014. Metamorphosen

ʷᵉ ᵃʳᵉ ˢᵗᵃʳˢ ᶠᵃˢʰⁱᵒⁿᵉᵈ ⁱⁿᵗᵒ ᶠˡᵉˢʰ ᵃⁿᵈ ᵇᵒⁿᵉ

Keuchend hielt Peter sich die Seite, sein Herz schlug ihm beinahe bis zum Hals, während seine Lungenflügel Feuer gefangen hatten.
Zusammen mit James, Sirius und Remus rannte er durch die vielen Korridore und Gänge, auf der Suche nach dem Klassenzimmer für Verwandlung bei ihrer Hauslehrerin Professor Minerva McGonagall.

Diese Frau hatte Peter schon seit ihrem Eintreffen am Vorabend eine Heidenangst eingejagt und nun kamen sie am ersten Schultag schon ein zweites Mal zu spät.

Wieso waren sie den Mädchen nicht einfach nachgegangen?, fragte er sich verzweifelt.

Der ganze Ärger, der nun auf sie wartete, würde wie ein stürmisches Gewitter über ihnen zusammenbrechen. Professor McGonagall würde die Jungen nicht so einfach davonkommen lassen, wie der Zaubertrankmeister, der bei James' Namen sofort jede Art von Strafe vergessen hatte. Die Lehrerin für Verwandlung würde sich sicherlich nicht so einfach zufrieden geben...

Sie rannten um die nächste Ecke, vorbei an kunstvoll gestickten Wandteppichen, glänzenden Ritterrüstungen und hunderten Portraits von Hexen und Zauberern, die Peter noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
So langsam bezweifelte er, sich je auch nur einen einzigen dieser Korridore einprägen zu können.

Immer schwerer wurde sein Atem. Peter war alles andere als sportlich, schon seit Kindertagen war der einzige Sport, an dem er sich freiwillig beteiligte, das Wettessen zu ihrem jährlichen Familienfest gewesen, wo er bis heute den Rekord in den meist verputzten Kesselkuchen in unter sieben Minuten hielt.
Es war wohl der einzige Wettbewerb, in dem er je die Chance hatte zu gewinnen.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir hier schon mal waren«, rief Remus, der ähnlich wie Peter völlig außer Atem Halt gemacht hatte und gegen die nächste Wand gelehnt stand, sich nach Luft schnappend den Bauch hielt, während er mit der anderen Hand nach der Schulter einer Ritterrüstung griff, um sich aufrecht zu halten.

Remus war viel schmächtiger als Peter, hatte deutlich weniger Speck auf den Rippen und wirkte zwar immer etwas blass um die Nase, als würde die nächste Erkältung schon auf ihn warten, dennoch hatte Peter erwartet, ihn besser in Form zu sehen, als er es tatsächlich war.

James und Sirius kamen ebenfalls zum Stehen und sahen sich verwundert um.

»Meinst du wirklich?«, fragte James und kratzte sich am Hinterkopf.

»Drachendung!«, bellte Sirius, »Lupin hat Recht, wir sind im Kreis gelaufen.« Er drehte sich mehrmals auf der Stelle, wie ein junger Hund, der seinem Schwanz nachjagte und versuchte festzustellen, wohin sie nun gehen mussten. »Das Portrait von dem Piraten im Kokosnuss-Büstenhalter sehe ich schon zum dritten Mal!«

Peter ließ sich an der Wand neben Remus hinabsinken und versuchte wieder zu Atem zu kommen.

»Deswegen müssen wir ja nicht gleich anfangen zu fluchen«, erwiderte James grinsend. Sirius schnaubte bloß.

»Drachendung! Drachendung! DRACHENDUNG!«

»Sehr erwachsen...«, nuschelte Remus in seinen nicht vorhandenen Bart.

Doch er war scheinbar nicht der Einzige, der einen Kommentar zu Sirius' Schimpftirade abzugeben hatte. Ein Räuspern ertönte hinter ihm und erschrocken stieß sich Peter von der Wand ab, stolperte über seine eigenen Füße und polterte zu Boden.

RUMMS.

»Wo mögen dich deine Schuhe wohl hintragen?«

James packte Peter an den Armen, wuchtete ihn wieder in eine aufrechte Position und klopfte den Staub von seinen Schultern, doch der Junge hatte nur Augen für das Portrait des Piraten mit dem Kokosnuss-BH, der ihn soeben furchtbar erschreckt hatte.

Der kleine Pettigrew kam zwar aus einer Zaubererfamilie, doch lebten sie inmitten einer Muggelsiedlung, weswegen er schon immer daran gewöhnt gewesen war, alles auf die 'Muggel-Art' zu erledigen und von magischen Gegenständen weit, weit weg zu sein, so waren sprechende Gemälde doch eine Neuheit und keine Alltäglichkeit für ihn.

Der Pirat zwirbelte seine buschigen Schnurrbarthaare zwischen den Fingern, während seine andere Hand eine braune Kokosnuss in die Luft hielt, mit der er sich zu unterhalten schien.

»Wie bitte?«, fragte Remus, dem als Einzigen nicht die Sprache abhanden gekommen war.

»Wohin führt dein Weg? Deine Reise - ein Ziel, dort wohin dein Herz sich sehnt.« Ein verträumter Ausdruck stieg in seine Augen, die so blau waren wie die See in der Karibik selbst.

»Der hat wohl etwas zu oft am Feuerwhisky geschnüffelt...«, murmelte Sirius grinsend.

Remus hob den Finger an die dünnen Lippen. »Shhh.«

Verärgert über dessen Verhalten, hob Sirius die rechte Hand und bedachte Remus mit einer Geste, die sich nun wirklich nicht gehörte, weswegen James seine Hand auch wieder gen Boden schlug, obwohl das Zucken seiner Mundwinkel sein Amüsement verriet.

»Sir«, setzte Remus an, der Sirius schon längst wieder den Rücken zugekehrt hatte, »Mit - äh - wem genau sprechen Sie?«

Der Pirat hob die Kokosnuss in die Lüfte, zog die Augenbrauen hinauf und beäugte sie fasziniert.

»Coco, wieso so förmlich?«

Peter quiekte aufgeregt. Der Pirat war ihm ganz und gar nicht geheuer. Seit sein Onkel Ferdinand ihn einmal versucht hatte in Brand zu stecken, nachdem dieser begonnen hatte seltsame Stimmen zu hören, hielt der kleine Junge sich so gut es eben ging von Verrückten fern und dieser Kerl wirkte mehr als bloß verrückt.

»Sir«, versuchte Remus erneut sein Glück, »Ich bin keine Kokosnuss.«

»Was für eine Erkenntnis«, lachte Sirius.

James stimmte mit ein. »Hat ihn bloß ganze elf Jahre gekostet.«

Der Pirat wirkte - wenn das überhaupt möglich war - noch verwirrter als zuvor. Eine tiefe Furche zierte den Ausschnitt seiner rauen Stirn, der nicht durch wilde Haarzotteln verdeckt wurde. Er schüttelte die pelzige Kokosnuss und seufzte.

»Armes Ding - gänzlich verrückt scheinst du mir. Keine Sorge, Coco, bald können wir diese Insel hinter uns lassen... ich vermisse den Rum, die Gicht auf der Haut, den Wind in den Segeln, den Rum...«

Remus war mit seinem Latein am Ende. Hilfesuchend blickte er die drei anderen an, doch auch ihnen stand keine Antwort ins Gesicht geschrieben.

»Lasst uns einfach weitergehen«, schlug Peter vor, doch ihnen allen war klar, dass das weitere, endlose Herumirren sie auch nicht näher an ihr Ziel bringen würde. Sie hatten sich verirrt. Schon wieder.

Sirius war es schlussendlich, der sich neben Remus direkt vor das Portrait gesellte und das kleine bronzefarbene Schild in der unteren Mitte des Rahmens zu entziffern versuchte.

»Sir...«, er kniff die Augen zusammen - das Schild war schon völlig zerkratzt worden, als hätte sich Mrs Norris, die Katze des Hausmeisters, einmal so richtig ausgetobt, doch das Bild hing zu weit über dem Boden und sofern die alte Mieze nicht gelernt hatte zu fliegen, war das doch ein unsinniger Gedanke -, »Jack.«

»Captain«, verbesserte der Pirat sofort. »Captain Jack.«

Der Nachname war nicht mehr zu erkennen - womöglich etwas mit einem S -, doch nun war die Aufmerksamkeit des Seefahrers die ihre.

»Captain Jack, wo ist das Klassenzimmer für Verwandlung bei Professor McGonagall.«

Jack sah von der Kokosnuss auf und blickte ihnen das erste Mal entgegen. Er legte den Kopf schief, als müsste er stark überlegen, doch dann: »Den Gang entlang, die nächste Möglichkeit rechts und dann zwei Mal links.«

Die plötzliche Klarheit in seiner Stimme verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Wieder wandte er sich der Kokosnuss zu und schüttelte kräftig daran. »Coco, wo hast du unseren Rum versteckt?«

James scheuchte sie vorwärts. »Nichts wie weg.«

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Tick. Tack.

Tick. Tack.

Tick. Tack.

Die große Uhr über der Klassenzimmertür schwebte wie ein riesiges Mahnmal über den Köpfen der Gryffindorschülerinnen, die mit gesenkten Blicken an ihren Plätzen saßen und notierten, was ihre Verwandlungs- und Hauslehrerin an der Tafel notiert hatte. Gelegentliches Pergamentrascheln und das Kratzen der Federn, ließen die drei Mädchen immer wieder zusammenzucken.

Minerva McGonagall saß, den Rücken kerzengerade durchgestreckt, hinter ihrem Pult, die Ellenbogen auf der polierten Tischplatte abgestützt und beide Zeigefinger zu einer Pyramide formend vor ihren Lippen ruhend. Ihr starrer Blick galt der Tür und dem Sekundenzeiger, der als einzig stetige Geräuschquelle in diesem Meer aus Stille fungierte.

Dann wurde die Tür polternd aufgestoßen und herein stolperte der Rest ihrer Klasse, beinahe zwanzig Minuten zu spät.

Die Köpfe der Mädchen hoben sich und während sich Alice Fortescue und Olive Kemp schnell wieder ihren Heften zuwandten, funkelte Lily die Jungen aus ihren leuchtend grünen Augen boshaft an. James, der ihr daraufhin zuzwinkerte, wurde mit einem Augenrollen abgespeist und kopfschüttelnd wandte auch sie sich wieder nach vorne, wo das eigentliche Unheil noch auf die Jungen warten sollte.

Wie eine Eiche ragte Professor McGonagall vor ihnen auf, die Lippen zu einer schmalen Linie gepresst und die Augen hinter den quadratischen Brillengläsern zu Schlitzen verengt. Der smaragdgrüne Umhang wehte bei jedem Schritt um ihre Knöchel, während ihre dunklen Haare zu einem strengen Dutt zurückgebunden waren. Die ganze Aufmachung ließ sie deutlich älter aussehen, als sie tatsächlich sein konnte und unterstrich noch einmal ihr strenges und diszipliniertes Auftreten, sollte irgendwer noch nicht begriffen haben, dass diese Frau stets das Steuer umgriffen hatte.

James und Sirius waren die Ruhe selbst. Remus verstand schlichtweg nicht, wie sie in so einer Situation genauso gelassen wirken konnten, wie wenn die Professorin sie gerade nach dem Wetter gefragt hätte. Er selbst schrumpfte unter ihrem Blick tief in sich zusammen, ähnlich wie Peter, der hinter den Schultern der zwei Schwarzhaarigen vergeblich Schutz suchte.

»Wie Miss Evans mir bereits mitgeteilt hat, ist dies nicht ihre erste Verspätung am heutigen Tag oder irre ich mich?«

Die Stimme der Lehrerin klang dick und ihr schneller schottischer Akzent, der anscheinend besonders dann hervorzutreten schien, wenn sie wütend war, machte es nicht gerade leichter, sie zu verstehen.

Betreten blickte Remus zu Boden, peinlich berührt wie er war, hielt er es nicht aus, den enttäuschten Blick zu sehen, den sie ihnen ganz eindeutig zuwarf. Er wäre enttäuscht von sich, das war sicher...

»Vielleicht wäre es von größerem Nutzen, wenn ich einen von Ihnen in eine Taschenuhr verwandeln würde«, sprach sie weiter, »damit die anderen zumindest pünktlich kämen.«

»Wir hatten uns verirrt«, protestierte James, der offenkundig kein Problem damit hatte, dass die ganze Aufmerksamkeit einzig und allein auf ihnen lag. »Sind ständig im Kreis gelaufen und mussten einen Verrückten nach dem Weg fragen.«

McGonagall kräuselte die Lippen.

»Dann lieber in einen Lageplan?«

Remus horchte auf. Ja, wieso eigentlich nicht...

Wie eine hungrige Eule starrte sie auf die Jungen herab. »Falls Sie einen brauchen, um Ihre Plätze zu finden?«

»Keine Sorge, Professor«, lächelte James ihr entgegen. Er und Sirius ließen sich in der Reihe hinter den Mädchen nieder, so dass pro Bank bloß noch ein Platz frei war.

»Vielen Dank, Evans«, zischte Sirius, doch die Angesprochene reckte bloß das Kinn in die Luft.

Remus und Peter sahen sich an.

»Mr. Lupin, Mr. Pettigrew, Sie werden die Tafel wohl kaum im Stehen abschreiben können.« McGonagall schüttelte den Kopf und setzte sich zurück hinter ihr Pult.

Lily nahm ihre lederne Büchertasche von dem Sitz zu ihrer Linken und lächelte Remus zu. Er mochte Lily, zumindest war sie zu ihm stets freundlich gewesen, doch wenn er ehrlich war, wollte er viel lieber bei seinen Freunden sitzen und nicht bei den Mädchen.

Peter, der die Geste der Rothaarigen jedoch gesehen hatte, dachte sich wohl, dass es das wäre und setzte sich neben James, woraufhin Remus keine Wahl mehr blieb.

Etwas geknickt musterte er seine Zimmergenossen, die in ihren Taschen nach Pergament, Tinte und ihren Schreibfedern fischten und setzte sich schließlich neben Lily.

Da bin ich wieder, dachte er verbittert, in der ersten Reihe bei den Mädchen, ein leichtes Ziel.

Doch Hogwarts sollte sein Neuanfang sein und kein Rückschritt. Dafür würde er schon sorgen...

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Die von Dunst und Staub beschlagenen Scheiben lagen versteckt hinter den zugezogenen Vorhängen. Smaragdgrünes Licht fiel zu Boden, warf schwarze Schatten verformter Ungeheuer an die zitternden Wände.
Die Dunkelheit grollte über ihm wie der lechzende Wolf, bereit den letzten Sprung anzusetzen, um sich auf seine Beute zu stürzen, sie in Fetzen zu reißen und nichts übrig zu lassen, außer der blutigen Lache, die der bloße Beweis dafür war, dass das Leben, das einst existierte, nun in Vergessenheit geraten würde...

Regulus Black kauerte in dem engen Spalt zwischen seinem Bett und dem großen Schrank, versteckt vor aller Augen, die Tränen verschleierten ihm die Sicht, beide Arme über den Kopf gehoben, wie um sich vor all dem zu schützen, was auf ihn niederprasseln könnte. Tiefsitzende Schluchzer schüttelten seine zarte Gestalt, ließen ihn Husten und Keuchen, beinahe an seinen eigenen Tränen ersticken.

Die Schreie seiner Mutter hallten noch immer durchs Haus, klingelten in seinen Ohren wieder, als stünde sie noch immer direkt neben ihm.

Immer tiefer versuchte er in der Unkenntlichkeit zu versinken, mit den Schatten zu verschmelzen, doch jedes Mal, wenn er die verklebten Lider aufriss, war er noch immer an diesem Ort, wo Sirius ihn allein gelassen hatte.

Wie benebelt starrte er an die dunkel tapezierten Wände, versuchte sich krampfhaft vorzustellen, er wäre weit weit weg... er wäre wieder bei ihm.

Doch es war Sirius' Schuld, dass Mutter so wütend geworden und Vater in seinem Arbeitszimmer verschwunden war. Es war Sirius' Schuld, dass er nicht nach Slytherin sortiert wurde, es war Sirius' Schuld, dass er Regulus zurückgelassen hatte, dass Vater vor unterdrücktem Zorn, den halben Salon in die Luft gejagt hatte... dass Regulus' Gesicht von Brandwunden überzogen war und es niemanden kümmerte...

Denn ihr geliebter Sirius ist in Ungnade gefallen, doch was mit dir geschieht, kümmert nicht einmal den jämmerlichen Hauselfen.

Regulus schüttelte den Kopf. Es war unfair, Kreacher so zu behandeln, wo der Elf ihm in der letzten Zeit, so viel mehr als bloß ein Freund gewesen war, wie eine stützende Säule, die ihn aufrecht hielt, wenn er drohte zu fallen...

»BLUTSVERRÄTER! ABSCHAUM! EINE SCHANDE FÜR DIE FAMILIE!«

Walburgas Stimme schallte auf einmal viel lauter als noch zuvor. Regulus hob den Kopf, nur um gerade noch zu sehen, wie sich die dunkle Holztür wieder knarzend schloss und Kreacher mit seinen tellergroßen Kulleraugen unbeholfen im Raum stand, die fledermausflügelähnlichen Ohren auf- und abwippend, während er seine kleinen Hände unruhig an dem alten Kissenbezug abzuwischen versuchte. Dunkelrote Flecken blieben auf dem verdreckten Weiß zurück, als er seine Arme ungalant an seinen Seiten fallen ließ, die Handinnenflächen vor dem jungen Meister stets verborgen.

Eine nachdenkliche Falte zog sich über Regulus' Stirn und er schluckte schwer.

»Kreacher, zeig mir deine Hände«, befahl er mir krächzender Stimme.

Die Augen des Hauselfen füllten sich mit Tränen, als dieser zurückschreckte und die Hände weiterhin hinter seinem Rücken versteckt hielt.

»Master Regulus, Kreacher möchte nicht-«

»Zeig mir deine Hände, Kreacher!« Mit mehr Nachdruck in der Stimme rappelte sich der Junge Black auf, fuhr sich selbst über die Wangen, wo die Spuren der salzigen Tränen noch immer im grünen Licht des Zimmers schimmerten und durchquerte mit wenigen Schritten den Raum, wo er vor Kreacher auf die Knie ging, um dessen Hände zu inspizieren.

Die rauen Hände des Hauselfen waren zerschunden. Es war nicht ungewöhnlich für Kreacher, verletzt zu sein, besonders nicht wenn Walburga oder Orion einen ihrer... Anfälle hatten, doch je älter Regulus wurde, umso weniger verstand er, wieso seine Eltern ihren Zorn an einem so unschuldigen Geschöpf auslassen mussten.

Sie waren wütend wegen Sirius und nicht wegen des Hauselfens. Sollten sie also doch einfach einen Heuler nach Hogwarts schicken, anstatt Regulus das halbe Gesicht wegzusprengen und Kreacher vorsätzlich zu verletzen, damit wäre Genüge getan.

Behutsam drehte Regulus Kreachers Handinnenflächen zu sich und hätte sie vor Schreck beinahe wieder losgelassen.
Der Anblick schnürte ihm die Kehle zu. Tiefe rote Striemen zeichneten sich auf seiner Haut ab, bildeten sich zu geschwollenen Wülsten, aufgerissen und blutig, als hätte ihn jemand ausgepeitscht...

Wieder schossen Regulus die Tränen in die Augen und schnell zog Kreacher seine Hände zurück, wischte sich erneut das Blut an seinem dreckigen Gewandt ab und versteckte die Hände hinter dem Rücken.

Der junge Black bekam kaum einen Ton hervor, seine Kehle war wie zugeschnürt, alles um ihn herum drehte sich, verschwamm vor seinen Augen. Ihm war schlecht.

»H-heil dich«, war alles, was ihm über die Lippen kam.

Kreacher schüttelte traurig den Kopf. Sie beide wussten, dass er das nicht so einfach durfte. »Master Regulus, Kreacher-«

»Heil dich sofort, ich befehle es dir! Dein Meister befiehlt dir, dich zu heilen!«

Mit schmerzverzerrtem Gesicht nickte der Elf schließlich und schloss beide Hände zu Fäusten. Als er sie wieder öffnete waren die Wunden geschlossen, beinahe nicht mehr zu sehen, bis auf kleine weiß-silbrige Narben, die noch erahnen ließen, dass dort schwarzmagische Sprüche angewandt worden waren, deren Male nie vollends verblassen würden.

»Danke«, krächzte Regulus und noch ehe er fertig gesprochen hatte, wurde ihm bewusst, wie fremd dieses Wort doch aus seinem Mund klang, so lange hatte er sich schon nicht mehr für etwas aufrichtig bedankt.

»Oh nein, Master Regulus!«, Kreacher schüttelte so heftig mit seinem Kopf, dass die ledrigen Ohren schlackerten. »Es ist an Kreacher, sich zu bedanken.« Er verbeugte sich so tief, dass seine Nasenspitze die dunklen Holzdielen berührte.

Der Hauself hob wieder den Kopf und zupfte unruhig an seinem Kissenbezug herum, ehe er näher an seinen Herrn herantrat und beide Hände an dessen kindliche, runde Wangen legte. Regulus schloss angestrengt die Augen, als er realisierte, was Kreacher vorhatte.

Eine angenehme Wärme ging von Kreachers kalten Händen aus, die wie eine kleine Flamme über sein ganzes Gesicht züngelte und all den Schmerz mit sich nahm, als sie wieder in sich zusammenfiel und der Hauself die Finger zurückzog.

»Danke«, sagte Regulus erneut und betastete seine linke Gesichtshälfte, wo bis eben noch Brandblasen und Schorf gewütet hatten und nun nichts mehr davon zu spüren war.

Erneut verbeugte sich der Hauself.

Ruhe kehrte ein. Walburgas Schreie verblassten, das Poltern verebbte und auf einmal war das Haus völlig ruhig, beinahe gespenstisch...

Regulus sah aus dem Fenster, Mondlicht schien herein, hüllte das Zimmer in einen grünen Schein.

Wieso war Sirius nicht nach Slytherin sortiert worden?, fragte sich Regulus und kalte Angst kroch seinen Nacken empor. Würde ihm das auch geschehen?

Nein, es musste an dem Verhalten gelegen haben, dass Sirius in den letzten Jahren an den Tag gelegt hatte, seine patzige Einstellung, die Verachtung des reinen Zauberergeschlechts. Er hatte seiner Familie Stück für Stück den Rücken gekehrt, als wären sie alle bloß bedeutungslose Individuen, mit denen er sich ein Haus teilte... und jetzt musste er die Folgen tragen.

Sirius war ein Verräter, damit hatten seine Eltern Recht.

Kreacher stand noch immer unschlüssig im Raum, wie bestellt und nicht abgeholt. Unruhig warf er der Tür immer wieder schmachtende Blicke zu, doch er ging nicht, ließ Regulus nicht allein zurück.

»Kreacher? Ist noch etwas?«

Der Hauself zuckte bei der Erwähnung seines Namens merklich zusammen.

»Master Regulus, Kreacher wollte seinem Master noch etwas überreichen.«

Regulus runzelte die Stirn. »Was meinst du?« Doch der Elf hatte die Hand schon tief in einer der eingenähten Taschen des Kissenbezuges vergraben und eine angestrengte Miene aufgesetzt, als würde, das was er vorhatte, erstaunliche Kraft abverlangen.

Verwirrt rutschte Regulus näher an ihn heran, doch er hätte wohl mit allem gerechnet, nicht jedoch damit.

»Kreacher? Wo hast du das her?«, rief er aufgeregt, darauf bedacht, die Stimme nicht zu sehr zu erheben. Seine Eltern sollten davon sicher nichts erfahren...

»Master Regulus ist traurig, dass sein Blutsverräter-Bruder nicht mehr da ist.«

»Ich-«, Regulus stoppte. Er wollte die Aussage des Elfen verneinen, immerhin war Sirius' Abwesenheit nun wirklich nichts, dass ihm zu schaffen machte - zumindest wollte er sich das nicht eingestehen, nicht jetzt -, doch er konnte nicht. »Nenn ihn nicht so, Kreacher!«, fauchte er stattdessen, »Er ist noch immer dein Herr und Meister.«

Kreacher nickte ehrfürchtig. »Ja, Master Regulus.«

Der jüngste Black wandte sich wieder dem Gegenstand in Kreachers Hand zu.

»Und jetzt erzähl mir, wo du das her hast.«

Der silbrige Anhänger eines zotteligen schwarzen Hundes baumelte wie eine vom Wind erfasste Schaukel vor seinem Gesicht hin und her.

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⁰¹⁴· ᴹᵋᵗªᶬºʳᵖʱᶱˢᵉⁿ

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