Kapitel 17

Am nächsten Tag kam ich noch verschlafen ins Büro. Ich war fast die ganze Nacht wach gewesen und hatte alle E-Mails beantwortet, die ich an diesem Tag erhalten hatte. Auf dem Weg nach oben holte ich mir eine Tasse Tee und schaffte es den Weg zu meiner Kabine zu finden.

Ich hatte noch nicht einmal die halbe Tasse leer getrunken, als Mary Beth hereingestürmt kam. Sie sah beunruhigte aus, dass ich nicht anders konnte, als zu fragen.

"Was ist los?"

"Es geht um Zack. Er ist nicht hier." Mary Beth war fast hysterisch.

"Vielleicht ist er noch zu Hause.", schlug ich vor.

"Nein, ist er nicht. Ich habe bereits bei ihm in der Lobby angerufen, und sie haben gesagt, er wäre letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Mehr noch, er hat nicht einmal angerufen, um ihnen zu sagen, dass er nicht nach Hause kommen würde." Mary Beth war offensichtlich in Panik.

"Er ist ein erwachsener Mann, er kann auf sich selbst aufpassen.", versuchte ich sie zu beruhigen.

"Das weiß ich, aber wir haben bald ein wichtiges Meeting, und wenn er bis dahin nicht hier ist, haben wir alle ein Problem.", heulte sie fast.

"Okay, okay, lass ihn uns suchen gehen.", bot ich an und leerte meine Tasse in einem Zug und spürte, wie ich mir die Zunge verbrannte und der heiße Tee wie Lava meine Speiseröhre hinunter brannte. Ich stand auf und schnappte mir meine Tasche. "Um wie viel Uhr ist das Meeting?"

"Um 10 Uhr. Wir haben nur noch etwa eine halbe Stunde."

"Okay, teilen wir uns auf. Er könnte hier irgendwo sein. Du nimmst die untere Etage und arbeitest dich nach oben. Ich arbeite mich nach unten.", übernahm ich die Kontrolle über die Situation, da Mary Beth zu besorgt war, um irgendwelche Pläne zu machen.

Ich fand ihn in dem Zimmer, in dem ich ihn gestern zurückgelassen hatte. Er schlief fest und hatte den Kopf auf einen Arm gestützt. Ich rüttelte ihn wach, nachdem ich heruntergefallenen Briefumschläge und die leeren Kartons mit dem Essen zum Mitnehmen zur Seite geschoben hatte.

"Aufwachen, Schlafmütze. Jetzt ist nicht die Zeit zum Schlafen, weißt du.", neckte ich ihn und versuchte einen Weg zu finden, ihn schnell aufzuwecken. Ich versuchte ihn zu schütteln, aber er schlief weiter, also versuchte ich ihn zu kitzeln, aber auch damit hatte ich kein Glück, da er scheinbar überhaupt nicht kitzelig war.

Ihn mit Wasser zu wecken hatte ich bereits ausgeschlossen, da ich nicht wusste, ob er einen Föhn in seinem Büro hatte. Da mir nichts weiter einfiel, näherte ich mich seinem Ohr und stieß einen markerschütternden Schrei aus.

Er schreckte auf und sah sich nach irgendwelchen Anzeichen von Ärger um, und ich konnte nicht anders, als loszulachen. Er schüttelte den Kopf und versuchte sich auf mich zu konzentrieren. 

"Was ist los?", fragte er und rieb sich die Augen.

Schwach vor Lachen, legte ich meine Hand auf seine Schulter, um mich zu stützen. "Ärger, wenn du deinen Hintern nicht für dein wichtiges Meeting hochkriegst.", schaffte ich hervorzubringen, während ich immer noch nach Luft schnappte.

"Wie spät ist es?", fragte er viel wacher.

"Neun Uhr dreißig. Du hast eine halbe Stunde um dich frisch zu machen, also mach dich an die Arbeit.", befahl ich und ließ seine Schulter los, als ich sicher war, dass ich wieder genug Kraft in den Beinen hatte.

Er stand nur wenige Zentimeter von mir entfernt und ich fühlte mich wieder in die Zeit zurückversetzt, als ich ihn zum ersten Mal getroffen hatte. Ich hatte ganz vergessen, wie einschüchternd seine Größe aus der Nähe im Halbdunkeln war. Mit seinem vom Schlaf zerzausten Haar und den leichten Bartstoppeln, die Schatten auf sein kräftiges Kinn warfen, war er noch attraktiver. 

Ich machte einen unbehaglichen Schritt zurück, dass Lachen vollkommen verstummt. "Also dann, ich sollte wohl besser Mary Beth antexten und ihr sagen, dass du gefunden wurdest." Ich hätte mich selbst dafür schlagen können, dass ich genau in diesen Augenblick so heiser klang.

Bevor ich mich noch mehr in Schwierigkeiten bringen konnte, wendete ich mich zum Gehen. Er hielt mich am Arm fest und ich drehte mich langsam wieder zu ihm um. "Ja?", brachte ich locker hervor und zwang mich dazu ihn so anzusehen, wie ich es getan hatte, als er noch gesessen hatte.

"Woher wusstest du, dass ich hier sein würde?", fragte er, seine Augen im Schatten des unbeleuchteten Raums verborgen.

"Na ja, ich hatte so eine Ahnung, dass du vielleicht beschlossen haben könntest, die ganzen Einladungen fertig zu machen.", zuckte ich mit den Schultern.

"Ich verstehe. Ist das alles?" Er klang ein wenig enttäuscht, aber ich konnte mi nicht sicher sein.

"Ja. Was ist los?", fragte ich ihn mit gerunzelter Stirn.

"Nichts. Lass uns einfach von hier verschwinden." Er lief in Richtung Tür, seine Hand verließ meinen Arm und er verschwand aus dem Zimmer.

Seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen, aber ich konnte mich nicht davon abhalten, an ihn zu denken und mich zu fragen, warum er so enttäuscht erschien. Es fühlte sich seltsam an, denn bisher hatte ich ihn immer leicht aus meinen Gedanken verdrängen können, aber jetzt hatte ich das Gefühl, mehr über ihn wissen zu wollen.

Ich versuchte mich auf das, was ich tat, zu konzentrieren und wusste, dass ich versagt hatte, als ich mir erneut die Finger verbrannt hatte. Ich ließ die Kerze auf die Zeitung fallen, die ich zum Schutz des Tisches ausgelegt hatte und saugte an meinem Finger.

"Du solltest vorsichtiger sein."

Ich drehte mich um und sah in am Türrahmen gelehnt stehen. Offenbar hatte er in seinem Büro Anzüge für den Notfall aufbewahrt und in seinem persönlichen Badezimmer einen Föhn und Rasierzeug. Ich weigerte mich auf die Stichelei einzugehen und fragte ihn stattdessen nach dem Meeting. "Und wie ist es gelaufen?"

"Gut. Mary Beth war von dem Erfolg ziemlich begeistert." Er richtete sich auf und machte sich auf den Weg zu dem Stuhl, auf den er heute Morgen gesessen hatte. "Man könnte meinen, Großvater hätte ihr die Firma überlassen und nicht mir."

"Was meinst du damit?" Ich vergaß die Kerze und drehte mich zu ihm um.

"Wusstest du das nicht? Mary Beth ist meine Cousine. Eigentlich könnte sie eine Höhere Position in der Firma bekommen, aber sie zieht es vor meine Assistentin zu sein. Da wir keine Geschwister haben, ist sie mir immer nach gelaufen, als wäre ich ihr großer Bruder oder so, und ich schätze, dass ich sie deshalb auch wie eine kleine Schwester behandelt habe.", erklärte er. 

"Wie kommt es, dass sie dich als ihren Boss und nicht als ihren Cousin vorgestellt hat?", fragte ich, als mir einfiel, wie Mary Beth ihn mir auf meiner Geburtstagsparty vorgestellt hatte.

"Ganz einfach. Sie wollte nicht, dass andere denken, dass sie nur deshalb so viele Gefallen bekommt, weil wir verwandt sind. Tatsächlich hat sie sich den Hintern für diese Gefallen aufgerissen."

"Oh, ich verstehe. Deshalb hat sie immer wieder gesagt, dass ihr beide nicht zusammen seid.", murmelte ich abwesend und griff wieder nach der Kerze.

"Hat sie das wirklich zu dir gesagt?", fragte er und beugte sich ein wenig vor.

"Ja, obwohl ich keine Ahnung habe, warum sie so defensiv deswegen ist." Ich schnappte mir einen weiteren Stapel Einladungen, um sie einzutüten. "Danke für deinen Einsatz gestern und heute Nacht. Wir müssen nur noch ein paar weitere davon versiegeln, dann können wir sie bis zum späten Nachmittag ausliefern." Ich drehte mich zu ihm und lächelte ihn an.

"Hey Julia.", begann er nachdenklich.

"Ja?"

"Hast du schon eine Verabredung?", fragte er ein wenig verlegen.

"Noch nicht, warum? Ist es ein Muss, mit einem Date zu kommen?" Ich runzelte die Stirn, während ich weiter arbeitete.

"Eigentlich nicht. Aber wie kann's, dass du noch kein Date hast?"

"Komisch das du das fragst. Um die Wahrheit zu sagen, habe ich mich das auch schon gefragt. Es ist ja nicht so, dass ich die Tatsache verheimliche, dass ich wieder auf dem Markt bin. Vielleicht sollte ich ein Schild über den Kopf tragen, auf dem steht, dass ich zu haben bin, das würde sicher die Aufmerksamkeit von jemanden erregen." Ich kicherte bei dem Gedanken.

Er räusperte sich. "Würdest du dann vielleicht mit mir gehen?"

"Klar. Das wäre toll. Danke fürs Fragen." Ich lächelte ihn erneut an. Schließlich ist er gar kein so schlechter Mensch.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top