015. Du hast 'nen Freund in mir
ʸᵒᵘ'ʳᵉ ᵍᵒⁿⁿᵃ ˢᵉᵉ˒ ⁱᵗ'ˢ ᵒᵘʳ ᵈᵉˢᵗⁱⁿʸ
Der nächste Morgen war ein sonniger Freitag. Die Decke der großen Halle strahlte in einem satten Blau, das bloß hin und wieder von wenigen weißen Wolken - von denen keine auch nur irgendeine Ähnlichkeit mit einem Drachen aufweisen konnte - verdeckt wurde. Gleißendes Licht schien durch die hohen gotisch gestalteten Fenster und tauchte die vier Haustische in einen goldenen Schimmer.
Die Erstklässlerjungen des Gryffindorgemeinschaftsraumes saßen glücklich schmatzend beisammen und genossen das köstliche Frühstück. Sirius und James bewarfen sich gegenseitig mit kleinen Stückchen ihrer Toastbrote, während Peter ein Würstchen nach dem anderen verputzte. Nur Remus aß nichts, sein Teller blieb als einziger leer. Dunkle Ringe zierten seine grün-braunen Augen, seine Lippen waren trocken und rissig. Er ähnelte mehr einer Leiche auf zwei Beinen als einem elfjährigen Jungen, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte.
Seine Freunde beäugten ihn skeptisch, doch nachdem er ihnen auf die ersten zwanzig Fragen geantwortet hatte, es ginge ihm blendend, beließen sie es dabei, naja - alle bis auf Sirius, der die Augen nicht von ihm abwenden konnte. Seine dichten Augenbrauen zusammengezogen, zeichnete sich eine prägnante Falte über seine Stirn.
Noch nie hatte Sirius gut mit Geheimnissen umgehen können, er war zu neugierig, wollte stets alles wissen, selbst wenn das Schweigen dazu dienen sollte, ihn zu beschützen.
Sirius konnte einfach nicht verstehen, wieso die Menschheit so erpicht darauf war, aus allem und jedem ein Geheimnis zu machen, sich zu verstecken und den Mund zu halten.
Er selbst war ein offenes Buch, meistens jedenfalls.
Wenn dir etwas auf der Seele liegt, sprich es aus.
Das waren schon stets die Worte seines Onkel Alphards gewesen und bis heute versuchte Sirius sich daran zu halten. Das einzige Thema, das er wohl nie anschneiden würde, war seine Familie - das noble Haus Black, dessen Desinteresse an seinem aktuellen Zustand, ein Gryffindor zu sein, ihm noch immer zusetzte.
Doch Sirius wollte nicht länger an seine verkorkste Verwandschaft denken und Remus' Verschwiegenheit war wie ein gefundenes Fressen aus Geheimnis und Lüge, als dass es ihn eine Weile lang von seinen eigenen Problemen ablenken konnte.
Lupins Ausrede, er würde sich leicht erkälten, gefiel Sirius überhaupt nicht, doch er wusste nicht so recht wieso. Vielleicht waren es sein sechster Sinn, der sich meldete, eine Vorahnung oder doch seherische Fähigkeiten, die ihm eines Tages im Wahrsage-Unterricht von Nutzen sein sollten, doch bislang konnte sich der junge Black keinen Reim darauf machen und warf Lupin immer wieder verstohlene Blicke zu.
»Perfektes Wetter für eine Runde Quidditch!«, jubelte James Potter, dem die Brille schief auf der geraden Nase saß, nachdem Sirius ihm eine Toastscheibe ins Gesicht geworfen hatte.
»Du musst es wissen Potter, doch ich wette, ich fliege besser als du«, ertönte auf einmal die freche Stimme eines Mädchens.
Überrascht hoben die vier Jungen die Köpfe. Ein breites Lächeln zeichnete sich auf James' Lippen ab.
»Marlene!«
Er richtete seine Brille und rückte enger mit Sirius zusammen, so dass sich das Mädchen mit den rot-braunen Locken neben ihn setzen konnte, allerdings saßen sie am Ende des Tisches und Sirius, der ebenfalls Platz schaffen wollte, rutschte weiter - zu weit und stieß den armen Peter beinahe von seinem Sitz.
Gerade noch packte der junge Black den Jungen am Kragen und zog ihn zurück auf die Bank.
»Verzeih mir, Peter«, sagte Sirius geschwollen in typischer Black-Manier.
Peter winkte bloß ab, doch sein Griff um die Tischplatte verstärkte sich merklich.
»Apropos«, James hob eine Augenbraue und bedachte Marlene mit einem skeptischen Blick. »Wir wissen beide, wer der bessere Flieger ist.«
»Ich stimme dir zu«, lachte sie, »Ich.«
Schnaubend schüttelte James den Kopf, wobei ihm seine verwuschelten Haare in die Stirn fielen. Lässig fuhr er sich hindurch, als die Gryffindormädchen die große Halle betraten.
»Das hättest du wohl gerne! In deinen Träumen nicht, McKinnon!«
Sie streckte ihm die Zunge entgegen, doch ein melancholisches Lächeln lag ihr auf den Lippen.
Seit dem Tag an dem sie James Potter begegnet war, hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als mit ihm zusammen Hogwarts zu besuchen. Sie waren die besten Freunde gewesen, hatten beinahe jeden Tag zusammen verbracht und nun waren sie hier und er hatte neue Freunde gefunden und sie selbst fühlte sich bloß noch als ein Eindringling an diesem Tisch, ein Parasit, der versuchte einen funktionierenden Körper zu befallen und doch scheiterte...
Sie erhob sich und zwinkerte.
»Das werden wir später ja sehen. Ravenclaw hat vor euch den Trainingsplatz. Ich warte aber gerne noch, um dir dabei zuzusehen, wie du vom Besen fällst.«
Sirius bellte vor Lachen, während Remus und Peter ihr Grinsen hinter ihren Gabeln zu verstecken versuchten.
James schmunzelte und wollte gerade etwas darauf antworten, als sie jäh von den Neuankömmlingen unterbrochen wurden und Marlene sich mit zaghaft erhobener Hand von ihrem besten Freund verabschiedete. Verwundert blickte James ihr hinterher, doch Marlene hatte sich schon wieder am Ravenclawtisch neben Maud Rutherford niedergelassen und beugte sich nun angestrengt über ihre Müslischüssel.
Die Gryffindormädchen gesellten sich zu den Jungen an den Tisch. Olive und Alice voran, während Lily zaghaft die Nachhut bildete.
Der Rothaarigen schien es überhaupt nicht zu gefallen, dass ihr James Potter direkt gegenüber sitzen sollte.
»Guten Morgen«, grüßte Alice freundlich in die Runde und erhielt zustimmendes Gemurmel seitens der Jungen als Antwort.
Sie strich sich die blonden, schulterlangen Haare aus dem runden Gesicht und gähnte herzhaft.
»Worüber wurde hier so eifrig diskutiert?«
»Flugunterricht«, erwiderte James.
»Gott«, rief Olive Kemp frustriert, »Gibt es kein anderes Thema an diesem grauenhaften Morgen? Ich bevorzuge es, beide Füße auf dem Boden zu behalten.«
Empört rümpfte James die Nase und wollte schon widersprechen, als doch tatsächlich Lily das Wort ergriff: »Fliegen ist doch das schönste Gefühl auf der Welt, wie könntest du das verpassen wollen?«
Ein verträumter Ausdruck trat in ihre flaschengrünen Augen, doch im Gegensatz zu James, der Lily ein breites Grinsen schenkte, stöhnte Olive bloß auf und ließ ihren Schädel mit einem dumpfen KLONK auf die Tischplatte niedersausen.
»Wieso können wir nicht Völkerball spielen? Wie alle anderen auch?«
Sirius verzog irritiert das Gesicht. »Was ist das?«
Er sah hilflos zwischen den anderen Jungs hin und her, doch während James und Peter bloß ratlos mit den Schultern zuckten, senkte Remus schleunigst den Blick, wie um der Frage gänzlich auszuweichen.
Olive schnalzte genervt mit der Zunge. »Oder Fußball, Handball... Tennis - irgendwas! Aber bitte einen Sport den ich auf der vermaledeiten Erde spielen kann.«
»Höhenangst?«, mutmaßte Peter verständnisvoll.
Ein weiteres Stöhnen ihrerseits musste den anderen als Antwort wohl genügen.
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Entgegen seiner Erwartungen war es wirklich schön, dass alle Gryffindor-Erstklässler zusammen beim Frühstück saßen und sich ungezwungen und glücklich unterhielten, während Remus selbst bloß lustlos und nur mit einer Gabel bewaffnet, das Toast mit gebackenen Bohnen von einer Seite seines Tellers zur anderen beförderte, ohne auch nur einen einzigen Bissen getan zu haben.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten war selbst Lily etwas aufgetaut, was James und Sirius anging und unterhielt sich mit ihnen über den beliebten Zauberersport, während Alice Liv und Peter dabei zusah, wie sich die beiden eine Art Wettessen lieferten.
Remus war sich der Blicke, die nach wie vor auf ihm und seinem kränklichen Erscheinungsbild lagen, wohl bewusst, doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, lauschte den Gesprächen und versuchte regelmäßig zu atmen.
Er hasste die Zeit vor dem nächsten Vollmond fast schon mehr, als die eigentliche Verwandlung selbst. Ihm war schwindelig, seine Kehle trocken, jeder Atemzug brannte wie eisiges Feuer - oder wie Eisen. Wie eine nie endende Qual vor der Hinrichtung - die Folter, die öffentliche Zurschaustellung seiner Schmerzen, seines nie endenden Leids.
In zwei Tagen war es soweit - doch entgegen seiner Erwartungen hatte Professor Dumbledore noch kein Wort mit ihm gesprochen. Er konnte es nicht vergessen haben, oder?
Remus schluckte schwer. Daran wollte er nun ganz sicher nicht denken.
Um sich abzulenken, zog er ein gelbliches Pergamentblatt aus seiner Büchertasche hervor - seit Professor McGonagall ihnen in der gestrigen Verwandlungsstunde die kleine Standpauke gehalten hatte, war sein Plan immer weiter gewachsen.
Der kleine Ideenfunke hatte sein Feuer, seine Leidenschaft entfacht und noch in der selben Nacht hatte er sein Werk begonnen...
Das Kratzen der Feder auf dem Papier war einschläfernd, ja, beinahe benebelnd, doch Remus hielt es wach, es beruhigte ihn und seine lodernden Nerven. Sein Körper schrie nach Erlösung, nach dem Mond und seinem kühlen Schein - sich einzuprägen und aufzuzeichen, wo bestimmte Gänge im Schloss waren und wohin sie führten, zwangen den Schmerz in die Knie, stopften ihm das lechzende Maul wie einem am Boden liegenden Wolf.
»Was wird das?«, fragte Peter.
Das Wettessen schien beendet, Alice und Olive sprachen schon längst über etwas anderes und Peters Aufmerksamkeit lag gänzlich auf ihm.
Remus zuckte bloß beiläufig mit den Schultern. Anders als sein Vater, war er nie ein Freund vieler Worte gewesen, vielmehr war er es, der zuhörte, den Problemen anderer lauschte und dann doch nichts sagte. »Eine Karte.«
Der pummelige Pettigrew runzelte die Stirn und biss sich mit seinen großen Vorderzähnen auf die Unterlippe. So angestrengt wie er wirkte, hatte es beinahe etwas Komödiantisches , doch Remus war nicht zum Lachen zu Mute.
»Wozu zeichnest du eine Karte?«
Wieder zuckte Remus mit den Schultern. »Wir wollen uns doch nicht ständig verlaufen.«
Ein Lageplan - wie es McGonagall ihnen in ihrem Rage-Anfall vorgeschlagen hatte.
Grundsätzlich war Remus verwundert gewesen, dass den Erstklässlern keine Pläne zur Verfügung gestellt worden waren, um sich zurechtzufinden. Das Schloss war so riesig, da bräuchte man beinahe ja schon eine ganze Landkarte und von ihnen wurde erwartet, sich innerhalb eines Tages bestens auszukennen.
Bescheuert.
Wie lange es wohl dauern mochte von einem Ende des Schlosses zum anderen zu gehen?
Peter beobachtete ihn, während Remus dabei war, den Standort der großen Halle Maßstabsgetreu nachzuzeichnen, doch seine Hände zitterten zu sehr, die Kraft verließ ihn mit jedem Mond früher...
Ob er als alter Mann überhaupt noch einen Tag ohne Schmerzen erleben würde? Remus schüttelte den Kopf - er konnte und wollte sich einfach nicht vorstellen, wie er einmal als alter Mann aussehen mochte. Vermutlich so wie Professor Dumbledore, jedoch ohne diesen bauschigen Bart, obwohl...
Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht.
Es schwand jedoch sogleich wieder, als er jemanden auf sich und die anderen zukommen sah.
Der Junge aus dem Zugabteil, der mit den dunklen Haarsträhnen, die ihm in der Stirn klebten, einen ziemlich unruhigen und unwohlen Eindruck machte, blieb wenige Meter abseits des Gryffindortisches stehen, von wo er eine gute Sicht auf Lily Evans hatte, die, ihn noch immer nicht bemerkend, weiterhin ein relativ freundliches Gespräch mit James und Sirius über die Quidditchspiele der letzten Jahre diskutierte und wieso der Schnatz 150 Punkte wert war, wo doch dann die Jäger und der Quaffel beinahe wertlos dagegen erschienen. (»Evans, wie kannst du so etwas nur denken!«)
Remus, der dem Zauberersport selten große Aufmerksamkeit geschenkt hatte, verstand sowieso bloß die Hälfte, weswegen er sich stumm weiter seiner Schlosskarte zuwandte. Er sah es nicht als seine Pflicht, Lily auf den Jungen aufmerksam zu machen, dessen starrer Blick ihm einen Schauer den Rücken hinunterjagen ließ, trotz seiner fiebrigen Temperaturen so kurz vor dem vollen Mond.
Doch Remus konnte sich einfach nicht weiter konzentrieren, als würde etwas seine Gedanken durcheinander wirbeln, beinahe schon vernebeln. Er hob den Blick erneut und betrachtete den hageren Jungen genauer.
Eine lange Hakennase, die für sein Alter schon deutlich zu groß schien, wirkte in seinem sonst proportional gesehen dezenten Gesicht beinahe fehl am Platz. Es hatte etwas karikaturistisches an sich, doch irgendwie passte es zu seinem düsteren Auftreten.
Remus konnte nicht umhin die Saumlänge seines Umhangs zu bemerken, die auch wie bei seinem eigenen um einige Zentimeter zu kurz geraten war, wodurch seine Knöchel unter dem schwarzen Stoff hervorlugten.
Remus hatte seinen Umhang von seinem Vater übernommen, womöglich hatte Snape das ja auch?
Wenn das Geld am Monatsende knapp wurde, dann waren nun einmal Einsparungen zu machen, selbst wenn Remus einige Zentimeter größer war, als sein Vater in dem Alter - was machten diese paar Zentimeter aus? Die wenigen Flicken fielen dabei sowieso schon gar nicht mehr auf, nicht wenn er stets einen Stapel Bücher vor der Brust trug, die die gröbsten Makel verstecken konnten.
Snape rührte sich nicht. Immer intensiver wurde sein Blick und schließlich sah Lily überrascht auf.
Sie lächelte. »Sev!«
Sirius und James drehten sich abrupt um.
Auf Sirius Lippen formte sich schon der nächste Spruch, den er dem Slytherin an den Kopf werfen konnte, doch da war Lily schon aufgesprungen, hatte sich ihre Buchtasche über die Schulter gehängt und eilte auf Severus zu.
Sirius blieben die Worte im Halse stecken, als Lily ihnen allen ein »Bis gleich!« zurief, ehe sie mit Severus aus der großen Halle lief, eines der Bücher, das nicht mehr in die Tasche gepasst hatte, an ihre Brust gepresst.
Olive und Alice blinzelten ihr verwirrt hinterher. Schließlich sprach die Brünette aus, was alle anderen dachten: »Was war das denn?«
»Vielleicht geht sie ihm ein Shampoo kaufen«, murmelte James verärgert und mehr zu sich selbst als zu den anderen.
Die Mädchen kicherten lautstark, doch Sirius' bellendes Gelächter übertonte jedes noch so laute Glucksen.
»Der war gut, James!«
James, dem die Aufmerksamkeit zu gefallen schien, streckte die Brust raus und grinste schief. Er schob sich die Brille zurecht, ehe er noch nachsetzte: »An ihrer Stelle würde ich mir nacher die Hände mit Aceton waschen, das Fett könnte haften bleiben.«
Lachend erhoben sich nun auch die anderen Gryffindor-Erstklässler, um ihre erste Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste anzutreten.
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»Was wolltest du denn mit denen?«, fragte Severus Snape angewidert, während er zusammen mit Lily die Korridore auf der Suche nach ihrem Klassenzimmer durchschlenderte.
Das rothaarige Mädchen zuckte auf seine Frage hin bloß mit den Schultern und presste das Buch, das sie vor der Brust hielt, enger an sich.
»Das sind schlechte Menschen, Lily, mit denen sollst du dich nicht abgeben.«
Wieder zuckte sie mit den Schultern.
»Dasselbe hat Tuni über dich auch gesagt und jetzt sind wir Freunde.«
»Beste Freunde«, setzte Severus nach.
»Beste Freunde.« Lily lächelte. »Siehst du - aber ich habe nicht vor mich mit ihnen anzufreunden.«
Severus sah wenig überzeugt aus. Verbissen kaute er auf seiner Unterlippe, um sich davon abzuhalten auszusprechen, was er eigentlich sagen wollte.
Lily zu sagen, was sie zu tun hatte, war nie eine gute Idee, denn meist tat sie dann genau das Gegenteil. Sie war zu stur und unfassbar stolz, um einzusehen, dass sie falsch lag, doch Severus war ihr bester Freund und sie durfte sich nicht mit diesen Leuten anfreunden.
Sie waren schlecht und würden ihr einreden, er wäre es, den sie zu meiden hätte. Severus wollte bloß ihr Bestes.
»Lily, du-«
»POTTER SCHIEßT DEN QUAFFEL ZU BLACK!«
Wildes Fußgetrappel folgte den lauten Rufen der Jungen.
»BLACK GIBT AB AN PETTIGREW, DER ZURÜCK AN POTTER UND... TOOOOR!«
»ZEHN PUNKTE FÜR GRYFFINDOR!«, jubelte James Potter und riss die Fäuste in die Luft.
»AUS DEM WEG FUßVOLK!«, brüllte Black und zusammen mit Potter zwängten sie sich zwischen Severus und Lily hindurch, wobei einer von ihnen Lilys Büchertasche von ihrem Arm riss, die daraufhin polternd zu Boden fiel und alle Bücher auf den Marmorfliesen verteilte.
Eifrig stürmten die beiden und Pettigrew weiter, während Remus Lupin ihnen hinterherstolperte und das Schauspiel mit seinen Rufen kommentierte.
»Entschuldige, Evans!«, rief Potter und drehte sich noch einmal zu ihnen um, ein idiotisches Grinsen auf den Lippen.
Severus verzog verärgert das Gesicht und suchte Lilys Blick, in der Erwartung die gleiche Frustration in ihren Augen schimmern zu sehen, nur um mit Genugtuung festzustellen, dass sie Potter mit einem wütenden Blick taxierte und sich daraufhin bückte, um all ihr Habgut wieder einzusammeln. Severus tat es ihr nach und griff nach einem Federkiel und zwei Schulbüchern.
»PASS ZURÜCK AN BLACK!«, rief Lupin, warf Lily ein entschuldigendes Grinsen zu, als er ihr eins ihrer Bücher reichte und eilte seiner wilden Bande von Brüllaffen in mäßigem Tempo hinterher. Seine Sohlen knirschten über den steinernen Marmorboden, die Schritte hallten zusammen mit dem Gelächter der anderen an den Wänden wider.
Was mit ihm wohl nicht stimmte? Schon den ganzen Morgen benahm er sich so seltsam, steif und müde - als würden ihm die Viren im Nacken sitzen. Severus hatte Black und seine kleinen Freunde beim Frühstück beobachtet, wie sie sich benommen hatten, als würde ihnen die Welt zu Füßen liegen - hatten sogar eine Ravenclaw bei sich am Tisch sitzen lassen... soviel zu der Hausehre, von der die beiden im Zug doch gesprochen hatten.
Sie waren nichts als Heuchler, die Lily um den Finger zu wickeln versuchten. Und Lily war zu gutgläubig, erwartete in jedem Menschen auf den goldenen Kern zu stoßen, doch manche Zauberer waren es eben nicht wert - manche hatten nichts zu bieten als die brodelnde schwarze Masse ihres Herzens.
Nicht jeder hatte eine gute Seite zu bieten. Black - er war so dunkel wie sein Name. Wie könnte sonst einer seine Familie auf diese Weise hintergehen?
Und Potter war ein Idiot, der an niemanden dachte, außer an sich selbst.
Erneut setzte Severus zum Sprechen an, doch diesmal war es Lily selbst, die ihn unterbrach.
»Na rück schon raus mit der Sprache, Sev. Ich höre dich Denken.«
Der junge Snape schluckte schwer. Missmutig war sein Gesicht gen Boden gerichtet, während er seine zerscheuerten Schuhe aus zweiter Hand betrachtete.
»Sei vorsichtig«, sagte er bloß nach einiger Zeit.
»Keine Sorge, Sev, ich kann auf mich aufpassen.« Sie verhakte ihre Arme miteinander und zog ihn vorwärts.
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Professor Thorburn war ein großgewachsener Mann mit langen Gliedmaßen und wenigen dunklen Locken auf dem Kopf. Sein Lächeln war dreimal so breit wie normal und ähnelte mehr der Grinsekatze aus Alice im Wunderland als einem Menschen. Sein Umhang war magentafarben mit silbrigen Knöpfen am Kragen, die das Licht der Fackeln auffingen, die an den Wänden des Klassenzimmers hingen und ihren warmen Schein über Tische und Stühle warfen, welche in Zweierpaaren aufgestellt waren.
Lily hatte neben Severus in der zweiten Reihe Platz genommen, Feder und Pergament vor sich ausgebreitet und verfolgte gebannt jede Bewegung ihres Lehrers, der wie ein Gummiball durch das Klassenzimmer eilte. Von einer zur anderen Seite, unruhig und nicht zu stoppen, dabei die ersten zehn Seiten ihres Schulbuchs auswendig rezitierte.
Olive, die zusammen mit Alice in der Bank neben ihr saß, spielte gedankenverloren mit ihrem Kugelschreiber und bekritzelte den Rand ihres Pergamentblatts.
Lily schmunzelte. Olive kam wie sie auch aus einer Muggelfamilie, doch anders als Lily, klammerte sich die Brünette regelrecht an ihr altes Leben, den Fortschritt der Muggelwelt.
Doch Lily hatte endlich ihr wahres zu Hause gefunden, so glaubte sie jedenfalls. Nie hatte sie sich normal gefühlt, immer wie etwas absonderliches, bis einst Professor Pluviam, ihre Lehrerin in Astronomie, vor ihrer Haustür aufgetaucht war, um ihr all das zu bestätigen, was Severus ihr schon Jahre zuvor hatte weismachen wollen.
So sehr sie ihm auch glauben wollte, bis zu diesem Moment hatte die Furcht noch immer an ihr genagt, das alles könnte ein gemeiner Scherz sein, und all das, worauf sie sich von Herzen freute, würde ihr wieder entrissen werden.
Doch sie war eine Hexe. Sie hatte ihren Platz in der Welt - in dieser Welt gefunden.
Denn wer sollte schon ahnen, dass sie auch hier nie ganz dazugehören sollte?...
Professor Thorburn räusperte sich. Er hievte sich rücklings auf den Tisch und strahlte in die Runde.
»Wer kann mir den Entwaffnungszauber nennen?«
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⁰¹⁵· ᴰᶸ ʰᵃˢᵗ'ⁿ ᶠʳᵋᵘⁿᶞ ⁱⁿ ᶬⁱʳ
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