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Ich kann meine Dienstagsschicht kaum erwarten. Besonders, da Jeno wieder an Fans gewonnen hat und so mittlerweile auf einem guten Weg in Richtung der Tausend ist. Und Dienstagmorgen lädt er ein weiteres Lied hoch, das mir sofort gute Laune verpasst. Er bessert sich wirklich, und das merklich.

Den Vormittag über bin ich unruhig und spiele so gut wie dauerhaft mit meinem Stift, statt aufzupassen, und bin so ziemlich erleichtert, als ich nach dem Mittag endlich meine Schicht antreten kann. Da es nachmittags am vollsten ist, kommen mir die vier Stunden viel kürzer vor. Und als Jeno auch noch kommt und mir von seiner Ecke aus immer wieder Blicke zuwirft, ist es auf einmal neunzehn Uhr und meine Ablösung kommt.

Also mache ich mir einen Kaffee und mache mich damit auf den Weg zu Jeno. Er lächelt, sobald er mich auf sich zukommen sieht, und ich muss es sofort erwidern.

"Hallo, Jeno."

Er schmunzelt. "Hallo, Jaemin."

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Als meine Tasse leer ist, gehen wir uns etwas zu essen holen und setzen uns damit auf eine Bank auf den Campus. Jenos Notizbuch liegt dauerhaft offen neben ihm, und ab und zu schreibt oder skizziert er etwas hinein, manchmal auch nur ein einziges Wort oder ein einfaches Symbol. Schweigend essen wir, hören unserer Umgebung zu. Irgendwo scheint jemand zu feiern, ein Bass dröhnt durch die Gegend und ab und zu laufen aufgetakelt aussehende Studenten ein paar Meter entfernt über den Campus, immer von rechts nach links. Rechts nach links. Manche Gesichter erkenne ich, und so bin ich froh, dass wir uns nicht an den Hauptweg gesetzt haben. Stattdessen sitzen wir abseits auf einer Steinbank, im Dunklen. Wie Jeno überhaupt sehen kann, was er schreibt, ist mir ein Rätsel. Ich bin ja schon stolz, dass ich vernünftig essen kann.

"Jaemin?" Kauend wende ich mich Jeno zu, sehe ihn fragend an, doch er notiert schon wieder etwas, bevor er zu mir aufsieht. "Kann ich ein Lied über dich schreiben?" Ich verschlucke mich, halte mir aber rechtzeitig die Hand vor den Mund, um ihn nicht anzuhusten. Und wieder schreibt er etwas auf. Ich brauche etwas, um mich zu fangen, mein Husten ist viel zu laut in der nächtlichen Stille um uns herum.

"Über mich?"

"Über dich."

"Was gibt es denn bitte über mich zu sagen?"

"Oh, so einiges." Er legt den Kopf schief, denkt über irgendetwas nach, während er weiterredet. "Nur weiß ich noch nicht, wie ich das alles aufschreiben soll. Vielleicht... dauert es noch eine Weile, bis ich das herausgefunden habe. Aber ich möchte deine Erlaubnis haben. Oh, ich habe übrigens mittlerweile siebenhundert Fans."

"Die hast du dir auch verdient", murmle ich. Er lächelt leicht.

"Ist das ein Ja?"

Ich seufze leise. "Ja. Ich will deine Kreativität schließlich nicht stoppen."

Jeno lacht auf. "Das würde durch dich niemals passieren." Plötzlich wird er ernst und sieht auf seine Finger hinab. Kurz denke ich, dass er nur überlegt, aber es tritt eine Unruhe in seinen Körper.

"Jeno?" Er sieht auf und hält inne. "Ist etwas?"

"Ich frage mich, ob ich damit wirklich etwas erreichen kann, mit dem, was ich hier tue. Und wenn ja, wohin wird mich das dann führen?"

"Ich kann dir das nicht sagen, Jeno. Und ich glaube auch nicht, dass es dafür eine Antwort gibt. Aber dass du etwas erreichen kannst, ist ziemlich eindeutig. Du hast das Talent und fängst an, es richtig einzusetzen, dass du gesehen wirst. Vielleicht wird es noch eine ganze Weile dauern, bis du tatsächlich berühmt", ich setze es unsicher in Anführungszeichen, "wirst, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Tag kommen wird. Du hast das Zeug dazu."

Sein Lächeln ist fast schon schüchtern. "Danke." Eine Notiz folgt.

"Das ist eine unangebrachte Frage, aber... darf ich sehen, was du da immer aufschreibst?", frage ich zaghaft.

"Irgendwann, ja." Er lächelt leicht und beobachtet meine Finger, wie sie mit meinem Ring spielen. "Noch nicht. Noch kann ich das niemandem zeigen."

"Okay. Ich warte."

Es wird zu einem Schmunzeln. "Natürlich wartest du." Eine ganze Zeile.

"Jeno?"

"Mhm?"

"Ist das alles über mich?" Ich deute auf die Seite, die er gefüllt hat, seit ich mich zu ihm gesetzt habe.

"Ich..." Seine Augen fliegen über das Papier. "Ja. Alles."

"Ist das alles etwas Gutes?"

Er lächelt zurückhaltend. Eine Skizze. "Es ist über dich. Natürlich ist es gut."

"Wirst du das alles verwenden?"

"Davon ist auszugehen."

"In dem über mich?"

"Nicht nur. Du bist quer durch meine Texte verstreut. Einiges davon wird bestimmt woanders landen. Ist schließlich viel zu viel für nur einen."

Es ist gut, dass es dunkel ist. So kann er die Röte in meinen Wangen nicht sehen.

"Warum findest du so viel über mich?"

Er antwortet nicht. Lächelt nur und füllt den letzten Rest der Seite aus. Ich hake nicht nach, auch wenn das Unwissen etwas an mir nagt, sehe ihn nur an und warte, was er als Nächstes sagen wird.

"Du bist besonders, Jaemin. Du bist einfach irgendwie besonders."

20 04 11

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