Kapitel 3
Als die Nacht ihren dunklen Mantel über uns legte, hatten wir auch die letzten griechischen Inseln hinter uns gelassen und die bedrohliche Schwärze der Wasser bettete uns auf ihr dunkles Kissen, das einem Alpträume bescherte und die Ängste vor ihm erneut in mir aufkommen ließ.
Und weitere Stunden später, als die Sonne noch nicht den Horizont hinaufgeklettert war und nur ein rötliches Band ihre Ankunft verkündete, kam der erlösende Augenblick, als die Stiefel von einem der Piraten ihr klapperndes Geräusch auf den Stufen hinterließen. Sein Blick war gebrochen wie der eines Toten und kein Lächeln würde je diese Augen erreichen. Er ging gebückt wie ein alter Mann, obwohl seine ganze Ausstrahlung einem jungen Mann gehörte. Es schien, als ob er beinahe jedes Stadium der Lebensgeschichte durchlebt hätte, als wenn er das Leben eines Menschen im Rätsel der sagenumwobenen Sphinx verkörperte an tatsächlich nur einem Tag und sie alle in sich vereinte, durch sie die Unsterblichkeit erlangt hatte. Er sprach kein Wort und doch verließ ein stummer Befehl seine Lippen. Nach einem Viertel des Tages erschien er hier unten und gestatte nur dreien der Versklavten, ein Mahl einzunehmen. Jeden Tag wurden diese nach nur den Piraten einleuchtenden Kriterien ausgesucht und erhielten zwei Mahlzeiten mehr an diesem Tage. Die andere Hälfte erhielt erst nach dem Zenit der Sonne und dem Höchststand des Mondes ihr Mahl. Seit dem ersten Tag auf diesem Schiff gehörte ich mindestens jeden zweiten Tag zu diesen „Auserwählten", wie die Piraten es auf ihren losen Zungen vornehm pflegten auszudrücken. Ich hatte keine Ahnung, weshalb dem so war oder was den Seeräubern so an mir lag, beziehungsweise, was sie in mir sahen außer einer reinen Seele, die ihnen früher oder später zu Opfer fallen würde. Ich vermutete, dass es zum einen nach Stärke und Aussehen ging und allen weiteren möglichst oberflächlich gesehenen Kriterien, denn zu mehr waren diese Kriminellen zwischenmenschlich auch nicht fähig als zur Oberflächlichkeit. Einer aus unseren Reihen, ein römischer Gladiator mit dem Namen Aurelius, der nie einen Gegner in der Arena töten hatte können und deshalb fast hingerichtet wurde, bevor ihn ein Sklavenhändler gekauft hatte, war den Seeräubern augenscheinlich sehr ins Auge gefallen, denn ihm war das Glück vergönnt jeden Tag alle vier Mahlzeiten zu genießen. Inzwischen war in unseren Reihen ein regelrechter Machtkampf um diese Plätze ausgebrochen, denn jeder von uns wollte das eigene Überleben auf diesem Schiff sichern und einigen war mittlerweile jedes Mittel recht. Und mir stellte sich mit der Zeit die Frage, ob diese Reise uns nicht die angeblich so reine Seele beschmutzte. Vielleicht sollte sich das noch herausstellen...
Ich spürte, wie sich um mich herum das Raunen erhob.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top