028. Slughorns wilde Party
ⁱᵗ'ˢ ᵇᵉᵍⁱⁿⁿⁱⁿᵍ ᵗᵒ ˡᵒᵒᵏ ᵃ ˡᵒᵗ ˡⁱᵏᵉ ᶜʰʳⁱˢᵗᵐᵃˢ
Am Abend des 10. Dezembers stand James Potter vor dem großen Spiegel im Badezimmer angrenzend an den Schlafsaal der Erstklässlerjungen von Gryffindor und zupfte sich seine Schulkrawatte zurecht, nachdem er es aufgegeben hatte, das Haarnest auf seinem Kopf bändigen zu wollen - es war zwecklos.
»Wer feiert Weihnachten bitte zwei Wochen zu früh?«, fragte Sirius wiederholt und ließ sich genervt rückwärts auf sein Himmelbett fallen.
»Hör auf zu meckern«, grinste James, »du bist bloß beleidigt, weil du nicht auch eingeladen worden bist.«
»Blödsinn, das ist mir doch völlig egal, Potter.«
»Sicher«, kommentierte Remus, der die Nase in einem Buch über Zauberwesen versteckt hatte und nur gelegentlich davon aufsah. Sirius bewarf ihn mit einem Kissen. »Lass mich schmollen, Lupin. Du bist immerhin auch nicht eingeladen worden, wieso regst du dich nicht auf?«
»Weil es mir im Gegensatz zu dir tatsächlich egal ist«, sagte Remus, das Zucken um die Mundwinkel konnte er nicht gänzlich verbergen.
Peter lachte. Er saß auf seinem Bett, das linke Bein auf ein Kissen gestützt und beobachtete den Schlagabtausch seiner Freunde mit großen Augen, während er einen Lakritzzauberstab nach dem anderen verputzte. Er war nach wie vor nicht bei Madam Pomfrey gewesen, doch so langsam nahm sein Bein eine merkwürdige grüne Farbe an, die sich die anderen trotz der vielen Heilzauberspruchbücher, die sie unter den wachsamen Augen Madam Pince' aus der Bibliothek ausgeliehen hatten, nicht erklären konnten.
Es war überhaupt ein starkes Stück Arbeit gewesen, die Lehrer davon zu überzeugen, dass es Peter gut ging, wo er doch offenkundig bei jedem Schritt zusammenzuckte. Die Schmerzlinderungszauber verloren nach wiederholter Anwendung an Wirkung und Peter, der sich bloß danach sehnte, Madam Pomfrey einen Besuch abzustatten, hatte Angst, James und Sirius damit zu verärgern. »Es tut gar nicht mehr so weh«, antwortete er auf ihr wiederholtes Fragen, doch die Jungen machten sich dennoch Sorgen - allen voran Remus, der in besagter Nacht, als sich der Vorfall ereignete, nicht einmal dabei gewesen war.
So schlimm die Schmerzen auch waren, Peter genoss gleichermaßen die Aufmerksamkeit und die Bewunderung seiner Freunde, dass er all das in Kauf nahm, um ihren Regelverstoß zu schützen.
Sirius, noch immer beleidigt über Remus' Kommentar, schnappte sich dessen Buch und zog es ihm aus den Händen. »Das reicht jetzt aber«, lachte er, doch ihm erstarb das Lachen auf den Lippen, als Remus wie von der Tarantel gestochen aufsprang und danach greifen wollte. Sirius realisierte erst jetzt, dass er ihm nicht bloß ein sondern gleich zwei Bücher abgenommen hatte und stutzte. »Was ist das?« Das Buch über Zauberwesen, das beim Kapitel der Werwölfe aufgeschlagen war, ließ er achtlos zurück auf das Bett fallen, stattdessen drehte er das andere Buch - oder Heft - mehrmals in alle Richtungen und hob prüfend eine Augenbraue.
»Ist das so ein Comic? Wie die Comics von Martin Miggs - dem mickrigen Muggel?«
»Gib das her«, sagte Remus verzweifelt und versuchte ihm den Comic abzunehmen.
James kam aus dem Bad getreten und blickte seinem besten Freund über die Schulter, er war auch neugierig geworden, schob sich die Brille zurecht und las: »Spiderman.«
»Also ich habe für ein Leben lang genug von Spinnen gehabt«, grinste James, schnappte sich den Comic aus Sirius Händen und warf ihn Remus zu. Dieser fing ihn erleichtert auf und strich ihn behutsam glatt.
»Ist es das, was du immer liest, wenn wir glauben, du machst Hausaufgaben?« Remus schürzte die Lippen und Sirius schnaubte belustigt, ehe er James von Kopf bis Fuß betrachtete. »Schick, schick. Nur deine Haare...« Er fing sich einen freundlichen Knuff in die Schulter ein und lachte.
»Kann ich so gehen?« Erwartungsvoll breitete James die Arme aus.
Sirius wackelte mit den Augenbrauen, ein albernes Grinsen zierte sein Gesicht. »Sie werden hingerissen sein.«
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Pünktlich um acht klopfte James an die Bürotür seines Zaubertrankprofessors. Von drinnen ertönte bereits eine Menge Gelächter, das Klirren vieler Gläser, laute Stimmen und Musik. Zu James' Überraschung handelte es sich um die gleiche Muggelmusik, die seine Mutter so gerne hörte, wenn sie sich daran versuchte, in der Küche etwas Neues zu zaubern. Die Beach Boys stimmten gerade Do it again an, als die Tür aufgerissen wurde und James staunte nicht schlecht. Das Büro war mehr als doppelt so groß wie die normalen Arbeitszimmer der Lehrer. Da musste einiges an Magie geflossen sein, um das Zimmer so umzumodeln, dass es für die Anzahl an Gästen perfekt abgestimmt war.
Doch auch die Raumausstattung ließ nicht zu wünschen übrig. James fühlte sich wie im Inneren eines Weihnachtsbaumes. All die Wände und selbst die Decke waren mit smaragdfarbenen Behängen geschmückt, an die kleine Tannennadeln gestickt worden waren. Über dem Kamin lagen goldene und rubinrote Seidentücher, während von der Decke saphirblaue Christbaumkugeln und Schneeflocken hingen. Am beeindruckendsten war jedoch die goldene Lampe, die wie ein Kronlüster über der gedeckten Tafel hing und in der echte Feen flatterten, jede einzelne leuchtete in bunten Farben.
»Mr. Potter, wie schön!«, dröhnte die Stimme Professor Slughorns zu ihm herüber und eine mächtige Pranke schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Eine wahrliche Freude, ganz außerordentlich.« Er bugsierte James in das Büro, reichte ihm ein mit Goldapplikationen geschmücktes Weinglas und deutete auf Severus Snape, der sich gerade an den köstlichen Speisen bediente. Slughorn strahlte.
»Mr. Snape, sehen Sie mal, wen ich hier gefunden habe. Sie und Mr. Potter sind im gleichen Jahrgang und Ihrer beider Eltern waren - und sind - große Koryphäen auf dem Gebiet der Zaubertränke, sicherlich haben Sie sich viel zu erzählen, bis mein Gast für Mr. Potter eingetroffen ist.« Slughorn wuselte davon und ließ James und Severus allein zurück. Keiner von ihnen sagte ein Wort, sie sahen sich an und gerade, als James auf dem Absatz umdrehen und einfach woanders hingehen wollte, stieß Snape einen Zischlaut aus.
»Dein Vater eine Koryphäe? Lächerlich...«
James' Kiefermuskeln spannten sich an.
»Haarpflegeprodukte...«
»Dass du davon nichts verstehst, war mir bei deinem schleimigen Schopf sofort klar«, patzte James. Seit Tagen hatte er diese angestaute Wut in sich und Severus Snape war nun wirklich die perfekte Gelegenheit, sie loszuwerden. Als hätte Slughorn genau das geplant.
Snape rümpfte die lange Hakennase und schnaubte verächtlich. »Man sollte meinen, ein Mann der seinen Lebensunterhalt mit solchem Mist verdient, hätte seinem Sohn wenigstens beibringen können, wie man sich die Haare kämmt.«
»Genauso wie deiner dir hätte erklären sollen, was ein Shampoo ist, wenn er ja so bewandert auf dem Gebiet ist.«
Severus runzelte einen Augenblick die Stirn, dann lächelte er bosartig. »Mein Vater? Nein, Potter - meine Mutter. Es wundert mich aber auch nicht, dass du nichts von talentierten Müttern verstehst, wo deine sich bloß einen reichen Mann gesucht hat.«
»Erbärmlich anderer Leute Eltern in den Dreck ziehen zu wollen, weil dir nichts einfällt, was du mir vorhalten kannst.«
»Talentlosigkeit von einem unbedeutenden Vater?«
»Gehört hast du ja wohl von ihm, während mir der Name deiner Mutter scheinbar entfallen ist. Wie erfolgreich kann sie da wohl gewesen sein?«
»Sich mit Unwissenheit schmücken zu wollen, ist klassisch Gryffindormanier«, Snape stellte seinen Teller beiseite und legte den Kopf schräg. »Doch was sollte man auch anderes erwarten, von einem Jungen, dessen Kopf so aufgeblasen ist, dass er vom Boden abheben könnte.«
Das leere Weinglas so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervorstachen, trat James einen Schritt auf Snape zu. Er wollte ihn schlagen, so gerne würde er den schmierigen Schleimbeutel mit einem blauen Auge ins Bett schicken...
»Sagt der Junge, der nicht einmal mit einem Besen in die Luft steigen könnte; ohne wegen seiner Schleimspur am Boden festzukleben, Schniefelus.«
Auch Snape trat einen Schritt vor, das Glas in James' Hand zersprang in Tausend kleine Splitter und mit einem Mal war es, als hätte jemand die Schallplatte dem Plattenspieler entrissen, alle Gespräche verebbten abrupt und Slughorn kam zu ihnen beiden hinübergewuselt. Alle Blicke lagen auf James und Severus, die nur wenige Zentimeter voneinander entfernt standen und sich anstarrten, als wollten sie einander an die Kehle springen.
Mit einem Schlenker seines Zauberstabs begann die Musik weiterzuspielen und Professor Slughorn erreichte die beiden Jungen mit einem schiefen Lächeln, das er versuchte aufrecht zu erhalten.
»Meine Herren, ist bei Ihnen beiden alles in bester Ordnung?«
»Es könnte nicht besser sein«, presste James zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, die Unsicherheit darüber, was da gerade passiert war, kaschierend. Slughorn, dem diese Aussage, so falsch sie auch sein mochte, ausreichte, klatschte fröhlich in die Hände. »Schön, schön. Mr. Potter, folgen Sie mir. Ich möchte Ihnen Hamish MacFarlan von den Montrose Magpies vorstellen, einer meiner ehemaligen Schüler. Genialer Quidditchspieler, wie Sie wissen.«
Slughorn packte James am Arm und zog ihn von Snape fort, zurück an einen Tisch nahe des Eingangs, wo sich eine Gruppe von Mädchen - sie waren vielleicht in ihrem fünften oder sechsten Schuljahr - versammelt hatte, hinter vorgehaltenen Händen kicherten und dem Mann, den Professor Slughorn nun wie einen alten Saufkumpanen begrüßte, schöne Augen machten.
James war für einen Augenblick völlig sprachlos. Hier stand er nun, sich dem Mann gegenüber wissend, dessen Quidditchspiele er schon aus Kinderschuhen bestaunt hatte und die er und sein Vater in ihrem Garten nachgespielt hatten. Hamish MacFarlan war eine Legende, der ehemalige Kapitän der Montrose Magpies, der erfolgreichsten Mannschaft Englands.
Dieser Mann war James' Idol, der Sucher, der er eines Tages sein wollte. Einer, der jedes Spiel gewann - nun, bis auf eins, doch das würde James nicht passieren.
Recht klein, mit eingefallenen Wangenknochen und - trotz seines noch nicht so fortgeschrittenen Alters - schon schütterem Haar, reichte MacFarlan Slughorn fest die Hand. Selbst zu einer Weihnachtsfeier schien er keinen Wert auf Festumhänge oder einen Anzug zu legen, sondern trug stattdessen helle Turnschuhe und seine alte Quidditchuniform, die James mit großen Augen bewunderte.
»Mr. Potter?«, murmelte MacFarlan kritisch, »der Sohn vom alten Fleamont?«
James nickte aufgeregt. Jede Spur von Ärger über Snape war wie weggeblasen, hier stand immerhin ein waschechter Quidditchspieler vor ihm, der ihm nun alle Tipps und Tricks für seinen Erfolg verraten würde. Genau das, was James sich sein Leben lang gewünscht hatte.
»Sie haben 7 Mal den Liga-Pokal und einmal sogar den Europa-Pokal gewonnen«, rezitierte James sein Wissen über MacFarlan aus seinem Buch Quidditch im Wandel der Zeiten, während dieser unbeeindruckt, als höre er das ständig, bloß eine wegwerfende Handbewegung machte. »Mit genug Talent ist alles möglich.«
»Haben Sie den Schnatz im Spiel gegen die Chudley Cannons 1962 tatsächlich in unter drei Minuten gefangen?«
»Gegen Gordin Gudgeon keine Meisterleistung, dennoch war das eine hervorragende Arbeit meinerseits, richtig. Das muss man sagen.« Mit zwei Fingern fuhr er sich über den Drei-Tage-Bart und brachte die Mädchen am Nebentisch dadurch zum Kichern.
»Horace - nun, Professor Slughorn - berichtete mir, Sie wollen selbst auch Quidditch spielen? Hüter, nicht wahr?«
James schüttelte kräftig den Kopf.
»Ich werde einmal der beste Sucher Englands.«
MacFarlan verschluckte sich beinahe an seinem Elfenwein.
»Ich will das tun, was sie tun. Ich will auch ein professioneller Quidditchspieler werden«, sprudelte James weiter. »Ich will irgendwann der jüngste Sucher werden, der für England spielt, ich will-«
Der Ex-Kapitän unterbrach ihn mit einem lauten und aufgesetzten Gähnen. »Sucher? Sie? Machen Sie sich nicht lächerlich.«
Für einen Moment aus dem Konzept gebracht, stockte James der Atem, dann, im Glauben, den Mann vor ihm bloß falsch verstanden zu haben, sprach er weiter: »Ich kann schon länger fliegen als laufen, ich fange absolut jeden Schnatz und eines Tages werde ich-«
»Sie tragen eine Brille«, sagte MacFarlan so, als wäre das allein das Nötige, um jede von James' Aussagen zu falsifizieren.
James blinzelte. Eine Sekunde lang überlegte er, was er als nächstes sagen sollte, dann runzelte er die Stirn. »Ja, ich weiß.«
»Sie können nicht wirklich glauben, ein ernstzunehmender Sucher zu werden, wenn ihr Augenlicht nicht völlig in Ordnung ist. Unvorstellbar, dass England einen Sucher anheuert, der einen Schnatz nicht von einem Vogel unterscheiden kann, wenn er kein Plastikgestell auf der Nase sitzen hat.«
»Ich bin der beste Flieger, den Hogwarts je gesehen hat«, protestierte James, doch seine Stimme verlor mit jedem Wort an Kraft.
»Ein brillentragender Sucher, das ich sowas zu meiner Zeit noch erlebe... unmöglich. Der beste Flieger Hogwarts? Wie hat man sie, einen Erstklässler, nur in die Quidditchmannschaft aufnehmen können?«
»Ich bin nicht in der Hausmannschaft«, murmelte James, »Erstklässler kommen nicht-«
»Merlin sei Dank - glauben Sie mir, das hat nichts mit Ihrem Alter zu tun, auch, wenn Ihr junges Wesen und die überschwängliche Liebe Ihrer Eltern vermutlich ein falsches Bild der Selbstwahrnehmung in ihren Kopf gepflanzt hat. Sie sind bestimmt ein passabler Flieger, doch jetzt schon anzunehmen, Sie könnten einmal in eine Profiliga aufsteigen...«
Beinahe ehrlich bedrückt schüttelte MacFarlan den Kopf. »Schlagen Sie sich die Hoffnung besser gleich aus dem Kopf, sonst erwartet Sie bloß die Enttäuschung.«
Nun lächelte er wieder, breit und fröhlich, als hätte er soeben keine Hiobsbotschaft überbracht, sondern bloß ein nettes, kleines Weihnachtsgeschenk, über dessen Inhalt sich jeder erfreuen würde.
»Sie sagten, Sie wären ein Fan?«, fragte MacFarlan. »Hier, ich gebe Ihnen ein Autogramm, das heitert Sie wieder auf.«
Der Stimme beraubt, sah James zu Boden. Hier stand er, der ehemalige Kapitän der erfolgreichsten Mannschaft Englands und ließ seinen Traum zerplatzen. Aber es stimmte, wie hatte James sich einreden können, jemals Sucher zu werden? Ohne seine Brille war er machtlos. Hatte Max McCoy nicht ebenfalls Anmerkungen fallen lassen, als James verkündet hatte, Sucher werden zu wollen?
»Spieler für England müssen topfit sein. Keine Mannschaft, die etwas auf sich hält, würde einen Spieler aufnehmen, der mit drohender Blindheit zu kämpfen hat.«
»Haben Sie ihn schon einmal fliegen sehen?«, ertönte plötzlich eine Mädchenstimme hinter James. Eine Stimme, die James aus Tausenden wiedererkennen würde. Marlene.
Hamish MacFarlan sah erstaunt auf. »Junge Lady, wir unterhalten uns hier gerade. Sie dürfen nachher nach einem Autogramm fragen.«
»Nein, danke«, sagte Marlene entschieden, ein Unschuldslächeln aufgesetzt. Sie stellte sich an James' Seite und verschränkte ihre Arme. »Wenn Sie James schon einmal auf einem Besen gesehen hätten, wüssten Sie, dass er mit verbundenen Augen besser fliegen kann als Sie. Er erkennt den Schnatz über drei Quidditchfelder hinweg, während Sie Ihr letztes Spiel verloren haben, weil Ihnen zu spät aufging, dass der Schnatz hinter Ihrem Kopf schwebte.«
Ohne MacFarlans Antwort abzuwarten, zog sie James mit sich, wandte sich nur ein letztes Mal um und rief zuckersüß: »Mein Bruder, Garret McKinnon, lässt Sie übrigens grüßen. Vielleicht erinnern Sie sich, er war der Sucher, der Ihnen in Ihrem letzten Spiel als Kapitän den Schnatz vor der Nase weggeschnappt hat. Er trägt übrigens auch eine Brille.« Mit wenigen Schritten waren sie aus MacFarlans Sichtfeld verschwunden, Marlene bugsierte James um die vielen Gruppierungen herum und fand schließlich zwei mit rotem Samt überzogene Stühle in einer der Ecken, auf die sie sich fallen ließen. Marlene begann laut zu kichern. James starrte sie bloß mit offenem Mund an.
»Mund zu oder willst du Fliegen fangen?«, grinste sie und entlockte ihrem besten Freund ein heiseres Lachen. »Was für ein dämmlicher Froschkopf.«
James schmunzelte. »Ich fand ja, er hatte mehr Ähnlichkeit mit einem kahlen alten Ziegenbock.« Diese Antwort ließ Marlene zufrieden kichern, ehe sie sich ihren dunkelblauen Festumhang zurechtzupfte und den geflochtenen Zopf aus kupferfarbenem Haar über die Schulter warf. Sie hatte sich für diesen Anlass besonders hübsch gemacht, dachte James.
»Ich wusste nicht, dass du heute Abend hier sein wirst«, sagte James ehrlich überrascht.
»Wir haben ein paar Tage lang nicht miteinander gesprochen.«
Einen Augenblick hielt James inne, doch die folgenden Worte musste er endlich loswerden: »Weil du beinahe jede freie Minute, in der wir nicht im Unterricht stecken, mit Evans verbringst.« Der bissige Unterton war selbst noch in London zu hören.
Marlene rollte spielerisch mit den Augen.
»Als würdest du mich großartig vermissen, du bist doch ständig mit Sirius Black und deinen anderen Freunden unterwegs.«
Erstaunt zog James die Brauen in die Höhe. »Du bist jederzeit willkommen, dich zu uns zu setzen. Das weißt du.«
Marlene zuckte mit den Schultern. »Es ist nicht mehr wie früher, als es nur dich und mich gab.« Seufzend legte sie einen Arm um seine Schultern. »Hey, du wirst immer mein bester Freund sein, aber du hast Black und ich... ich habe jetzt Lily.«
»Evans hasst mich.«
Marlene lachte. »Das sagt sie, ja. Aber du kannst sie auch nicht wirklich leiden.«
»Sie ist die Pest«, wiederholte er seine Worte bezüglich Lily Evans, die von nun an immer seine Antwort sein sollten, wenn er nach ihr gefragt würde. Er ärgerte sich über Marlenes belustigtes Mienenspiel.
»Wenn du meinst, ich denke ja, ihr zwei könntet euch ganz gut leiden, wenn ihr eure Differenzen beiseite legen würdet. Ihr seid gar nicht so verschieden.«
Als hätte Marlene ihn aufs Übelste beleidigt, zuckte James erschrocken zurück. »Ich bin doch nicht wie Evans! Sie ist eine Nervensäge, total selbstbezogen und-«
»Und sie würde genau das Gleiche über dich sagen. Ich persönlich würde noch stur und uneinsichtig ergänzen, aber das ist bloß meine Meinung.«
James wollte widersprechen, Marlene stand jedoch auf und streckte ihm die Hände entgegen. »Lass uns tanzen, das haben wir ewig nicht getan.«
James wusste, abzulehnen würde ihn nicht weit bringen, so griff er widerwillig zu und ließ sich von Marlene zu den ersten Tönen von Jumpin' Jack Flash der Rolling Stones auf die Tanzfläche ziehen, wo Marlenes Schwester, Eliana, wie auch etwa ein Dutzend andere Schüler schon amüsiert zur Musik mitwippten. Gegen James und Marlenes »Moves« hatte jedoch keiner eine Chance.
Er wirbelte sie herum und vollführte ein paar der Schritte, die er aus dem Muggelfernsehen kannte. Für diesen einen Abend war es, als wären sie wieder neun Jahre alt und hätten eine ihrer Übernachtungsfeten mit den Schallplatten seiner Mutter, jung und unbeschwert und es gab nur sie und ihn.
»Du wirst auch immer meine beste Freundin sein«, rief James über die Musik hinweg.
Marlene schenkte ihm ihr breitestes Lächeln, drehte sich auf der Stelle, so dass der Tellerrock unter ihrem Festumhang breit ausfechernd mitschwang und sang ein paar wenige Zeilen mit. James tat es ihr gleich.
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Kurz nachdem James den Jungenschlafsaal der Gryffindors verlassen und Peter, der sein Bein, ungeschickt wie er war, bei dem Versuch ins Bad zu humpeln, gegen Sirius' Schreibtisch gestoßen und vor Schmerz aufgeheult hatte, platzte Remus der Geduldsfaden.
Er konnte das einfach nicht mehr mit ansehen.
Ohne viel Aufhebens darum zu machen, stellte er klar, dass Peters Bein nicht von alleine abheilen würde und die grün-lilane Farbe keineswegs gesund sein konnte. Ihn hatte immerhin ein Zauber getroffen und womöglich handelte es sich hierbei gar nicht um eine einfache Verletzung nach dem Sturz, sondern um schwarze Magie.
Sirius, der sich seine Besorgnis nicht anmerken lassen wollte, meinte bloß, Remus würde überreagieren und Peter ginge es ganz prächtig. Remus wollte davon nichts hören. »James will mich schon zu Madam Pomfrey schicken, wenn ich bloß einmal niesen muss. Peter ist ernsthaft verletzt.«
»James benimmt sich wie eine überführsorgliche Glucke«, widersprach Sirius, doch seine Augen flackerten unruhig zu Peters Bein. »Dann bring ihn eben in den Krankenflügel«, sagte er kurz angebunden. »Aber denkt euch eine glaubwürdige Geschichte aus, Pomfrey hat uns sowieso schon auf dem Kieker wegen James Nasenbruch vor ein paar Wochen, noch so ein Verhör können wir nicht gebrauchen.«
»Vielleicht hättet ihr auch einfach nicht auf Geisterjagd gehen sollen«, nuschelte Remus gereizt.
Peter atmete tief durch.
Die Erleichterung, dass sich endlich jemand sein Bein ansah, der eine Ahnung davon hatte, spülte über ihn hinweg wie eine angenehm warme Dusche.
Auf Remus gestützt, humpelte Peter das Schloss hinab in den Krankenflügel, wo Madam Pomfrey gerade dabei war zwei Zweitklässler aus Ravenclaw, die offenbar in Schwierigkeiten geraten waren, einzuweisen, wie die Bettpfannen gereinigt werden mussten.
Peter und Remus rümpften angeekelt die Nasen. Der Geruch war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend.
Der eine Ravenclawjunge machte tatsächlich den Eindruck gleich aus den Latschen zu kippen, aber Madam Pomfrey haderte nicht lange mit ihm herum, stabilisierte ihn an den Schultern, drückte ihm eine der Bettpfannen in die Hand und sagte mit fester Stimme: »Reißen Sie sich am Riemen, Mr. Thornton.«
»Alles klar«, krächzte Atticus Thornton und warf seinem besten Freund Graham einen hilfesuchenden Blick zu. Der sah allerdings genauso miserabel aus und war keine Hilfe.
Die Krankenschwester ließ die beiden Jungen stehen und drehte sich zu den Neuzugängen um. Remus empfing sie mit einem warmen Lächeln, was schon etwas ganz Besonderes war, wenn es einem zu Teil wurde. Als ihr Blick jedoch auf Peter fiel, versteinerte sich ihre Miene schlagartig.
»Ich habe schon darauf gewartet, dass Sie sich endlich hierher bequemen, Mr. Pettigrew. Anscheinend sind Ihnen meine Heilkünste nun genehm?«
Peter war wie angewurzelt stehengeblieben. Mit einer Standpauke seitens der Heilerin hatte er nicht gerechnet. Remus musste ihn vorwärts ziehen, was mit seinem verwundeten Bein keine Leichtigkeit war - beinahe wäre er gestolpert und Madam Pomfrey vor die Füße gefallen.
Seinen Freund in das nächstgelegene Bett zu hieven, stellte Remus sich wesentlich leichter vor, als es tatsächlich war, doch mit der Hilfe Madam Pomfreys gelang es ihm schließlich. »Also?«, die Heilerin hatte die Arme vor der Brust verschränkt und tippte nun mit dem Fuß auf und ab. »Wie ist das passiert?«
Ohne Peters Antwort abzuwarten, schob sie dessen Hosenbein bis zum Knie hinauf und betrachtete die grünen und lilanen Striehmen, die sich netzartig über seinen Unterschenkel ausbreiteten, die ehemals offene Wunde, die mittlerweile verkrustet und eitrig gelb angelaufen war pulsierte mit jedem Herzschlag.
Remus hatte gewusst, dass das Bein schlimm verletzt war, doch die vollen Ausmaße wurden ihm erst jetzt bewusst. Er hatte das Bein ohne die Hose vor vier Tagen zuletzt gesehen, als James und Sirius die letzten Schmerzlinderungszauber angewendet hatten, da schien die Wunde gut verheilt zu sein, das hier... das war etwas anderes.
Madam Pomfrey schürzte die Lippen. »Wie ist das passiert?«
Schon auf ihrem Weg hierher hatte sich Remus überlegt, dass er das Sprechen übernehmen würde. Madam Pomfrey kannte ihn, sie vertraute ihm - ihm war unwohl bei dem Gedanken, dieses Vertrauen auszunutzen, doch welche Wahl blieb ihm hier, die Wahrheit war keine Option -, davon abgesehen konnte Peter sowieso kaum einen glaubwürdigen Satz über die Lippen bringen, wenn er die Wahrheit sprach.
Umso erstaunter war Remus, als sein Freund plötzlich das Wort ergriff. Peters Augen füllten sich mit Tränen und ängstlich biss er sich auf die Lippen, seine Worte waren dennoch klar und verständlich. »Oh, Madam Pomfrey, es war mir so peinlich«, schluchzte er, »ich war zu spät für den Verwandlungsunterricht bei Professor McGonagall und da habe ich nicht aufgepasst, als ich die große Treppe hinuntergestolpert bin. Ich habe eine der Trickstufen erwischt und bin stecken geblieben. Ich wollte nicht...«
Er schluckte heftig und dicke Tränen kullerten ihm über die runden Pausbacken.
»Mr. Pettigrew, das ist eine magische Wunde, keine, die durch eine simple Trickstufe verursacht wird.«
»Das ist es ja«, heulte er weiter. »Ich steckte fest und da kam dieser Junge, er ist ein Slytherin, das weiß ich, er hat mich gesehen und verhext, er war verschwunden, bevor meine Freunde mich gefunden haben. Ich- ich weiß nicht, wer er war...«
Remus' Miene war wie aus gussfestem Eisen, er verzog keinen Muskel, hielt den beinahe schon anteilnahmslosen Ausdruck aufrecht, der verschleierte, dass er diese Geschichte gerade zum ersten Mal gehört hatte. Als Madam Pomfrey prüfend zu ihm sah, nickte er nur und wandte den Blick gen Boden.
»Das war ein Fluch, Mr. Pettigrew. Sie können froh sein, dass Mr. Lupin hier den Verstand hatte, Sie zu mir zu bringen. Solche Flüche vergiften das Blut, ich weiß nicht, wie lange Sie ohne eine Behandlung überlebt hätten. Wer auch immer dieser Schüler war, Sie müssen Ihn identifizieren und melden. Das wird einen Schulverweis geben.«
»Einen Schulverweis?!«, rief Remus erschrocken.
»Mr. Pettigrew hätte sterben können! Flüche dieser Art werden in Hogwarts nicht geduldet. Um Merlins Willen wir sind nicht in Durmstrang!«
Lügen haben kurze Beine, hörte Remus die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf. Sie hatte Recht, wie immer. Wo hatten sich seine Freunde da nur hineinkatapultiert... und das alles war seine Schuld - ohne ihn hätte es diese Geschichten über eine heimgesuchte Hütte in Hogsmead nie gegeben. James, Sirius und Peter wären nie aus dem Schloss geschlichen, hätten sich nie in diese Gefahr gebracht.
Geheimnisse sind immer mit einem Preis verbunden, mein Liebling, hatte Hope Lupin ihm an seinem letzten Morgen zugeflüstert, als er so voller Angst, unter der schweren Last seines Daseins zusammenzubrechen, überlegt hatte, den Zug ohne ihn fahren zu lassen.
Dein Geheimnis ist groß, und so auch sein Preis...
Vielleicht war der Preis, den Remus zahlen musste, ihre Freundschaft. Und vielleicht war es an der Zeit, ihn zu bezahlen.
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Slughorns Party hielt bis in die frühen Morgenstunden an, doch James und Marlene verließen das Büro schon um kurz vor Mitternacht. Sie hatten ihren Spaß gehabt und waren nun müde und ausgelaugt auf dem Weg zurück in ihre Gemeinschaftsräume.
Obwohl der angetrunkene Slughorn ihnen mehrfach einen Met angeboten hatte, waren sie bei Kürbissaft geblieben und nun dennoch in bester Laune. Marlene tanzte durch die Korridore, während James hinter ihr hersprang, dabei mit den Armen fuchtelte, als würde er ein Schwert schwingen.
»Ich besiege alles und jeden, stellt euch meine Gegner und Ihr werdet vernichtet!«, rief er laut. Aus seinem Zauberstab sprühten weiß-goldene Funken.
Marlene brach in schallendes Gelächter aus und musste sich vorbeugen, die Hände auf die Knie gestützt, um wieder zu Atem zu kommen. Ihr gackerndes Lachen war so ansteckend, dass es nicht lange allein durch die Gänge hallte, sondern James sich ihr anschloss. Prustend rangen sie nach Luft, mussten jedoch gleich wieder abtauchen, als sie sich versuchten, ernst in die Augen zu sehen.
»I-ich habe deinem, deinem, deinem Ego wohl einen o-ordentlichen Schub gegeben, als ich deine Flugkünste angepriesen habe.«
James winkte ab und äffte MacFarlans Stimme nach: »Die Wahrheit muss eben ausgesprochen werden.« Wieder kicherten die beiden drauf los.
Nachdem das Gelächter verebbt war und sie bloß noch mit verhakten Armen durch das Schloss wanderten, legte James den Kopf schräg und stupste mit seinem Dickschädel, den seiner besten Freundin an.
»Es braucht schon mehr als einen abgehalfterten Quidditchspieler, um mich meines Mojos zu berauben.«
»Ich habe nicht gesagt-«
»Aber gedacht. Ich kenn dich doch, Marlene. Du hättest da vorhin nicht eingegriffen, wenn du nicht geglaubt hättest, seine Worte würden mich verletzen.«
Marlene sagte zunächst nichts. Sie biss sich unsicher auf die Lippen, ehe sie James wieder einen typischen Ich-durchschaue-wenn-du-mich-jetzt-anlügst-Blick zuwarf und sich die Arme verschränkend vor ihm aufbaute.
»Und? Hat er?«
»Hat er was?«
Marlene seufzte genervt. »Hat er dein Ego zerstückelt und darauf rumgetrampelt wie ein Abraxaner?«
James gluckste. »Keine Sorge.«
»Er war eins deiner Idole. Er hätte das nicht sagen sollen, so ein Mistkerl ist das, er-«
»Marlene!«, unterbrach sie James, »Mir geht es gut. Wirklich. Ich hab doch immer noch deinen Bruder, den ich mit Quidditchgesprächen belagern kann.«
Das brachte Marlene wieder zum Lachen. »Pff. Garret liebt dich, es würde mich nicht wundern, wenn er Mum und Dad damals darum gebeten hätte, dich zu adoptieren. Du warst sein Spielgefährte, während ich bloß die blöde kleine Schwester war, obwohl ich viel besser spiele als du.«
»Träum weiter!«
Über die alten Zeiten plaudernd, stiegen sie die Treppen hinauf, verabschiedeten sich schließlich an der Gabelung von Ost und Westflügel und gingen jeder ihrer eigenen Wege.
James kam vor dem Portrait der fetten Dame zum Stehen. In ihrem rosafarbenen Seidenkleid schlummerte sie friedlich vor sich hin und schnarchte dabei so laut, dass sie Remus beinahe Konkurrenz gemacht hätte.
Sie können nicht wirklich glauben, ein ernstzunehmender Sucher zu werden, wenn ihr Augenlicht nicht völlig in Ordnung ist...
James war ein guter Flieger.
Unvorstellbar, dass England einen Sucher anheuert, der einen Schnatz nicht von einem Vogel unterscheiden kann, wenn er kein Plastikgestell auf der Nase sitzen hat...
James war ein guter Flieger.
Und er würde einen hervorragenden Sucher abgeben.
»Ich werde Sucher, ich werde Quidditch spielen und ich werde es jedem beweisen!« Mit jedem Wort, war er lauter geworden und die fette Dame schreckte aus dem Schlaf auf.
»Du liebe Güte, Junge, hast du auf die Uhr geschaut? Schrei nicht so herum und wecke die armen Leute, die zu solch einer Uhrzeit schlafen wollen. So wie ich!«
»Godric«, sagte James und das Portrait schwang beiseite, die fette Dame schimpfte weiter, obwohl er schon längst durch das Loch in der Wand hindurchgeklettert war und seinen Weg Richtung Schlafsaal eingeschlagen hatte.
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⁰²⁸· ˢˡᵘᵍʰᵒʳⁿˢ ʷⁱˡᵈᵉ ᵖᵃʳᵗʸ
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