042. Der Anschlag auf Professor Dumbledore

ʷʰᵃᵗ ⁱˢ ˢⁱᵐᵖˡᵉ ⁱⁿ ᵗʰᵉ ᵐᵒᵒⁿˡⁱᵍʰᵗ˒
ᵇʸ ᵗʰᵉ ᵐᵒʳⁿⁱⁿᵍ ⁿᵉᵛᵉʳ ⁱˢ

»Sie sagen, er sei tot.«

Remus' Ohren begannen zu rauschen. Irgendwo, in den hintersten Windungen seinen Hirns, nahm er noch wahr, wie Marlene endgültig die Nerven verlor, laut aufschluchzte und sich an James' Hals klammerte, als wäre er ein rettendes Seil und sie am Ertrinken auf See. Liv und Alice wirkten schockiert, nicht im Stande ihr sonst so quasseliges Verhalten aufrechtzuerhalten, während Peter ebenfalls die Tränen in die Augen schossen und Sirius ungläubig den Kopf schüttelte.

Remus registrierte seine Umgebung, er verstand nur nicht, was gerade geschah. Er verstand nicht, wie Marlene McKinnon so etwas sagen konnte, wie sie einfach irgendwelche Lügen verbreitete, ohne die Konsequenzen ihres Handelns zu bedenken.

»Das stimmt nicht«, hörte er weit entfernt eine Stimme von sich geben. Erst als sich seine Freunde mit fragenden Blicken an ihn wandten, bemerkte er, dass er das gesagt haben musste. »Das ist nicht wahr«, hauchte er mit bebender Stimme. »Dumbledore ist nicht tot, wieso sagst du so etwas?«

Verständnislos hob James eine Augenbraue, sein Arm lag noch immer um Marlenes Schulter, die ihn aus solch traurigen Kulleraugen musterte, dass Remus' Wangen Feuer fingen. Aber Marlene musste lügen, es gab keine andere Möglichkeit, weil die Alternative zu grausam wäre, um sie sich auszumalen. Wenn Dumbledore nicht mehr wäre... dann wäre Remus hier nicht mehr Willkommen.

Er schämte sich für den Gedanken und wandte sich von den anderen sechs Augenpaaren ab.

Marlene schniefte laut und wischte sich mit ihrem Hemdärmel über die laufende Nase. »Ist er. Madame Pomfrey hat gesagt-«

»Sie irrt sich!«, rief Remus ungehalten aus, ehe er sich ungeschickt erhob, dabei sein Glas mit Kürbissaft umstieß und das Weite suchen wollte. Er stolperte geradewegs ins Maxwell McCoy und Quinn Shirley, die händchenhaltend die große Halle betreten hatten.

»Woah«, lachte Max und fing Remus an den Schultern ab. Er schenkte James ein flüchtiges Lächeln und wollte sogleich weiterziehen, als er die Gesichter der Erstklässler bemerkte. »Welcher Augurey hat euch denn ein Ei ins Nest gelegt?«

Quinn beugte sich zu Marlene und legte ihr beruhigend eine Hand aufs Knie. »Ist bei dir alles in Ordnung?«

»Dumbledore ist angeblich tot«, sprach Sirius sachlich aus, was sich kein anderer traute.

Quinn und Maxwell zuckten bei seinen Worten zusammen. »WAS?!« Unisono bekundeten sie ihren Unglauben, Quinn runzelte trotzig die Stirn, Max lachte hohl auf. »Unmöglich. Wer hat euch diesen Drachenmist weismachen wollen. Es ist Dumbledore von dem wir hier sprechen.«

»Marlene hat Madame Pomfrey und Mr. Thorburn sprechen hören«, antwortete Sirius erneut.

Bilius Weasley tauchte in eben jenem Moment hinter seinem besten Freund auf. »Oh, was hören da meine Ohren? Professor Thorburn und unsere liebe Poppy turteln? Ich hätte ja geglaubt, sie steht nicht so auf Backenbärte.« Sein Grinsen entgleiste, als auch er die Stimmung zwei Sekunden später richtig einschätzte.

»Hast du was von den Gerüchten um Dumbledore gehört?«, fragte Max irritiert.

»Welche Gerüchte? - Das heißt wohl 'nein'.«

»Was genau haben Professor Thorburn und Madame Pomfrey gesagt, Marlene?«, fragte Quinn zaghaft.

Remus konnte nicht fassen, dass sie dem Märchen Glauben schenkten. Es war, wie Maxwell gesagt hatte, unmöglich. Dumbledore war nicht tot, er würde nicht sterben, nie.

»Gift«, nuschelte Marlene zwischen zwei Schluchzern hervor, James' Griff um ihre Schultern wurde stärker.

Remus sah triumphierend auf. Da hatten sie es. Dumbledore wäre nie so dumm, sich vergiften zu lassen. Marlene hatte die Heilerin falsch verstanden, so musste es sein. Entsetzt stellte er fest, dass die älteren Schüler Marlenes Worte abnickten.

»Dumbledore ist nicht tot!«, rief er zornig aus. Laut. So laut.

Stille.

Jedes Augenpaar in der gesamten großen Halle lag auf ihm und dann brach das Geflüster und die Panik aus. Schüler wandten sich zu ihren Freunden um, in Hektik und Hast ging ein Raunen durch die Menge, das zu einem stetigen Summen anschwoll, ein Rauschen einer Geräuschwelle, die über ihnen allen zusammenbrach, als Professor McGonagall die Halle betrat.

Sie sah alt aus. Ihre schwarzen Haare hingen in einem losen Knoten in ihren Nacken, der grüne Samtumhang mit einem Unterrock aus Schottenkaro wirkte zerknittert und ihr Spitzhut saß schief auf ihrem Kopf.
Wenn die Schüler nicht gewusst hätten, das etwas nicht stimmte, wäre es ihnen spätestens jetzt klar geworden.

»Professor, was ist mit Professor Dumbledore?«

»Geht es Professor Dumbledore gut?«

»Was ist passiert, Professor?«

»Wird die Schule geschlossen?«

Professor McGonagall reagierte auf keinerlei Fragen, sie kämpfte sich durch die Schülermasse und warf jedem einen tödlichen Blick zu, der es wagte, ihr im Weg stehen zu bleiben.
Die Lehrer am Lehrertisch sahen nicht minder besorgt aus, doch hatten wenigstens den Anstand, ihre Fragen nicht durch die gesamte Halle zu posaunen.

Mit zittrigen Fingern umklammerte die Hauslehrerin von Gryffindor das Pult des Direktors, in der Halle wurde es still.

»Ich weiß um Ihre vielen Fragen und Ihre Besorgnis wissen sowohl die Lehrer als auch Professor Dumbledore selbst sehr zu schätzen. Ich kann Ihnen allen versichern, Professor Dumbledore ist wohlauf, sieht sich jedoch aufgrund einer Tragödie die nächste Zeit noch gezwungen im St. Mungos Hospital für magische Krankheiten zu residieren. Beachten Sie bitte jedoch, dass die Hogsmead-Ausflüge für das restliche Schuljahr gestrichen wurden, so wie alle Post, die flüssige Substanzen enthält von nun an bei unserem Hausmeister Mr. Filch kontrolliert wird.«

Erleichterung gefolgt von einem Raunen der Empörung glitt durch die Menge, McGonagall störte sich nicht daran und sprach ungehindert weiter: »Für alle Schüler, die das Bedürfnis verspüren, sich jemandem anvertrauen zu wollen, stehen die Hauslehrer zur Verfügung. Während Professor Dumbledores Abwesenheit übernehme ich den Posten der Schulleiterin, während Professor Thorburn meine Dienste als Hausleiterin von Gryffindor antritt. Nun ab mit Ihnen in den Unterricht.«

Professor McGonagall verschwand hinter einer der Türen hinter dem Lehrertisch. Die Menge, die sie zurückließ war unruhig - verängstigt - verwirrt.

Remus' Gesichtsausdruck hatte während ihrer Rede von Überlegenheit zu Erleichterung, Verwirrung und schließlich Panik gewechselt.

»Dumbledore ist nicht wohlauf, wenn er im Mungos liegen muss«, bestätigte Bilius seine schlimmsten Befürchtungen. »Was ist bloß passiert? Weshalb wollen sie unsere Post durchsuchen? Und die Ausflüge ins Dorf? Weshalb?« Entgeistert raufte er sich die Haare, Marlene jedoch hatte aufgehört zu weinen. Ihre Wangen waren gerötet und die Augen blutunterlaufen, aber ihre Stimme hätte nicht klarer sein können, als sie ihr letztes Wort wiederholte: »Gift.«

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Selbst während McGonagalls Rede hatte James' die Augen nicht von Marlene gewandt, er hatte sie im Arm gehalten, so gut er konnte und ihr beruhigend über die Schultern gestrichen. Seine gesamte Aufmerksamkeit fokussierte sich auf das Mädchen neben ihm.
Plötzlich jedoch war ihm, als würde eine magnetische Verbindung ihn zwingen, seinen Blick auf eine der großen Flügeltüren am Eingang zu richten.

Dunkelrote, lange Haare rahmten Lily Evans' Gesicht ein, während ihr hellgrünes Augenpaar nach seinem suchte.
Er hatte ihr Eintreffen während McGonagalls Rede nicht mitbekommen, er ahnte auch nicht, dass sich Lilys Gedanken um eine Nacht drehten, die sie alle am liebsten vergessen hätten.

Lily hatte die Nacht nicht vergessen, noch immer wachte sie manchmal schweißgebadet auf, wenn sie glaubte, schwarze Greifzangen würden sich um ihre Körpermitte schlingen. Sie spürte noch immer die Zauber in der Dunkelheit an ihren Ohren vorbeisausen, erinnerte sich an James' Hand, die sie mit sich durch das Geäst zog - sie erinnerte sich an die Stimme, die Dumbledores Kopf gefordert hatte und an den Ast unter ihren Füßen, der sie vier mit einem Knacken verraten hatte.

Jemand hatte Dumbledores Kopf rollen sehen wollen.

Und jemandem war es beinahe gelungen.

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»Das habe ich Ihnen doch schon erklärt...«

Das Gesicht in den Händen vergraben, saß Professor Thorburn schlaff auf einem der Stühle im klinisch-weiß gehaltenen Krankenflügel, während Madame Pomfrey vor ihm auf und ab stolzierte, darauf pochend, eine Antwort auf ihre Frage zu erhalten, mit der sie zufrieden war.
Ihre blonden Haare waren unter ihrer Haube hochgesteckt, wenn auch einige Strähnen in den letzten Stunden ihren Weg aus der Frisur herausgefunden hatten und ihr rotglänzendes Gesicht einrahmten.

»Erzählen Sie es mir nochmal«, forderte die Heilerin unwirsch.

Professor Thorburn seufzte schwer.

»Ich war auf meinem Rundgang durch die Korridore. Die Treppe zu Professor Dumbledores Büro war freigegeben, das war ungewöhnlich, also ging ich hinauf, um nach dem Rechten zu sehen. Ich klopfte an, doch erhielt keine Antwort. Also bin ich hineingegangen. Da lag er, auf dem Boden vor dem Kamin, allein, den Kelch noch lose in der Hand. Elfenwein mit Blausäure versetzt, ich habe ihn sofort zu Ihnen gebracht, Madame.«

»Niemand kommt ungewollt ins Schloss«, wiederholte Madame Pomfrey die gleichen Worte wieder und wieder. »Professor Dumbledore hätte die starke Note Bittermandel riechen müssen, er wäre nicht so töricht gewesen, einfach...«

»Sie haben getan, was Sie konnten, Madame Pomfrey«, versicherte Thorburn schwach. Er konnte das Szenario nicht schon wieder durchkauen, er brauchte eine Pause, er wollte nicht an den Schulleiter denken, wie er wehrlos vor ihm gelegen hatte. Nicht eine Sekunde länger.

»Ich muss in den Unterricht, Madame«, beendete er das Verhör und ließ die Krankenschwester allein zurück.

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Klonk.

Klonk.

Langgliedrige und mit bunten Edelsteinen verzierte Finger umfassten den Gehstock fester.
Ein dunkler Pelzmantel schmiegte sich an eine gebeugte Gestalt mit ockerfarbener Haut, so schön wie von Sonnenlicht beschienenes Laub im Herbst.

Die Hexe war die Ruhe selbst.
Um sie herum herrschte das Chaos.

Heiler und Heilerinnen wuselten in ihren limonengrünen Uniformen umher, Aktenstapel folgten einigen durch die Lüfte, während andere schwere Kessel von einem Raum in den nächsten zerrten. Tragen standen kreuz und quer in den Gängen, Patienten stromerten umher, während ihr Pflegepersonal sie wieder einzufangen versuchte.

Am Empfang saß eine Hexe, die gelangweilter nicht hätte sein können. Sie blendete die Unruhe gekonnt aus, während sich eine Nagelpfeile von ganz allein um die Fingernägel ihrer linken Hand kümmerte, während sie mit der rechten in der Hexenwoche blätterte.

Klonk.

Klonk.

Die alte Dame stieß mit der Unterseite ihres Gehstocks, welche aus feinst poliertem Silber bestand, gegen den Tresen und zog die Aufmerksamkeit der Hexe endlich auf sich.

»Sie dürfen hier nicht rauchen, Ma'am«, schnarrte die Hexe, »das hier ist ein Krankenhaus.«

Die Dame im Pelzmantel zog sich die Langstielzigarette aus dem Mund und legte sie bedeutend langsam auf der Tresenoberfläche ab. Gelbe Katzenaugen funkelten der Empfangshexe entgegen.

»Albus Dumbledore«, krächzte sie, »wo liegt er?«

Überrascht blickte die Hexe auf.

»Nur Angehörigen ist es gestattet, die Patienten auf unserer Intensivstation zu besuchen, Ma'am.«

Ein weiteres Mal, stieß die Dame mit ihrem Gehstock gegen den Tresen. Dieses Mal jedoch begleitet von einem leichten Schmunzeln.

Die Empfangshexe blinzelte mehrmals. Sie ließ das Magazin achtlos fallen und kratzte sich am Kopf. Die spitz zugefeilten Nägel, verhedderten sich in ihren blonden Strähnen.
Sie nickte.

»Folgen Sie mir, Ma'am. Ich bringe Sie zu ihm.«

Zufrieden hinkte die Dame ihr hinterher.

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⁰⁴²· ᵈᵉʳ ᵃⁿˢᶜʰˡᵃᵍ ᵃᵘᶠ ᵖʳᵒᶠᵉˢˢᵒʳ ᵈᵘᵐᵇˡᵉᵈᵒʳᵉ

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