036. Schneeküsse und Mistelzweige

ⁿᵒᵇᵒᵈʸ ⁱˢ ᶜᵒᵐⁱⁿᵍ ᵗᵒ ˢᵃᵛᵉ ʸᵒᵘ

Grimauldplace Nr. 12 lag versteckt und einsam da, während Schneeflocken vor den beschlagenen Fenstern zu Boden rieselten. An den Rahmen bildeten sich kleine Eiskristalle in den Formen von Blumen und Sternen, doch Sirius war es leid, ihnen beim Wachsen zuzusehen und so zog er den samtgrünen Vorhang mit einem heftigen Ruck vor, dass es an ein Wunder grenzte, dass der Stoff nicht aus seiner Halterung riss.

Missmutig stapfte er ohrenbetäubend durch das Zimmer, warf sich auf das Bett und schrie in die Kissen. Dumpf klang sein Frust, sein Hass, doch am liebsten hätte er so viel mehr getan, mehr als nur zu schreien. Am liebsten hätte er alles in seinem erreichbaren Radius auf einen Schlag in Schutt und Asche legen wollen, er wollte gegen die alte Kommode und den Schrank treten, er wollte den Spiegel am anderen Ende des Raumes zerschlagen, alles von den Wänden reißen und alles in Brand stecken.

Er tat nichts dergleichen.

Er lag bäuchlings in seinem Bett und schrie sich die Seele aus dem Leib, die verzweifelten Schreie durch das Daunenkissen gedämpft.
Seinen Eltern würde er keine weiteren Gründe liefern, wieso er bestraft gehörte, die kreisrunden, kleinen Brandmale auf seinen Schulterblättern waren Ergänzung zu dem mittlerweile schon fast verblassten Veilchen, das ihm Remus am Zug verpasst hatte, genug.

Es klopfte an der Zimmertür und Sirius wusste, wer es war. Seine Eltern hatten nicht den Anstand, um ihm derartige Höflichkeiten zu gewähren und der Hauself apparierte einfach in sein Zimmer, wenn es ihm beliebte.

»Verschwinde, Regulus!«

Doch die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. »Ich habe dir das Abendessen gebracht.«

Sirius Blick wanderte zu dem unangerührten Teller auf seinem Nachttisch, den Kreacher vor einer Stunde gebracht hatte.

»Lassen wir den Vorwand und kommen am besten gleich dazu, wieso du wirklich hier bist, dann kannst du dich danach in Asche verwandeln oder aus dem Zimmer tanzen - mir egal, mach's bitte kurz, ich habe viel zu erledigen.«

Unsicher schob Regulus die Tür weiter auf, statt einzutreten blieb er im Rahmen stehen.

»Und? Was hast du mir zu sagen?«, fragte Sirius unbeteiligt.

»Es... es tut mir leid«, stotterte Regulus.

»Fetzig, danke für deine Anteilnahme. Du darfst jetzt gehen, schließ bitte die Tür hinter dir.«

Vor den Kopf gestoßen schluckte Regulus seine nächsten Worte runter, bewegte sich aber nicht aus dem Raum.

Sirius hob den Kopf. »Was noch, du elender Verräter?«

»Ich bin kein Verräter!«

»Ist dir Petze lieber?«

Die Wut trieb dem jungen Black Tränen in die Augen. Voller Wucht warf er den Teller mit dem Abendessen, den er tatsächlich mit hochgebracht hatte, gegen die alte Tapete. Er zerbarst und Erbsen flogen in alle Richtungen.
Sirius war zusammengezuckt, richtete sich nun aber zu voller Größe auf und blickte auf seinen kleinen Bruder herab. »Raus hier«, knurrte er.

Regulus schüttelte stur mit dem Kopf, so griff Sirius nach seinen Schultern, um ihn selbst hinauszuschieben, doch das brachte Regulus dazu, aus seiner Starre zu erwachen. Er wand sich los und schrie: »Du bist der Verräter!«

Sirius lachte hohl auf. »Ich? Verzeih mir, habe ich deine persönliche Habe durchsucht und an unsere Eltern verkauft, um besser dazustehen? Ach nein, das warst du, liebster Bruder.«

»Du bist gar nicht mehr du!«, brüllte Regulus von den Tränen erstickt. »Dieser - dieser Potter hat dich infiziert! Du wolltest Weihnachten zu ihm, ich habe es gelesen! Du wolltest hier weg!«

»Kannst du es mir verübeln?«

»Du wolltest mich hier allein lassen! Schon wieder!«

Das ließ Sirius innehalten. Wenn auch nur für einen kurzen Moment: »Dann hast du ja bekommen, was du wolltest! Ich werde nämlich NIE WIEDER weggehen! Sie halten mich hier bis ans Ende meiner Tage fest, in Azkaban wäre ich besser aufgehoben! Weg von Mutter und Vater und vor allem weg von dir!«

Regulus schlug ihm gegen die Brust und stürzte rücklings aus dem Zimmer, das Gesicht verzerrt, tränenverschmiert.

»Das hast du dir alles selbst zuzuschreiben, du Schlammblutfreund, du Blutsverräter! Verrotte in der Hölle!«

»Da bin ich schon längst!«, brüllte Sirius noch, bevor die Tür ins Schloss krachte. Mit dem Ärmel seines Hemdes wischte er sich über das nasse Gesicht. Den Wunsch, alles kaputt zu schlagen, hatte Regulus verdampfen lassen. Am liebsten hätte Sirius alles in die Luft gejagt.

Er stürzte zum Fenster, wollte die Vorhänge von den Stangen reißen, da stockte ihm der Atem.
Völlig überrascht verpuffte die Wut, ging einfach in Rauch auf, während er den samtenen Stoff zaghaft berührte und im Licht des Mondes betrachtete.

Der Samtstoff war nicht mehr grün.
Er war rot.

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»Du musst sie probieren, Lily, du hast noch nie etwas so Köstliches probiert. Das garantiere ich dir!«

Marlene schob sich gerade den siebten Schneekuss in den Mund, als Euphemia Potter den Salon betrat und ein Glucksen bei diesem Anblick ausstieß.

»Oh Marlene, mein Schatz, pass bitte auf, dass du dich nicht verschluckst. Es gibt genug Schneeküsse, dass du dich an ihnen satt essen kannst, ohne zu schlingen.«

Marlene lächelte ihr mit vollem Mund entgegen. »Nalo Miffes Poda, se Scheküsche sim famdasdesch.«

»Danke, meine Liebe.«

Ihre Augen wanderten zu James. »Wo ist Peter, Schnatz?«

James Wangen verfärbten sich bei dem Spitznamen rot. »In der Küche. Er spielt mit Velly Zauberschnippschnapp, glaube ich.«

Mrs. Potter nickte und bemerkte schlussendlich Lily, die sich schräg hinter Marlene geduckt hatte, um ja nicht aufzufallen, aber Lily Evans fiel einem immer auf, dachte James.

»Oh Liebes, wer bist du? Gehörst du zu den Weasleys, mein Kind? Ich komme da nicht mehr mit. Jetzt, wo Arthur und Molly schon ihr erstes Kind haben und die nächsten in Planung sind, weiß ich nicht, wie ich da noch auf dem Laufenden bleiben soll.« Sie lächelte entschuldigend. »Bist du Arthurs Nichte Marilla?«

Von all den Aussagen verwirrt, schüttelte Lily bloß den Kopf. James übernahm: »Mum, das ist Lily Evans. Sie ist mit Marlene befreundet.«

»Evans?«, fragte Mrs. Potter neugierig. »Oh wie schön! Du stammst aus einer Muggelfamilie?«

Lily nickte schüchtern. »Ja Ma'am. Es freut mich, sie kennenzulernen.«

Euphemia strahlte sie an. »Du und James müsst euch ja blendend verstehen. Er ist ja so fasziniert von all dieser Muggeltechnologie. Nur seinetwegen haben wir uns eine von diesen viereckigen Flimmerkisten zugelegt. Als er noch klein war, war er ganz begeistert von Ottomobilen, doch als Derwish Hopper ihn in seinen Wagen steigen ließ und den Motror anstellte, erschrak unser kleiner Schnatz so sehr, dass wir danach eine neue Windel benötigten.«

Lily hielt sich die Hand vor den Mund, um ihr Kichern zu verbergen, Marlene (die mittlerweile runtergeschluckt hatte) prustete los.

Euphemia - nichtsahnend und glücklich - drehte sich ihrem Sohn zu, der den Ausdruck blanken Horros im Gesicht stehen hatte.

»Schnatz, was ist los?«

»Ich muss Peter suchen«, brachte er hastig hervor und tauchte in der Menge ab, so schnell ihn seine flinken Beine tragen konnten.

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James hatte Peter in der Küche beim Zauberschnippschnapp gefunden und ihn genötigt, den Rest des Abends nicht mehr von seiner Seite zu weichen und ihn zu warnen, sollten sie Marlene, Evans oder seiner Mutter über den Weg laufen.
Doch die Mädchen schienen kein Interesse mehr an seiner Gesellschaft zu hegen (wer konnte es ihnen nach der Geschichte verübeln - außerdem handelte es sich um Evans), sie unterhielten sich eine Weile mit Professor McGonagall, die nach wie vor Ausschau hielt, da war sich James sicher, um ihm Nachsitzen aufzubrummen, weil er sie Minnie genannt hatte. Sie machten Bekanntschaft mit den echten Weasleys und der echten Marilla Weasley, ein siebenjähriges Mädchen, und ihren Eltern.
James und Peter machten immer einen großen Bogen um die beiden, doch ihnen entging nicht, dass Marlene es vermied, Lily in die Nähe ihrer Familie zu bringen. Es überraschte ihn nicht.

Seine Mutter war wieder zu seinem Vater zurückgekehrt, der ein angeregtes Gespräch mit der Zaubereiministerin Eugenia Jenkins über die kapitale Ausbeutung von Zauberwesen führte.

»Nach Elphinstone Urquarts Pensionierung und Lupins Entlassung vor ein paar Jahren geht es im Zaubergamot drunter und drüber, das kann ich dir sagen, Fleamont«, hikste Eugenia Jenkins, ein Gläschen Elfenwein in der linken Hand, während sie mit der rechten wild gestikulierte. »Es sind ja nicht nur die Zauberwesen und magischen Geschöpfe, die dem Ministerium Druck machen. Hast du von den Aufmärschen in den umliegenden Ländern gehört? Furchtbare Sache, das alles, das kann ich dir sagen!«

»Du meinst die Reinblut-Fanatiker?«

Die Ministerin hickste zustimmend. »Oh ja, die auch. Doch die scheinen relativ ruhig im Vergleich zu den Squib-Bürgerrechtsaufmärschen. In Italien haben sie Häuser und Felder niedergebrannt, wollen auf Kosten des Ministerium leben, ausgehalten werden, weil sie sich keine Arbeit in der Muggelwelt suchen wollen. Alles Verrückte, das kann ich dir sagen!«

Fleamont schüttelte den Kopf und nippte an seinem Wein. »Du kannst sie nicht alle in den selben Kessel werfen, Eugenia. Es gibt genug Squibs, die sich perfekt in die Gesellschaft eingliedern.«

»Erzähl mir das nochmal, wenn sie dein Haus niedergebrannt haben.«

»Es ist doch wie überall. Die radikalen Gruppen wirken so von überwältigender Größe, weil sie laut sind - diejenigen, die ihr Leben leben, bemerkt man einfach nicht.«

Eugenia Jenkins kippte den restlichen Inhalt ihres Weinglases hinunter und lächelte dann leicht schielnd. »Ne tolle - hicks - Party, Fleamont. Euphemia. Ich bin froh, mal wieder aus dem Büro gekommen zu sein.«

James und Peter verschwanden, bevor die drei einen Blick auf sie werfen konnten. James' Magen schlug Purzelbäume... sein Blick suchte in der Menge nach Eliana und Thomas McKinnon, doch Peter stieß ihn leicht in die Seite.

»Meinst du, sie haben von Remus' Vater gesprochen?«

Vollkommen verwirrt, runzelte James die Stirn. »Hä?«

»Die Ministerin hat von einem Lupin gesprochen, der entlassen wurde... ich dachte nur, weil Remus immer so schäbig...«

James fiel ihm ins Wort. »Ich denke nicht, dass es Remus gutheißen würde, wenn wir hier wilde Theorien aufstellen. Seine Kleidung ist eben etwas kürzer geraten und geflickt... vielleicht ist sie bei der Wäsche eingegangen? Meine Mutter hat mir erzählt, dass das bei Muggeln passieren kann und Remus' Mutter ist eine Muggel.«

Peter zuckte mit den Schultern.

»Los, lass uns Marlene und Evans suchen. Ich will euch etwas vorschlagen.« Er stürmte los und Peter wuselte hinter ihm her.

»Was denn vorschlagen?«, fragte Peter.

»Wie wir Sirius befreien.«

»Was?!« Peters Quieken erlangte Marlenes Aufmerksamkeit, die es doch geschafft hatte, sich von ihrer Mutter auf der Terasse gefangen nehmen zu lassen.

»...und deine Haare! Wenn du wenigstens eine Bürste in ihre Nähe gehalten hättest, Kind.«

»Oh, Mrs. McKinnon.« James machte abrupt Halt.

Mrs. McKinnon war eine große, sehr schlanke Frau mit schulterlangen, glänzenden braun-roten Haaren und einem makellosen Gesicht, auf das sie sich eine Menge einbildete. Doch mit ihren Äußeren endete ihre Schönheit auch.

»Da ist ja der andere Struwwelpeter«, grüßte ihn Marlenes Mutter. »Dir täte es auch gut, die Haare einmal ordentlich zu frisieren.«

»Danke für den Tipp, aber mir gefällt es so.« James hob das Kinn in die Höhe.

Mrs. McKinnon seufzte. »Marlene, wie viele von den Plätzchen hattest du heute schon?«

»Nur eins«, log ihre Tochter.

»Das ist eins zu viel, mein Kind. Das Essen in Hogwarts ist dir schon nicht bekommen, sieh dir nur deine Pausbacken an, dann weißt du, was ich meine. Deiner Freundin hier täte es ebenfalls gut, die ein oder andere Mahlzeit auszulassen.«

Verstört blickte Lily zu ihr hinauf.

»Mrs. McKinnon«, sagte James sichtlich erhitzt, »ich glaube, jemand vom Tagespropheten wollte sie im Salon interviewen.«

Ihre Miene erhellte sich und sie klatschte die schlanken Hände zusammen. »Perfekt«, strahlte sie, ehe ihr Blick auf Peter fiel. Sie sagte zur Abwechslung einmal nichts, doch der Blick, den sie ihm zuwarf, hätte nicht von mehr Ekel triefen können.

Sie verschwand im Haus und sofort begann Marlene zu schimpfen und sich bei Lily und den anderen für das Verhalten ihrer Mutter zu entschuldigen.

»Wieso hat sie euch überhaupt erwischt?«, fragte Peter, der mitbekommen hatte, wie verzweifelt Marlene ihrer Mutter in den vergangenen Stunden aus dem Weg gegangen war. Marlene deutete nach oben.

An einem der Holzbalken, die das Terassendach stützten, war ein Mistelzweig gebunden. »Ich komme hier nicht weg bis mich jemand küsst. Wer auch immer sich das ausgedacht hat, verdient den Tod...«

»Ich glaube das war mein Grandpa«, murmelte James und kratzte sich im Nacken.

Marlene rollte mit den Augen. »Ich mag deinen Großvater, aber dafür würde ich ihm gerne in den Hintern treten.«

Die Terasse war zum ersten Mal des heutigen Abends tatsächlich so gut wie leer. In einer Ecke hockten zwei ineinanderverschlungene Rotschöpfe, die James als Molly und Arthur Weasley ausmachte. Sie schenkten den Kindern jedoch keine Aufmerksamkeit.
Durch Zauber von Wind und Wetter geschützt, war es ausgesprochen warm für die Jahreszeit und das obwohl keine drei Meter weiter eine dicke Schneeschicht auf dem Gras lag.

»Tritt ihm später in den Hintern, wobei... lieber nicht, er ist über 90. Aber jetzt müssen wir erst einmal in mein Zimmer, ich will euch etwas vorschlagen.«

Marlene hob frustriert die Arme. »Ich würde ja, aber hier steht es sich so gut.«

James zuckte mit den Schultern. »Ich küsse dich nicht, Evans kann es machen. Oder Peter.«

»Ich nicht!«, quiekte Peter und wurde puterrot.

»Danke vielmals, aber ich möchte überhaupt nicht und von niemanden geküsst werden.«

»Dann bleib hier und wir anderen planen allein, wie wir Sirius aus den Klauen der Blacks befreien können.« James' Mundwinkel zuckten in die Höhe.

»Du willst was?!«, riefen Marlene und Lily wie aus einem Munde.

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⁰³⁶· ˢᶜʰⁿᵉᵉᵏᵘᵉˢˢᵉ ᵘⁿᵈ ᵐⁱˢᵗᵉˡᶻʷᵉⁱᵍᵉ

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