Kapitel 9: Bewunderung
Kapitel 9
Bewunderung
~*~
Das Tropfen des Wassers setzte sich mit einer gewissen Beständigkeit in Hermines Kopf fest, als würde der Rhythmus ihr eigenes Herz widerspiegeln. Es war ein kläglicher Versuch, die stetige Nervosität zu überdecken, die sie mit sich trug, während sie in den düsteren Kerkerraum trat.
Die Steine der Wände schienen fast zu flüstern, der Raum war feucht und kalt, und die Luft hing schwer und undurchdringlich in ihren Lungen. Kein Wunder, dass Zaubertränke eine ihrer schwersten Disziplinen zu sein schienen.
Doch es war nicht nur die drückende Atmosphäre, die Hermine ins Grübeln versetzte. Es war die unaufhörliche Präsenz von Draco Malfoy, der sich ein paar Plätze weiter, fast in Reichweite, niedergelassen hatte. Er schien sich nicht im Geringsten von der Umgebung beeinflussen zu lassen. Was ihr Unbehagen jedoch mehr als alles andere verstärkte, war, dass sie nicht aufhören konnte, an ihn zu denken. An das absurde, unerklärliche Gefühl, das in ihr hochstieg, wenn sie ihn nur ansah.
Die Schritte von Professor Snape, die durch die Stille der Klasse hallten, schnitten das Schweigen der Klasse durch. Als er mit seinem schwarzen Umhang durch den Raum schritt, herrschte sofortige Aufmerksamkeit. Hermine sah, wie sein Blick die Menge streifte, nur um für einen Moment auf ihr zu verweilen, bevor er fortfuhr, als sei es nichts weiter als ein weiteres unbedeutendes Detail.
„Heute werden wir einen Wachtrank brauen", erklärte er mit einer Stimme, die keinerlei Emotionen verriet. „Es wird Präzision verlangt. Ein einziger Fehler, und euer Gebräu wird nutzlos."
Hermine nickte gedankenverloren, während sie ihr Zaubertrankbuch aufschlug. Ihre Hände begannen bereits, die Zutaten vorzubereiten, aber ihr Geist war immer wieder bei einem anderen Detail – bei Malfoy. Sie konnte nicht leugnen, dass er ... beeindruckend wirkte. In allem, was er tat, zeigte sich eine graziöse Selbstverständlichkeit.
Sie verstand nicht, warum es ihr plötzlich so auffiel, dass er jede Bewegung mit einer solchen Eleganz und scheinbaren Mühelosigkeit vollführte.
Snape gab die weiteren Anweisungen, doch Hermine war kaum in der Lage, sich auf die Worte zu konzentrieren. Ihr Blick wurde immer wieder von dem Slytherin-Tisch angezogen, von dem kühlen, fast unnachgiebigen Ausdruck auf Malfoys Gesicht, den sie nur allzu gut kannte.
Und doch war etwas anderes in seiner Haltung, das sie nicht ganz einordnen konnte – als ob er mit einem sehr viel höheren Ziel vor Augen arbeitete, als sich einfach nur durch die Stunde zu quälen.
Wieder war der flimmernde Moment da, als Malfoy inne hielt. Nur für einen Augenblick, doch es reichte. Ihre Blicke trafen sich, flogen ineinander, wie zwei sich aus dem Nichts anziehende Magneten. In diesem winzigen Bruchteil einer Sekunde schien er sie mit einer Intensität zu betrachten, die sie nicht begreifen konnte.
Es war keine höhnische, spöttische Geste. Nichts davon. Es war eher, als würde er sie irgendwie ... messen. Als ob er sich fragte, ob sie etwas in ihm sah, was sie selbst noch nicht verstand.
Der Moment verging so schnell, wie er gekommen war. Malfoy senkte seinen Blick, als wäre nichts geschehen. Hermine jedoch fühlte sich, als wäre etwas in ihr verschoben worden. Ein flimmerndes Gefühl von Frustration, das sie nicht zuordnen konnte. Wieso fühlte sie sich plötzlich so ... unruhig?
„Schlagen Sie Seite 146 auf", zischte Snape, während er durch die Reihen schritt.
Mit geübten Händen schnitt sie die Ebereschenbeeren, maß jedes noch so kleine Detail. Ihre Bewegungen waren präzise, beinahe automatisch, doch der Gedanke an Malfoy nagte weiter an ihr. Warum war er immer noch so präsent in ihrem Kopf?
Snape blieb nun bei den Slytherins stehen. Hermine bemerkte, wie er sich mit fast unnachahmlicher Eleganz über einen Kessel beugte, Malfoys Arbeit prüfend. Und dann – das war der Moment, der sie aus ihrer Konzentration riss. Snape hob eine Phiole des Tranks in die Luft, das silberne Schimmern der Flüssigkeit blendete sie, und seine Worte hallten in ihren Ohren.
„Perfektion", erklärte er. „Nehmen Sie sich ein Beispiel an Mr. Malfoy."
Die Hexe blinzelte.
Sie hatte sich verhört. Oder?
Malfoy saß aufrecht an seinem Platz, die Arme verschränkt, als hätte er es nicht einmal nötig, sich über sein eigenes Werk zu beugen. Snape trat beiseite, und hob eine Phiole des Trankes weiter in die Höhe, sodass alle Schüler im Raum etwas erkennen konnten- und was sie dort sah, ließ ihre Gedanken für einen Moment stocken.
Der Trank war perfekt. Ein reines, silbriges Schimmern zog sich über die Oberfläche, genau wie in der Beschreibung des Buches.
Sie konnte es nicht glauben.
Sie hatte die Fortschritte von Malfoy verfolgt, wusste, wie talentiert er in Zaubertränken war. Doch dass er schneller gewesen war, dass sein Trank – zu ihrem Erstaunen – noch makelloser war als ihr eigener, stach wie ein unangenehmer Dorn in ihrem Stolz.
Verwirrung, Frustration, und, ja, etwas anderes. Bewunderung. Sie konnte es nicht leugnen.
Ihre Hände ballten sich unbewusst zu Fäusten. Malfoy hatte es wieder getan. Er war ihr einen Schritt voraus, und das tat weh.
Trotz der Kälte des Raumes, die in ihr sickerte, begann sich eine unerwartete Wärme in ihrer Brust auszubreiten. Ein Gefühl, das sie nicht vollständig begreifen konnte – ein bitterer Beigeschmack des Wettkampfes, der ihr aber dennoch einen seltsamen Reiz verlieh.
„Miss Granger, wenn Sie den Trank lange genug bewundert haben, dürfen Sie mir auch eine Probe ihres abfüllen."
Snapes kühle Stimme zog sie zurück in die Realität. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss, und beeilte sich, eine kleine Menge ihres Tranks in eine Phiole zu füllen.
Sie hätte es sich denken können. Natürlich hatte Snape bemerkt, dass sie nicht ganz bei der Sache gewesen war.
Mit gesenktem Blick legte sie die Probe auf das Pult des Professors und kehrte rasch an ihren Platz zurück. Ihr Herz schlug schneller als nötig, aber sie sagte sich, dass es nichts war.
Ein Moment der Ablenkung, mehr nicht.
Und doch spürte sie den Blick des Slytherins immer noch auf ihrer Haut.
Sie zwang sich, gerade zu sitzen, ihre Aufmerksamkeit auf die Notizen vor sich zu richten. Doch das Kratzen der Feder auf Pergament konnte nicht über das leise Prickeln auf ihrer Haut hinwegtäuschen.
Malfoy sah sie an.
Nicht spöttisch, nicht überheblich – zumindest nicht ganz. Da war etwas anderes in seinem Blick, ein Schatten von Genugtuung, aber auch ein Funken ... Interesse?
Unmöglich.
Sie warf ihm einen schnellen Blick zu, nur um festzustellen, dass er sich inzwischen wieder seinem Kessel zugewandt hatte. Seine Finger spielten beiläufig mit dem Glas einer weiteren Phiole, in der sein makelloser Trank schimmerte. Als hätte er genau gewusst, dass er sie aus dem Konzept bringen würde.
~*~
Die Stunde zog sich quälend langsam. Sie versuchte, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, doch immer wieder kehrten ihre Gedanken zu diesem Moment zurück – zu dem silbrigen Glanz seines Tranks, zu dem unscheinbaren Hauch von Bewunderung, den sie für einen Augenblick zugelassen hatte.
Als es endlich zur Pause klingelte, packte sie ihre Sachen mit einer Präzision zusammen, die ihre innere Unruhe verbergen sollte. Doch als sie sich erhob, geschah es.
Malfoy lehnte sich im Vorbeigehen leicht zu ihr herüber, sein Atem eine Spur zu nah an ihrem Ohr.
„Beeindruckt, Granger?"
Seine Stimme war samtig, ein tiefer Unterton, der mehr anreizte, als sie zugeben wollte.
Sie versteifte sich, ihre Finger um das Pergament in ihrer Hand verkrampfend.
„Träum weiter, Malfoy."
Sie schaffte es, ihre Stimme ruhig zu halten, ohne zu zeigen, wie sehr es sie störte, dass er in diesem Moment recht hatte.
Denn in den Tiefen ihres Verstands, verborgen hinter Schichten aus Stolz und Trotz, wusste sie es längst.
Ja. Sie war beeindruckt.
~*~
Mit schnellen Schritten verließ sie das Kerkergewölbe, den Umhang fester um sich geschlungen, als könnte sie so die Kälte abschütteln – oder das nagende Gefühl in ihrer Brust.
Der Gryffindor-Turm war ihr Ziel. Sicher, warm, vertraut. Dort würde sie wieder klarer denken können.
Die Gänge waren erfüllt von gedämpftem Stimmengewirr, doch sie schenkte niemandem Beachtung. Ihre Gedanken rasten. Es war absurd, sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen. Dass Malfoy in Zaubertränke begabt war, war nichts Neues. Dass er sie geschlagen hatte ... Nun, es war eine neue Erfahrung, aber nichts, was sie sich nicht mit genug Anstrengung wieder zurückholen konnte.
Und trotzdem.
Sie spürte noch immer seinen Blick, die kühle Selbstsicherheit in seiner Stimme.
Beeindruckt, Granger?
Ihr Magen zog sich zusammen, aber sie verbot sich, weiter darüber nachzudenken.
„Mimbulus mimbletonia", murmelte sie vor dem Porträt der Fetten Dame.
Diese musterte sie mit leicht schiefgelegtem Kopf, bevor sie beiseitenschwang.
Drinnen umfing sie die wohlige Wärme des Gryffindor-Gemeinschaftsraums. Das Kaminfeuer knisterte, die Sessel waren von Schülern besetzt, die sich in Gespräche vertieft hatten oder über Pergamentrollen gebeugt saßen.
Ron und Harry saßen in ihrer üblichen Ecke, ein explodierender Snap-Kartenstapel zwischen ihnen.
„Da bist du ja endlich", sagte Ron und grinste, als er einen Sieg über Harry errang. „Wie war's in Zaubertränke für Fortgeschrittene? Du siehst...etwas eingeschnappt aus."
Sie öffnete den Mund, um eine beiläufige Antwort zu geben – irgendetwas in der Richtung von wie immer oder Snape war unerträglich –, aber dann zögerte sie.
Wollte sie drüber reden?
„Malfoy war schneller fertig als ich", sagte sie schließlich.
Ron ließ vor Schreck eine Karte fallen. „Bitte was?"
Harry sah ebenfalls überrascht aus, wenn auch mit weniger Dramatik. „Ernsthaft?"
Sie presste die Lippen aufeinander. „Sein Trank war ... perfekt."
Der Weasley verzog das Gesicht. „Er hat doch garantiert geschummelt."
„Nein", gab sie widerwillig zu. „Er war einfach besser."
Das Wort schmeckte bitter auf ihrer Zunge.
Harry musterte sie einen Moment, dann zuckte er mit den Schultern. „Wird nicht nochmal passieren."
Sie wollte ihm glauben. Sie wollte sich sicher sein, dass sie es beim nächsten Mal wieder beweisen konnte.
Doch tief in ihrem Inneren wusste sie: Malfoy war nicht nur ein Gegner, den man einfach abschütteln konnte.
Und das beunruhigte sie mehr, als sie zugeben wollte.
„Ach ja, Ginny und Parvati haben dich vorhin gesucht", merkte der Rotschopf an, während er eine weitere Karte zog. „Keine Ahnung, was sie wollten, aber sie meinten, es wäre wichtig."
Die Brünette runzelte die Stirn. „Okay, ich schau später nach ihnen."
Er nickte und war schon wieder ins Spiel vertieft. Harry schien ebenfalls nicht weiter darauf einzugehen.
Die Hexe hingegen spürte die Müdigkeit in ihren Knochen. Der Tag hatte sie mehr mitgenommen, als sie zugeben wollte. Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und stieg die Treppe zu den Mädchenschlafsälen hinauf.
Oben angekommen, drückte sie die Tür auf und ließ den warmen, leicht parfümierten Duft des Raumes auf sich wirken. Lavendel, ein Hauch von Vanille – vertraut, beruhigend. Sie atmete tief ein, wollte sich gerade auf ihr Bett sinken lassen, als ihr Blick zum Fenster wanderte.
Eine Eule saß auf der Fensterbank.
Sie war klein, ein Waldkauz mit weichem, gesprenkeltem Gefieder, und pickte genüsslich an einem Keks. Daneben lag ein zusammengefalteter Zettel.
Hermine blinzelte. Ein Brief?
Langsam trat sie näher, ihr Herzschlag unbewusst einen Hauch schneller. Die Eule beachtete sie nicht weiter, beschäftigt mit ihrer unerwarteten Mahlzeit.
Mit einem kurzen Zögern griff sie nach dem Zettel und entfaltete ihn.
Ihre Finger strichen über das raue Pergament, während ihr Blick über die wenigen, aber präzisen Worte glitt.
Und dann stockte ihr Atem.
tbc...
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