Teil 19

Xayra

Um Feinde zu bekommen, ist es nicht nötig, den Krieg zu erklären. Es reicht, wenn man einfach sagt, was man denkt.
-Martin Luther King

Ich presse mich flach gegen eine Mauer und halte nach möglichen Hindernissen Ausschau.
Weit und breit ist kein Wachmann zu sehen. Nur die Männer im Turm bewachen den grossen, leeren Platz vor mir, auf dessen anderen Seite sich der Kerker des Nordflügels befindet.
Im Vertrauen, dass Drake alles im Griff hat und ich unbemerkt in den Kerker gelangen kann, renne ich über den Platz.
In der Hälfte höre ich plötzlich einen lauten Schrei. Ich werfe einen Blick zurück und sehe wie ein Mann aus einem der oberen Fenster des Wachturmes stürzt.
Ich verdrehe die Augen. Unbemerkt zu bleiben ist offensichtlich nicht gerade Drakes Stärke...
Ich bin gerade beim Steintor angekommen, von dem aus es weiter in die Kerker geht, als mir zwei Wachen entgegen kommen. Schnell ducke ich mich hinter einer Säule. Ohne mich zu bemerken, eilen sie in die Richtung des Wachturmes.
„Irgendetwas stimmt dort nicht, ich glaube da ist gerade jemand runter gefallen." sagt einer zum anderen, als sie an mir vorbei rennen.
Drake sorgt anscheinend ordentlich für Aufregung.
Sobald die beiden Männer ausser Sichtweite sind, schleiche ich mich ins Innere der Gefängnisanstalt. Vor mir befindet sich eine leere Halle. Ganz am Ende davon ist eine schwere Metalltüre, die von vier Wachen bewacht wird.
Das sollte ich hinbekommen.
Ich bewege mich rasch von einer Säule zur nächsten und schaffe es so unbemerkt möglichst nah an sie ranzukommen.
Einer der Wachen sieht aus, als würde er jeden Moment einschlafen. Die zwei, die am weitesten von mir entfernt sind, unterhalten sich miteinander und scheinen wirklich tief in eine Diskussion verwickelt zu sein. Nur der Wachmann, der mir am nächsten steht, ist einigermassen aufmerksam. Er steht gerade und schaut stur nach vorne.
Mit leisen Schritten schleiche ich mich von der Seite her an ihn ran. Als ich genau hinter ihm stehe, presse ich ihm meine Hand gegen den Mund und reisse ihn hinter die grosse Säule, hinter der ich mich zuvor versteckt habe. Hinten angekommen, schlage ich ihm mit dem Griff meines Dolches einmal heftig gegen die Schläfe. Bewusstlos fällt er zu Boden.
Auch der zweite Wachmann ist nicht gerade schwer zu überwältigen. In seinem Halbschlaf bemerkt er erst was vor sich geht, als es schon zu spät ist.
Kaum habe ich den zweiten Wachmann ausgeschalten, realisieren die beiden übrigen, dass ihre zwei Kollegen nicht mehr da sind. Damit sie keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns ziehen, trete ich hinter meinem Versteck hervor.
Augenblicklich laufen sie auf mich zu, um mich anzugreifen. Schnell werfe ich meinen Dolch nach dem kleineren der beiden. Er geht direkt durch seine Hand und ist so an an die Wand hinter ihm genagelt. Dann widme ich mich dem anderen.
Mit seinem Schwert holt er nach mir aus. Ich ziehe einen weiteren Dolch unter meinem Umhang hervor und blocke damit den Schlag ab.
Wütend holt der bärtige Mann erneut nach mir aus. Dieses Mal ist die Wucht so stark, dass mir der Dolch aus der Hand geschlagen wird.
Nun ohne irgendeine Waffe, bin ich gezwungen, jeder Attacke von ihm auszuweichen. Meist ist das kein Problem, doch ab und zu verfehlt mich einer seiner Schläge nur um Haaresbreite.
„Will du nicht aufgeben, kleines Mädchen?" fragt er mich mit einer Stimme, die vor Hohn gerade zu trotzt.
In dem Moment, in dem er anfängt zu sprechen, lässt seine Konzentration offensichtlich mach, den er vernachlässigt seine Deckung. Dies nutze ich aus, um einen heftigen Schlag gegen seinen Bauch und direkt danach gegen seinen Kopf zu landen.
Sein Schwert fällt klappernd zu Boden und er gleich mit. Ich betrachte den nun bewusstlosen Mann einen Augenblick und beuge mich dann runter, um sein Schwert aufzuheben. Damit laufe ich auf den Wachmann zu, der immer noch damit kämpft ,meinen Dolch aus seiner Hand und der Mauer zu ziehen.
„Was willst du hier?" fragt er ängstlich, während er immer noch verzweifelt am Griff herumzieht.
Ich antworte ihm nicht. Wieso auch? Er muss meinen Plan nicht wissen.
Ich nehme mir die Handschellen von seinem Gürtel und beginne die drei bewusstlosen Männer damit zu fesseln und an einer Säule anzuketten.
Zum Schluss gehe ich wieder zum letzten Wachmann, ziehe meinen Dolch ruckartig aus seiner Hand und fessle auch ihn auf die gleiche Art wie seine drei Kollegen.
Zufrieden mit meiner Arbeit, öffne ich das grosse Tor.
Ach komm schon!
Das darf doch nicht wahr sein...
Frustriert stelle ich fest, dass sich hinter der Tür nicht wie erhofft die Zellen befinden, sondern nur ein langer Gang, der wahrscheinlich zu noch mehr Wachen führt.
Ich habe den Gang kaum betreten, da höre ich plötzlich schnelle Schritte hinter mir. Sofort verstecke ich mich hinter der Tür, bereit meinen Verfolger zu überwältigen. Als ein grosser, dunkelhaariger Mann in den Gang gerannt kommt, stürze ich mich auf ihn. Ich springe auf seinen Rücken und drücke meinen Dolch gegen seine Kehle.
„Immer mit der Ruhe, Sonnenschein, wir wollen doch nicht, dass sich hier jemand verletzt. Vor allem nicht wenn ich dieser Jemand bin." sagt Drake amüsiert und sofort springe ich von ihm runter.
„Hast du den Wachturm bereits gesichert?" frage ich nach, ob er seinen Job erfolgreich erledigt hat.
„Natürlich, dass war keine grosse Herausforderung." meint er grinsend.
Ich nicke und deute ihm mir zu folgen. Wir laufen nebeneinander und bereits nach wenigen Schritten, will Drake schon wieder anfangen zu sprechen. Ich lege meine Hand auf seinen Mund, um ihn daran zu hindern.
Ich weiss nicht wer oder was uns am Ende dieses Ganges erwartet, aber ich bevorzuge es, dass unsere Ankunft eine Überraschung wird.
Drake hat anscheinend verstanden, was ich will, denn als ich meine Hand wieder entferne bleibt er Still. Zwar schmollt er ein wenig, aber dass ist immer noch besser, als wenn er unsere Gegner auf uns aufmerksam macht.
Als wir an einer Kurve angekommen sind, blicke ich vorsichtig um die Ecke.
Knappe zwanzig Meter links von uns, befindet sich erneut eine grosse Tür, die dieses Mal sogar von sechs Wachen bewacht wird. Zu unserem Pech wirken sie zudem noch ziemlich viel kompetenter, als die vorherigen. Auch besitzt der Gang keine Säulen oder sonst etwas in der Art, hinter dem wir uns unbemerkt an sie hätten anschleichen können.
„Wenn wir da raus treten, entdecken sie uns sofort und wir sind geliefert." flüstere ich Drake zu.
„Dann müssen wir uns eben etwas anderes einfallen lassen." erwidert er schulterzuckend.
„Und was? Das ist der einzige Weg zu den Zellen."
Er überlegt einen Moment, bevor sich plötzlich ein breites Grinsen auf seine Lippen schleicht.
„Ich hab da eine Idee." sagt er und irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir seine Idee nicht gefallen wird.

„Nein, das ist erniedrigend!" protestiere ich gegen seine Idee.
„So schlimm ist es gar nicht und ich bin mir ziemlich sicher, dass es klappen wird." ermutigt mich Drake.
„Nein, es muss einen anderen Weg geben!" sage ich kopfschüttelnd.
„Es gibt sicherlich einen anderen, aber mir fällt keiner ein." meint er. „Aber nur zu, wenn du eine bessere Idee hast, dann werden wir meine selbstverständlich verwerfen." fügt er hinzu, mit dem Wissen, dass ich keine bessere Idee habe. Ich
seufze frustriert. „Na gut." stimme ich schliesslich zu.
Ich ziehe meinen Umhang schief über meine Schultern, so dass es aussieht, als habe jemand daran gerissen und verstrubble meine Haare, damit sie in alle Richtungen abstehen. Ich öffne meine Augen weit und fächere mir Luft zu, sodass sie sich langsam mit Tränen füllen.
„Du schaffst das, mein Sonnenschein." meint Drake noch aufmunternd, bevor ich um die Ecke auf die Wachen zu renne.
Auf dem Weg zu ihnen stolpere ich absichtlich ein paar mal fast über meine eigenen Füsse und klammere mich dann verzweifelt an einen der überraschten Männer.
„Helft mir, oh bitte helft mir doch." schluchze ich laut. Sofort bilden die fünf anderen Wachen um mich herum einen Kreis.
„Wie kann man euch denn helfen, junge Dame?" will der älteste besorgt wissen.
Seht sie euch an!
Alle sind um das Leid einer schwachen, hilflosen Frau besorgt.
Dabei kommt es ihnen nicht einmal in den Sinn meine Anwesenheit in einem Gefängnis zu hinterfragen!
„Ich wurde überfallen." sage ich und drücke mich ängstlich noch näher an den Arm des langhaarigen Wachmannen.
„Was für ein hässlicher, ehrenloser Mann wagt es eine so junge und überaus reizende Dame zu überfallen?!" empört sich einer und gleich darauf entschuldigt er sich für seine unfeine Wortwahl.
„Nein, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, werter Herr, Sie haben vollkommen recht." versichere ich ihm und sehe direkt die grimmige Mine von Drake vor meinem inneren Auge.
Er hat es nicht anders verdient.
„Nun, helft ihr mir?" frage ich nach und sehe ganz scheu durch meine Wimpern zu ihnen auf.
„Natürlich! Wer würde einer Jungfrau in Nöten nicht helfen!" ruft einer und streckt stolz seine Brust heraus.
„Sie müssen sich ab jetzt keine Sorgen mehr machen, wird werden alles für euch regeln." versichert mir ein anderer und ich muss mich zwingen ihnen nicht allen gleich direkt ins Gesicht zu schlagen.
Sie sind alle komplett geblendet durch ihr verkorktes Frauenbild!
Keiner von ihnen vermutet, dass ich etwas gegen sie ausrichten, dass ich lügen und sie hinters Licht führen könnte. Keiner traut mir etwas zu. Sie glauben alle fest daran, dass ich schwach, hilflos und wahrscheinlich auch naiv bin. Ich könnte kotzen. Doch stattdessen zwinge ich mich zu einem erleichterten seufzen und bedanke mich überschwänglich bei meinen „Rettern".
Stolz, dass sie mich vor dem ach so bösen, grossen Mann beschützen können, laufen zwei los. Kaum sind sie um die Ecke abgebogen, hört man einige erstickte Schreie und dann ist es wieder ruhig.
„Was ist da passiert?" Sofort sind alle in Alarmbereitschaft. Sie wollen alle gemeinsam nachsehen, doch ich hallte sie auf.
„Nein, ihr dürft mich nicht alleine zurück lassen!" schluchze ich hysterisch, weshalb zwei beschliessen mit mir zu warten. Kaum sind auch sie hinter der Ecke verschwunden, lasse ich meine Maske vom hilflosen, verzweifelten Mädchen fallen.
„Ihr hättet euer Gehirn benutzen sollen." sage ich ruhig, bevor ich die beiden überraschten Männer mit meinen Ellbogen bewusstlos schlage. Danach mache ich mich daran, bei ihnen den Schlüssel zur Tür zu suchen. Keine Minute später erscheint Drake wieder neben mir.
„Und? Das war doch jetzt nicht so schlimm, wie du erst dachtest." meint er und legt seine Arme um mich.
„Doch, es war sogar noch demütigender als erwartet." sagte ich gereizt und schiebe seine Arme wieder weg.
„Ach komm schon, mein Sonnenschein." Er schmunzelt und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Wieder schiebe ich ihn weg.
„Konzentriert dich!" zische ich genervt.
„Das tue ich doch." meint er grinsend und will mich wieder küssen. Ich hebe meine Hand und presse sie auf seinen Mund.
„Du sollst dich nicht auf mich, sondern auf die Mission konzentrieren."
Seufzend gibt er auf und hilft mir stattdessen die grossen Tore zu den Zellen zu öffnen. Dieses Mal sind wird tatsächlich bei den den Gefangenen angekommen. In einer grossen Reihe sind die winzigen Zellen aneinander gereiht. Hinter den Gittern kauern die Menschen elendig und ohne Hoffnung.
„Weisst du wie man Schlösser knackt?" frage ich Drake, während ich einige Haarnadeln aus meinem Zopf löse.
„Natürlich weiss ich das. Du glaubst nicht wie viele verschlossene Türen so ein Palast hat." meint er grinsend und ich reiche ihm die Hälfte der Haarnadeln.
Ohne ein weiteres Wort teilen wir uns im stillen Einverständnis auf, um jeweils eine Hälfte der Rebellen zu befreien.
Ich mache mich daran die erste Zelle aufzusperren. Zuerst schenkten mir die Insassen keine grosse Beachtung, als sie jedoch bemerken, was ich tue und mich später dann auch erkennen, hellt sich ihre düsteren Minen sofort auf und ich sah wie die Hoffnung in ihre Augen zurückkehrt. Einige von ihnen kenne ich wirklich gut, während andere nur bekannte Gesichter oder Namen sind. Als ich die dritte Zelle öffne, werde ich plötzlich stürmisch umarmt. „Danke, Xayra!" sagt Brigitte, eine junge Verbündete. Ich spreche ihr ein paar aufmunternde Worte zu, bevor ich mich weiter ans Werk mache.
Drake und ich arbeiten schnell und bald schon sind alle unsere Verbündeten aus diesem Gefängnistrakt befreit. Mit etwa zwanzig Rebellen hinter uns, schleichen wir wieder aus dem Gefängnis heraus. Die anderen haben offenbar ebenso gute Arbeit geleistet, da bis jetzt noch niemand Alarm geschlagen hat.
Zusammen mit unseren befreiten Mitstreitern, schleichen wir wieder zurück auf die Lichtung, bei der wir die anderen wieder treffen wollen.
Einige Minuten später kommen Margret und Harry bei der Lichtung an. Auch ihnen folgen etwa zwanzig Gefangene.
Ich schaue auf die Uhr. Sie sind pünktlich, jetzt fehlt nur noch Floyd.
Wir warten und warten. Desto mehr Zeit vergeht, umso nervöser werde ich. Wir sollten eigentlich schon längst von hier verschwinden. Wer weiss, wann die übrigen Wachen etwas von dem Ausbruch mitbekommen. Zudem wird in einer halben Stunde der Schichtwechsel stattfinden und spätestens dann wird Alarm geschlagen.
„Wo ist Floyd?" fragt Margret.
„Ich weiss es nicht." antworte ich ihr wahrheitsgemäss. „Aber wir sollten eigentlich von hier verschwinden." füge ich noch hinzu.
„Wie wärs, wenn wir einfach gehen?" meldet sich Drake plötzlich zu Wort.
„Nein." Ich schüttle den Kopf.
„Okay, wir stimmen ab, wer ist dafür ihn zurückzulassen?" fragt Drake und hebt eine Hand. Gespannt sieht er die übrigen Leute an, um zu sehen, wer ebenfalls die Hand hebt.
„Wir stimmen nicht ab!" unterbreche ich das ganze Theater, bevor jemand auch nur auf die Idee kommen konnte tatsächlich abzustimmen und werfe Drake einen bösen Blick zu.
„Na gut, dann eben nicht..." murmelt er und nimmt langsam seine Hand wieder runter.
Ich überlege, was wir tuen sollen.
Jede weitere Minute, die wir hier verbringen, steigern das Risiko entdeckt zu werden und dann wäre die ganze Mission für nichts gewesen.
„Margret, Harry geht ihr zusammen mit den anderen und bringt sie in Sicherheit. Drake und ich werden nochmals zurück gehen und Floyd suchen." teile ich allen meinen Entschluss mit.

Ich würde gerne wissen wie ihr das Buch bisher findet!
Schreibt mir doch in die Kommentare was eure Meinung zu den Charaktere, der Handlung und dem Schreibstil etc. ist.
Euer Feedback würde mich sehr interessieren und mir helfen mich zu verbessern! ❤️❤️

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