Kapitel 1: Beobachtung
Kapitel 1:
Beobachtung
~*~
Die kühle Dezemberluft kroch durch die großen Fenster der Bibliothek, trug den Duft von Schnee mit sich und ließ Hermine unwillkürlich schaudern. Sie zog ihren Umhang enger um sich, während ihre Feder über das Pergament kratzte. Ein leises Seufzen entkam ihren Lippen, als sie auf den Abschnitt starrte, den sie gerade geschrieben hatte. Nicht gut genug. Sie strich die Hälfte wieder durch.
Draußen fiel der erste Schnee, der sich sanft auf die Fensterbänke legte und das ohnehin spärliche Licht in der Bibliothek noch diffuser erscheinen ließ. Madam Pince hatte bereits damit begonnen, die Tische abzuwischen und Bücher in die Regale zurückzustellen, ihre scharfen Augen immer wieder auf Hermine gerichtet, als wollte sie ihr stumm mitteilen, dass sie bald schließen würde.
Aber Hermine hatte keine Eile.
Die Bibliothek war fast leer – so, wie sie es mochte. Es war spät, und die meisten Schüler hatten ihre Bücher längst beiseitegelegt. Manche waren in die Große Halle hinuntergegangen, wo es immer noch Reste von Lebkuchen und dampfendem Apfelpunsch gab. Andere saßen in ihren Gemeinschaftsräumen und diskutierten darüber, wer mit wem zum Winterball gehen würde.
Der Ball. Schon wieder dieser verfluchte Ball.
Sie lehnte sich zurück, ließ die Feder sinken und massierte sich die Schläfen. Sie hatte versucht, es zu ignorieren, aber die Gespräche über Kleider, Tanzpartner und die neuesten Gerüchte darüber, wer wen gefragt hatte, waren unentrinnbar. Es war, als würde der Yule Ball plötzlich das Wichtigste im Leben aller Hogwarts-Schüler sein.
Außer in ihrem.
„Konzentrier dich," murmelte sie zu sich selbst und richtete sich auf. Der Aufsatz über seltene Zutaten in Heiltränken würde sich nicht von allein schreiben, und Professor Snape war nicht gerade dafür bekannt, Nachlässigkeit zu tolerieren. Sie straffte die Schultern, griff wieder nach der Feder und setzte an.
Doch kaum hatte sie den ersten Satz geschrieben, schweiften ihre Gedanken ab. Nicht zum Ball – zumindest nicht direkt. Es war vielmehr das merkwürdige Gefühl, das sie in letzter Zeit beschlich. Ein Gefühl, das sie nicht einordnen konnte.
Alle sprachen nur noch über Kleider, Tanzpartner und die neueste Dekoration in der Großen Halle. Parvati und Lavender hatten sich bereits seit Tagen auf ihre Kleider festgelegt, ihre Gespräche waren eine endlose Schleife aus Stofffarben, Mustern und Schuhen. Selbst Ginny, die sonst eher pragmatisch war, hatte begonnen, sich für den Ball zu begeistern.
Und dann waren da Harry und Ron.
Hermine legte die Feder ab und stützte das Kinn auf die Hand. Die beiden hatten sie gefragt, ob sie mit ihnen gemeinsam hingehen wolle – „einfach als Freunde", hatte Ron schnell hinzugefügt, bevor Harry ihn mit einem Seitenblick unterbrochen hatte. Sie wusste, dass sie es gut meinten, aber die Vorstellung, zwischen den beiden zu sitzen, während Ron verstohlen zu irgendeinem Mädchen hinüberschielte und Harry nervös nach Cho Chang Ausschau hielt, war nicht sonderlich verlockend.
Es war nicht so, dass sie den Ball nicht mochte. Sie hatte nichts gegen die Idee, sich zu verkleiden, zu tanzen und einen schönen Abend zu verbringen. Aber sie wollte... etwas anderes. Etwas Echtes. Und der Gedanke, dass dieses „Echte" in Hogwarts vielleicht überhaupt nicht existierte, ließ sie sich plötzlich seltsam leer fühlen.
„Miss Granger."
Madam Pince' Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Die ältere Bibliothekarin stand am Ende des Tisches und sah sie streng an. „Die Bibliothek schließt in zehn Minuten."
„Oh, natürlich. Danke, Madam Pince," murmelte Hermine und begann, ihre Sachen zusammenzupacken. Sie sammelte ihre Notizen ein, schob das schwere Buch vorsichtig zurück in ihr Regal und schlang ihren Umhang um die Schultern.
Als sie die Bibliothek verließ, umfing sie die Stille des Schlosses. Die Korridore waren dunkel und leer, nur das gedämpfte Licht der Fackeln erhellte die Flure. Es war eine Ruhe, die Hermine mochte. Während andere sich in den Trubel stürzten, suchte sie Momente wie diesen – still und abgeschieden, wo sie ihren Gedanken nachhängen konnte.
Sie blieb an einem der großen Fenster stehen und sah hinaus. Der Schnee fiel in dichten, weichen Flocken, bedeckte die Dächer und Türme von Hogwarts und ließ den See im Mondlicht schimmern. Es war wunderschön. Für einen Moment vergaß sie die endlosen Gespräche über den Ball, die nervigen Erwartungen und die allgemeine Aufregung.
Doch diese Ruhe hielt nicht lange an.
„Da bist du ja."
Hermine wirbelte herum, ihre Hand schnell an ihrem Zauberstab, bevor sie die Stimme erkannte. Es war Ron, der mit schnellen Schritten auf sie zukam. Seine Ohren waren rot, ob vor Kälte oder Verlegenheit, konnte sie nicht sagen.
„Ron, du hast mich erschreckt," antwortete sie und ließ ihre Hand sinken.
„Sorry." Er kratzte sich am Hinterkopf und grinste unsicher. „Ich hab dich in der Bibliothek gesucht, aber du warst schon weg. Harry und ich... na ja, wir wollten fragen, ob du morgen mit uns in die Große Halle kommst. Ginny meint, sie machen irgendwas Besonderes für die letzten Tage vor den Ferien."
Hermine lächelte. Das war typisch Ron. Kein Wort über den Ball, obwohl sie wusste, dass es ihn beschäftigte. Stattdessen versuchte er, die Dinge auf die einfachste Weise zu lösen – gemeinsam essen, gemeinsam lachen, so wie immer.
„Danke, aber ich glaube, ich werde morgen früh lieber ein paar Besorgungen in Hogsmeade machen," sagte sie.
„Hogsmeade?" Ron runzelte die Stirn. „Alleine?"
„Ja, Ron. Alleine."
Er zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts mehr. Schließlich zuckte er mit den Schultern und winkte ihr zu, bevor er den Gang hinunterging.
Die Brünette blieb noch einen Moment stehen und sah ihm nach. Sie mochte Ron, sie mochte Harry, sie mochte all ihre Freunde. Aber manchmal fragte sie sich, ob sie wirklich verstanden, wie es war, ständig zwischen allem zu stehen – zwischen den Rollen, die andere einem zuschrieben, und den Erwartungen, die man selbst an sich hatte.
Und sie konnte nicht abstreiten, dass sie insgeheim noch immer hoffte, Ron würde sie bald fragen...Merlin nochmal, der verdammte Ball war ihr egal, aber wenn er sie darauf ansprechen würde...
Sie zog den Umhang enger um sich und ging weiter in Richtung des Gryffindor-Turms. Heute Nacht, beschloss sie, würde sie nicht über Kleider, den Ball oder irgendwelche Träumereien nachdenken. Heute Nacht würde sie einfach nur schlafen.
Doch als sie schließlich in ihrem Bett lag, den Schnee leise gegen die Fenster klopfen hörte, war da dieses leise, nagende Gefühl. Ein Gedanke, den sie nicht ganz loswurde: Vielleicht gab es in all dem Trubel doch noch etwas, das sie überraschen könnte. Etwas, das sie nicht erwartet hatte.
Kaum hatte Hermine die Augen geschlossen, hörte sie eine leise Stimme direkt neben sich flüstern.
„H-Hermine?"
Es dauerte einen Augenblick, bis sie den Schlaf beiseite schob und den Kopf hob. Die Umrisse von Ginny standen unscharf gegen das schwache Mondlicht, das durch das Fenster fiel.
„Hmm?" flüsterte sie zurück, ihre Stimme verschlafen, aber aufmerksam.
Ginny zögerte, schob sich dann vorsichtig auf Hermines Bettkante und zog die Knie an die Brust. „Neville hat mich heute gefragt, ob wir zusammen zum Weihnachtsball gehen wollen."
Die Hexe blinzelte und setzte sich ein wenig auf. „Das... das ist toll, Ginny. Willst du denn mit ihm hingehen?"
Die Rothaarige schnaubte leise, aber es klang eher wie ein unsicheres Lachen. „Ja. Ich meine... natürlich. Neville ist wirklich nett, und ich mag ihn. Aber..." Sie brach ab, biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf.
Die Gryffindor wartete geduldig. Sie wusste, dass Ginny mehr sagen wollte, und drängte sie nicht.
„Ich weiß nicht," fuhr Ginny schließlich fort, ihre Stimme fast ein Flüstern. „Ich hatte einfach gehofft, dass... na ja... dass er mich fragen würde."
Hermine verstand sofort, wen Ginny meinte. Es war kein Geheimnis. Ginny hatte seit ihrem ersten Jahr eine Schwäche für Harry. Anfangs war es eine unschuldige Schwärmerei gewesen, aber in letzter Zeit hatte Hermine bemerkt, dass da mehr dahintersteckte. Ginny schien zu hoffen, dass Harry irgendwann über sie hinwegsehen würde – über das Bild der kleinen Schwester seines besten Freundes – und sie als das wahrnehmen würde, was sie wirklich war.
„Ginny..." begann Hermine vorsichtig, unsicher, was sie sagen sollte.
„Ich weiß, was du denkst," unterbrach Ginny sie und ließ ihre Stirn auf die Knie sinken. „Es ist dumm. Ich weiß, dass er mich nur als Rons kleine Schwester sieht. Und ich weiß, dass er vermutlich andere Dinge im Kopf hat, als mich. Aber... manchmal..." Sie hob den Kopf und sah Hermine mit glänzenden Augen an. „Manchmal wünschte ich, er würde mich einfach sehen. Wirklich sehen."
Ginny's Freundin eine Hand auf ihren Arm, drückte ihn leicht. „Das ist nicht dumm, Ginny. Und ich bin mir sicher, dass Harry dich sieht. Vielleicht nicht so, wie du es dir wünschst, aber... das heißt nicht, dass er es nie tun wird."
Der Rotschopf schwieg einen Moment, ließ die Worte sacken, bevor sie leise lachte. „Du bist besser darin, aufbauende Reden zu halten, als ich dachte."
Hermine lächelte. „Manchmal muss ich das bei Ron und Harry üben."
Das brachte Ginny zum Lächeln, und für einen Moment war die Anspannung von ihrem Gesicht verschwunden. Doch dann seufzte sie und stand auf. „Danke, Hermine. Ich weiß, ich sollte mich freuen. Neville wird ein guter Tanzpartner sein. Und... vielleicht ist das besser so."
„Vielleicht," stimmte Hermine zu, obwohl sie sich nicht sicher war, ob Ginny wirklich daran glaubte.
Ginny drückte die Hand ihrer Freundin Hand kurz, bevor sie zu ihrem eigenen Bett zurückschlich. Bald darauf war der Raum wieder still, nur das leise Atmen der anderen Mädchen erfüllte die Dunkelheit.
Hermine legte sich zurück und starrte zur Decke. Sie war müde, aber die Worte ihrer Freundin hallten in ihrem Kopf nach.
„Manchmal wünschte ich, er würde mich einfach sehen."
Es war ein Gedanke, den sie verstand. Vielleicht zu gut.
~*~
Am nächsten Morgen wachte Hermine früh auf. Die Sonne warf ein blasses Licht durch die Fenster, und der Schnee draußen glitzerte wie ein Teppich aus Diamanten. Sie zog sich warm an, schnappte sich ihre Tasche und war gerade im Begriff sich leise aus dem Schlafsaal zu schleichen, um die anderen nicht zu wecken.
Doch ihrer Freundin Ginny entging nichts. Die Rothaarige ging erneut zu Hermines Bett zurück, noch bevor die Brünette es überhaupt geschafft hatte, ihre Tasche zu schultern. Mit einem verschmitzten Lächeln setzte sie sich auf die Bettkante und schlang die Arme um ihre Knie.
„Morgen Mione....Sag mal," begann Ginny, ihre Stimme beiläufig, aber ihre Augen funkelten vor Neugier. „Hast du eigentlich schon ein Date für den Weihnachtsball?"
Hermine seufzte und ließ ihre Tasche wieder auf den Boden gleiten. „Nein, Ginny. Ich habe kein Date."
„Wirklich nicht?" Die rothaarige Hexe zog überrascht die Augenbrauen hoch, dann grinste sie. „Das lässt sich aber ändern. Wusstest du, dass Seamus meinte, ein Ravenclaw aus unserem Jahr hätte Interesse? Ich glaube, es war Anthony Goldstein."
Hermine schüttelte den Kopf und hob eine Hand, um Ginny zu unterbrechen. „Danke, Ginn, aber ich brauche wirklich keine Hilfe. Wenn ich jemanden finden will, dann schaffe ich das schon allein."
„Aber warum nicht? Anthony ist doch nett. Und er ist ziemlich klug – okay, vielleicht nicht so klug wie du, aber wer ist das schon?" Ginny grinste spitzbübisch, doch als Hermine ihr nur einen strengen Blick zuwarf, hob sie die Hände. „Okay, okay, schon gut."
Für einen Moment herrschte Stille, doch Ginny war noch nicht fertig. Sie beugte sich ein Stück näher und senkte die Stimme, als würde sie ein großes Geheimnis lüften. „Was ist eigentlich mit Viktor Krum?"
Hermine runzelte die Stirn. „Krum?"
„Ja, Krum," wiederholte Ginny, als wäre das völlig offensichtlich. „Er schaut dich ständig an. Bei den Mahlzeiten, in der Bibliothek... Sogar bei Quidditchspielen, wenn er doch eigentlich auf den Schnatz achten sollte. Und war er nicht schon ein paar Mal in deiner Nähe, als du allein warst?"
Die Gryffindor biss sich auf die Unterlippe und überlegte. Es war ihr nicht entgangen, dass Viktor sie oft ansah. Und ja, er hatte sie zweimal in der Bibliothek angesprochen, vorsichtig und höflich, um nach Büchern zu fragen, die er bestimmt selbst hätte finden können. Aber sie hatte nicht viel darüber nachgedacht.
„Ich weiß nicht," antwortete sie schließlich, den Blick auf ihre Hände gesenkt. „Vielleicht ist er einfach nur freundlich. Oder er braucht wirklich Hilfe bei den Büchern."
Ginny schnaubte und rollte mit den Augen. „Oh, bitte. Viktor Krum, der berühmteste Quidditchspieler der Welt, hat bestimmt nicht plötzlich ein brennendes Interesse an Hogwarts' Bibliothek entwickelt. Er hat Interesse, Hermine – an dir."
„Das glaube ich nicht," murmelte Hermine und stand auf, um ihre Tasche wieder zu nehmen.
„Ach, Mione, du bist wirklich hoffnungslos," äußerte Ginny mit einem dramatischen Seufzen, stand aber ebenfalls auf. „Na gut, wenn du keine Hilfe willst, werde ich mich raushalten. Aber denk wenigstens darüber nach. Der Ball ist in wenigen Wochen, und es wäre Schade, wenn du ihn allein verbringen würdest."
Hermine warf ihr einen abschätzigen Blick zu. „Danke für die Erinnerung."
Doch sie konnte Ginnys Worte nicht ganz abschütteln. Viktor Krum? Interesse? An ihr? Es klang absurd – und doch war da ein Teil von ihr, der sich fragte, ob Ginny vielleicht recht hatte.
~*~
Die Große Halle war fast leer, als sie hinunterging. Nur ein paar Ravenclaws saßen an ihrem Tisch, vertieft in Bücher oder halbherzig ein Brötchen kauend. Hermine holte sich eine Tasse Tee und setzte sich allein an den Gryffindor-Tisch.
Während sie die Wärme der Tasse in ihren Händen spürte, beobachtete sie die schneebedeckte Welt draußen durch die hohen Fenster. Es war friedlich. Und doch konnte sie sich nicht völlig entspannen.
Ginny hatte sie mit ihren Worten mehr zum Nachdenken gebracht, als sie erwartet hatte. War sie selbst wirklich so anders? Sie hatte nie darauf gewartet, dass jemand sie „sieht". Aber vielleicht...
„Morgen, Hermine."
Die Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah auf und bemerkte Harry, der mit einer Hand durch sein zerzaustes Haar fuhr und sich mit einem müden Lächeln neben sie setzte.
„Morgen, Harry," antwortete sie und zwang sich, ihre Gedanken beiseitezuschieben.
Der Zauberer schenkte sich einen Kaffee ein und nahm einen Schluck, bevor er sie ansah. „Du bist heute früh unterwegs."
„Ich wollte noch ein paar Sachen in Hogsmeade erledigen," erklärte sie.
Harry nickte. „Brauchst du Gesellschaft? Ich dachte, ich könnte vielleicht auch ein paar Geschenke besorgen."
Hermine zögerte einen Moment, bevor sie lächelte. „Klar, warum nicht?"
Während Harry sich Brot und Marmelade nahm und begann, von Rons nächtlichen Eskapaden zu erzählen, konnte Hermine nicht anders, als sich zu fragen, ob dieser Tag vielleicht mehr bereithalten würde, als sie erwartet hatte.
~*~
Sie zog den Wollmantel enger um sich, als sie durch die schneebedeckten Straßen von Hogsmeade ging. Die winterliche Kälte biss in ihre Wangen, aber sie störte sich nicht daran. In ihrer Tasche klapperten ein paar kleine Einkäufe: ein neues Buch aus Schreiberlings Federladen – eine Sammlung alter magischer Mythen, die sie faszinierend fand –, ein Päckchen handgefertigter Schokoladenpralinen für ihre Eltern aus dem Honigtopf und eine winzige Flasche Lavendelöl aus dem Kräuterladen, die sie als Geschenk für Professor McGonagall gekauft hatte. Als Dank für die aufmerksame Geste mit dem Zeitumkehrer, im letzen Schuljahr.
Harry war die ganze Zeit an ihrer Seite gewesen, doch jetzt hielt er plötzlich an, sah auf die Uhr und verzog das Gesicht. „Ich muss los, Hermine. Quidditchtraining."
„Natürlich," antwortete sie und lächelte. „Viel Glück. Und vergiss nicht, Ron daran zu erinnern, dass er die Hausaufgaben für Verwandlung noch fertig machen muss. Sonst gibt es Ärger."
Harry lachte. „Das wird eine Herausforderung. Aber ich versuch mein Bestes. Wir sehen uns später, okay?"
„Okay," erwiderte sie und sah ihm nach, wie er sich durch die Menge auf der Hauptstraße drängte.
Ihr Blick blieb ein wenig später an einem bekannten Gebäude hängen: Die Drei Besen.
Der Gasthof war schon aus der Entfernung einladend. Aus dem Schornstein stieg dichter Rauch auf, und durch die Fenster konnte man den warmen Schein des Feuers und die Silhouetten der Gäste sehen. Es war immer gemütlich dort, voller Leben. Madam Rosmerta verstand es, selbst in den chaotischsten Momenten für Ordnung und Freundlichkeit zu sorgen.
Die junge Hexe zog ihren Schal fester um den Hals und ging hinüber. Die schwere Holztür knarrte leicht, als sie sie öffnete, und sofort umfing sie die wohlige Wärme des Gasthauses.
Die Drei Besen waren heute besonders gut besucht. Schüler von Hogwarts saßen an den Tischen, die Köpfe zusammen gesteckt, während sie lachten und Butterbier tranken. Eine Gruppe Hufflepuffs war in eine lebhafte Diskussion vertieft, und ein Tisch voller Ravenclaws spielte eine Runde Zaubererschach.
Die Gryffindor bahnte sich ihren Weg durch den Raum, der angenehm nach Holz, Butterbier und einer Prise Kiefernduft roch. Der große Spiegel hinter dem Tresen reflektierte die gemütliche Atmosphäre – ein flackerndes Feuer im Kamin, das die Gesichter der Gäste warm beleuchtete.
Madam Rosmerta, mit ihrem vertrauten Lächeln, schenkte gerade einem älteren Zauberer einen Krug ein, als Hermine auf einem der Hocker an der Theke Platz nahm.
„Ein Butterbier mit etwas Ingwer, bitte," bat sie und setzte ihre Tasche vorsichtig neben sich ab.
„Kommt sofort, meine Liebe," antwortete Madam Rosmerta und wandte sich um, um eines der schweren Gläser zu füllen.
Sie zog das Buch hervor, das sie gerade gekauft hatte. Der warme Raum fühlte sich wie ein Kontrast zu der eisigen Kälte draußen an, und sie wickelte den Schal ab, während sie auf ihr Getränk wartete. Ab und zu ließ sie den Blick schweifen. Es war so typisch für Hogsmeade, so voller Leben. Für einen Moment genoss sie einfach die Lebhaftigkeit um sich herum, das Gelächter und die Gespräche, das gelegentliche Klirren von Gläsern.
Doch dann, fast beiläufig, bemerkte sie einen Tisch in der hinteren Ecke.
Es war keine Überraschung, dass dort die Slytherins saßen. Die Clique um Draco Malfoy hatte sich zurückgelehnt, fast beiläufig die Aufmerksamkeit der Umgebung ignorierend. Pansy Parkinson, Blaise Zabini und Gregory Goyle waren sofort zu erkennen, und sie lachten über etwas, das Pansy gerade gesagt hatte. Nun erkannte sie auch noch Theodore Nott, der hatte ein Glas vor sich und sprach mit einer leichten, gelangweilten Geste zu Parkinson, die sich über den Tisch lehnte und etwas mit einer dramatischen Kopfbewegung erwiderte. Crabbe und Goyle saßen nebeneinander, ihre breiten Schultern nahmen fast die gesamte Bankseite ein
Und Malfoy?
Draco saß mit verschränkten Armen neben Blaise und sah aus, als würde er nur halb zuhören. Sein Blick war kühl, fast gelangweilt, aber Hermine konnte nicht leugnen, dass er dabei ein gewisses Maß an Eleganz ausstrahlte
Sie wandte den Blick ab. Sie wollte nicht riskieren, dass einer von ihnen bemerkte, dass sie hinsah. Stattdessen zog sie ihr Butterbier näher, als Madam Rosmerta es vor ihr abstellte, und schloss beide Hände um das Glas.
Trotzdem konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, dass sie beobachtet wurde. Sie zwang sich, nicht zurückzusehen. Stattdessen nahm sie einen Schluck und ließ die süße, wärmende Flüssigkeit über ihre Zunge gleiten.
Die Drei Besen waren voll, und dennoch fühlte sich die Ecke, in der die Slytherins saßen, wie ein separater, abgeschotteter Teil des Raums an – ein Ort, der Hermine immer wieder auf eine Weise faszinierte, die sie selbst nicht ganz verstand.
Nach einer Weile fiel der Brünette auf, dass es in der Slytherin-Ecke etwas unruhiger geworden war. Stimmen wurden lauter, Gelächter drang durch den Raum, und dann sah sie, wie sich Theodore Nott von der Gruppe löste und in ihre Richtung schlenderte.
Er hielt sich locker, die Hände in den Taschen seines Umhangs, und schien kaum Notiz von den anderen Gästen zu nehmen, die ihn mit einem flüchtigen Blick betrachteten. Als er die Theke erreichte, lehnte er sich entspannt dagegen und nickte Madam Rosmerta zu.
„Noch eine Runde Butterbier für uns", sagte er, „und, äh... einen Feuerwhiskey."
Rosmerta hob eine Augenbraue, legte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf mit einem amüsierten Lachen. „Ihr versucht es immer wieder. Aber Feuerwhiskey ist nichts für Schüler. Du weißt, wie das läuft."
„Man wird ja wohl noch hoffen dürfen." Nott grinste schief, zeigte aber keine Anzeichen von Enttäuschung. Er wartete geduldig, während Rosmerta die Butterbierkrüge füllte, und ließ seinen Blick durch den Raum gleiten.
Seine Augen blieben an Hermine hängen.
Ein Ausdruck von Überraschung huschte über sein Gesicht, gefolgt von einer Spur amüsierter Neugier. „Na, so eine Überraschung. Wen haben wir denn hier?"
Sie hob den Kopf und begegnete seinem Blick.
Die Brünette spürte, wie sich ihre Schultern unwillkürlich anspannten. Sie hatte keine Lust, mit Theodore Nott zu plaudern, schon gar nicht, nachdem sie gerade versucht hatte, die Slytherins und ihre überhebliche Art zu ignorieren.
„Nott," erwiderte sie knapp und zog ihr Butterbier noch näher zu sich.
Er ließ sich nicht beirren. Mit einem leichten Grinsen neigte er den Kopf. „Wo sind denn deine treuen Begleiter? Ich hätte erwartet, dass Potter und Weasley mit dir kommen"
„Sie sind beschäftigt," antwortete Hermine und bemühte sich, ihre Stimme neutral zu halten. Doch die Art, wie er sie ansah – halb belustigt, halb abschätzend –,machte es schwer, ihre Fassung zu bewahren.
„Interessant," äußerte Nott und ließ seinen Blick auf ihr ruhen. „Die berühmte Hermine Granger ganz allein im Drei Besen. Man sieht dich nicht oft ohne deinen goldenen Anhängseltrupp."
„Ich wusste gar nicht, dass mein Tagesablauf dich interessiert," schnappte Hermine zurück, wobei sie ihn herausfordernd ansah.
Nott lachte leise, als hätte er genau diese Reaktion erwartet. „Beruhig dich, Granger. Es war nur eine Beobachtung." Er zog einen der Butterbierkrüge zu sich heran, die Madam Rosmerta vor ihm abgestellt hatte, und nahm einen tiefen Schluck.
Die Gryffindor starrte ihn misstrauisch an. Es war etwas in seinem Blick, das sie nicht deuten konnte, eine Mischung aus Belustigung und... etwas anderem, das sie irritierte.
„Du hast wirklich keinen Sinn für Humor, was?" bemerkte er und zog eine Augenbraue hoch.
„Oder vielleicht finde ich deine Art von Humor einfach nicht lustig," konterte sie scharf.
„Schon gut, Granger...du musst mich nicht mögen, um mit mir zu reden. Nicht jeder hat einen guten Geschmack."
Sie schnaubte abfällig, doch das schien ihn nur noch mehr zu amüsieren. Er lehnte sich zurück, musterte sie erneut und schien einen Moment nachzudenken. Schließlich sagte er mit einer lässigen Stimme: „Weißt du, Granger, du bist faszinierender, als ich gedacht hätte."
Sie blinzelte, irritiert von dieser Bemerkung. „Und das soll was heißen?"
„Nichts Besonderes," antwortete er mit einem schiefen Lächeln. „Ich bin nur überrascht, dass du überhaupt mit mir sprichst. Normalerweise ignorierst du uns Slytherins ja völlig."
„Vielleicht, weil es meistens besser ist, euch zu ignorieren," entgegnete sie spitz.
Nott gluckste amüsiert und griff nach einem der Butterbierkrüge, bevor er Anstalten machte, zurück in die Slytherin-Ecke abzuzischen, ehe er sich jedoch ganz abwandte, warf er ihr einen letzten Blick zu, der sie unangenehm berührte – als wüsste er etwas, das sie nicht wusste.
Hermine schüttelte den Kopf und versuchte, das seltsame Gespräch abzuschütteln. Doch als sie ihr Butterbier austrank und sich wieder in ihr Buch vertiefen wollte, merkte sie, dass ihr Blick immer wieder zu der Ecke wanderte, wo Nott sich wieder zu seiner Clique gesetzt hatte.
Malfoy hatte sich nun etwa nach vorn gelehnt, die Arme auf den Tisch gestützt. Sein Blick war nicht länger gelangweilt – nein, er war direkt. Hermine spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog, als sie realisierte, dass dieser Blick auf sie gerichtet war.
Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter, und sie wandte hastig den Kopf ab. Ihr Herz schlug schneller, während sie versuchte, ihre Gedanken zu beruhigen. Es musste Einbildung sein. Warum sollte Draco Malfoy sie anstarren?
tbc...
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