„Es ist schön, wieder Zuhause zu sein"
Abschalten. Dies war das Wort, welches meine Eltern für meinen Aufenthalt in meinem Geburtstort, verwendet hatten.
Aber wie sollte ich abschalten, wenn ich sie vor Augen hatte, jedes Mal, wenn meine müden Lider sich für eine Sekunde ausruhen wollten? Verschwinden vor den Dingen die ich gesehen, erlebt, durchlebt hatte und nicht ein anderer Mensch verstehen konnte? Oder wollte.
Alles tat weh. Leben tat weh. Ich vermisste sie mit jedem Herzschlag und hatte so viel Wut und Trauer in mir, wie noch niemals zuvor. Keine Ahnung, wieso meine Eltern dachten, dass diese Gefühle verschwinden würden, sobald ich London verlasse.
Die Landschaften zogen an mir vorbei, ihre Playlist in meinem Ohr. Niemals würde ich meiner Mutter dies sagen, sonst würde sie es mir genauso wegnehmen, wie sie mir mein Handy und meinen Laptop weggenommen hatte. Klingt das nicht lächerlich? Als gäbe es nur diese eine Hölle.
"Das wird dir gut tun", haben die beiden immer wieder gesagt und ich hatte nur genickt. Das sie mich dafür zwei Wochen vor den Sommerferien haben beurlauben lassen, passte mir nur zu gut. Ich wollte diesen Ort niemals wieder betreten. Nicht ohne sie. Nicht mit dem Wissen, dass sie es wissen. Das es sie nicht interessierte. Das sie sich im Recht fühlten.
Ich hatte meine Großeltern das letzte Mal an meinem Geburtstag gesehen. Das war nun knapp ein halbes Jahr her. Seit unserem Auszug, hatte ich nicht wirklich den besten Kontakt mit ihnen gehabt, seitdem wir von dort weggezogen waren, sobald ich den Kuchen mit den elf Kerzen ausgepustet hatte.
Dort ist übrigens ein kleines Dorf Namens Castle Comb, in der Mitte von Wiltshire. Und wenn ihr mich fragt, was es dort gibt, ist die Antwort ganz einfach; nichts. Wir haben ganze 344 Einwohner in dieser Kleinstadt, somit kannte wirklich jeder jeden, was das Leben dort, nicht einfacher machte.
Naja, dort würde ich jetzt auf jeden Fall meine nächsten sechs Wochen verbringen, zumindest, laut meinen Eltern. Ich könnte jetzt behaupten, dass ich super enttäuscht bin, weil sie es hinter meinem Rücken entschieden hatten, aber eigentlich, war es mir egal. Eigentlich, war mir gerade alles egal. Nicht einmal die Beerdigung hatte ich Richtig wahrgenommen, alles lief wie ein Schleier vor mich her und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, dass sie jetzt einfach nicht mehr da war.
Nach einer dreistündigen Autofahrt, fuhren wir die, noch viel zu bekannten Straßen, zum Hof meiner Großeltern entlang und ich konnte nur den Kopf schütteln, wenn die Leute meine Eltern sogar jetzt grüßten. Ich hingegen versteckte mich so tief in dem Autositz, wie es nur irgendwie ging und konnte es nicht abwarten, anzukommen und einfach wie damals auf dem Heuboden zu verschwinden und so einem Gespräch mit meinen Großeltern aus dem Weg gehen zu können.
"Es ist schön, wieder Zuhause zu sein", lächelte mein Vater, sobald er meine Reisetasche aus dem Auto gehievt und neben sich auf dem Boden platziert hatte. Sein Arm fand den Weg um die Schulter meiner Mutter, während ich mich nun dazu aufraffte, die Kopfhörer aus meinen Ohren zu nehmen und sie in meiner Jackentasche zu verstecken.
Währenddessen nahm ich im Hintergrund meine Großeltern wahr, die aus dem Haus gelaufen kamen und in ein großes Wiedersehen vertieft waren, weswegen ich die Möglichkeit nutzte und mich gleich mal aus dem Staub machte.
Ich wollte nicht reden. Ich wollte nicht denken, nicht lachen, nicht blinzeln, nicht atmen. Ich wollte für mich sein, ganz alleine für mich und hoffte, dass meine Familie das verstehen würde, bis ich bereit für anderes war. Auch wenn es sich bisher nicht so anfühlte, als würde ich jemals bereit für etwas anderes als Trauern sein.
Meine Beine trugen mich schnell durch die bekannten Ecken, immerhin war ich jeden Mikrometer dieses Grundstückes über eine Millionen Mal gegangen. Ich musste sogar zugeben, dass es sich irgendwie gut anfühlte, zu wissen, dass sie mich nicht finden würden, selbst, wenn sie wollten.
Ich umklammerte den MP3-Player in meiner Jackentasche etwas fester, als ich an der Scheune ankam und einmal tief durchatmete. Meine Finger umfassten das leicht abgesplitterte Holz der alten Leiter und mit flinken Schritten, war ich die zwölf Sprossen nach oben geklettert und atmete den Geruch des Heubodens ein. Es kitzelte in meiner Nase, als meine Schritte auf dem Boden den Staub aufwirbelten und ich für einen Moment stehen blieb, meine Augen schloss und tief durchatmete.
Sofort, kam sie mir wieder in den Kopf. Sie hätte es hier geliebt. Weg von all den Pflichten, Ängsten und Sorgen. Weg von allem, was uns irgendwie weh tun könnte. Ganz alleine, nur wir beide. Ich hätte sie mit hier hin nehmen sollen. Bevor es passiert, vielleicht hätte es etwas geändert.
Vielleicht aber auch nicht.
Meine Augen öffneten sich und sofort entwischte die Träne, die ich seither immer versteckt hatte. Seit ihrem Tod, hatte ich nicht geweint. Zayn sagte mir, dass es gut tun würde, aber ich hatte das Gefühl, es sei mir nicht erlaubt, zu weinen. Sie würde nicht wollen, dass ich weine. Sie hat über die letzten Jahre zu viele Tränen vergossen, war zu viel alleine, während sie dies getan hat.
Mein rauer Handrücken fuhr über meine glühende Wange und ich ließ mich auf einem der Heuballen nieder, griff fester nach dem MP3 Player, schluckte und steckte mir die Kopfhörer wieder in die Ohren. Dann drückte ich auf Play und war wieder vollends bei ihr.
∞
Da seine letzte Nachricht nicht durchgegangen war, hatte Louis schnell seine Lernzettel zusammen gepackt und war auf dem Weg zu ihr. Es war seltsam, wenn seine beste Freundin offline ging, ohne ihm vorher Bescheid zu sagen. Ja, es kam schon mal häufiger vor, dass sie ihre Ruhe brauchte, aber er wusste dann, worauf er sich einstellen musste.
Seine Beine waren schnell, sein Blick auf den Boden geheftet, seine Tasche fest an seine Brust gedrückt. Er konnte jeden Atemzug spüren, wenn sich seine Lungen gegen seine Rippen pressten. Er sollte mehr Sport machen, hatte sie ihm gesagt und im selben Atemzug gelacht, weil das so überhaupt nicht ihr Ding war. Und was nicht ihr Ding war, kam niemals für sie beide in Frage.
An der Tür angekommen, klingelte er zwei Mal und somit wusste auch die Mutter seiner besten Freundin Bescheid, dass es Louis war. Am Anfang, hatte es sie noch ziemlich genervt, doch dann hat sie sich irgendwie daran gewöhnt und nun würde es komisch kommen, wenn Louis plötzlich damit aufhören würde.
Schnell wurde die Tür geöffnet und noch bevor dem Blauäugigen eine Begrüßung entfallen könnte, hatte die Frau vor ihm lächelnd auf die Treppe gezeigt und nach einem Nicken, war Louis die Treppe förmlich nach oben gerannt.
Ganz kindisch, empfing ihn an ihrer Zimmertür das 'Nicht Stören' Schild, welches sie mal in der sechsten Klasse zusammen auf ein Löschblatt gekritzelt hatten und ein schiefes lächeln trat auf seine Lippen, als er einen Zettel schrieb und diesen unter der Tür her schob.
Louis hörte, wie sich hinter der Tür etwas regte und kurz darauf, öffnete sich die Tür vor ihm.
Seine Schwarzhaarige beste Freundin, mit der hellsten Haut die man sich nur vorstellen könnte, öffnete ihm die Tür und in ihren Augen konnte Louis sofort all den Schmerz lesen, den sie niemals fühlen sollte. Deswegen hatte er auch schnell die Tür geschlossen und war dann auf sie zugegangen, obwohl sich ihr kompletter Körper, bereits unter der Betdecke versteckte.
Er überlegte kurz, was er sagen könnte, doch stattdessen hob er die Bettdecke unter etwas Protest, jedoch nicht wirklich, seiner besten Freundin an und rutschte dann ganz nahe an sie heran. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast, als die Dunkelheit sie wieder einholte und sie sich beide bequem und sicher fühlten. Sie sahen sich einfach nur an. Die Eisblauen und die Meerblauen Augen. Sie wussten was der jeweils andere fühlte, bevor man es Aussprach und manche würden es vielleicht als gruselig bezeichnen, für sie hingegen, war es Zuflucht.
"Es tut weh", hatte sie nach einer Weile gemurmelt und Louis nickte, als er nach ihrer Hand griff und sie auf sein Herz legte. "Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe. Was ich tun kann, damit es aufhört."
Louis wusste es auch nicht. Er würde alles tun, doch er wusste, dass nichts helfen würde. Dabei musste doch so unbedingt etwas getan werden; Gott, er wusste es ja. Schon damals. Schon damals..
[...∞...]
Herzlich willkommen zu meiner neuen Geschichte. Ich versuche jetzt auch mal wieder alleine zu schreiben und hoffe, dass es euch trotzdem gefällt (:
Lasst mir doch etwas kleines da, wenn ihr möchtet. Es würde mich freuen, von euch ein bisschen Motivation von euch zu bekommen ❤️
Lots of love,
xoxo Michelle
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top