Kapitel 4
Ich spürte den Hauch ihres Atems, noch bevor ihre Worte an mein Ohr drangen.
„Keira, das Glück mag dir hold sein, aber bedenke das Unglück der unseren", sprach Lydia, die stets auf das Wohl von uns allen bedacht war und deren wachsamen Augen es nicht entgangen war, dass ich den Vorzug aus einem mir nicht ersichtlichen Grund genoss. „Gib deinen Platz frei und anderen ihre Kraft zurück. Siehst du es nicht? Sie sind kurz davor zusammenzubrechen, wenn sie nichts zu essen bekommen. Horch in deine reine Seele hinein und dann siehst du, was du zu tun hast, Keira!" Sie hatte Recht und tief in meinem Inneren wusste ich das auch, aber eingestehen wollte ich es mir nicht. Natürlich, der Erhalt meiner reinen Seele würde ihren Tribut fordern, aber schon so früh? All die Jahre war ich diejenige in Leid und Not gewesen, ständig in der Angst, dem Tod eines Tages ins Auge zu blicken. Jetzt war es genau anders herum. Andere Menschen benötigten meine Hilfe und ich sollte eigentlich bereit sein, sie ihnen zu geben. Mit einem Mal zog Wind auf und trieb mir die Tränen in die Augen und mir lief es plötzlich eiskalt den Rücken herunter. Ob vor Kälte oder Furcht, ich wusste es nicht.
Während der Wind mir die Haare ins Gesicht peitschte, nickte ich und sie wusste, ich hatte begriffen. Vorsichtig setzte ich mich unter den Schmerzen etwas aufrechter hin und versuchte dem unheimlichen Piraten direkt in die toten Augen zu blicken. Es war eine Qual und sie versetzte mich wieder in die unterwürfige Haltung der Sklavin, die ich war. Doch diese Qual hielt die Worte, die ich auf meinen Lippen trug, bereit sie über diese Schwelle treten zu lassen, nicht zurück.
„Herr, bitte hört mich an! Es gibt da, etwas, das Ihr wissen solltet und das uns alle hier zerreißt. Ich bin bereit, ein Opfer zu bringen", begann ich mit fester Stimme und ich merkte, dass ich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf mich gezogen hatte. Das war etwas, das ich früher immer versucht hatte zu vermeiden, schließlich gab es immer Menschen, die mehr Aufmerksamkeit genießen sollten als ich und warum schenkte man überhaupt einer Sache, denn nichts anderes war ein Leibeigener für die Herren, Aufmerksamkeit?
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