14. Dezember 🌠

Ich bin überrascht sie hier anzutreffen. Sauer, weil sie jetzt nach zwei Jahren die Dreistigkeit erbringt wirklich hier so seelenruhig zu sitzen. Ängstlich und verwirrt zugleich, weil ich einfach nicht einmal schätzen kann, was sie hier will und was genau uns in nächster Zeit zu erwarten.

„Was tut sie hier?",  will ich von Louis wissen und schaue ihn an. „Hallo. Ich bin auch hier. Du kannst auch gerne mich Fragen und mich nicht gleich wie Luft behandeln.", höre ich sie sagen. Sie macht ja einen sehr netten und freundlichen Eindruck. „Was tust du hier?",  frage ich nun explizit an Sie gerichtet und betone das du nun extra stark, weil sie so drauf bestanden hat gefragt zu werden. „Und wer bist du, dass du das wissen willst?", fragt sie mich. Dafür würde ich ihr am liebsten gleich die Augen auskratzen. Mich sowas zu fragen - sie sollte sich die Frage lieber selber stellen. „Das ist Heaven, meine Freundin. Wir wohnen nun schon seit zweieinhalb Jahren zusammen.", erklärt Louis ihr - obwohl ich der Meinung bin, dass sie noch nicht einmal so eine Erklärung verdient hat.

„Deswegen darf sie mich so anzicken?", will sie von Louis wissen. Ich zicke? Ich kann auch ganz anders und habe eigentlich noch gar nicht richtig angefangen.... „Hallo? Ich stehe direkt hier, du kannst mich auch direkt Fragen.", wiederhole ich nun Ihre Aussage von vorhin. „Was zum Teu...." - „Hey ähm können wir beide kurz reden? Unter vier Augen?", unterbricht Louis diese Pute. „Gerne.", gebe ich von mir und gehe erhobenen Hauptes und in schnellen Schritten in unser Schlafzimmer. Ich warte bis mein Freund ebenfalls den Raum betritt und werfe die Türe mit einem knall zu.

Ich lehne mich dagegen und schaue Louis mit verschränkten Armen abwartend an. „Ich will eine Erklärung. Jetzt.", fordere ich. „Ich weiß überhaupt nicht was du jetzt von mir erklärt haben willst.", antwortet er mir. Ich ziehe meine Augenbrauen hoch.

„Okay dann anders: Was macht sie hier?",  werde ich heute nun genauer. „Sie ist wieder in London und wollte sich einfach mal melden und mir die Sache erklären.", antwortet er. „Achso, sie taucht nach zwei Jahren auf. Einfach so, ohne sich mal zwischendurch zu melden und meint sie kann dir einfach so die Sache erklären?" Ich sehe wie Louis langsam nickt.

„Okay und wie lange ist sie schon hier?", will ich von ihm wissen. Er fährt sich mit der rechten Hand durchs Haar. „Ungefähr eine dreiviertel Stunde oder so.", antwortet er mir leise. „Eine. Dreiviertel Stunde? Hast du Mrs. Flow oder ideas Polizei bescheid gesagt?", ist meine nächste Frage und erhalte ein kopfschütteln als Antwort.

Ich mache dicke Wangen und muss mich wirklich zusammenreißen, ihn nicht zu schütteln oder anzuschreien - um einfach ruhig zu bleiben. Ich atme aus.

„Und? Hat sie dir die Sache Erklärt? Konnte sie dir eine plausible Antwort auf die Frage geben, warum sie Isa vor rund zwei Jahre einfach so im Hausflur vor deine Tür abgestellt hat?",  hake ich nach. Er zuckt mit den Schultern und setzt sich auf die Bettkante. „Sie meinte sie war mit der Situation überfordert gewesen. Sie hatte von niemanden Unterstützung und hatte einfach das Gefühl nicht mehr atmen zu können. Sie wollte Isa in guten Händen wissen und eigentlich nur zwei drei Wochen verschnaufen.", erzählt er mir nun. „Achso und aus diesen zwei, drei Wochen sind zwei Jahre geworden. Absolut verständlich.", erwidere ich nun sarkastisch.

Ich schüttel den Kopf. „Was denkt sie sich eigentlich? Dass es für uns, für dich in der ersten Zeit einfach war? Louis du hattest die ganze lauferei zum Amt. Wir mussten uns mit der Behörde rum schlagen, während sie irgendwo in der Sonne gebrutzelt und ihren Spaß gehabt hat." erinnere ich ihn. „Heaven ich weiß das alles und wirklich, ich war nicht wirklich begeistert als sie vorhin vor unserer Tür stand, aber was soll ich denn machen?" „Was du machen sollst? Dein Hirn einschalten. Einfach einmal dein verdammtes Hirn einschalten." „Jetzt werd nicht unfair.", verlangt er und irgendwo hat er ja recht, aber wieso um Himmelswillen muss er manchmal einfach so verdammt blauäugig sein?

„Du hast recht. Tut mir Leid, aber Louis mal im Ernst: Oliva wird von der Polizei gesucht, weil sie als vermisst gemeldet wurde. Sie hat ihre Tochter im Winter vor unserer Haustür abgestellt, ja im Hausflur, aber hallo? Sie taucht zwei Jahr unter, meldet sich nicht einmal. Gibt nicht ein einziges Lebenszeichen von sich und erkundigt sich nicht einmal in den zwei Jahren nach ihrer Tochter.

Sie hat meiner Meinung nach nicht mehr alle Tassen im Schrank, wenn sie glaubt jetzt hier auftauchen zu können und mit allen auf Frieden, Freude, Eierkuchen zu machen. Sorry, wenn ich dann auch noch an dein Verstand Zweifel, wenn du nach all dem einfachen hier seelenruhig sitzt und dir schön Honig aufs Brötchen schmieren.", kommentiere ich nun.

Seufzend steht Louis auf, kommt auf mich zu, legt seine Hände auf meine Schultern und drückt mir ein Kuss auf die Schläfe. „Ich weiß das du recht hast..." - „Gut, dann können wir ja nun endlich Mrs. Flow anrufen und die Polizei und den Anwalt.", unterbreche ich ihn. „ABER ich will einfach auch verstehen, warum sie es gemacht hat. Wieso sie so lange weg war. Warum sie sich nicht gemeldet hat. Vielleicht bekommen wir das ja auch so hin.", setzt er nun nach. Fassungslos schaue ich ihn an und fühle mich zwei Jahre zurück versetzt. Auch als Olivia Isa vor unsere Tür abgestellt hat, wollte Louis alles alleine regeln....

Ich gehe unter seine Arme durch und bringe etwas Abstand zwischen uns. „Was genau gedenkst du nun zu tun?", will ich von ihm wissen. „Wir sollten uns mit ihr zusammensetzen. In Ruhe mit ihr reden und schauen, dass wir eine Lösung finden, mit der jeder zurecht kommt. Wir sollten uns überlegen, was am besten für Isa ist."

Noch immer ziemlich verständnislos schaue ich ihn an und schüttle den Kopf. „Ich versteh einfach nicht wieso du so gelassen sein kannst. Wie du kein bisschen sauer auf sie sein kannst. Sie hat unser Leben gehörig auf den Kopf gestellt. Versteh mich nicht falsch, du weißt das ich Isa lieb habe und auch nicht bereue, mit dir zusammen diesen Schritt gegangen zu sein, aber du musst schon zugeben, dass die ersten Monate die absolute Hölle waren.", entgegne ich.

„Natürlich bin ich sauer...." - „Natürlich. Genau deshalb empfängst du sie ja auch mit offenen Armen und tust du so als wäre nie etwas vorgefallen. Als hätte sie Isa nicht einfach auf gut Glück bei uns ausgesetzt.", unterbreche ich ihn. „Das stimmt doch so nicht. Ich will es einfach in Ruhe unter uns klären." „Du wiederholst dich." „Von mir aus und ich wiederhole es gerne noch ein paar mal."

Wieder schüttle ich den Kopf und weiß einfach nicht was ich noch dazu sagen soll. „Vorschlag: Du kommst mit raus. Wir drei setzen uns zusammen und du hörst dir an, was sie mit auch erzählt hat. Ich bin mir fast sicher, dass du sie verstehen wirst." „Niemals.", gebe ich ohne zu überlegen von mir und weiß selber nicht ob ich damit meine, dass ich mir unter gar keinen Umständen ihre Story anhören will oder ob es eher die Tatsache ist, dass ich wahrscheinlich niemals verstehen kann, wie man als Mutter seine einjährige Tochter einfach so vor einer Tür stellen kann. „Bitte sei einmal nicht so stur.", fordert er von mir. „Mit stur sein hat das überhaupt nicht zu tun. Warum kannst du einfach nicht verstehen, dass ich es niemals nachvollziehen kann, wie man als Mutter so herzlos sein kann. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es für sie alleine vielleicht nicht einfach war. Das gibt ihr allerdings noch lange nicht das Recht die Kleine einfach so abzuladen. Sie hätte sich Hilfe holen können, Louis. Sie hätte einfach nur ihren blöden Stolz herunterschlucken müssen. Sie hätte zusammen mit Isa hier auf der Matte stehen können. Ihr hättet gemeinsam zu Amt gehen können und hättet zusammen eine Lösung gefunden. Das was sie gemacht hat, war ganz unterste Schublade.", stelle ich nun meine Sicht auf das ganze dar.

„Sie sieht es ja auch ein." „Wow ein wenig spät, meinst du nicht.", kommentiere ich. Eine Weile schauen wir uns Schweigend an und ich glaube Louis Kopf wirklich arbeiten zu hören. Vielleicht sieht er die ganze Sachen jetzt ein wenig wie ich. Nur ein kleinen wenig. Ich bin ja bereit Kompromisse einzugehen, aber ganz sicher werde ich nicht zulassen, dass wir so dumm sind und uns alleine, ohne Rückendeckung mit ihr zusammensetzen und bereden wie es jetzt weitergeht. Wie sich das schon anhört....

„Ich seh das so: wir geben ihr entweder die Chance sich nun selber bei Mrs. Flow und der Polizei zu melden oder wir übernehmen das. Wenigstens einer der Parteien sollte zumindest bescheid wissen, dass es ihr gut geht oder meinst du nicht?" Tatsächlich schüttelt er den Kopf. „Heaven, sie ist die Mutter und ich bin der Vater. Ich denke wir beide sollten einfach...." - „Okay.", grätsche ich ihm dazwischen und weiß überhaupt nicht warum, ich überhaupt mit ihm in den letzten Minuten diskutiert habe. Anscheinend habe ich in der ganzen Sache eh nichts zu melden. Ihm ist scheiß egal, was ich darüber denke. So gesehen habe ich ja absolut nichts damit zu tun.

„Lass mich vorbei.", fordere ich von ihm und schiebe ihn beiseite als er nicht auf der Stelle meiner Aufforderung nach geht. „Was zum....", höre ich ihn noch sagen, allerdings bin ich schon längst aus dem Schlafzimmer raus, durchs Wohnzimmer durch und somit vorbei an einer schweigenden Olivia, direkt in den Flur wo ich mir meine Jacke und meinen Schal schnappe, mein Autoschlüssel und Portmonee aus der Schale nehme und die Wohnung schneller verlasse wir der Wind.

Ich nehme die Treppe, weil der Aufzug zu lange braucht und ziehe mir unterwegs meine Jacke an. Mir ist durchaus bewusst, dass Louis es wahrscheinlich ganz anders meine, als er angesetzt hatte. „Heaven, wo willst du hin?",  höre ich ihn rufen und beschleunige meinen Schritt. „Keine Ahnung. Einfach weg. Ich hatte niemals vor euch beiden dabei zu stören, wenn über eure Tochter redet.", werfe ich um mich und werde von Louis überholt. „So meinte ich das nicht. Komm wieder mit hoch. Lass uns reden. Mrs. Flow erreichen wir heute eh nicht mehr." „Danke kein Bedarf. Ich hab doch eh nichts zu melden. Isa ist schließlich DEINE und IHRE Tochter."

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