaublich traurig. Es war zum Verzweifeln! Diese ganze beschissene Situation. Und er konnte gerade nichts tun, als zusehen. Zusehen wie Hoffnung erwachte und wieder erstarb, als Sejin eingriff und Hoseok erneut versuchte klarzumachen, dass Jungkook nicht aufgewacht war.

Erneut wich die Kraft aus diesem sonst so starken und energetischen Körper, der Yoongi so manches Mal hatte glauben lassen keine Knochen zu besitzen, wenn Hoseok wieder einmal die schwierigsten und ausgefallensten Choreografien gemeistert hatte. Jetzt wirkte er einfach nur schlaff und so seltsam ruhig. Aber das war ein Trugschluss. All seine Gefühle waren nur betäubt und in wenigen Stunden würden sie wieder da sein. Aber dann würde Yoongi da sein! Endlich da sein, um Hoseok aufzufangen.

Es war längst klar, dass auch sie die Nacht hier verbringen würden. Sejin wollte sie beide nicht allein lassen und hier waren sie unter Beobachtung und in guten Händen. Ein Trümmerhaufen, der mehr als die Hälfte der berühmtesten Boyband der Welt beinhaltete.

Yoongi folgte Sejins Anweisungen und mühte sich mit dem Rollstuhl ab, während ihr Manager Hoseok stützte. Weit hatten sie es nicht bis zu ihrem Zimmer und nachdem Sejin Hoseok in eines der Betten verfrachtet hatte, half er auch ihm. Es war Yoongi beinahe unangenehm, als Sejin ihm nicht nur ins Bett, sondern auch aus den unbequemen Klamotten half. Er behielt lediglich das Hemd und seine Unterwäsche an, während er den Fuß so vorsichtig wie möglich auf der Matratze ablegte.

Sejin blieb noch eine geraume Weile und unterhielt sich mit ihnen, wobei es recht einseitige Gespräche waren. Weder Yoongi, noch Hoseok waren groß in der Lage zu sprechen und doch schien Sejin irgendwann beruhigt genug, sie allein zu lassen.

Kaum war die Tür geschlossen, kam Bewegung in dem Bett neben ihm auf. Yoongi drehte den Kopf leicht und beobachtete Hoseok dabei, wie er sich von seinen Sachen befreite. Es schien, als würde die Wirkung der Beruhigungsmittel weit genug nachlassen, dass er sich wieder schneller bewegen konnte. Doch wie sah es in seinem Kopf aus? Er war sich unsicher, doch als Hoseok sich zu ihm drehte und ihn so schweigend ansah, bemerkte er sie wieder. Diese zweifelnden Gefühle für sich selbst.

Mit einem Stöhnen setzte er sich auf und rutschte etwas umständlich an den Rand des Bettes. Er schlug die Decke zurück, schob seine Beine aus dem Bett und erhob sich dann vorsichtig, wobei er sich an dem Nachtschrank festkrallte. Okay ... das waren zwei ... vielleicht drei Hüpfer ... das sollte er schaffen. Seinen frisch geschienten Fuß winkelte er an und unter Hoseoks fragenden und verwirrten Blicken, nahm Yoongi einen tiefen Atemzug und hüpfte dann los. Ein ... zwei ... er schwankte. Bloß nicht umfallen. Ein weiterer Hüpfer auf einem Bein und er war da, wo er hinwollte. Mit etwas zu viel Schwung fiel er nach vorne und fast auf Hoseok darauf. Ein unwirsches Murren rutschte über seine Lippen.

„Okay, so war das nicht geplant gewesen ... sorry", brummte er, während er sich nach oben drückte und Hoseok dann einfach ansah.

„Na los ... kusch ... mach ein wenig Platz für deinen Hyung!", brummelte er dann und kaum hatte Hoseok das getan, legte sich Yoongi etwas umständlich neben den Tänzer und zog seinen Klumpfuß mit.

„Ich hasse Krankenhäuser ...", nuschelte er dann, während er sich einfach näher an Hoseok schob und dann seine Arme ausbreitete, "Na los ... komm her!"

Nun, er musste wohl nicht sagen, dass seine Art des Komforts eher der einer empathischen Abrissbirne glich.

Jung Hoseok:

Die plötzliche Leere in seinem Kopf drohte ihn regelrecht zu erdrücken, genauso wie die Zweifel an seiner Person. Was hatte er schon zu bieten? Er war vielleicht ein guter Tänzer, aber wenn er ehrlich war, verabscheuten ihn die meisten, weil er zu laut war, zu schräg und zu albern. Er hatte nie verstanden, warum ausgerechnet Yoongi so viel Zeit mit ihm verbracht hatte. Sie hatten sogar ihre eigene Show und waren schon als Duo aufgetreten und hatten ihren eigenen Pärchennamen kreiert.

'Sope'

Das 'S' von Suga und das 'ope' von Hope ... es war simpel und zugleich auch wunderschön. Hoseok hatte die Zeit mit Yoongi genossen, sich vollkommen auf ihn eingelassen und sich immer bei ihm fallenlassen können, doch jetzt? War er zu weit gegangen? Hatte er es übertrieben und hatte die falschen Signale gesendet? Hatte er ihre Freundschaft mit diesem verdammten Kuss zerstört?

Seine Gedanken brachen langsam wie ein Kartenhaus in sich zusammen, als er realisierte, was Yoongi gerade gedachte zu tun. Er konnte nicht einmal reagieren, sondern starrte ihn nur irritiert und fragend an. Was sollte das? Warum tat er das? Er sollte nicht aufstehen. Er sollte nicht zu ihm kommen. Warum kam er zu ihm? Warum nahm er einen möglichen Schmerz in Kauf und machte sich die Mühe? Hoseok war es nicht wert ... Hoseok war ein niemand ...

"Huh?", entkam es ihm überrascht, als Yoongi so plötzlich halb auf ihm landete und ihn ansah. Das Brummen hallte noch in seinen Ohren nach, bevor er überhaupt realisierte, was Yoongi gesagt hatte. Er konnte ein Auflachen nicht verhindern. Es kroch einfach seine Kehle empor und polterte heraus.

Als er ihn dann auch noch aufforderte, Platz zu machen, rutschte er, soweit es ging nach hinten, hob seine Decke an und ließ ihn gewähren. Er konnte sich sowieso nicht gegen diesen Mann wehren. Er würde ihn alles machen lassen. Jeden Blödsinn ... jede bescheuerte Idee ... Er würde sogar mit seiner Nase auf einer Blockflöte spielen - nein, er hatte es bereits getan und er würde es wieder tun, wenn sich Yoongi es wünschen würde.

Die genuschelten Worte seines besten Freundes und seine Einladung, ließen ihn traurig, aber zugleich glücklich lächeln und nicht länger überlegen. Er kuschelte sich sofort an ihn, legte dabei die Decke über sie und schloss seine Augen. Wie könnte er solch eine Geste auch ausschlagen? Das war ein Ding der Unmöglichkeit.

"Ich weiß", nuschelte Hoseok, legte seine Arme um ihn und schmiegte sich noch enger an ihn, "aber jetzt halt mich einfach fest, damit ich nicht noch tiefer falle." Er brauchte den Halt so sehr, dass sich seine Finger zitternd in das Hemd krallten, welches Yoongis Oberkörper noch bedeckte. Sein Kopf ruhte auf seiner Brust, wo er seinem Herzschlag lauschen konnte. Es beruhigte ihn, denn es bewies ihm, dass Yoongi ihn nicht für das, was er getan hatte, hasste.

"Weißt du noch, wo ich Flöte für dich gespielt habe? Irgendwie... damals war alles leichter, dabei habe ich gedacht, dass wir mit der Zeit lernen, mit all den negativen und positiven Einflüssen umzugehen", nuschelte Hoseok gegen seine Brust und atmete tief seinen Duft ein ... er roch so gut und doch wusste er, dass er diese Gedanken, diese Gefühle so schnell wie möglich wieder verschließen musste. Yoongis Herz war vergeben und für mehr als eine enge Freundschaft war kein Platz mehr.

Min Yoongi:

Die Überraschung auf Hoseoks Zügen ließ Yoongi etwas verkniffen Grinsen. Hah, damit hatte er wohl nicht gerechnet, huh? Nun Yoongi auch nicht wirklich. Es war eine spontane Entscheidung gewesen, denn er hatte dieses Gesicht nicht mehr ertragen. Diese Düsternis, die sich in Hoseok ausbreitete und jeden Lichtstrahl zu ersticken drohte. Also hatte er gehandelt und dabei war es egal, wie dumm er ausgesehen hatte als er die kurze Distanz überwand und halb auf ihn krachte.

Es war dieses Auflachen, was seinem Inneren einen Hüpfer verpasste. Egal wie rau und kehlig es sein mochte. Hoseok lachte. Wie lange hatte er das nicht mehr gehört? Wochen musste es her sein. So fuhr Yoongi mit seiner Art fort und verlangte recht forsch, dass Hoseok Platz machte, was er auch ohne Probleme tat. Als er dann endlich lag und auch seinen Klumpfuß arrangiert hatte, öffnete er seine Arme und lud Hoseok zu sich ein. Er würde Wort halten. Jetzt war es an ihm sich um ihn zu kümmern und ihn zu halten.

Es dauerte nur Sekunden und da schmiegte der Tänzer sich an ihn und als Yoongi ihn mit seinen Armen umschloss, fühlte er deutlicher, als er es bisher gesehen hatte, wie all das Geschehene sich auch auf den Körper Hoseoks ausgewirkt hatte. Er war wieder dünner geworden, aber wahrscheinlich waren sie das alle. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung, sowie regelmäßiges Essen hatte wohl bei keinem von ihnen allen auf dem Plan gestanden. Er machte sich darüber keine weiteren Gedanken, denn Hoseoks leise Worte ließen ihn etwas grimmig seufzen.

„Keine Sorge... heute Nacht lasse ich dich nicht mehr los und es ist mir scheißegal was andere denken. Ich hätte dem viel eher nachkommen sollen." Er brauchte die erneute Entschuldigung über sein Versäumnis nicht erneut aussprechen, denn sie klang allein in seinen Worten mit. Doch jetzt konzentrierte er sich vielmehr auf das Gefühl, was sich in ihm breitmachte, als er Hoseok so eng bei sich spürte. Es fühlte sich gut, an ihn zu halten, ihm endlich etwas zurückzugeben für all die schönen Momente, die Hoseok ihm bereits beschert hatte.

Für einige Zeit herrschte Schweigen und doch schien keiner von ihnen bereit sich dem Schlaf hingeben zu wollen. Yoongis Kopf war seit einer gefühlten Ewigkeit angenehm leer und seine Hände hatten irgendwann ganz von allein damit begonnen leicht über Hoseoks Rücken zu streicheln. Yoongi war nie ein Typ gewesen, der lange stillhalten konnte. Seine Hände taten immer etwas. Als Hoseok nun aber die Stille brach und etwas in ihm wachrief, was er lange vergessen geglaubt hatte, musste Yoongi für einen Moment kichern.

„Gott ja ... das war so selten dämlich gewesen. Ich schwöre, die Titanic wäre allein wegen deiner schiefen Töne gegen den Eisberg gedonnert", murmelte er und überhörte dennoch nicht die Sehnsucht und leichte Resignation in Hoseoks Worten. Kurzerhand legte er eine Hand auf Hoseoks Hinterkopf und drückte ihn fester an sich.

„Jede Zeit hat ihre Höhen und Tiefen, Hoseok-ah. Das hier ist aber der dunkelste und schwerste Moment, dem wir uns bisher stellen mussten. Aber weißt du..." Er hob etwas seinen Kopf, sodass er ihn ansehen konnte. „Ich denke, dass wir auch das meistern werden. Wie alles zuvor. Niemand hätte es je für möglich gehalten, dass aus den sieben Außenseitern der Kpop-Industrie einmal die berühmteste Boyband der Welt werden würde. Wir haben jedes Problem bisher überwunden und auch dieses hier werden wir knacken. Doch hier braucht es keine harte Arbeit oder viel Training ... hier braucht es Hoffnung. Und ..." Er haderte, schloss kurz die Augen, sammelte sich und öffnete sie wieder. „Und selbst wenn du sie gerade nicht finden kannst. Dann werde ich da sein, um sie dir zurückzubringen, okay?" Er lächelte und legte seine Hand auf den Hinterkopf seines Freundes, um ihn leicht zu streicheln. Er hätte ihm gerne einen Kuss auf die Stirn gegeben, doch das war in dieser Position nicht möglich.

Jung Hoseok:

Hoseok konnte nicht beschreiben, wie unendlich gut ihm die Nähe zu Yoongi tat. Es war Balsam für seine geschundene Seele, aber vor allem die Hand, die stetig über seinen Rücken glitt und ihm zusätzliche Kraft gab, beruhigte ihn. Es war, als würde er auf einmal in einer ganz anderen Welt sein, die von dem ruhigen Wummern seines Herzens bestimmt wurde, was ihn regelrecht einlullte. Er war froh, dass Yoongi ihm versprach, ihn heute nicht mehr loszulassen, um ihm das zu geben, wonach er innerlich schrie. Trotzdem klammerte er sich wie ein Ertrinkender an ihn, weil die Angst immer noch in ihm loderte, dass er ihn doch allein ließ.

Letztendlich überwand sich Hoseok dazu, mit Yoongi seine Gedanken zu teilen, die weit in ihre Vergangenheit abgedriftet waren. Er wollte sich in ihren Erinnerungen verlieren und das Hier und Jetzt vergessen, doch das funktionierte nicht, auch wenn Yoongi direkt auf seine Worte einstieg. Das, was er auf sein Flötenspiel erwiderte, ließ ihn aufjaulen und sich in seiner Umarmung winden. Wie gemein! Das stimmte doch gar nicht. So schief hatte er jetzt auch nicht gespielt, wobei der Titelsong von Titanic wirklich massiv daneben war. Er verzog den Mund, wand sich erneut in der Umarmung und schlug sachte gegen seine Seite.

"Dafür, dass ich nicht geübt habe, war es ziemlich gut", schmollte er und drückte sich noch eine Spur enger an den warmen Körper, wodurch er Yoongis Stimme noch mehr in seiner Brust vibrieren hörte, als er wieder begann zu sprechen. Irgendwie war dieser Sound unglaublich betörend, weswegen er die gesprochenen Worte überhaupt nicht anständig realisierte. Sie sickerten nur ganz langsam in sein Bewusstsein und ließen sein Herz erneut unglaublich schwer werden. Es stimmte, dass sie schon unfassbar viel durchgestanden hatten, doch das hier war die Spitze des Eisberges. Dieses Ereignis hatte sich keiner von ihnen gewünscht. Sie hatten gehofft, dass es niemals zu solch einer heftigen Situation kommen würde, aber letztendlich war keiner von ihnen in der Lage, das Schicksal zu lenken. Trotzdem fand er es unglaublich rührend, was Yoongi da sagte, vor allem, als er die Hoffnung ansprach, die er bereits wieder verloren hatte. Wie hätte er sie auch halten sollen, wenn er das Gefühl hatte, absolut keinen Halt mehr zu haben. Er klammerte sich an den letzten rettenden Strohhalm, der doch selbst stark am Wanken war.

"Hm ...", murmelte er halb bestätigend auf Yoongis Worte hin und presste anschließend seine Lippen fest aufeinander. Er spürte die Hand auf seinem Hinterkopf und doch sah er nicht auf. Stattdessen drückte er sich noch verbissener gegen seine Brust und versuchte nicht dem Kloß in seinem Hals nachzugeben. Er konnte - nein er durfte nicht schon wieder zusammenbrechen, doch am Ende konnte er es nicht verhindern. Der Damm brach, umso länger er über ihre Situation und Yoongis Worte nachdachte. Hoseok ließ einfach los und weinte stumm, während er seinem Herzen lauschte, seine Streicheleinheiten in sich aufsaugte und versuchte nicht gänzlich den Bezug zur Realität zu verlieren.

Letztendlich schlief er über seine Tränen hinweg ein. Er hatte es nicht verhindern können, geschweige denn sich beruhigen. Es ging nicht und er hatte auch keine Kraft länger stark zu bleiben. Keiner von ihnen besaß noch genug davon. Sie waren alle am Ende und diese Pressegeschichte hatte ihnen den Rest gegeben. Es war doch nur eine Frage der Zeit gewesen und jetzt war der Punkt gekommen, wo sie alle darüber nachdenken mussten, was sie taten. Wie sie am besten mit der derzeitigen Situation umgingen. Es würden Gespräche mit dem Management folgen und vielleicht besaß Hoseok den Mut, sich voll und ganz seiner Soloarbeit zu widmen, so wie Yoongi und Namjoon. Jin könnte den Moment nutzen und seinen Militärdienst antreten, das könnten sie alle, aber vermutlich war kaum einer von ihnen dazu bereit. Jungkooks Schicksal war ungewiss und trotzdem war irgendwo der kleine Funke Hoffnung, dass er wieder aufwachen würde. Dass sie wieder vereint sein würden, und da musste doch jemand da sein.

Als er erwachte, hatte er das Gefühl, als hätte ihn ein Zehntonner überrollt. Seine Augen fühlten sich geschwollen an und sein Körper total träge. Er hatte das Gefühl sich kaum bewegen zu können und trotzdem quälte er sich aus der Umarmung und hievte sich aus dem Bett. Er musste sich festhalten, um nicht auf dem Boden zusammenzusacken, und tastete sich langsam mit halbgeöffneten Augen zum Bad, wo er sich erst einmal eine Ladung Wasser ins Gesicht warf und sich anschließend im Spiegel betrachtete. Seine Augen waren rot unterlaufen und es zeichneten sich fette Augenringe ab. Er sah, gelinde gesagt, furchtbar aus. Nach weiteren zwei Ladungen wurde es auch nicht besser, aber immerhin wurde er etwas wacher, weswegen er sich traute, sich zu erleichtern und sich anschließend unter die Dusche zu stellen. Es tat gut, beruhigte seine angespannten Nerven und als er fertig war, fühlte er sich zumindest lebensfähig.

Hoseok zog sich wieder an und ließ sich neben Yoongi auf dem Bett sinken, der immer noch schlief. Er sah unglaublich friedlich aus, so als wäre die Welt in Ordnung. Vorsichtig hob er seine schlanken Finger und strich ihm behutsam ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Er war froh, dass er ihn wirklich die ganze Nacht gehalten hatte, auch wenn er ihm niemals das geben würde können, was er sich innerlich wünschte. Er hatte das akzeptiert, schon lange, doch der Wunsch war gestern übermächtig geworden.

"Es tut mir leid, dass ich dich damit belästigt habe. Ich wollte nicht, dass du jemals überhaupt von diesen Gefühlen erfährst ... ich will dich nicht verlieren, Hyung ... Du bist für mich der wichtigste Mensch auf dieser Welt, also bitte vergiss, was du glaubst, gesehen und gefühlt zu haben. Es ist nicht relevant, weil es keine Zukunft hat. Weder für mich ... - noch für dich ...", hauchte er leise, beugte sich herunter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Es war ein Abschied von seinen Gefühlen, die er wieder begann, tief in sich zu vergraben.

Min Yoongi:

Yoongi hätte es gerne verhindert und doch konnte er es nicht. Er spürte Hoseoks Tränen, die still in seinem Hemd versickerten. Er ließ ihn weinen, starrte selbst an die Decke und streichelte einfach immer weiter durch das Haar seines Freundes. Es war okay. Er sollte weinen, durfte weinen. Die Situation war auch einfach nur zum Heulen.

Irgendwann spürte er, dass Hoseok eingeschlafen war. Das Schniefen ließ nach und sein Atem wurde ruhiger, bis er schließlich gleichmäßig gegen seine nun nasse Brust stieß.

Yoongi selbst brauchte noch lange, bis er in den Schlaf fand und er erwachte durch die leise Stimme seines Freundes. Er hatte nicht mitbekommen, wie Hoseok das Bett verlassen und duschen gegangen war. Letztendlich war auch seine Erschöpfung groß genug gewesen und hatte ihn endlich mal wieder mehr als drei Stunden schlafen lassen.

Aber auch er brauchte gewisse Momente, um zu realisieren, dass das, was er hörte, kein Traum war, sondern dass Hoseok tatsächlich zu ihm sprach und was er sagte. Hatte er nicht ähnliche Worte noch gestern an Jungkook gerichtet. Sich von ihm verabschiedet, um seinem Herzen eine neue Chance zu geben? Was tat Hoseok dann also hier? Versuchte er ihn einfach so abzusägen?

Hoseok hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn und Yoongi verstand diese Geste sehr wohl. Und anders als bei Jungkook war er nicht bereit, auch diese Chance gehen zu lassen. Noch bevor Hoseok sich aufrichten konnte, legte sich eine Hand auf seinen Hinterkopf und drückte ihn erneut hinunter, nur dass seine Lippen dieses Mal von einem anderen Paar in Empfang genommen wurden. Yoongi öffnete seine Augen, sah direkt in die geschockten seines Freundes, während er ihn sanft aber mit einer gewissen Bestimmung küsste. Sein Blick war klar und dennoch immer noch von der Müdigkeit gekennzeichnet. Nur langsam löste er sich und noch immer hielt er Hoseok bei sich, raunte ihm leise und raue Worte entgegen.

„Wenn du jetzt abhaust, werde ich dich mit meiner Krücke verprügeln. Ich habe mich nicht von Jungkook verabschiedet, damit auch du jetzt flöten gehst", brummte er und hob nun auch seine zweite Hand, um sie an Hoseoks Wange zu legen.

Jung Hoseok:

Doch wirklich weit kam Hoseok nicht. Nicht einmal gedanklich schaffte er es, mit dem Gesagten abzuschließend, weil Yoongi genau in diesem Moment an seinen Hinterkopf griff und ihn wieder nach unten zog. Er hatte dem nichts entgegenzusetzen. Wie auch? Es war Yoongi, der ihn hielt, der ihn drückte und - küsste? Geschockt starrte er ihn an, sah ihm direkt in die Augen und verstand gar nichts mehr. Warum tat er das? Wollte er nicht? Hatte er nicht Gefühle für Jungkook? Warum zwang er ihm jetzt diesen Kuss auf? Es fiel Hoseok doch schon schwer genug, seine Gefühle zu unterdrücken. Sie zu verbergen und eben kein Chaos zu stiften. Gut, er hatte gestern auf ganzer Linie versagt, aber er hatte es wiedergutmachen wollen. Doch jetzt hatte Yoongi die Initiative ergriffen und zerstörte seinen Vorsatz.

Der Druck gegen sein Lippenpaar war sanft, aber trotzdem konnte er auch spüren, dass Yoongi diesen Kuss zu wollen schien, und das ließ sein Herz schwer gegen seinen Brustkorb hämmern. Es machte ihn nervös und trotzdem überwand er seine Schockstarre und begann zumindest ganz leicht den Kuss zu erwidern, während seine Gedanken und Gefühle Amok liefen. Die Worte, die er ihm kurz darauf entgegenbrachte, machten es auch nicht besser. Sie brachten alles noch mehr durcheinander. Hoseoks Kopf war noch nie der Ordentlichste gewesen, doch jetzt wütete ein Tsunami in ihm. Ein Tornado, der alles mit sich riss, selbst seine stärksten Mauern, die er so lange um sich aufgebaut hatte, um all das Böse von seinem weichen Kern fernhalten zu können. Doch es war zu spät. Yoongi hatte ihn - er wusste nicht, wie er das beschreiben sollte oder ob er dem Ganzen überhaupt einen Namen geben konnte.

"Yoongi ...", murmelte er fast schon tonlos und griff an die Hände, die ihn hielten, um sie von sich zu schieben. Er löste sich jedoch nicht, sondern hielt sie nur.

"Ich weiß nicht, ob ich das kann."

Fest sah er ihn an, rutschte neben ihn und schmiegte sich an ihn. Wie sollte das hier Zukunft haben, wenn es nicht einmal Jimin und Jungkook geschafft hatten? Das würde er nicht aushalten. Lieber wäre er für immer sein bester Freund, als ihn eines Tages zu verlieren, nur weil sie sich für den falschen Weg entschieden hatten. Weil sie nicht den Mut gehabt hatten.

"Lass uns bitte nur beste Freunde bleiben. Ich will dich nicht verlieren. Niemals. Und die Angst, dass sich etwas zwischen uns verändert, ist übermächtig. Ich brauche dich ... wie die Luft zum Atmen, vor allem jetzt. Okay? Vielleicht ... denken wir noch einmal in Ruhe für uns darüber nach und wenn ... ja, wenn sich alles wieder zum Guten gewendet hat, dann ... ja dann vielleicht. Aber nicht jetzt, okay? Du ... ich ... liebe dich. Daran wird sich nie etwas ändern, Yoongi", sagte er mit brüchiger Stimme und am Ende küsste er erst seine linke und dann seine rechte Hand. Er konnte das jetzt nicht zulassen und er hoffte, dass Yoongi das verstehen würde.

Min Yoongi:

Yoongi wusste, dass er jetzt keinen Übermut von Hoseok zu erwarten brauchte. Er hatte ihn kalt erwischt. Verdammt kalt sogar und das war okay. Er hatte selbst nicht einmal darüber nachgedacht, aber das tat er in solchen Momenten sowieso nie. Noch mit einem Gehirn im Halbschlaf küsste es sich aber ziemlich gut, wie er fand. Er wusste ja selbst nicht einmal, woher diese Lockerheit herrührte, die ihn gerade einfach auf alles und jeden scheißen ließ. Er hatte gestern einen Entschluss gefasst und diesen würde er nun verfolgen.

Und wo er sich so klar zu sein schien, so schien in Hoseoks Kopf das pure Chaos zu herrschen. Er sah so verwirrt und verloren aus. Irgendwie glücklich und irgendwie ängstlich. Ein Irgendwie-Zustand, der zwischen so vielen Gefühlen wankte.

Als der Tänzer seinen Namen so leise murmelte, dass Yoongi ihn nur verstehen konnte, weil sie sich so nahe waren und immer noch den Atem des jeweils anderen spüren konnten, merkte er den Zwiespalt und die Unsicherheit. Er schob seine Hände von sich, hielt sie aber fest. Er hielt sich erneut an ihm fest, war überfahren von dem, was passiert war. Doch er ließ ihn nicht allein, sondern legte sich wieder neben ihn und Yoongi löste eine Hand, um sie um ihn zu legen, ehe er die seine wieder ergriff. Er sah die Zahnräder in Hoseoks Kopf rattern und rattern und rattern. Er dachte schon wieder einmal viel zu kompliziert. Das taten sie alle zuweilen. Er selbst eilte gerne mal mit großen Schritten voran. Doch das hier ... das war für ihn nicht kompliziert oder fragwürdig. Für ihn war es ganz klar und doch musste Hoseok diese Klarheit erst einmal finden.

Er war zerfressen von Angst und Unsicherheit. Seine Worte, sein Flehen. Er verhaspelte sich beinahe, während Yoongi einfach nur ganz ruhig blieb. Als Hoseok schließlich geendet hatte und seine Hände geküsst hatte, hob er seine Rechte an und presste sie gegen seine Lippen.

„Mach dir nicht so einen Stress, Seokie", murmelte er und grinste leicht, „Du musst nicht wissen, ob du es willst oder nicht willst. Es ist doch vollkommen egal, ob wir jetzt eine Entscheidung treffen oder später. Wir haben alle Zeit der Welt und es wird sich nichts verändern zwischen uns. Ich habe nur keine Lust mehr wegzulaufen oder Chancen zu verpassen, weil ich zu unsicher bin. Wir haben weiß Gott genug verloren und zu viel einstecken müssen." Er grinste noch etwas breiter und zog Hoseok dann wieder an sich heran und umarmte ihn mit beiden Armen.

„Das Ansehen, die Fans, das Management... das ist mir alles sowas von scheiß egal. Ich brauche all das nicht, wenn ich euch dafür haben kann. Und wenn mir meint irgendeiner gegens Bein pissen zu wollen, weil ich auf dich stehe oder Kookie oder eine Frau mit drei Brüsten. Dann ist mir das sowas von scheiß egal. Die Welt weiß seit Jahren, was ich von geschlechterbezogener Liebe halte. Nämlich so viel wie von dem Dreck unter meinen Fußsohlen. Ich habe jetzt eines ganz deutlich begriffen. Nämlich, dass ich mir nichts mehr vorschreiben lassen werde. Von keinem Vertrag, keiner sozialen Norm." Er löste sich etwas und küsste Hoseok erneut. Liebevoll und sanft.

„Das hier muss keinen Status oder Namen bekommen. Es sind einfach wir, okay? Ganz so wie du und ich es wollen. Du bleibst mein bester Freund, Hoseok. Mehr muss es nicht sein und doch kann es alles sein."

Jung Hoseok:

Er sollte sich keinen Stress machen? Wie stellte er sich das vor? Ihr Leben stand auf dem Kopf und er hatte absolut keine Ahnung, wie er jemals wieder seinen inneren Frieden finden sollte. Die Ruhe, die Yoongi dabei ausstrahlte, half da auch nicht wirklich, obwohl sie sonst immer hatten helfen können. Voneinander profitieren konnten, doch jetzt fühlte er sich unfassbar unsicher und wusste nicht wohin mit seinen ganzen Emotionen, weswegen er sie einfach herunterschluckte und erst einmal von sich schob. Hoseok versuchte Yoongis Worten zu folgen und ließ sich von ihnen leiten. Er wollte, dass sie sich nicht festlegten, dass sie sich einfach nahmen, was sie brauchten. Wonach sie begehrten. Sie sollten aufhören, sich Gedanken darüber zu machen, was andere denken könnten. Sie sollten leben. Ach, wäre es doch nur so einfach.

Trotzdem ließ er sich in die Umarmung fallen, in den Kuss und schloss seine Augen. Er ließ es zu, begehrte ihn und schmiegte sich an ihn, während er seinen dumpfen Worten lauschte, und glaubte, sich langsam darin verlieren zu können. War Yoongi schon immer so weise gewesen?

"Okay... einfach wir. Das finde ich gut", nuschelte Hoseok, öffnete seine Augen und sah Yoongi an. Sanft hob er seine Hand, streichelte über seine Wange und stahl sich diesen einen Kuss von seinen Lippen, von dem er schon so lange träumte. Dafür kletterte er über ihn, schob seine Hand in seinen Nacken und zog ihn an sich. Verlangend, sogar ein wenig gierig nach den sündhaften Lippen seines besten Freundes, küsste er ihn, bevor er mit seiner Zunge in Yoongis Reich eindrang. Er wusste nicht, wie oft er schon davon geträumt hatte, das hier zu tun, und jetzt, wo er es endlich durfte, da fühlte es sich an, als würde ein riesiges Feuerwerk in seinem Bauch und seinem Kopf explodieren. Es war wie Balsam für seine Seele, aber genauso wühlte es ihn wieder auf, doch er schob alle Bedenken beiseite, denn er wollte genießen. Nur diesen einen kleinen Augenblick. Diesen einen Moment, den er verdient hatte. Den er sich gewünscht hatte.

Schwer atmend und immer noch mit geschlossenen Augen, löste sich Hoseok von Yoongis Lippen, schob sich ein Stück zurück und legte die Stirn auf seiner Brust ab, die sich schwer hob und senkte. Es war nur ein Kuss gewesen. Ein sehr intensiver und einmaliger Kuss. Einer, der alles veränderte und doch wieder nichts, zumindest hatte Yoongi ihm das versichert und vielleicht hatte er recht. Vielleicht brachte der Kuss auch alles wieder in Ordnung, oder war zumindest der Auslöser für die richtige Richtung. Manchmal brauchte es im Leben auch Veränderung, damit es überhaupt weitergehen konnte. Damit es besser werden konnte.

"Danke, Yoongi."


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