Kapitel 6 - 15. Skorpion

Kapitel 6: 15. Skorpion

Der Boden bebte, als der Käfer sich begann zu bewegen und langsam lief Eabha rückwärts. Sie konnte von Glück reden, dass es sich nicht um einen Käfer handelte, der glaubte, dass sie essbar war. Hoffte sie zumindest und betete zu allen Schicksals-Göttern, die sie kannte. Was zugegeben nicht sonderlich viele waren.

Die Augen auf den Käfer gerichtet lief Eabha weiter rückwärts und bemerkte so nicht, wie sie einer Wand immer näher kam. Erst, als sie diese berührte und in ihrem Rücken spürte, bemerkte sie es und zuckte überrascht zusammen. Ihr Blick glitt auf die Wand und sie bemerkte, wie Sand von dieser rieselte. Auch der Boden unter ihren Füßen fühlte sich seltsam an, doch bevor sie richtig realisierte, was das war, sank sie im Sand ein.

Treibsand?

Nein, das war kein Treibsand. Ihre Füße berührten etwas hartes, das jedoch zu bröseln schien.

Sie wollte sich irgendwo fest halten und rausziehen, oder einen Schwebezauber anwenden, doch bevor sie dazu kam, brach der Boden komplett und sie wurde vom Sand verschluckt, um mit diesem zusammen auf einen harten Untergrund zu knallen.

Keuchend stieß sie die Luft aus und musste husten, als der feine Sand in ihre Kehle rieselte.

Sie schüttelte sich und versuchte sich dann aus dem Sand zu befreien, damit sie wieder richtig atmen konnte.

Wo auch immer sie war, hier war es staubig, sandig und vor allem dunkel.

Nachdem sie endlich wieder Luft bekam, ohne dass sie jedes Mal Sand einatmete, erschuf sie ein magisches Feuer, das ihre Umgebung erhellen sollte.

Sie befand sich, wenn sie das richtig sah, in einer Art Gan. Wahrscheinlich einer der Tempel.

Eabhas Herz klopfte heftig und sie musste sich erst einmal ein wenig beruhigen. Es schien jedenfalls nicht gefährlich zu sein. Zumindest nicht gefährlicher, als der Käfer, der oben auf sie wartete.

Allerdings hatte sie keine Ahnung wo genau sie war, oder wo sie entlang musste.

Sie lief ein Stück den Gang entlang und hörte, wie ihre Schritte immer wieder an den Wänden wiederhallten. Ein Geräusch, das ihr zeigte, dass die Gänge wohl sehr verzweigt und wohl weitläufig waren.

Was sollte sie denn jetzt tun.

Eabha seufzte. Das war ja wunderbar. Wie sollte sie denn den Auftrag erfüllen, wenn sie sich in einem unterirdischen Tempel verlief?

Aber da ihr keine andere Wahl blieb, lief sie einfach los, in der Hoffnung einen Ausgang zu finden. Wenn sie wirklich keinen fand, konnte sie noch immer dne Notfall-Rückkehrzauber nutzen, den ihr Ascarida und Sezuna mitgegeben hatten. Wenn es um diese Art von Zaubern ging, waren die beiden wirklich brilliant. Eabha war allerdings froh, dass Ascardia der Rothaarigen geholfen hatte. Sie mochte zwar alt und mächtig sein, doch mit der Genauigkeit hatte sie es nicht so. Zumindest nicht, wenn es um geografische Genauigkeit ging. Bei eigenen Zaubern landete Sezuna oft in einem See, nahe der Stelle, an der sie eigentlich landen wollte. Keiner wusste so genau, woran das lag, aber es war nun einmal so. Etwas, was Ascardia an diesem Zauber für Eabha korrigiert hatte. Hoffte die Frau zumindest. Es war noch immer möglich, dass sie in einem See landete, aber besser als hier war es auf alle Fälle.

Langsam lief Eabha weiter und fand sich nicht nur einmal vor einer Art Tür und Kammer.

Als der Gang schließlich größer wurde und die Wände mit vielen bunten Bildern verziert waren, keimte Hoffnung in ihr auf.

Allerdings war die Farbe der Bilder schon recht verwaschen, was hieß, dass schon lange niemand mehr hier gewesen sein musste. Trotzdem schien dieser Gang irgendwo hin zu führen. Eabha hoffte, dass es der Ausgang war. Wenn so etwas hier überhaupt existierte.

Eabha lief eine gefühlte Ewigkeit, als sie endlich an einer Art Durchang ankam. Hier wirkte alles sehr edel, wenn auch alt. Große Säulen säumten den Durchgang und über diesem gab es wundervolle Zeichnungen und Reliefs.

Vorsichtig ließ die alte Frau ihr magisches Feuer in den Raum fliegen, während sie draußen wartete.

"Wer ist da?", erklang eine raue Stimme, die klang, als hätte die Person, der die Stimme gehörte, kaum gesprochen.

Sofort zuckte Eabha zusammen und ließ vor Schreck das Licht verschwinden. Sie fand sich in völliger Dunkelheit wieder und musste sich selbst eingestehen, dass sie etwas aus der Übung war. In ihrer aktiven Zeit wäre ihr das niemals passiert, doch seitdem sie fast nur als Lehrerin tätig war und selbst kaum noch derartige Aufträge annahm, passierte ihr das hin und wieder einmal.

Schnell konzentrierte sie sich wieder und das Licht kehrte zurück. Im Schein der rot-orangenen Farbe erschien ein junger Mann. Das schwarze Haar schimmerte im Licht und war so lang, dass es seine linke Seite komplett bedeckte und bis zum Boden reichte. Auch das linke Auge war bedeckt, dafür blickte Eabha aus dem rechten Auge ein schwarzer Augapfel mit strahlend weißer Pupille entgegen.

"Ich bin Eabha Ceridwenstochter. Bist du Amun Ra-Hotep?", fragte sie und versuchte nicht zu verloren zu wirken. Sie konnte kaum glauben, dass sie hier jemanden gefunden hatte, der auf die Beschreibung zutraf.

"Ja, dass bin ich", sagte der junge Mann überrascht, dass jemand nach ihm suchte und schenkte ihr ein Lächeln. "Seid Ihr hier, um den König zu besuchen?", fragte er vorsichtig, denn in den Jahrhunderten seiner Wache hatte dies noch nie jemand getan.

Eabha schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin wegen dir hier", erklärte sie und streckte die Hand aus. Darin erschien ein Briefumschlag aus minzfarbenem Papier. Darauf stand in goldener Schrift sein Name. "Hiermit lade ich dich offiziell zum neuen Schuljahr an die Yorukage ein. Dein König stand mit unserer Königin in freundschaftlicher Beziehung, daher wird der Besuch dieser Schule deinen Eid nicht brechen. Solltest du dich dazu entscheiden auf die Schule zu gehen, wird ein Golem in dieser Zeit deine Wache übernehmen. Weitere Informationen findest du in diesem Brief", erklärte sie und besagter Brief erhob sich in die Luft und schwebte auf Amun zu.

Dieser hob seinen linken Arm, der fast vollständig von seiner ägyptisch anmutenden, weiten Robe bedeckt war. Diese hatte allerdings schon bessere Jahre gesehen und besaß einige Löcher. Durch diese war Knochen zu erkennen und als Amun den Brief in die Finger nah, konnte man sehen, dass diese nur noch aus Knochen bestanden. Unter dem schwarzen Haar, das seine linke Gesichtshälfte bedeckte, schimmerte es grünlich auf.

"Eine Schule", murmelte Amun und betrachtete sich den Brief. Er hatte viel über besagte Schule gelesen, doch in den Jahren waren die meisten seiner Bücher zu Staub zerfallen. Viele davon hatte er immer und immer wieder gelesen und kannte sie nun fast auswendig. Nur wenige Exemplaren, die mit Magie belegt waren, hatten hier überlebt. Das war auch der Grund, warum er nach einer solch langen Zeitspanne noch immer lesen konnte. Hoffte er zumindest.

Schnell öffnete er den Umschlag und besah sich das beigefarbene Papier, das mit minzgrüner Schrift beschrieben war. Sein weißes Auge richtete sich auf die Schrift und seine Lippen bewegten sich ein wenig, als er langsam begann zu lesen. Es fiel ihm nicht so leicht, wie er erhofft hatte, die Buchstaben zu Wörtern zu verbinden, doch es gelang ihm. Etwas neues zu lesen, war doch anders, als immer wieder die selben Bücher.

Eabha beobachtete den jungen Mann, von dem sie wusste, dass er durch einen Unsterblichkeitszauber an seine Aufgabe gebunden war. Er war also zu einem Lich geworden. Ein Untoter, der nicht mehr sterben konnte, dafür aber nach und nach zu einem Skelett wurde. Diese Riten waren in den meisten Teilen der mittleren Galaxie verboten, doch hier auf Anjotef waren sie noch immer normal.

"Du hast ein paar Tage Zeit, um dir Gedanken darüber zu machen", erklärte Eabha leise und war froh, dass sie es geschafft hatte, ihre Aufgabe zu erfüllen. Und das auch noch vor dem Beginn des Willkommensessens. "Solltest du dich dafür entscheiden, die Yorukage zu besuchen, nutze bitte den Teleportzauber, der sich im Brief befindet. Einfach den kleinen roten Stein zerbrechen, dann wirst du direkt auf die Yorukage gebracht. Den blauen Stein lässt du als Ankerpunkt hier, damit du dich jederzeit zurückteleportieren kannst", erklärte Eabha weiter und bemerkte, wie der junge Mann zufrieden lächelte. So wie er reagierte, wusste sie, dass er wohl ein wenig Probleme damit haben würde, sich einzugewöhnen. Es schien, als wäre er nicht oft unter Menschen.

Eabha strich ihren Umhang glatt. "Wir würden uns freuen, doch dort begrüßen zu dürfen, ich muss jetzt allerdings wieder zurück", erklärte sie und Amun sah auf.

"Wie unhöflich von mir. Entschuldige", sagte er und Eabha war sich nicht sicher, für was er sich entschuldigte. "Soll ich Euch zum Ausgang begleiten?", wollte er wissen. "Dadurch kommt ihr wieder an die Oberfläche. Der Tempel ist zerstört, daher gibt es nur noch einen einzigen Weg, der hineinführt."

"Es gibt einen Eingang?", fragte sie empört, weil sie den komplizierten Weg durch die Felsen genommen hatte. Ihren nächsten Suchzauber würde sie eindeutig besser einstellen!

Amun blinzelte überrascht. "Ja, dafür zu sorgen, dass Besucher die Gruft betreten können, ist auch ein Teil meiner Aufgabe", erklärte er und Eabha lächelte schwach.

"Danke für das Angebot, aber ich besitze einen Teleportzauber, der mich zurückbringen wird", erklärte sie dankend und freute sich schon richtig auf eine Dusche. Sie war diesen Sand wirklich leid!

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