Kapitel 2, Die bittere Pille, Seoul, Gangnam-gu, 25.07.2020
Kapitel 2
Die bittere Pille, Seoul, Gangnam-gu, 25.07.2020
In diesem Kapitel erfahren die ersten Mitglieder der Band von den Geschehnissen.
Somit Viel Spaß mit Seokjin und Namjoon. :3
____________________________________________________________________
Kim Namjoon:
Der Regen prasselte auf die Windschutzscheibe, während das Radio ruhige Musik spielte. Er hatte bewusst eine Playlist eingestellt, die nur ruhige Songs spielte. Alles andere hätte er mit seinem aufgeriebenen Nervensystem nicht verkraftet. Wie so oft war er der Letzte gewesen, der das Entertainment verlassen hatte. Nach einem Tag, der wieder einmal vollkommen aus dem Ruder gelaufen war. Und wieder einmal hatte es mit Jimin und Jungkook zu tun gehabt. Namjoon wusste schon nicht mehr wie viele schlaflose Nächte und graue Zellen ihn die Beiden gekostet hatten. Und das nur in den letzten sieben Monaten, in denen sich einfach alles geändert hatte.
Sie waren ein Traumpaar. Anders konnte man sie nicht definieren. Ihre gesamte Jugend hatten sie zusammen verbracht und schon sehr früh hatte sich abgezeichnet wie sehr sie sich zueinander hingezogen fühlten. Begonnen hatte das mit Jimins sichtlich übertriebener und buchstäblichen Bemutterung von Jungkook, der alles abgeblockt hatte. Dann der Wechsel, in dem Jungkook begonnen hatte um Jimins Aufmerksamkeit zu buhlen, sich regelrecht darin zu suhlen bis hin zum Erblühen einer jungen Liebe, die trotz all der schweren Bedingungen, unter der sie bestehen musste, immer weiter erstrahlt war. Bis zu diesem einen Tag Ende November letzten Jahres.
Ein Foto... es war nur ein Foto gewesen, das alles zerstört hatte. All die Jahre der großen Mühe und Sorgfalt vernichtet in einem einzigen Augenblick. Und seitdem ging es nur noch abwärts und die einst so strahlende Rose verlor immer mehr ihrer Farbe und Blüten.
Sie stritten fast nur noch, waren eigentlich immer gereizt und Kleinigkeiten reichten aus, dass sie explodierten. Ihre einst so blühende Liebe war zerrüttet und zersplittert und obwohl Namjoon die beiden über alles liebte, sie immer unterstützt hatte, sehnte er mittlerweile das Ende herbei. So wie der Tag gelaufen war, würde es heute vielleicht schon soweit sein.
Er und die Jungs hatten alles versucht, sie immer wieder dazu gedrängt miteinander zu reden, sie alle waren für sie da gewesen. Und doch wurde der Abgrund, der die beiden trennte immer größer und spaltete jetzt sogar schon ihre Band. Taehyung, Jimins bester Freund, sein Soulmate... natürlich war er auf seiner Seite. Wie konnte er auch nicht. Yoongi... normalerweise immer der Coolste von ihnen, hatte gerade in den letzten Monaten ein so inniges Verhältnis zu Jungkook aufgebaut, dass er begann immer mehr Partei für ihn zu ergreifen. Und dazwischen der kümmerliche Rest: Jin, Hoseok und er selbst.
Es war nervenaufreibend, zermürbend und anstrengend. Ihre einst so herausstechende Harmonie in einem Business, welches von Neid und Kampf zerfressen war, zerbrach ebenso Stück für Stück wie die Liebe von Jimin und Jungkook. Sie war zu stark, viel zu stark und zu sehr gebunden an all die Schwierigkeiten, die sie überwunden hatten. Sie liebten einander wie am ersten Tag. Namjoon wusste das und wo diese Liebe einst ihr stärkster Halt gewesen war, war es jetzt ihr größter Feind. Denn sie hielten verzweifelt an etwas fest, was zu vergiftet war von all dem Einfluss der Außenwelt.
Letztendlich hatte sie das, dem sie all die Jahre so vehement getrotzt hatten, eingeholte und einen Keil zwischen sie getrieben. Die Welt, die Fans, die Öffentlichkeit. Alles, was sie so sehr liebten, hatte sie verraten und vor eine Entscheidung gestellt, der sie nicht gewachsen gewesen waren.
Es war eine Tragödie, die wohl heute ihren traurigen Höhepunkt gefunden hatte, wie er glaubte. Oh, wenn er doch nur gewusst hätte.
Erneut war es ein Foto gewesen. Unscharf, unklar und doch deutlich genug, um die beiden Personen darauf zu erkennen, die eng umschlungen in einem Club tanzten. Die Köpfe in einer Position, die einen Kuss andeutete. Jimin ganz klar... doch war die andere Person nicht Jungkook, sondern Taemin. Einer seiner besten Freunde, ebenfalls über alle Maßen berühmt. Und erneut hatte die Presse sich darauf gestürzt, wie auf einen Festtagsschmaus. Jimin hatte es abgestritten. Natürlich. Und Namjoon hatte ihm geglaubt. Doch Jungkook - die Wut und der Zorn, der elende Schmerz - nicht ein vernünftiges Wort hatte ihn erreichen können. Jeder hatte gesehen wie er Jimins verzweifelte Bemühungen es ihm zu erklären einfach eiskalt abgeblockt hatte.
Jungkooks Eifersucht. Ein weiterer Punkt, der ihre Beziehung immer stärker belastet hatte. Sie war schon immer da gewesen, doch in den letzten Jahren hatte sie begonnen ein Ausmaß anzunehmen, das nicht mehr gesund war. Besonders seit sie in den Staaten immer erfolgreicher geworden waren und Jimins natürlicher Charme ihm dort die Männerwelt zu Füßen gelegt hatte.
Jimmie Kimmel war ja noch süß gewesen, doch all die Aufmerksamkeit, die Interviews, die Auftritte, die immer mehr Fanboys auf die Bühne gerufen hatten verschlimmerten die Situation zusehends. Und nicht zuletzt Jimins Art, immer und überall zu flirten, seine ganz natürliche Art und Weise Körperkontakt zu suchen, hatte Jungkooks Eifersucht Nahrung und Feuer gegeben.
Und dann, seit diesem verhängnisvollen Tag im letzten November, war es beinahe krankhaft geworden. Soweit, bis Jungkook sogar Taehyung oder auch Hoseok angiftete, nur weil sie ein wenig Schabernack mit ihrem Freund trieben. Der Streit zwischen Taehyung und Jungkook wegen einem unschuldigen Kuss auf die Wange war heftig gewesen und Jimin hatte tränenreich dazwischengestanden und versucht sie zu beruhigen. Letztendlich war Namjoon selbst dazwischengegangen und hatte sie in ihre Schranken gewiesen, Kookie hinausgeschickt und angeordnet, dass er erst wiederkommen sollte, wenn er sich beruhigt hatte. Suga war ihm gefolgt – natürlich.
Heute war es aber anders gewesen und das war für Namjoon letztendlich das Zeichen gewesen, dass es vielleicht noch heute enden würde. Jungkook hatte nicht herumgeschrien und seinem Temperament nachgegeben, nein, er war einfach kalt geblieben, zwar erfüllt von Wut und Schmerz, aber ruhig. Ein Alarmzeichen. Er hätte es vielleicht besser wissen, die Zeichen anders deuten müssen. Dann... ja dann... hätte er es vielleicht verhindern können.
Doch er war zu müde gewesen, zu genervt und erschöpft von dem Marathon an Gesprächen, die er heute hatte führen müssen. Mit ihren Managern, mit Bang-nim höchst selbst, mit der Presseabteilung. Sie hatten bereits ein Statement rausgegeben und auch Jimin hatte eine Erklärung gepostet und sich entschuldigt. Auch Taemins Entertainment hatte sich bereits eingeschaltet, alles als ein dummes Missverständnis abgetan und die Sache einfach als das Feiern zwischen zwei Freunden aufgeklärt. Doch an ein normales Training war nicht zu denken gewesen.
Die Atmosphäre hatte der Antarktis geglichen. Eiskalt und verzweifelt war die Stimmung gewesen. Fehler über Fehler waren passiert und Namjoon hatte das Training schließlich abgebrochen. Taehyung war schon vorher gegangen und die anderen waren selbst mit den Nerven vollkommen fertig gewesen. Yoongi hatte geflucht und sowohl Jungkook, als auch Jimin angemault, dass sie ihren Scheiß klären sollten und Jimin hatte noch mehr abbekommen. Ob er Spaß daran hätte alles kaputt zu machen. Namjoon war ihm in die Parade gefahren, bevor er richtig hatte ausholen können und hatte alle nach Hause geschickt. Jedoch nicht ohne selbst noch einmal ein paar mahnende Worte an Jungkook und Jimin zu richten.
Er selbst war noch geblieben, hatte einige Dinge fertig gemacht und versucht in seinem Studio etwas zu arbeiten. Doch nach einer halben Stunde hatte er alles beiseitegelegt, weil es sowieso nichts gebracht hatte. Jetzt wollte er nur noch in sein Bett. Doch dahin sollte er so schnell nicht kommen.
Er war gerade dabei sich endlich zu entspannen, während er durch die Regennacht fuhr. Er liebte es nach einem solchen Tag einfach nur durch die Stadt zu fahren, weil es ihn zusammen mit der Musik beruhigte. Gerade der Song, der im Moment gespielt wurde und er war bereits dabei nun endlich in die Richtung seiner Wohnung zu fahren, als es geschah.
„Wir unterbrechen das Programm für eine Sondermeldung. Vor wenigen Minuten ereignete sich ein schwerer Verkehrsunfall auf der Kreuzung 396, Gangnam-daero. Zeugen berichten, dass ein schwarzer Mercedes eine Ampel überfahren hat und seitlich von einem anderen Fahrzeug gerammt wurde. Es ist inzwischen bestätigt, dass zu den Unfallbeteiligten zwei Mitglieder von BTS gehören. Unsere Reporterin Min Hyerin ist jetzt live für sie vor Ort und..."
Namjoon erstarrte, nein er war wie schockgefroren. Das... was er da hörte... konnte nicht wahr sein. Geistesgegenwärtig fuhr er die nächstbeste Möglichkeit an und parkte auf dem Seitenstreifen. Er drehte das Radio lauter, während kalte Schweißperlen ihm über die Stirn liefen.
„Min-nim... bitte berichten Sie. Was ist passiert?"
Die Stille des Radiostudios stieg um zu einer Kulisse, die von Regen, Sirenengeheul und lauten Rufen durchzogen war. Namjoon wurde eiskalt.
„Hallo Moon-nim. Aktuell sind bereits die Polizei, Feuerwehr und auch der Rettungsdienst eingetroffen. Die Feuerwehr ist gerade dabei das Dach des Unfallverursachers zu entfernen. Eine weitere Person konnte bereits geborgen werden. Die Gerüchte sind wahr. Die Insassen des Unfallautos sind die Idols Park Jimin und Jeon Jungkook. Park-sshi wurde bereits in einen der Rettungswagen überbracht, doch Jeon-sshi ist eingeklemmt. Die Straßen sind voll mit Menschen, die filmen und gerade ist die Polizei damit beschäftigt die Kreuzung abzusperren..."
Namjoons Herz begann zu rasen und er musste sich am Lenkrad festklammern um nicht den Verstand zu verlieren. Er wusste, dass er kalkweiß war und er wollte es nicht glauben.
„...Zeugen berichten, dass Jeon-sshi ungebremst eine Ampel überfuhr und auf die Kreuzung geriet. Dort wurde sein Wagen von einem kreuzenden Auto erfasst und über die komplette Straße geschleudert. Es wird über Suizid spekuliert..."
Namjoon stellte das Radio abrupt ab. Nur der Regen und seine eigenen heftigen Atemzüge erfüllten nun den Innenraum des Wagens.
Nein... nein... nein das konnte nicht sein. Es durfte nicht sein! Ohne klar zu denken betätigte er seine Freisprechanlage.
„Jin...", keuchte er und das automatische Sprachsystem wählte die Nummer seines besten Freundes. Es dauerte ein paar Freizeichen bis Jin endlich dranging.
„Namjoon? Hey, warum-?"
„Jin... hör mir zu. Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber...Jungkook... Jimin... im Radio hieß es sie hatten einen Unfall. Wir müssen sofort zu ihnen... ich muss... das Management... Jungkook ist eingeklemmt..."
„Wowowowow... ganz ruhig Namjoon. Was ist passiert?! Nein, warte, wir...klären das, wenn ich da bin. Ich komme sofort. Wo bist du?"
Namjoon schloss die Augen und doch raste sein Herz. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er... es konnte einfach nicht sein. Und doch musste er Ruhe bewahren. Wie auch immer ihm das gelingen sollte.
„Gangnam Sae-ro. Irgendwo auf einer Seitenstraße." Er hörte wie Jin zittrig nach Luft schnappte, wohl selbst überfahren von den Informationen.
„Okay... okay... ruf ein Taxi. Du fährst nicht weiter. Fahr zurück zum Management. Dort sehen wir weiter. Ich... ich bin sofort da." Namjoon schaltete in den Automodus.
Im Nachhinein erinnerte er sich nicht mehr, wie er so ruhig hatte bleiben können und sich tatsächlich ein Taxi gerufen hatte, während er seinen eigenen Wagen irgendwo auf dem Parkplatz eines Supermarktes abgestellt hatte. Als er im Entertainment ankam, war Jin bereits vor Ort und ihre Smartphones liefen heiß mit Mitteilungen und Nachrichten. Wo er normalerweise der Fels in der Brandung war, war es nun Jin, der die Nerven behielt und ihn irgendwie beruhigte. So gut es eben möglich war. Sie entschieden sich, die anderen nicht zu informieren, sondern selbst erst einmal alles zu überprüfen. Doch das Ergebnis war einfach nur ernüchternd.
Es stimmte. Jungkook und Jimin hatten einen Unfall gehabt und waren in die Uniklinik Gangnam eingeliefert worden. Zusammen mit einem ihrer Manager fuhren Jin und er nur zwei Stunden später dorthin und mussten durch den Hintereingang eingeschleust werden, da das ganze Krankenhaus bereits von der Presse und auch einigen Fans belagert wurde, die natürlich sofort mitbekommen hatten, was passiert war.
Jimins Behandlung schien bereits weitestgehend abgeschlossen zu sein und er würde bald auf eines der privaten Zimmer gebracht werden. Doch Jungkook... seine Notfall-OP dauerte an und obwohl es ihre Aufgabe gewesen wäre, waren weder Jin noch Namjoon in der Lage die Familien der beiden zu informieren.
Sie warteten, abgeschottet von allem, in einem privaten Wartebereich auf den Ausgang der OP, hatten freiwillig ihre Handys abgegeben. Namjoon hielt Jins Hand und er die seine. Er hatte geweint, mehrfach und sich Vorwürfe gemacht. Jin hatte ihn irgendwie beruhigt und doch würden diese düsteren Gedanken nicht mehr weichen.
Er hatte sie nach Hause geschickt. Zusammen. Er hätte es wissen müssen...
„Namjoon-sshi... Seokjin-sshi..." Die Stimme ihres Managers durchbrach die Stille und sie sahen auf, beide mit verquollenen Augen. Ein Arzt stand an seiner Seite, die Miene ernst, der Ausdruck in seinen Augen erschöpft. Sie wussten sofort, dass es der Arzt war, der Jungkook operiert hatte. Namjoon wollte etwas sagen, doch ihm versagte die Stimme und so stellte Jin die alles entscheidende Frage.
„Wie geht es Jungkook?" Jins Stimme war schwach und noch schwer vom Weinen.
„Die Operation ist gut verlaufen. Wir konnten sein Leben retten und er ist außer Lebensgefahr. Morgen wissen wir mehr." Es gab keine Details und Namjoon war froh darum. Es war alles schwer genug und Jungkook war außer Lebensgefahr.
Der Manager nickte und bedankte sich bei dem Arzt, der nur nickte und dann ging. Auch ihr Manager war erschöpft und kalkweiß.
„Namjoon-sshi, Seokjin-sshi. Sie sollten nach Hause gehen und sich ausruhen", sagte er so sanft wie er konnte.
Alles in Namjoon wollte protestieren und doch wusste er, dass sie hier nichts mehr tun konnten. Er nickte schwach, doch Jin funkte dazwischen.
„Jimin... wir... dürfen wir ihn wenigstens kurz sehen?", fragte er und Namjoons Augenlider senkten sich. Ihr Manager zögerte, doch er versprach nachzufragen. Es war nicht üblich, doch anscheinend war ihr Status groß genug, dass die Krankenschwestern und Ärzte eine kleine Ausnahme machten. Sie durften ihn kurz sehen... ein paar Minuten.
Und alleine das war beinahe zu viel für Namjoons Herz.
Jimin lag in einem Krankenhausbett, angeschlossen an ein paar Maschinen, die nur zur Vorsicht seine Vitalwerte überwachten. Er sah aus als würde er schlafen, wäre da nicht der dicke Verband um seinen Kopf und die Verfärbungen, die sich bereits begannen über seine rechte Gesichtshälfte auszubreiten sowie die dicke Halskrause, die man ihm angelegt hatte. Er sah so klein aus, so zerbrechlich.
Namjoon konnte nicht an sich halten und brach vor seinem Bett zusammen. Herzzerreißend war das Schluchzen, welches das Zimmer erfüllte und fest die Umarmung, die Jin ihm schenkte. Sie suchten aneinander Halt und der Raum füllte sich mit Entschuldigungen und ihrem Weinen. Sie standen selbst am Rande eines Nervenzusammenbruchs und so tat ihr Manager das einzig richtige. Er brachte sie raus und fuhr sie auch nach Hause.
Doch Namjoon wusste, er würde die Nacht nicht alleine klarkommen. Also fasste er nach Jins Hand, klammerte sich daran fest und bat ihn, ihn nicht alleine zu lassen. Jin schien es ebenso zu gehen. Auch er war nicht bereit, diese Nacht allein zu verbringen. So fuhren sie weder zu einer ihrer Wohnungen, sondern zu ihrem Dorm, der zumeist nur dann noch diesen Zweck erfüllte, wenn sie einen vollen Terminkalender hatten und es einfacher war, wenn sie alle zusammenwohnten.
Es wurde eine Nacht in der keiner von ihnen beiden auch nur eine Stunde Schlaf fand... und das Schlimmste stand ihnen und den anderen noch bevor.
Kim Seokjin:
Jin war es so leid, es machte einfach keinen Spaß mehr. Es war nicht einmal mehr lustig oder ließ sie denken, dass alles in Ordnung war. Bei weitem nicht. Der heutige Tag hatte ihm mal wieder gezeigt wie am Ende sie waren. Keiner hatte ihnen je gesagt wie schwer es werden würde. Immer zu hatte es nur geheißen, dass es schwer sei einen Fuß in die Branche zu setzen. Sie hatten so viele Rekorde gebrochen, hatten eine verdammt große Fangemeinde und sie waren sogar von ihrem Präsidenten ausgezeichnet worden. Sie waren sogar für den Grammy nominiert worden und hatten mittlerweile einen Status wie die Beatles. Was wollte man mehr? Sie waren so erfolgreich, dass sie kaum noch wussten, was sie mit all dem Geld anstellen sollten. Nach außen hin war alles so perfekt, doch intern sah es ganz anders aus.
Sie hatten Probleme - viele Probleme. Immer wieder kam es zu Streit zwischen ihnen. Der Körper leistete auch nicht mehr das, was er früher geschafft hatte. Sie merkten langsam, wie die harten Trainingssessions auf ihren Knochen lasteten. Es kam nicht selten vor, dass er mit tierischen Rückenschmerzen ins Bett ging, oder mit Gelenkschmerzen. Verletzungen gehörten zu ihrem täglichen Brot und trotzdem meisterten sie ihren Alltag - irgendwie.
So richtig schlimm war es im November letzten Jahres geworden. Die Streitigkeiten hatten vor allem zwischen Jimin und Jungkook zugenommen und sie alle runtergezogen. Seither wurde es von Tag zu Tag schlimmer und es war einfach keine Besserung in Sicht.
Eigentlich wunderte es Jin, dass die beiden ihre Beziehung weiterhin aufrechterhielten. Trotz des Skandals und trotz der vielen Streits. Es war einfach nur noch ein Kampf. Mittlerweile war Jin an einem Punkt angekommen, wo er sich heimlich zurückzog, wenn es mal wieder eskalierte und draußen eine rauchen ging, um sich zur Ruhe zu zwingen, einen klaren Kopf zu behalten. So auch heute - mehrfach.
Er hatte heute schon viel zu viel geraucht und war gerade dabei sich eine neue Packung im Laden zu kaufen. Seufzend bezahlte er und schob sich die Schachtel in seine Jackentasche. Mit Sonnenbrille, um nicht erkannt zu werden, verließ er den Shop wieder.
Sie hatten das Meeting endlich beendet gehabt und wollten dann gleich zum Training übergehen, doch vorerst durften die Jungs eine Pause machen. Was essen, spazieren gehen oder was immer ihnen guttat. Er hatte sich Kippen gekauft und einen kleinen Snack, den er auf dem Rückweg aß.
Der Tag wollte allerdings nicht besser werden. Das Training war furchtbar. Jimin und Jungkook standen völlig neben sich und Jin glaubte, dass einer der beiden sicher bald explodieren würde. Wenn er wetten müsste, würde er auf ihren Jüngsten tippen. Er hatte eh kaum noch Geduld und eine verdammt kurze Zündschnur. Eigentlich war es ein Wunder, dass sie heute von seiner Laune verschont blieben - mehr oder weniger eben. Dafür lief das Training allerdings ziemlich bescheiden, weswegen Namjoon irgendwann der Geduldsfaden riss und er sie alle nach Hause schickte. Taehyung war bereits gegangen, weil er das alles einfach nicht mehr ausgehalten hatte.
Jin fuhr sich fahrig durch sein Haar und ließ sich anschließend einfach auf den Boden sinken. Er hatte ein Bein angewinkelt, seinen Arm locker darübergelegt und stützte sich mit dem anderen auf dem Boden ab. Sein Blick ruhte auf der Szene vor ihm, wo Suga Jimin sinnbildlich fast an die Gurgel ging.
Namjoon beendete das Ganze und sprach noch einige Machtworte zu den beiden, dann schickte er sie weg. Jins Blick ruhte auf ihrem Leader, bevor er leise seufzte, sich erhob und dann an ihn herantrat. Er legte seine Hand auf seine Schulter und drückte sie leicht.
„Sie werden das schon wieder hinbekommen...", entkam es ihm leise. Ein letzter Funken Hoffnung, der es jedoch nicht schaffte auf ihren Leader überzuspringen. Erneut kam ein Seufzen über seine Lippen, bevor er sich von Namjoon löste und sich abermals durch sein Haar fuhr.
„Du weißt - ich bin immer für dich da Namjoon...", hauchte er ihm noch zu, bevor er sich dann selbst seine Sachen schnappte und sich in die Umkleide begab.
In der Umkleidekabine konnte er Jungkook und Suga sehen, wobei Suga unaufhörlich versuchte auf den Jüngsten einzureden. Ihn überhaupt ins Hier und Jetzt zu holen, denn seiner Meinung nach wusste Jungkook wohl überhaupt nicht wo er war, noch was er hier tat. Er schien auf ihn völlig geistesabwesend zu wirken, als hätte sich seine Seele von seinem Körper gelöst, um eine Pause zu machen. Einen ganzen Moment beobachtete er die beiden noch, bevor er sich fertig umzog und das Gebäude verließ.
Unten angekommen, steckte er sich erst einmal eine weitere Kippe zwischen die Lippen und ging langsam in den Raucherbereich, wo er Jimin auf der Bank sitzen sah - wartend auf seinen Lover. So fertig hatte er den Jüngeren schon lange nicht mehr gesehen, weswegen er ihm die Kippenschachtel hinhielt und sich dann neben ihn sinken ließ. Er leistete ihm noch Gesellschaft, aber sie sprachen nicht miteinander. Er wollte sich da auch nicht einmischen, weswegen er einfach seine Kippe genoss.
Erst als Jungkook und Yoongi endlich rauskamen, erhob er sich, wobei er durchaus die Unterhaltung mitbekam, die die beiden Musiker miteinander führten. Suga hielt den Autoschlüssel des schwarzen Mercedes in der Hand und diskutierte mit dem anderen, wollte ihn davon abhalten selbst zu fahren, doch Jungkook war stur - war er schon immer gewesen und riss den Schlüssel einfach an sich, nachdem er Suga geschubst hatte und ihm dieser somit aus der Hand geflogen war. Sofort ging Jungkook und Jimin folgte unaufgefordert.
Verwirrt sah Jin den beiden hinterher und dann zu Suga, dem man ansehen konnte, dass er den beiden am liebsten hinterher wollte. Jin konnte es verstehen, doch wenn Jungkook sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte niemand ihn aufhalten. Dafür hätte man ihn schon K.O. schlagen müssen.
Jin zuckte mit seinen Schultern, drückte auch Yoongis Schulter und verzog sich dann mit ein paar aufmunternden Worten. Einer musste ja irgendwie die Hoffnung bewahren, während die anderen völlig den Verstand verloren. Dass er wirklich klar war, wollte er nicht behaupten, aber er hatte eine gewisse Distanz zu der ganzen Sache, weswegen er das alles etwas objektiver sah.
Schließlich fuhr er aber auch nach Hause, wo er den Abend mit einem schönen Bad ausklingen ließ. Er schaffte es sogar noch sich ins Bett zu legen, bevor sein Handy ihm mitteilte, dass Namjoon ihn anrief. Da er ihm versprochen hatte für ihn da zu sein, griff er nach dem Teil und nahm das Gespräch an. Natürlich fragte er ihn was denn los sei, vor allem weil die Atmung des Leaders wirklich besorgniserregend war. Wirklich schlau wurde Jin aus seinem Gestammel aber auch nicht, weswegen er ihn zur Ruhe zwang und ihn dann fragte wo er war.
Das alles verwirrte ihn und nur langsam sickerten die Informationen zu ihm durch. Zittrig schnappte er nach Luft und lauschte den Worten, bevor er versuche einen angemessenen Plan aufzustellen. So stellte er erst mal klar, dass Namjoon nicht länger mit seinem eigenen Auto fahren, sondern sich ein Taxi nehmen sollte. Auch er würde eines nehmen.
Rasch schlüpfte er selbst in einen Trainingsanzug, nachdem sie das Gespräch beendet hatten und rief sich ein Taxi. Er ließ sich zum Management bringen, wo er draußen rauchend auf Namjoon wartete. Als dieser endlich ankam, drückte er die Kippe aus, schob seine Hände in seine Hosentaschen und betrat mit ihm gemeinsam das Gebäude. Das hier würde ein Alptraum werden!
Natürlich spürte auch Jin wie sein Handy ununterbrochen vibrierte, weswegen er es einfach ausschaltete um sich auf die wichtigeren Dinge zu konzentrieren. Er versuchte wirklich seine Nerven zu behalten, ein Fels für Namjoon zu sein und ihm die Kraft zu geben das hier zu überstehen. Es war einfach grausam. Für sie beide.
Sie entschieden sich die anderen vorerst nicht zu informieren, da sie erst alles überprüfen wollten, wobei sie recht zügig eine sehr ernüchternde Antwort erhielten.
- Es war wahr -
Als diese Erkenntnis in sein Bewusstsein drang, glaubte er, dass die Welt stehenblieb. Der Raum hatte aufgehört sich zu drehen und sein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Seine Atmung stand still und die aufgebrachten Stimmen um ihn herum wurden ganz langsam und bizarr. Es begann zu rauschen, weswegen er sich langsam die Hände auf seine Ohren presste und wie hypnotisiert an die Wand starrte.
Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis er wieder bei Sinnen war. Mittlerweile saß er an der Wand, hielt seine Beine eng mit seinen Armen an seinen Körper gezogen und hatte seinen Kopf auf seinen Knien abgelegt. Deutlich konnte er die feuchten Spuren der Tränen spüren, die ihm über sein Gesicht gelaufen waren. Einen wirklich klaren Gedanken konnte Jin nicht fassen, doch er hatte sich zumindest halbwegs wieder beruhigt.
Nur langsam erhob er sich und half den anderen einige Sachen zu regeln, bevor er dann mit Namjoon und einem ihrer Manager zum Krankenhaus fuhr.
Als sie dort ankamen, mussten sie durch einen Hintereingang eingeschleust werden, damit sie nicht direkt von der Presse oder den Fans bestürmt wurden. Wenig später waren sie auch schon in einem privaten Wartebereich, wo sie zunächst nur Informationen über Jimin erhielten. Ihm schien es den Umständen entsprechend gutzugehen, doch Jungkook war weiterhin im OP-Saal. Es hieß also noch um ihn bangen.
Sie hatten ihre Handys abgegeben und warteten einfach, während Jin auf einem der Stühle saß, breitbeinig und sich mit den Ellbogen auf den Beinen abstützend. Die Hände in seinem Haar vergraben, starrte er eine ganze Weile den Boden an. Das war einfach die pure Folter.
Erst nach einer Weile hielten sie gegenseitig ihre Hand, versuchten sich Halt zu geben und sich zu trösten, doch weitere Tränen konnte dies nicht verhindern. Als Namjoon auch noch anfing sich selbst Vorwürfe zu machen, sprach er ihm gut zu und versicherte ihm, dass es nicht seine Schuld gewesen sei. Es war die Schuld ihres Traumpärchens, weil sie es einfach nicht gebacken bekamen anständig miteinander zu reden. Diese verdammten Sturschädel.
Als ihr Manager sie nach einer ganzen Weile ansprach, sah auch Jin zu diesem auf, wischte sich mit dem Ärmel einmal über die verheulten Augen und sah im Großen und Ganzen eigentlich nur die Silhouetten der Männer vor ihm. Er hätte heute die Kontaktlinsen weglassen sollen und die Brille hätte nehmen sollen, dann würde er jetzt wenigstens etwas besser sehen können.
Da Namjoon es nicht schaffte, sprang er für ihn ein, wobei auch seine Stimme sehr schwach und krächzend war. Sein Griff um die Hand ihres Leaders wurde nur noch fester und schwitziger. Sein Herz schlug viel zu hart und in seinem Hals bildete sich ein schwerer, erstickender Kloß. Die Anspannung stieg bis ins Unermessliche und fiel augenblicklich von ihm ab, als der Arzt sagte, dass die Operation gut verlaufen war. Dass sie sein Leben hatten retten können und er außer Lebensgefahr war. Welch ein Glück! Doch da ahnte noch keiner von ihnen, wie schlimm es wirklich werden würde.
Nachdem sie sich bei dem zuständigem Arzt bedankt hatten, verließ dieser die Räumlichkeiten und ihr Manager wandte sich an sie - forderte sie auf, sich auszuruhen und nach Hause zu gehen. Der hatte gut reden! Wie sollten sie sich denn bitte ausruhen? Gut, die beiden waren außer Lebensgefahr – vorerst, aber was für Verletzungen sie sich letztendlich zugezogen hatten, war noch völlig unklar. Würden sie überhaupt noch singen und performen können? Fragen über Fragen, die sich in Jins Kopf breitmachten, doch er fand keine Antworten darauf. Dafür überkam ihn der dringende Wunsch, wenigstens Jimin kurz sehen zu dürfen, was ihr Manager für sie möglich machte. Ob das wirklich eine gute Idee gewesen war, wusste der Sänger am Ende dann doch nicht mehr.
Auch für Jin war dieser Anblick ihres Bandkollegen alles andere als leicht wegzustecken. So schlug er sich die Hand vor den Mund und schluchzte ebenfalls auf, während sein Blick auf dem jungen Musiker ruhte, der noch so viele Jahre vor sich hatte. Der Anblick ließ sein Herz bluten und er hielt es einfach nicht mehr aus, weswegen er auch an Namjoon herantrat, zu ihm auf den Boden sank und seine Arme um ihn schloss. Ihre Umarmung war so fest, dass sie sich gegenseitig fast erdrückten, doch diesen Halt suchten sie beide gerade wie verbissen. Sie brauchten es, weinten bitterlich und baten um Vergebung. Baten um Heilung und Genesung.
Ihr Manager sorgte schließlich dafür, dass sie nach Hause kamen, wobei Jin ganz eindeutig der Meinung Namjoons war, dass sie nicht alleine bleiben wollten und so machten sie sich auf den Weg zum Dorm. Als sie diesen betraten, schloss Jin leise die Tür, streifte seine Schuhe von den Füßen und hängte seine Jacke auf, bevor er in den Wohnraum durchging und das Licht einzuschalten. Es war totenstill.
Es fühlte sich wirklich befremdlich an, dass nicht alle hier waren. Das niemand herumalberte oder herumstresste. Es trieb ihm direkt wieder die Tränen in die Augen, weswegen er nach der Hand seines besten Freundes griff und sie gegen seine Brust presste.
„Es ist so still hier...", hauchte Jin, zog seinen Kollegen dann zu dem Zimmer, welches Jimin und Jungkook bewohnten. Es war eines der größten Zimmer und nur für die beiden, damit sie auch hier ihre Zweisamkeit haben konnten. Vorsichtig strich er mit seinen Fingern über das Bild, welches auf der Kommode stand. Die beiden Musiker strahlten über beide Ohren - total glücklich und total verliebt. Gerade zurückgekehrt von ihrem Japantrip, den Jungkook Jimin zum Geburtstag geschenkt hatte.
- Es brach ihm das Herz -
Leise schniefte er, griff mit zwei Fingern nach dem Rahmen und legte es dann auf das Glas, sodass das Bild nicht länger zu sehen war. Kurz darauf fuhr er sich mit der Hand über den Mund und blickte zu Namjoon. All diese Erinnerungen waren gerade sehr erdrückend, weswegen er sich mit Joon auf das Bett sinken ließ und einfach nur weinend mit ihm kuschelte. Sie waren beide fertig, hatten beide keine Kraft mehr und doch wollte der Schlaf sie nicht erlösen.
Nach einer Weile löste sich Jin von Namjoon und trat ans Fenster, welches er öffnete und in die dunkle Nacht hinaussah. Er zog anschließend seine Zigarettenschachtel hervor und steckte sich eine Kippe an, wobei er auch seinem Kumpel eine anbot. Danach zog er sein Handy heraus, öffnete die News und sah sich die Nachrichten an, wo bereits von dem Unfall berichtet wurde.
Die junge Reporterin stand auf dem Bürgersteig, hinter ihr war deutlich die Kreuzung zu sehen, so wie mehrere Krankenwagen, die Polizei und sogar die Feuerwehr. Das Blaulicht erhellte die Kreuzung, wobei die Feuerwehr auch große Lichtstrahler aufgestellt hatte. Die Kulisse war laut, viele Menschen sprachen durcheinander und man hörte auch Fans weinen, schreien und kreischen. Gerade konnte man im Hintergrund sehen, wie Jimin aus dem Wrack geborgen wurde und auf der Trage versorgt wurde.
„Meine verehrten Damen und Herren - Nun können wir sehen wie die Feuerwehr den bewusstlosen Sänger Park Jimin geborgen hat. Er ist am Leben. Er wird direkt ins Krankenhaus gebracht, doch die Bergungsarbeiten für Jeon Jungkook dauern weiter an..." Man hörte eine Säge im Hintergrund und dann sah man wie die Feuerwehr dem Mercedes gänzlich den Garaus machte.
Schwer schluckte Jin, rauchte seine Zigarette dennoch weiter. Seine Hände zitterten. Der Anblick war einfach grausam und die Hintergrundgeräusche waren herzzerreißend. Ihre Fans litten mit ihnen – schmerzhaft.
„Nun ist es bestätigt... die Ärzte können keinen Puls fühlen. Jeon Jungkook muss wiederbelebt werden, die Notärzte tun alles, um sein Leben zu retten. Es tut mir leid verehrte Zuschauer. Ich werde versuchen näher heran zu kommen", sagte die junge Reporterin und arbeitete sich mit ihrem Team tatsächlich näher an das Geschehen heran. Man konnte erkennen wie zwei Notärzte an dem leblosen Körper Jungkooks knieten und versuchten, ihn wiederzubeleben. Es war rasche Handlung nötig um den Sänger zu retten. Einer der Ärzte prüfte den Puls an Jungkooks Hals und hob dann seinen Daumen nach oben.
„Sehr geehrte Damen und Herren. Jeon Jungkook scheint wieder einen Puls zu haben. Ich denke sie werden ihn nun schnellstmöglich in eine geeignete Klinik bringen.", mutmaßte sie weiter.
Sein Blick senkte sich, er konnte das nicht länger mit ansehen. Es war so makaber... diese Berichtserstattung war einfach nur furchtbar für die Angehörigen. Dennoch hörte und sah er die Aufnahme bis zum Ende. Bis Jungkook endlich im Krankenwagen abtransportiert worden war. Das Bild, welches die Dame von ihm eingefangen hatte, war erschreckend gewesen. Jungkook völlig reglos auf der Trage und überall war Blut. Eine Halskrause lag um seinen Hals und auch sein Bein wurde von einer Schiene stabilisiert.
„Nun kann ich nur noch spekulieren, aber die ersten Bilder vermitteln den Eindruck, dass Jeon Jungkook eine Verletzung an den Beinen davongetragen hat, womöglich sogar an der Wirbelsäule. Es sind nur vorläufige Eindrücke, die im Krankenhaus nun sicher genauestens untersucht werden, um genauere Aussagen treffen zu können. Bitte haben sie Geduld. Wir werden sie auf dem Laufenden halten. In diesem Sinne wünsche ich ihnen eine angenehme Nacht", sagte die Frau noch und dann beendete sie die Aufnahmen, wobei am Ende noch einmal ein paar schaurige Bilder eingefügt waren. Eines von dem Unfall, dem anderen Fahrer und Jimin. Von Jungkooks Befreiung aus seinem geliebten Auto und seiner Reanimation.
Langsam ließ Jin sein Handy sinken, schnippte die Kippe aus dem Fenster und ließ sich dann auf die Fensterbank sinken. Sein Handy war ihm einfach aus der Hand gerutscht, während er traurig auf den Boden starrte. Wie sollte es nur weitergehen? Er hatte keine Ahnung und sein Kopf war wie leergefegt, dennoch hob er seinen Blick und fixierte Namjoon.
„Was sollen wir den anderen nur sagen?", fragte er, legte sich die Hand über den Mund und schluchzte auf. Seine Finger, die an der Fensterbank lagen, krallten sich in diese, während er sich auf die Unterlippe biss. Was sollten sie nur tun?
Kim Namjoon:
Es fühlte sich einfach falsch an. Diese Wohnung, die sonst so von Leben und Geräuschen erfüllt war, wenn sie alle hier waren, war nun einfach nur tot und still. Und doch war er schlichtweg zu beschäftigt mit all den Dingen, die geschehen waren um sich darum jetzt auch noch Gedanken zu machen. Unterschwellig jedoch zog es ihn noch mehr runter. Er griff Seokjins Hand ebenso fester, während die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel und sie erst einmal in Dunkelheit hüllte. Namjoon konnte nur nicken auf die Feststellung, die Jin machte.
„Ungewohnt...", murmelte er, ehe er Jin weiter folgte, der sie tiefer in die Wohnung zog. Er war es dann auch, der sie ausgerechnet in das Zimmer von Jimin und Jungkook führte. Namjoons Inneres zog sich zusammen. Es war hell genug hier durch die Außenlichter, sodass sie kein eigenes Licht brauchten und er sah genau wie Jin in dem großen Raum stehen blieb, der so erfüllt war von denjenigen, die sonst hier wohnten. Denn obwohl sie nicht mehr regelmäßig hier verweilten, hatten sowohl Jimin, als auch Jungkook ein paar persönliche Gegenstände hierhergebracht und hier belassen, damit es einfach heimischer war. Nicht zuletzt die Bilder, die zwar anständig genug waren um nicht direkt 'Pärchen' zu schreien, aber für sie, die doch die meisten davon kannten und auch die Zeit in der sie entstanden waren, sahen sie natürlich anders. Besonders dieses eine Bild, welches Jin nun betrachtete. Das Bild, welches in Japan entstanden war oder kurz danach. Die Zeit, in der sie am glücklichsten gewesen waren.
Namjoon spürte wie die Tränen auch gegen seine Augen drückten und er wandte sich ab, hörte nur das leicht hohle Geräusch, als Seokjin es mit dem Bild nach unten auf den kleinen Nachttisch legte. Und als Jin ihn nun so ansah, die Hand auf seinen Mund gepresst, die Tränen in den Augen stehend, zögerte Namjoon nicht eine Sekunde, überwand die wenigen Schritte und nahm ihn in eine knochenbrechende Umarmung.
„Jinnie... quäl dich doch nicht selbst noch mehr", murmelte er mit einer so schweren Stimme, dass er sich selbst beinahe gar nicht erkannte.
Er wusste nicht, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, gerade in diesem Zimmer zu schlafen, doch bevor er das noch ansprechen konnte, sank Jin auf das Bett und Namjoon mit ihm. Jetzt war es an ihm, seinen besten Freund zu trösten. Eng hielt er ihn an sich gepresst, während er weinte. Und obwohl sie beide so erschöpft waren, so am Ende mit ihren seelischen und körperlichen Kräften, dass sie auf der Stelle hätten einschlafen müssen, konnten sie es nicht.
Namjoon wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, nur das Jin irgendwann aufgehört hatte zu weinen und sie beide einfach nur still nebeneinander gelegen hatten. Sein Kopf zu voll um auch nur etwas Ruhe zu finden, kreisten seine Gedanken doch unerlässlich um seine beiden Freunde und die Folgen, die dieser Unfall für sie alle bedeutete. Natürlich war das jetzt nicht wichtig, doch gerade er, als Leader, musste einfach auch daran denken.
Jin bewegte sich und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Er löste sich von ihm um aufzustehen. Namjoon blieb still, beobachtete nur, wie sein Freund zum Fenster ging um zu rauchen. Der Drang etwas zu sagen, stieg in ihm auf, wurde aber erstickt. Jin hatte immer mal geraucht, auf Partys oder in besonders stressigen Momenten. Doch jetzt war er beinahe zum Kettenraucher geworden. Es machte ihm Sorgen. Wie so vieles anderes auch...
Als Jin ihm eine Zigarette anbot, schüttelte er nur den Kopf, setzte sich aber im Bett auf und strich sich durch die wirren Haare. An Schlaf war gerade nicht zu denken. Erst als Jin zum Handy griff, verspannte er sich etwas.
„Hyung... willst du das wirklich tun?", fragte er leise. Er hätte aufstehen und es ihm wegnehmen sollen, doch dazu fehlte ihm schlichtweg die Kraft. Seine Glieder waren so schwer, sein Kopf so voll und so konnte er nicht einmal etwas sagen, als kurz darauf die Stille von der hektischen Stimme einer Reporterin durchbrochen wurde, begleitet von den Geräuschen, die es nun einmal an jedem Unfallort gab, bis hin zu dem Kreischen, was Namjoon schon jetzt Kopfschmerzen machte.
Er wollte das nicht hören, wollte nicht hören, was sie mit Jungkook machten. Aber er musste es sich anhören, weil er Seokjin nicht abhalten konnte. Und so lauschten sie dem Bericht, den hässlichen Geräuschen einer Säge, die sich durch Metall fraß und damit das komplette Aus für Jungkooks geliebtes Auto bedeutete.
Dann ging es weiter und der wirkliche Horror kam erst noch, als kein Puls gemessen wurde. Namjoon presste die Augen zusammen. Es war eine Qual und er wollte Seokjin anschreien das auszumachen. Aber er tat es nicht und lauschte. Er hasste Reporter. Niemals zuvor hatte er sie so sehr gehasst, wie in diesem Moment. Es war als wäre er nicht mehr mit seinem Körper verbunden, stand vollkommen neben sich, während er dem Grauen zuhören musste, bis es endlich vorbei war.
Dann Stille. Stille, die beinahe genauso grausam war, wie das, was sie sich eben angehört hatten. Hätten sie nicht gewusst, dass Jungkook außer Lebensgefahr war, Namjoon hätte spätestens jetzt den Verstand verloren.
Schweigend, die Lippen zusammengepresst, stand er auf, schaffte es irgendwie und trat neben Jin, bückte sich um dessen Handy aufzuheben und außer Reichweite auf das Sideboard zu legen. Dann sah er einfach aus dem Fenster, seine Miene unleserlich. Er atmete tief durch, senkte den Blick.
„Wir schreiben ihnen eine Nachricht und sagen was passiert ist. Das wir schon im Krankenhaus waren und es ihnen den Umständen entsprechend geht. Keine Details. Sie sollen Ruhe bewahren und morgen... sehen wir weiter."
Morgen. Heute. Egal wann. Es würde nichts wie vorher sein.
Namjoon glitt neben Jin auf die Fensterbank und zog ihn still an sich heran, umarmte ihn.
„Lass es einfach raus, Jinnie."
Er hielt ihn solange bis Jin keine Tränen mehr hatte. Dann griff er nach seinem eigenen Handy, löschte sofort alle Benachrichtigungen und begann jedem ihrer Freunde einzeln zu schreiben. Es war schwer und seine Hand zitterte, aber es musste getan werden. Und erst dann seufzte er schwerfällig.
„Ich schicke die Adresse erst morgen. Ich bete darum, dass sie schon schlafen, dass wenigstens sie noch eine Nacht Ruhe haben." Er streichelte durch Jins dunkles Haar. „Egal was passiert. Wir halten zusammen und wir stehen das durch! Wir werden Jimin und Jungkook, aber auch uns helfen." Das nahm er sich ganz fest vor. Er würde nicht noch einmal auch nur ein Mitglied seiner Familie sich selbst überlassen, wie sie es bei Jimin und Jungkook viel zu lange getan hatten.
„Komm... wir versuchen wenigstens etwas zu schlafen, okay?", sagte er dann und lächelte sogar wieder etwas, auch wenn er längst nicht wusste woher er die Kraft dafür nahm.
Und so legten sie sich wieder ins Bett, eng aneinandergeschmiegt, jedoch kaum schlafend, sondern nur in einen Dämmerschlaf, aus dem sie immer wieder aufschreckten.
Kim Seokjin:
Jin hatte sich nicht von Namjoon aufhalten lassen. Er hatte auch gar nicht auf seine Frage reagiert, sondern sich einfach dieses Video angeschaut. Ja, es war grausam gewesen, doch er hatte es wissen wollen, sehen müssen, wie ihre Freunde gelitten hatten. Was ihnen widerfahren war, um ein besseres Bild von der Situation zu bekommen. Dass ihn das Ganze so sehr zerriss, war nun Schicksal. Er hatte es nicht anders gewollt und so musste er mit den hereinstürzenden Gefühlen irgendwie umgehen.
Sein Blick war leer, starrte einfach nur auf den Boden. Nur am Rande bekam er mit, wie Namjoon sein Handy außer Reichweite legte und sich dann zu ihm gesellte. Langsam schloss er seine Augen, fasste sich mit zwei Fingern an die Schläfen und begann sie leicht zu massieren, bevor er dann doch zu dem anderen sah und sich unweigerlich die Hand vor den Mund legte, während ihm ein Schluchzen entkam, nachdem er seine Frage gestellt hatte. Alleine der Gedanke an die anderen und was das alles für Folgen für sie haben würde, war erdrückend.
Während er der Antwort des Leaders lauschte, versuchte er sich noch irgendwie zusammenzureißen. Das war sicher ein guter Plan.
„Klingt gut...", entkam es ihm daher nur leise, während Jin seine Hand langsam wieder sinken ließ. Ein schweres Schlucken folgte und dann lehnte er sich einfach an ihren Leader, der ihm seine Schulter angeboten hatte. Leicht drehte er sich, krallte seine Hand in seine Schulter und ließ den Schwall von Gefühlen einfach los. Er weinte stumm, suchte aber trotzdem den Halt an dem Jüngeren. Er war froh, jetzt nicht alleine sein zu müssen und er hoffte wirklich, dass die anderen einfach schon geschlafen hatten, bevor sich die Nachrichten begonnen hatten zu überschlagen.
Als Namjoon ihn ansprach, gab er nur einen zustimmenden Laut von sich und schmiegte sich etwas gegen die Hand, die durch sein Haar streichelte. Natürlich würden sie sich nicht aufgeben. Sie würden kämpfen, auch wenn das bedeutete, dass sie erneut von ganz unten, nach ganz oben mussten! Den Berg zu erklimmen war anstrengend gewesen. Er war gespickt mit so vielen Hürden und Kämpfen. Mit so vielen Emotionen. Gute wie auch schlechte. Es war ein harter Weg gewesen und nun fühlte es sich an, als hätte ein kräftiger Windstoß sie von der Spitze des Berges heruntergeweht. Sie würden noch härter arbeiten müssen, noch mehr Gefühle in ihre Texte geben und noch präsenter für ihre Fans sein müssen. Sobald das größte Hindernis genommen war, mussten sie unbedingt ihre Fans erreichen. Jin wusste wie stark sie mitlitten, doch da mussten sie jetzt durch.
Auch zu seinen letzten Worten bekam Namjoon einen zustimmenden Laut von ihm, dann löste sich Seokjin von ihm und legte sich mit ihm in das Bett der beiden Verunglückten. So versuchten sie beide ein wenig Schlaf zu finden.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top