Kapitel 22

"Nun, um die Wahrheit zu sagen, ich habe viele Einladungen erhalten, dich in ihrer Show zu haben. Ich weiß, ich hätte dir das vorher sagen sollen, aber ich hielt es für meine Pflicht, als deine Komplizin die Identität des Love Gurus zu wahren.", gab Lia zu, als sie mir schweigend zugehört hatte, als ich in ihr Büro gestürmt kam.

"Ich verstehe." Das war alles, was ich sagen konnte, denn der Gedanke, dass man mich um ein Interview bat, überwältigte mich immer noch.

"Aber jetzt ist die Frage, bist du bereit und gewillt, es zu tun?", erkundigte sie sich und stützte ihre Ellbogen auf dem Schreibtisch. Ihr Augen voller Verständnis, und doch lag ein Hauch von Vorfreude darin.

"Ich bin mir nicht sicher. Ich habe das Gefühl, dass ich es meinen Lesern schuldig bin, sie wissen zu lassen, wer sich hinter dem Namen verbirgt. Andererseits habe ich Angst davor, wie es auf sie wirken würde.", sagte ich ehrlich, noch immer in Gedanken versunken.

"Dann las mich dich folgendes fragen. Warum bist du überhaupt Love Guru geworden?"

Es schien ihr wichtig zu sein, zu hören, was ich zu sagen hatte, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass ich ihr alles erzählt hatte, als wir gerade anfingen Freunde zu werden. 

"Ich hatte das nicht geplant. Es ist einfach passiert. Ich habe einfach nur mit dem Erstellen von Webseiten herumgespielt und als Nächstes bekam ich drei E-Mails, in denen ich um Ratschläge in Sachen Liebe gebeten wurde. So fing es an, bis die Internetgemeinde meine Seite gefunden hatte und mich um Rat fragte. Ich weiß, ich könnte mich davon abwenden, die Probleme, über die ich lese, und die Menschen, die sie haben, vergessen, aber ich wollte ihnen helfen, ihnen Hoffnung geben. Deshalb bin ich weiterhin die Person, die sie alle als Love Guru kennen."

"Wenn das so ist, sehe ich kein Problem darin, dass die Leute brutal auf dich reagieren. Weißt du noch, als ich dich kennengelernt habe? Ich habe mich nicht so verhalten, als wärst du jemand, dem ich mein Liebesleben nicht anvertrauen sollte, denn ich hatte das Gefühl, denn das würde sich anfühlen, als sollte ich dir Ratschläge geben und nicht umgekehrt. Aber siehst du, hier wirst du erkennen, wie wichtig du für diejenigen bist, denen du auf ihren Weg geholfen hast. 

Es spielt keine Rolle, ob sie es für einen Scherz halten, dass eine so junge Frau wie du sich als die Person entpuppt, die sie auf ein Podest gestellt haben. Der Einzige, der dir jemals das Gefühl geben könnte, von dir enttäuscht zu sein, wärst du selbst. Was soll's, wenn sie beschließen, dass du es nicht wert bist, dass man dir zuhört. Deine Werke sprechen mehr für dich als dein Aussehen, dein Alter oder deine bisherigen Beziehungen.

Denk darüber nach und sag mir, ob du es tun willst oder nicht. Ich werde dich nicht dazu zwingen, weil dir deine Privatsphäre so wichtig ist.", beendete Lia ihre beeindruckende Rede und mir wurde wieder einmal klar, warum sie zur Chefredakteurin ernannt worden war, obwohl es für die Stelle infrage kommende Autoren gegeben hätte, die schon seit Jahren in der Firma waren, bevor sie kam.

Ich saß eine Weile schweigend da und beschloss, nicht weiter nachzudenken, sondern dem zu folgen, was mein Bauchgefühl mir sagte. "Ich werde es tun. Du hast recht, es ist nicht mein Problem, wenn sie denken, ich hätte nicht das Zeug dazu. Ich habe mich nicht aufgestellt, um der Love Guru zu werden, sie haben mich dazu gemacht. Wenn es etwas zu verlieren gibt, dann die Anzahl der E-Mails und Briefe, die ich beantworten muss.", scherzte ich und fühlte  mich viel besser, als ich diese Entscheidung getroffen hatte.

Ich stand auf, ging um ihren Schreibtisch herum und umarmte sie kurz. "Danke, dass du mir geholfen hast mich zu entscheiden. Ich werde es Diana besser sagen gehen, dass ich es mache, bevor ich die Nerven verliere.", lächelte ich.

Ich machte mich auf den Weg zurück zu meinem Arbeitsplatz und fühlte mich viel besser. Ich war gerade dabei meine Antwort gedanklich zu verfassen, als ich sah, dass jemand auf meinem Stuhl saß.

Mit gerunzelter Stirn ging ich näher, um denjenigen genauer zu betrachten. Es war Zack und er sah wütend aus, so angespannt wie er da saß. Das überraschte mich, da ich ihn nach seiner Ankunft noch nicht gesehen hatte, und ich kam nicht umhin mich zu fragen, was seine Verärgerung bereits um diese Zeit am Morgen verursacht haben könnte.

Als ich mich dem Eingang näherte, lehnte ich meinen Kopf hinein und gab ein unsicheres Hallo von mir. Ich hielt mich für alles bereit, was passieren konnte.

"Wie lange verheimlichst du das schon vor allen?", fragte er kalt und drehte sich mit bedächtiger Langsamkeit zu mir um. 

"Wovon sprichst du? Seit wann bist du hier?", fragte ich ungläubig und stand immer noch im Eingang zur Kabine.

"Verarsch mich nicht. Wie lange spielst du schon mit mir?" Zack stand so schnell auf, dass mein Stuhl mit einem lauten Knall gegen den Schreibtisch prallte.

"Wovon redest du? Mit dir spielen? Wie das? Ich verstehe überhaupt nichts. Ich habe dir nie etwas getan. Ich bin dir ein guter und ehrlicher Freund gewesen. Was willst du noch?", fragte ich noch verwirrter als zuvor. "Was ist hier los? Wie kommst du auf sowas?" 

Ich konnte nicht verhindern, dass mir Tränen in die Augen stiegen, denn sie schwammen schon eine ganze Weile nah an der Oberfläche. 

"Was hat das dann zu bedeuten?" Er deutete auf meinem Computerbildschirm.

Ich blinzelte durch die Tränen hindurch und stieß einen kleinen Schrei aus. "Was ist damit? Du hast also von meinem anderen Job hier erfahren. Aber das erklärt immer noch nicht, wovon du sprichst. Und wenn ich es vor dir verheimlicht habe? Ich habe es Mary Beth, Janie, Hannah und Aya ebenfalls verschwiegen. Die einzige, die von Anfang an davon wusste, war Lia, und jetzt Steve, weil er sich um das Buch gekümmert hat. Was willst du noch wissen?"

Ich zwang mich meine Stimme ruhig und leise zu halten, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen, als wir ohnehin schon hatten.

"Ach ja? Ist das die Wahrheit? Irgendwie hätte ich nie gedacht, dass du dahinter steckst. Es scheint, als ob du nicht einmal die Möglichkeit wahrnimmst, dass jemand über dich schreiben könnte. Lass mich dir noch eine letzte Frage stellen: Hast du jedem, der dich jemals um Hilfe gebeten hat, aufrichtig geantwortet?", fragte er angespannt.

"Natürlich habe ich das. Ich habe sie immer wie Freunde behandelt, die um Hilfe bitten. Ich habe nicht ein einziges Mal unbedacht einen Ratschlag gegeben. Was deine andere Stichelei betrifft: Ich habe zwar an die Möglichkeit gedacht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist so gering, dass ich meine Zeit nicht damit verschwenden sollte, mich zu fragen, ob jeder Schreiber über mich sprechen könnte. Wie anmaßend wäre das? Tatsächlich haben die Leute keine klare Vorstellung von meinem Geschlecht hinter diesem Namen.", erklärte ich verwirrt und trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als er sich bedrohlich zu mir hinunterbeugte.

"Dann ist es vielleicht an der Zeit, dass du noch einmal liest, was du geschrieben hast."

Nachdem er gegangen war, ließ ich mich völlig erschöpft von einer Mischung aus Schock und gerechtem Zorn, auf meinem Stuhl nieder. Der Stuhl war immer noch leicht warm von ihm und dieser Gedanke brachte mich erneut zum Weinen.

Ich versuchte das Geräusch zu dämpfen, indem ich mir die Faust in den Mund stopfte, während ich in meiner Tasche nach einem Taschentuch kramte. Ich atmete tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Einige meiner Bürokollegen steckten ab und zu ihre Köpfe herein, aber ich winkte sie weg, hoffentlich mit der Gelassenheit eines 'Es geht mir gut'.

Ich trocknete meine Augen und wandte mich dem Monitor zu, bis meine tränennassen Augen sich endlich darauf konzentrierten konnten. Der Brief von Diana Roces winkte mir zu.

Mit zitternden Fingern antwortete ich schnell, meine Gedanken waren nicht ganz bei der Begeisterung, die damit verbunden war. Ich war zu verwirrt und zu verletzt, um meine Arbeit zu erledigen, so dass ich mich einfach abmeldete und meinen Computer schloss.

Ich stand auf, sammelte die wenigen Dinge ein, die noch auf meinem Schreibtisch lagen und ließ sie in meine Tasche verschwinden. Ich machte mich auf den Weg zu den Toiletten und betrachtete mich im Spiegel.

Ich sah müde und ausgelaugt aus. Meine Augen waren rot und meine Haut wirkte klamm. Mein Make-up war ein kleines Durcheinander, aber zum Glück sahen meine Haare und mein Kleid nicht so aus, wie ich mich fühlte.

Nachdem ich mir Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, um meine erhitzten Wangen zu kühlen, trug ich mein Make-up erneut auf und tat mein Bestes, um so frisch zu wirken, als wäre es Morgen. Und dann machte ich mich wieder auf den Weg und beschloss den Arbeitstag früher zu beenden. Ich hatte alles erledigt, was ich zu tun hatte. Meine Fristen eingehalten, sodass es für mich keinen Grund mehr gab, nach dieser Szene noch zu bleiben.

Ich ging erneut zu Lias Büro, wobei ich darauf achtetet, mein Gesicht abzuwenden und mein Kinn hochzuhalten, um  zu verhindern, dass sich jemand nach den Ereignissen von vorhin erkundigte. Ich verabschiedete mich von ihr und kämpfte mit den Tränen, als sie mich heftig umarmte und ebenfalls weinte.

An diesem Tag verließ ich das Gebäude, ohne mich umzudrehen, weil ich befürchtete, mich damit für immer an die Erinnerung zu binden, die es hervorrief.

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