„Ich helfe dir nicht"
Schweißgebadet wachte ich am nächsten Morgen durch den Krach auf, welcher von draußen kam. Ich seufzte einmal, rieb mir die Schläfe und zog mir das weiße Shirt aus, welches förmlich an meinem Körper klebte. Kurz blieb ich noch sitzen, versuchte den Ärger runter zu schlucken, der aufkam, sobald ich auf die Uhr gesehen hatte. Es war gerade mal halb sieben, wie kam man darauf, um diese Uhrzeit, so einen Lärm zu machen?
Genervt hievte ich mich aus meinem Bett und schob die Gardinen zur Seite. Natürlich war es mal wieder Harry, der mir meinen Morgen versaute. Er war nämlich gerade dabei, Holz und andere Dinge von einem Traktoranhänger zu laden und dieses Bild alleine, war für mein Londoner Herz schon irgendwie witzig. Auf der Autofahrt hier hin, war es das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit gewesen, dass ich einen Traktor gesehen hatte, dabei war ich als Kind verrückt nach den Dingern gewesen und habe von meinem Großvater auch schnell lernen dürfen, wie man es fährt.
Harry fuhr sich gerade einmal mit der Rückseite seiner Hand über die Stirn, um sich den Schweiß wegzuwischen, als sein Blick meinen fand. Er winkte mir einmal zu, doch ich verdrehte nur die Augen und ließ die Gardinen zurück in ihre Ursprüngliche Form fallen. Meine schlechte Laune überwog diesen Morgen, doch so böse war ich gar nicht darüber, aufgeweckt worden zu sein. Immerhin hatte ich es den ganzen Traum über versucht, in welchem ich meine beste Freundin auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen hatte sterben sehen, die nur gingen. Und immer kam ich zu spät und hatte nicht im geringsten eine Chance, etwas dagegen zu unternehmen. Ich fühlte mich wie in dieser einen Supernatural Folge, in welcher Sam seinen Bruder Dean immer wieder sterben sah, nur dass mein Traum keinerlei Comedy beinhaltete.
Ich schnappte mir ein paar neue Klamotten aus meinem Schrank und öffnete dann mein Fenster eine Runde, damit es durchlüftet werden könnte und mich der Lärm, jetzt wo ich nicht da war, auch nicht mehr nerven konnte. Stattdessen drehte ich den Schlüssel im Badezimmer um, stellte das Radio auf und suchte einen Sender, der einigermaßen gute Musik spielte, bis ich mich meinen kompletten Klamotten entledigte und sie in die Wäschetruhe warf.
Der kalte Strahl der Dusche, hatte etwas schönes. Es ließ mich in den Tag starten und schien mit jeder verstrichenen Sekunde dabei zu helfen, den Traum nach hinten zu stellen. Nicht, dass ich ihn jemals vergessen könnte, aber zumindest wurde mir bewusst, dass ich nicht mehr darin gefangen war.
Ich duschte eine ganze Weile, nutzte dies, um mich für heute einmal auszuheulen und stellte sie dann aus. Kurz blieb ich noch stehen, spürte, wie das Wasser an meinen Haaren herunter tropfte und auf meine Schultern und meinen Rücken fielen. Ich atmete einmal tief durch, fuhr mir durchs Gesicht und öffnete dann die Schiebetür, um nach dem Handtuch zu greifen und mich darin einzuwickeln. Sehnsucht überkam mich, doch ich wusste gar nicht richtig, wonach, als es an der Tür klopfte und ich die Stimme meines Großvaters hörte.
"Kommst du frühstücken?", fragte er mich und ich seufzte einmal.
"Ich habe nicht wirklich Hunger", gab ich zu und schlüpfte in meine Unterhose, ehe ich mir die Jeans und das T-Shirt überzog.
"Deine Nana hat Pfannkuchen gemacht."
Ich lächelte, sagte ihm, dass ich sofort unten wäre und hörte dann, wie er verschwand und mein lächeln mit ihm. Es war süß, wie viel Mühe sie sich gaben und ich wusste es auch wirklich zu schätzen, nur schien es für mich einfach etwas schwer zu sein, aus dieser Trauerphase zu entwischen. Es schien wie ein Prozess zu sein, den ich niemals überwinden würde, egal, wie viel Zeit auch vergeht.
Ich putzte mir meine Zähne, öffnete das Fenster im Badezimmer und ging dann, wie versprochen, nach unten um mit meinen Großeltern zu frühstücken. Tatsächlich brachte der leckere Geruch der Pfannkuchen meinen Magen dazu, sich wirklich auf das Essen zu freuen und noch besser wurde es, als wir das gesamte Frühstück über, zu dritt blieben. Meine Großeltern fragten mich etwas über die Pläne aus, die ich später vor hatte und waren nicht sonderlich begeistert davon, dass ich keine hatte. Doch sie versuchten es mit aufmerksamen und gut gemeinten Floskeln zu überspielen, während ich einfach so tat, als würde ich ihnen diese abkaufen. Letztendlich war es mein Leben und irgendwas, würde ich schon machen. Irgendwann.
Nach dem Frühstück, meldete ich mich bei meinen Großeltern ab und fragte sie, ob ich Milo für einen langen Spaziergang mitnehmen könnte. Gerade als mein Großvater dazu ansetzen wollte, mich wahrscheinlich dazu zu bringen, Harry draußen zu helfen, sprang meine Großmutter ein und meinte, dass ich das sehr gerne machen könnte. Um ehrlich zu sein, rettete sie mir damit nicht nur den Tag, sondern stellte sich auch noch als Engel heraus, der gemerkt hatte, dass ich mich in Harrys Gesellschaft kein Stück wohl fühlte. Wenn sie wüssten, wieso dem so ist, würde der grünäugige Teufel wahrscheinlich nicht einmal mehr hier arbeiten, aber so Rachsüchtig war ich nun wirklich nicht. Ich wollte nur einfach nichts mit ihm zu tun haben müssen.
Diese Aussage musste natürlich gleich unter Beweis gestellt werden, da Milo den Lockenkopf förmlich umrannte, sobald wir das Haus meiner Großeltern verließen. Die beiden hatten dann einen regen Austausch von Freude, einander zu sehen, ehe die grünen Augen auf mir lagen und mich fragend anschauten.
"Das sieht mir aber nicht so sehr nach Arbeitsklamotten aus", stellte er fest und ich lachte fast laut auf, als mir bewusst wurde, dass er das gestern Ernst gemeint hatte. "Also ich meine, mich stört es nicht aber besonders praktisch scheint es nicht zu sein."
"Ich helfe dir nicht", gab ich also ganz einfach zurück und duldete in diesem Satz keinerlei Chance für ihn, in irgendeiner Weise etwas dagegen zu sagen. Er schien dies jedoch nicht so zu sehen und stand kurz darauf wieder vor mir, als ich mich bereits weiter auf den Weg machen wollte.
"Dein Großvater meinte aber-"
"Du", ich zeigte auf ihn und danach auf den Haufen Holz, welcher neben dem Traktor lag, "wirst für all das hier bezahlt. Ich verbringe meine Ferien nicht hier, damit ich dir deine Arbeit abnehmen kann."
Diese Aussage schien schon etwas mehr gebracht zu haben, da er mich danach tatsächlich in Ruhe ließ und ich nun endlich mit Milo den Hof verlassen konnte, um mich auf den Weg in die Stadt zu machen und mir dort ein neues Buch aus der Bücherei auszuleihen.
*****
Es waren fast fünf Stunden vergangen, in denen ich jeden Millimeter dieses Dorfes unter die Lupe genommen hatte, damit ich nicht zurück nach Hause musste. Hier konnte ich Menschen beobachten, wie sie arbeiteten oder einfach nur das schöne, fast schon zu warme, Wetter genossen. Milo hatte sich auf jeden Fall nicht über diesen langen Spaziergang beschwert und würde gleich bestimmt gut schlafen, während ich der Pflicht aus dem Weg gegangen war, Harry vielleicht doch noch helfen zu müssen.
Tatsächlich, trottete Milo etwas müde hinter mir her, als wir über die Wiese bis zum Haus gingen und ließ sich dann neben meiner Großmutter nieder, die sich in den Schatten gesetzt hatte und tatsächlich etwas strickte.
"Hey Nana", begrüßte ich sie, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und zeigte dann auf ihre Hände. "Was wird das?"
"Das werden neue Socken für deinen Opa. Seine alten sind schon gar nicht mehr zu stopfen." Wir beide lachten und sie legte ihr Konstrukt auf ihrem Schoß nieder, um mir ihre Aufmerksamkeit zu schenken. "Du warst aber lange unterwegs. Hast du was bestimmtes gemacht?"
Ich schüttelte den Kopf und lächelte etwas, um die traurige Stimmung zu verdrängen, die aufkommen wollte.
"Ich war lediglich in der Bücherei, hab ein Eis gegessen und war ansonsten mit Milo überall unterwegs. Der wird sich bis heute Abend keinen Millimeter mehr bewegen."
"Das braucht er, solange er noch jung ist." Sie tätschelte ihm einmal den Kopf und holte dann das Telefon aus ihrer Schürze, um es mir zu reichen. "Dein Freund Zayn hat sich gemeldet. Ich hab ihm gesagt, dass du ihn zurück rufst, sobald du wieder da bist. Seine Nummer ist im Telefonbuch gespeichert."
"Danke Nana", sagte ich ehrlich und streichelte ebenfalls kurz über Milos Kopf, ehe ich ins Haus ging und mich nach oben in mein Zimmer verkrümelte.
Wenig später wählte ich die Nummer von Zayn und begrüßte seine Mum, die mich an ihn weitergab. Es tat gut, seine Stimme mal wieder zu hören und wir hielten uns ein bisschen up-to-date, was in London so los war. Er meinte, dass es in der Schule gerade wirklich nicht einfach war und er ebenfalls versuchte, seine Mutter zu überreden, zuhause bleiben zu dürfen, doch das schaffte er nicht. Sie meinte immerzu, er bräuchte Ablenkung anstatt sich Zuhause den Kopf darüber zu zerbrechen und obwohl Zayn diese Maßnahme gar nicht gut fand, wünschte ich mir, mit ihm tauschen zu können.
Dies sagte ich ihm aber natürlich nicht, da ich mich wegen früheren Ferien jetzt wirklich nicht beschweren konnte. Außerdem fragte er mich über das Dorf und meine Großeltern aus, während ich überlegte, ob ich ihm etwas über Harry erzählen sollte. Doch ich entschied mich dagegen, da meine beste Freundin immer mein Ansprechpartner für dieses Thema gewesen war und es komisch wäre, nun einfach damit anzufangen. Stattdessen legten wir also nach einer knappen Dreiviertelstunde auf, was für uns schon ein echt langes Gespräch bedeutete und ich legte das Haustelefon auf meinen Nachtschrank, um dann für einen Moment die Augen zu schließen.
∞
"Es kann doch nicht so schwer sein, das perfekte Kleid zu finden", seufzte Zayn, während meine beste Freundin fast schon zu verzweifeln schien.
Wir hatten wirklich das ganze Einkaufszentrum abgesucht, hatten ihr dabei zugesehen, wie sie mindestens neunundneunzig Kleider anprobierte und hatten wirklich keine Lust mehr. Doch sie hatte heute Abend das erste Date mit ihrer Internetbekanntschaft und da sie immer noch nicht wusste, wie er aussah, war sie unglaublich nervös.
"Du stehst doch sonst auch nicht so auf Kleider", versuchte ich Zayn zu unterstützen, "sei doch einfach du selbst und zieh das an, was du immer anziehst."
"Ihr Jungs versteht das nicht", sie verdrehte die Augen und zerrte uns in den nächsten und letzten Klamottenladen, den dieses Einkaufszentrum zur Verfügung hast, wofür ich wirklich dankbar war. "Keiner ist beim ersten Date vollkommen er selbst. Es geht um den ersten Eindruck und dafür gibt es keine zweite Chance, oder nicht?" Sie hielt ein grünes Kleid mit rotem Blumenmuster hoch und Zayn und ich machten angewiderte Gesichter, weswegen sie es wieder weg hing und seufzte.
Gegen dieses Argument ihrerseits sagten wir nichts mehr und fanden nach weiteren zehn Minuten doch tatsächlich das perfekte Kleid. Sie sah unglaublich aus und doch irgendwie nicht so, wie ich sie kannte. Aber vielleicht war das ja auch genau der Look, für den sie gehen wollte und so wie immer, würde ich sie einfach bei ihren Entscheidungen unterstützen.
Trotzdem wünsche ich mir, ich hätte doch mehr auf mein Bauchgefühl gehört. Denn es kam für mich nicht sonderlich überraschend, dass der Typ sie versetzte. Naja, ihr zehn Minuten bevor sie sich trafen schrieb, dass er doch nicht konnte und sie das Treffen aber unbedingt verschieben müssten.
Als ich sie von dem Restaurant abholte, war es für mich unmöglich, sie aufzuheitern. Und bereits dort bemerkte ich die Veränderung, die dieser Typ mit sich brachte und ich mochte sie nicht. Sie machte mir Angst, die mir später nur bestätigt werden würde.
[...∞...]
Schönen guten Tag meine Lieben (:
Zwar nicht gestern, dafür aber heute ein langes Kapitel. Es scheint immer noch eisig zwischen Harry und Louis zu sein.. mal sehen, ob sich das Blatt in nächster Zeit wenden kann 🤔
Vielen Dank für die lieben Kommentare unter dem letzten Kapitel ❤️
xoxo Michelle
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top