Kapitel 4

~Irgendwo in der Mittleren Galaxie~

Eve betrat mit Kyon zusammen den Raum der Heilerin, der recht sporadisch, aber gemütlich eingerichtet war. Sie bedeutete Kyon sich auf die Liege zu setzen, während sie selbst zu dem Tisch ging, der im Raum stand.

Kyon folgte der Deutung der Heilerin und versuchte sich mit den Armen auf die Liege hochzustämmen. Diese war doch sehr hoch, aber dennoch schaffte sie es und drehte sich so um, dass sie sich setzen konnte.

"Du bist eine Bienenkönigin, nicht wahr?", fragte sie neugierig, während sie einige Kräuter an dem Tisch zusammensuchte.

Als Antwort auf Eves Frage nickte Kyon und versuchte zu sehen, was diese da tat. "Ja, das bin ich", stimmte sie zu.

"Wie hast du den Flug bisher vertragen?", fragte die Heilerin, während sie mit einer Schale voll Wasser und Kräutern wieder auf Kyon zutrat. Dabei füllte der Kräuterduft, der aus der Schüssel kam, den kleinen Raum.

"Es ist ungewohnt, aber nichts was mich verunsichern würde", erwiderte Kyon und folgte aufmerksam den Bewegungen der Frau. "Allerdings habe ich meinen Schwarm vorsichtshalber über die Reise in einen Stock umgesiedelt", erklärte sie.

Nickend tauchte die Heilerin ihren Finger in die Schale. "Das war eine sehr gute Idee. Er hätte hier schnell verletzt oder verloren gehen können", sagte sie, führte ein wenig mit dem Finger und hob diesen dann, um ihn an Kyons Stirn zu legen.

Der Blick der Bienenkönigin blieb dabei auf Eves Finger gerichte, selbst als diese zu ihrer Stirn kamen. "Welcher Art gehört Ihr an?", fragte sie neugierig, was der Heilerin ein sanftes Lächeln entlockte.

"Ich bin ein Höllendämon", sagte sie mit einem Schmunzeln. "Ähnlich wie Shiro", fügte sie hinzu und ließ ihre Magie in den Finger wandern, um damit Kyons Körper zu untersuchen. Das bläuliche Licht wanderte von ihrem Finger direkt in ihre Stirn, doch Kyon bekam davon wahrscheinlich nichts mit.

"Ihr meint den Versager mit den Flügeln?", fragte Kyon überrascht, da sie nicht viel von Shiro hielt.

"Nur, weil er ein wenig eigen ist, ist er kein Versager", murmelte Eve mit einem leichten Lachen in der Stimme.

"Er ist schwach", beharrte Kyon nüchtern und Eve schmunzelte, während sie ungerührt ihre Untersuchung weiterführte.

"Bist du dir da sicher? Vielleicht irrst du dich ja?", schlug sie vor, da Kyon und Shiro bisher nicht viel zusammen gemacht hatte und die junge Frau das überhaupt nicht einschätzen konnte. Dazu kannten sie sich einfach zu kurz.

"Seine Größe sagt nichts über seinen Geist aus", sagte sie, als würde das alles erklären. Was es wohl auch in ihrer Kultur tat. Doch hier war alles anders, als sie es kannte und deshalb war Eve nicht genervt oder verwirrt. Sie wusste, dass es einige Rassen gab, die so reagierten, wenn sie hier ankamen.

"Während du in deiner Rasse schon als geistig weit gereift giltst und körperlich noch nicht ausgewachsen, so ist er geistig ebenfalls noch nicht ausgewachsen, dafür aber körperlich", versuchte sie mit gerunzelter Stirn zu erklären. Sie musste erst einmal die ganzen Informationen hervorholen, die sie über Bienenköniginnen hatte. Es war schon sehr lange her, dass sie mit solchen zutun gehabt hatte und in den Jahrtausenden, die Eve schon lebte, sammelte sich eine Menge Wissen an.

Kyons ausdrucksloser Blick wirkte jedoch nicht so, als würde sie verstehen, was Eve damit sagen wollte.

Daher versuchte sie es erneut. "In seiner Rasse ist es so, dass der Körper zwar schnell altert, aber der Geist nicht. Meistens sind die Höllendämonen mit hundert Jahren körperlich ausgewachsen, hängen aber geistig im Alter von 13 fest", erklärte sie noch immer ein wenig nachdenklich. "Sie utnerscheiden sich sehr von deiner Rasse", fügte sie hinzu.

Kyon wirkte bei dieser Aussage ein wenig gelähmt und öffnete leicht die Lippen. "Mit ... 100?", wiederholte sie Eves Worte ungläubig. Das war ein Alter, das sie sich kaum vorstellen konnte. So alt wurden nicht einmal die ältesten ihrer Rasse.

Eve nickte lediglich. "Ja, er müsste jetzt etwa 100 Jahre sein, wenn ich das richtig gespürt habe. Seine Magie ist erst jetzt auf dem Stand, das man sagt, sie ist voll ausgereift und vollständig nutzbar."

"Hundert Jahre", murmelte Kyon erneut leise, als würde sie es gar nicht fassen können.

Die Heilerin lächelte ihr ein wenig entschuldigend zu. "Ich weiß, dass eure Rasse nur um die 30 wird. Ich kann mir denken, dass du dir das nur schwer vorstellen kannst."

"Nein, das ist schon okay", erwiderte Kyon leise und schüttelte ein wenig den Kopf.

"Er benimmt sich wie ein kleines Kind, weil er es geistig noch ist. Aber schwach ist er deshalb noch lange nicht. Ich nehme an, in eurer Gegend gab es kaum andere Rassen?", wollte die Heilerin wissen und nahm ihren Finger von Kyons Stirn. Sie hatte genug gespürt und keinerlei Krankheiten gefunden.

Weil auf ihrer Stirn ein seltsames Kribbeln zurückblieb, hob Kyon die Hand und rieb sich die Stelle, wo Eves Finger seine Stirn berührt hatten. "Mir wurde gesagt, dass es ein Feendorf in der Umgebung gab", sagte sie nachdenklich. Was hatte die Heilerin an ihrer Stirn gemacht?

"Aber du hattest keinen Kontakt mit diesen?", stellte Eve mehr fest, als sie fragte und stellte die Schüssel zurück, um sich stattdessen einen länglichen, weißen Kristall zu nehmen.

Als Kyon diesen erblickte, zuckte sie ein wenig zusammen.

"Keine Angst, er ist nicht gefährlich", versuchte Eve sie zu beruhigen und hielt ihn in ihre Richtung. "Ich teste nur, ob du mit Zaubern belegt bist, die auf der Schule gefährlich sein könnten", erklärte sie und nutzte den Kristall wie eine Art Sensor, um Zauber zu entdecken.

Die Schule selbst war umgeben mit vielen verschiedenen Zaubern, so dass sich manche gegenseitig aufhoben, oder aber eine explosive Mischung ergaben. Außerdem gab es Zauber, die den Schülern halfen eine bestimmte Form anzunehmen und deshalb für diese wichtig waren. Bei Kyon konnte sie bisher keinen solchen Zauber erkennen.

"Bienenköniginnen war der Kontakt außerhalb strengstens untersagt", erwiderte Kyon und wendete den Blick gezwungen ab.

"Das Los einer Königin", erklang Eves Stimme, die ein wenig kläglich klang. Sie wusste immerhin, wie es war in einer Gegend festzusitzen und diese nicht verlassen zu können. Daher konnte sie Kyon ein wenig verstehen.

"Ihr kennt Euch auf der Schule aus?", wechselte die Bienenkönigin das Thema und Eve ging mit einem Nicken darauf ein. Wenn es ihr unangenehm war, wollte sie es nicht weiter vertiefen. Ihr selbst kam das ebenfalls gelegen.

"Dieses Jahr bin ich als Heilerin auf der Schule. Aber ich war auch schon ein paar Mal als Lehrerin tätig. Wann immer ich eine Auszeit brauche komme ich hierher", erklärte Eve mit ruhiger Stimme und ließ den Kristall weiter über Kyons Körper wandern. Diese hob ein wenig die Augenbraue.

"Eine Auszeit?", fragte sie neugierig. Sie konnte sich darunter nicht viel vorstellen.

"Ja, die Lehrer der Schule bestehen aus Königinnen und Königen, da wir hier sind, um die nächste Generation der Herrscher auszubilden. Und natürlich auch ihre Höfe", erklärte die Heilerin, während sie beobachtete, wie der Kristall an machen Stellen von Kyons Köröer bläulich zu schimmern begannen. Das war jedoch normal.

"Dann sind auch Lehrmeister an dieser Schule zu finden?", fragte Kyon unerwartet und Eve runzelte die Stirn.

"Das kommt darauf an, was du als Lehrmeister bezeichnest", antwortete sie und fragte sich, wie das Mädchen jetzt darauf kam. Sie sah zwar aus wie acht Jahre, doch diese Unterhaltung bewies, dass sie geistig schon sehr weit war. Wenn ihre theoretischen Kenntnisse jetzt auch noch stimmten, sollte sie keinerlei Probleme auf der Schule haben.

Kyon wirkte auf einmal sehr entschlossen. "Ich suche einen Lehrmeister, der mich in den Künsten der Lüfte unterweist", erklärte sie nüchtern und ihre Augen funkelten aufgeregt.

"Dann wirst du mit Sicherheit einen der Lehrer finden. Sezuna, die Lehrerin für Weltenlehre, meine kleine Schwester, beherrscht das Element Wind als Geburtselement. Sie hat einige Jahrtausende Erfahrung damit", erzählte Eve und nahm den Kristall zurück. Sie war fertig damit, nach den Zaubern zu suchen.

"Man sagte mir, ich soll eine Technik erlernen, welche das Leben aus Wesen saugen kann. Kann sie das?", wollte Kyon wissen und Eve fragte sich, woher sie wusste, dass dieser Zauber existierte. Es gab normalerweise nur wenige, die von dieser Art Zauber wussten. Sie waren gefährlich.

"Ja, das kann sie, aber ob sie dir das beibringen wird...", begann Eve überrascht. "Es ist nicht nur eine schwere, sondern auch gefährliche Technik. Für beide Seiten. Dafür wirst du eine Weile üben müssen", warnte sie und legte den Kristall zurück, um die Besuchung zu beenden. Ihr gingen Kyons Worte jedoch nicht aus dem Kopf. Was wollte sie mit einer solchen Technik?

Entschlossen nickte sie, als wüsste sie, worauf sie sich einließe. "Ich bin bereit dafür. Ich wurde auserwählt", sagte sie bedeutungsschwanger, was bei ihrer kindlichen Erscheinung eher lächerlich wirkte. Aber Eve ließ sich nichts anmerken, ob sie es seltsam fand, oder nicht.

Stattdessen blickte sie Kyon lange Zeit schweigend an, als würde sie mit ihren pinken Augen etwas suchen. "Das werden wir sehen", sagte sie schließich lächelnd, aber nicht, als würde sie sich lustig machen.

"Werden über die Schüler Protokolle geführt?", fragte sie plötzlich scheinbar unzusammenhängend.

"Es gibt Akten, ja, aber ich glaube nicht, dass diese vollständig sind", antwortete Eve überrascht, aber nachdenklich. Die Akten führte der Direktor, damit hatte sie kaum etwas zutun, aber sie musste gestehen, dass es eine interessante Frage war. Sie war damals zwar nicht auf die Yorukage, sondern auf die Andalusia gegangen, doch sie fragte sich, ob es Akten über ihre beiden Schwestern gab.

"Auch über vergangene?", wollte Kyon neugierig wissen und lehnte sich ein Stück nach vorn zu Eve. Diese fragte sich, wie Kyon nun auf dieses Thema kam, entschied sich aber darin nichts Böses zu sehen.

"Suchst du Informationen über einen alten Schüler?", wollte sie wissen, denn das wäre nichts Ungewöhnliches. Es gab des öfteren Schüler, die etwas über Verwandte oder Bekannte herausfinden wollten und deshalb versuchten auf die Schule zu kommen.

Ein wenig ertappt zuckte Kyon zusammen und lehnte sich wieder zurück. Ihr Blick senkte sich und kurz schüttelte sie den Kopf. "Es ist nur das erste Mal, dass ich außerhalb meines Stammes die Welt sehe."

"Verstehe", nickte Eve. "Es gibt auch über vergangene Schüler Unterlagen", erklärte sie unbefangen und dachte sich kaum etwas dabei. Stattdessen wurde sie neugierig, wieso Kyon das wissen wollte. Doch das konnte sie noch die nächsten Jahre herausfinden.

"Und wo sind diese zu finden?", fragte Kyon vorsichtig, scheinbar wollte sie Eve nicht zu viel verraten oder verschrecken.

Die Heilerin lachte ein wenig. "Im Zimmer des Direktors", sagte sie ruhig und Kyon nickte nachdenklich.

"Der Ort muss sicher gut geschützt sein", stellte Kyon fest und wirkte nachdenklich.

"Das könnte man so sagen, ja. Der Direktor verlässt sein Zimmer kaum noch", fügte die Heilerin hinzu und begann den Kristall zur Seite zu räumen.

Das schien Kyon nachdenklich zu machen. "Ist er krank?", fragte sie und Eve schüttelte den Kopf.

"Nein, aber er ist sehr alt. Noch älter als ich und mittlerweile sieht man es ihm nicht nur an, man spürt es auch und er wird immer schwächer. Oder eher sein Körper. Seine Magie ist noch immer sehr stark", erklärte sie und schwelgte dabei in Erinnerungen, was man an ihrer Stimme hören konnte.

Ein wenig abwensend und nachdenklich nickte Kyon. Sie hatte alle Informationen, die sie brauchte und wahrscheinlich war es besser, wenn sie jetzt aufhörte, bevor die Heilerin Verdacht schöpfte.

Diese hatte sich bereits an den Tisch gelehnt und wirkte abwartend. "Ich wäre dann fertig mit deiner Untersuchung, aber wenn du dich gern noch unterhalten möchtest, kann ich dir gern schon einige Fragen beantworten", bot Eve an und blickte neugierig zu Kyon. Diese sprang mit einem Mal von der Liege und richtete sich auf.

"Nein, aber ich danke Euch für die Auskunft. Ich benötige etwas Schlaf vor der Landung", sagte sie und Eve stimmte ihr zu.

"Das ist eine gute Idee", meinte sie und hielt es tatsächlich für eine gute Idee. Die Reise war zwar nicht mehr lang, doch wenn sie sich richtig an die Bienenköniginnen erinnerte, dann brauchten diese recht viel Energie.

"Habt Dank", verabschiedete sich Kyon und verließ den Raum.


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